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Tei; aber sie verwirrte sich in ihren Worten und wiederholte| Meine Frau war die Tochter eines Bodenarbeiters. an der Leipzigzum Schlusse immer dieselben Dinge.
So näherten sie sich der Hütte.
"
Warte hier auf mich. Ich packe bloß meinen Korb aus und fomm' aleich wieder zurüd."
Sie beschleunigte ihren Schritt und ließ ihn auf der Straße stehen; er sah sie die Türe öffnen; fast unmittelbar nach ihr erschien eine hegere Frauengestalt auf der. Schwelle und winkte ihm, näherzutreten. Aber da er nicht ganz sicher war, ob er recht gesehen habe, blieb er unbeweglich stehen. Da stellte sich die Frau breitspurig auf die Chauffee und machte diesmal deutliche Zeichen mit den Armen, daß er kommen Schau, schau," sagte er zu sich, die Couanole ruft mich! Vielleicht meint fie's gut mit mir."
solle.
In Erinnerung an die verschiedenartigen Metiers der Alten tauchte in ihm der Gedanke auf, daß sie ihnen vielleicht für ihre Liebe dienlich sein könne. Er erwiderte die Aufforderung, indem er seinen Hut in der Luft schwenkte. Und Iangsam näherte er sich ihrer Behausung.
Bist du mit Germaine gefommen?" fragte fie.„ Warum kommst du nicht herein? Das Haus steht ihr und allen, die sie gern hat, zu Verfügung."
Um den Kopf hatte sie einen Wischlappen gewunden, daraus einzelne graue Haarbüschel hervorquollen: mit ihren schielenden Augen warf sie ihm bedeutsame Blicke zu. Ihr langes, hageres Knochengestell bewegte sich lebhaft unter dem sauberen, aber vielfach geflicten Gewand. Ihre Haut war gelblich und rissig wie bei allen im Walde Hausenden Menschen.
Das Gesicht des Burschen schien in ihr eine Erinnerung wachzurufen. Nachdenklich betrachtete sie ihn.
Ich muß dich schon einmal gesehen haben. So sicher, wie du da stehst.... Aber wenn ich nur wüßt', wann und wo?" Plötzlich schlug sie sich mit der flachen Hand auf die Schenkel und rief aus, daß sie ihn unter Tausenden wiedererkannt haben würde, er sei niemand anderer als Cachaprès, man habe ihn ihr einmal in einem Wirtshause in einem Dorfe gezeigt. Und sie nannte auch den Namen des Wirtes. Er kannte ihn. Jawohl, er habe dort einen guten Bekannten in der Nähe. Und er schmunzelte. Die Alte behauptete, daß es auf der ganzen Welt keinen schöneren und kühneren Burschen gäbe und schloß:
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,, Dein Liebster ist ein Brachtkerl, Germaine!" Sie hatte den Korb auf den Tisch gestellt. Der Reihe nach holte Germaine Schinken, Brot und Kartoffeln hervor. Bei jedem neuen Gegenstande brach die Alte in Ausrufe des Entzückens aus und schlug die Hände überm Kopfe zusammen. Du lieber Himmel! Kindchen, an alles hast du gedacht! Die heilige Jungfrau lohne dir's in dieser und der anderen Welt! So wird die alte Cougnole also nicht Hungers zu sterben brauchen! Kind Gottes! mein Wort, noch heut' abend geh' ich in die Kapelle und bete zu allen Seiligen für dein Seelenheil! Sogar an die Kartoffeln hast du gedacht! Himmlische Jungfrau!- Jetzt fehlt mir gar nichts mehr, höchstens vielleicht ein Kleidchen, so ganz ein abgetragenes Kleidchen, das niemand mehr anzichen will. Nein, meiner Treu, gar nichts anderes sonst! Dann will ich ruhig mein Ende erwarten und dich preisen als das schönste und beste Mädchen, das eristiert. Ein bißchen Kirschwasser tät' mir vielleicht auch gut. Manches Mal hab' ich so einen merfwürdigen Krampf im Magen, als ob er plaßen wollt. Das tät' mir sicherlich gut! Du gütiger Gott! Wer anders als Germaine fönnt' mir solch eine Wohltat erweisen?- Aber, fie fann doch nicht alles wissen, nein, sie weiß auch gewiß nicht, daß so ein ganz ein klein bißchen Geld einer armen, alten Frau wie mir ein Segen wäre!"
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Fortsegung folgt.)
Eine Quelle des Glücks und ein Trost in ihren schweren
Magdeburger Bahn, der schon gestorben war, als ich sie kennen lernte. Meine Braut war Arbeiterin in einem Leipziger Putwarengeschäft. Wir verlobten uns im Herbst 1864, kurz vor dem Tode ihrer braven Mutta, und heirateten im Frühjahr 1866. Jch habe meine Ghe nie zu bereuen gehabt. Eine liebevollere, hingebendere, allezeit opferbereitere Frau hätte ich nicht finden können. Leistete ich, was ich geleistet habe, so war dieses in erster Linie nur durch ihre unermüdliche Pflege und Hilfsbereitschaft möglich. Und sie hat viele schwere Tage, Monate und Jahre zu durchkosten gehabt, bis ihr endlich die Sonne ruhigerer Zeiten schien. Stunden wurde ihr unsere im Januar 1869 geborene Tochter, mit deren Geburt ein amüsanter Vorgang verknüpft ist. Am Vormittag de betreffenden Tages saß ich in der Stube vor meinem Schreibtisch und wartete in großer Aufregung auf das erhoffte Ereignis, als an der Tür geklopft wurde und auf meinen Hereinruf ein Herr in die Stube trat, der sich als Rechtsanwalt Albert Träger vorstellte. Trägers Name war mir bereits durch seine in der Gartenlaube veröffentlichten Gedichte und seine öffentliche Tätigkeit bekannt. Nach unserer Begrüßung äußerte Träger verwundert:" Sie sind ja noch ein junger Mann, ich glaubte, Sie seien ein älterer, behäbiger Herr, der sein Geschäft an den Nagel gehangen hat und die Politik zu seinem Vergnügen treibt." Ich stand in der üblichen grünen Drechslerschürze vor ihm und antwortete lächelnd:" Wie Sie sehen, sind Sie im Irrtum!" Wir unterhielten uns dann, bis ich in der Nebenstube den erwartetenKinderschrei hörte. Jest gab's für mich kein Halten mehr. Mit wenigen Worten klärte ich Träger über die Situation auf, worauf er mir herzlich gratulierte und sich entfernte. Einige Jahre später kam Träger ebenfalls in den Reichstag , und so wurden wir Kollegen und blieben, trot unserer prinzipiell verschiedenen Standpuntte, gute Freunde.
Meine Stellung in der Arbeiterbewegung wie meine Verlobung ließen mir meine dauernde Niederlassung in Leipzig wünschbar erscheinen. Sachsen hatte zwar im Jahre 1863 die Gewerbefreiheit eingeführt, aber wer sie als„ Ausländer" benutzen wollte, und das war jeder Nichtsachse, mußte die sächsische Naturalisation erwerben. Das kostete damals viel Geld, denn gleichzeitig mußte man sich auch in einer Gemeinde einbürgern lassen. Zur Selbständigmachung und zur Naturalisation fehlten mir aber die Mittel. Die letztere erforderte mit dem Bürgerwerden in Leipzig zirka 150 Taler, und was ich von Hause erwarten konnte, waren zirka 350 Taler. Unerwarteterweise wurde ich zur Selbständigmachung gezwungen, indem mir mein Meister Ende 1863 unter der Vorgabe, er habe keine Arbeit mehr für mich, kündigte. In Wahrheit kündigte er mir, weil er gehört, ich wolle mich selb= ständig machen. Er wollte sich also einen Konkurrenten vom Leibe flüssig zu machen war. Ich mietete dann ein Werkstattlokol mitten halten. Ich reiste darauf nach Wetzlar und holte, was an Geld in der Stadt, im Hofe eines Kaufhauses, das eben aus einem Pferdestall in einen Arbeitsraum umgewandelt worden war. Das ofal war so primitiv, daß es noch keine Kaminanlage hatte, und ich bis zur Fertigstellung derselben, wider alle polizeiliche Vorschrift, mein Ofenrohr durch das Fenster in den Hof leiten mußte. Butter an der Sonne zusammengeschmolzen waren, als SchlafDasselbe Lokal mußte mir auch, da meine geringen Mittel wie fror. Um die Naturalisation einstweilen zu umgehen, hatte ich raum dienen, wobei ich in den falten Winternächten jämmerlich mein Geschäft unter der Firma eines befreundeten Bürgers eröffnet, bis ich im Frühjahr 1866, um heiraten zu können, auch die Naturalisation mit Schuldenmachen unternahm. später wären mir viele Kosten infolge der Gesetzgebung des Nord deutschen Bundes erspart geblieben.
eines Lehrlings. Anfangs arbeitete ich wiederholt Tag und Nacht Ich begann mein Geschäft im kleinsten Maßstab, mit Hilfe durch, das heißt sechsunddreißig Stunden hintereinander, um die bestellte Arbeit liefern zu können. Nach einigen Monaten vermochte ich einen Gehilfen einzustellen. Als ich aber im Februar 1867 in den Reichstag gewählt worden war und nun während meiner Abwesenheit meinem Gehilfen Einblicke in das Geschäft gewähren mußte, die er sonst nicht erlangte, fündigte er mir nach meiner Rückkunft und machte sich selbständig. Als ich später diesen Vorgang einem meiner ehemaligen Kollegen erzählte, meinte dieser trocken:„ Das geschieht dir recht, warum zahltest du einen Lohn, bei dem er sich Geld sparen konnte." Dieser horrende Lohn" betrug damals 4½ Taler pro Woche, er war um einen halben Taler höher als in jeder anderen Werkstatt, auch währte bei mir die Arbeitszeit täglich zehn Stunden, anderwärts elf.
Für einen Mann, der im öffentlichen Leben mit einer Welt von Gegnern im Kampfe liegt, ist es nicht gleichgültig, was Geistes Kind die Frau ist, die an seiner Seite steht. Je nachdem kann fie eine Stüße und eine Förderin seiner Bestrebungen oder ein Im übrigen lernte ich das Elend des Kleinmeisters gründlich Bleigewicht und ein Hemmnis für denselben sein. Ich bin glüd- fennen. Die gelieferten Waren mußten auf längeren Kredit gelich, sagen zu können, die meine gehört zu der ersteren Klasse. geben werden, Lohn für Gehilfe und Lehrling, Spesen und der