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Pflicht der Pietät allein, es ist auch die Notwendigkeit, die Gegen-| Entbehren, und wenn es bei uns auch wohl mitunter schmalen Tisch wart beffer tennen zu lernen, wenn wir an dem 50. Todestage des gab so jammervoll wie bei ihm zu Hause war es doch bisher Mannes die Leitideen seiner Tätigkeit uns ins Gedächtnis rufen. noch nicht bei uns gewefen.

Єin Opfer.

Von Wilhelm Scharrelmann .

V. Th.

Ich hatte es gekauft, als es noch nicht sechs Wochen alt war. Sein Fell war schwarz und glänzend und seine Ohren waren weicher als Seide. Es blickte mit flugen, braunen Augen in die Welt, wurde Hafi" gerufen und war nicht größer als zwei Fäuste, so daß man es bequem hätte in die Tasche stecken können.

Wochenlang hatte ich mir schon eins gewünscht, aber die fünfzig Pfennig, die dafür erlegt werden mußten, waren immer noch nicht dazu übrig gewesen. Nun mein Geburtstag war, durfte ich mir eins faufen, und trug es, heimlich vor Freude bebend, nach Hause. Als Stall diente ihm eine alte Kiste, die mit Heu weich ge= polstert war. Eine kleine Tür war hineingeschnitten und die Ober­fläche zum Schuß gegen den Regen mit Dachpappe benagelt. In der Tür saß ein enges Fenster aus Draht, durch das man Hafis fleines Näschen zuweilen sehen konnte, wenn das Tierchen schnuppernd bor der Tür faß und an den Kohlblättern naschte, die ich ihm ge­bracht hatte.

Das war übrigens die größte Schwierigkeit, die sich alsbald herausstellte: Ein Kaninchen war gar nicht so leicht zu ernähren, als ich es mir früher hatte träumen lassen. Kohlblätter wuchsen in der Großstadt nirgends, und um ein paar Hände voll Gras zu rupfen, mußte man eine halbe Stunde weit laufen! Aber alles ging gut, bis in den Spätherbst hinein. Da fingen freilich die Nationen an, Ileiner und immer kleiner zu werden, trotzdem Hafis Appetit mit jedem Tage mehr wuchs. Es war nun schon ein prächtiges Kerlchen geworden, lang und schwer, und zuweilen war sein Hunger schier nicht zu stillen. Da aber nach dem ersten Frost und Schneefall bald nichts mehr draußen zu finden war, was ich ihm hätte heim­bringen fönnen, mußte sich Hasi zu meinem größten Schmerz mehr und mehr an minderwertige Kost gewöhnen. Besonders Kartoffel­schalen waren sein Futter, das nichts fostete und immer zur Ver­fügung stand.

Immer hatte ich im Stillen darauf gehofft, daß Hafi eines Tages Junge bringen werde, aber meine Hoffnung war immer wieder zu­schanden geworden. Jezt im Winter freute ich mich darüber. Wie hätte ich so viele hungrige Mäuler stillen sollen, nun mir hafi schon Sorge genug machte?

Ich hatte seine Stalltür mit alter Sackleinwand gegen die Kälte verwahrt, aber das Tier tat mir jedesmal leid, wenn ich seine Tür zum Füttern öffnete und es mir gierig schmunzelnd die Nase ent­gegenstreckte, ich ihm aber nichts weiter zu bringen hatte als magere Kartoffelschalen, die in dem harten Winter dünn genug ausfielen. Eines Tages half ich einem meiner Spielkameraden bei seinen Schularbeiten. Er war der Sohn eines armen Klempners und in der Wohnstube, in der er seine Schularbeiten anfertigte, sah es arm­felig genug aus. Der Ueberzug des alten Kanapees, das hinter dem Tisch stand, war so schlecht, daß hier und da unter den Löchern die graue Hede, mit der es gepolstert war, berräterisch genug hindurch­schimmerte. Trotzdem ich bereits häufiger in der Wohnung gewesen war, war mir die Armut meines Freundes eigentlich nie recht zum Bewußtsein gekommen. Ich hatte mit ihm gespielt, wie mit anderen Kindern und war immer gern mit ihm zusammen gewesen. In der Werkstätte seines Vaters, die unten im Keller lag, ließen sich aller­hand Blechabschnitte sammeln, die wir uns abends, wenn unten nicht mehr gearbeitet wurde, mit der scharfen Blechscheere zu allerhand Gegenständen zurecht schnitten, besonders zu Spielmarken, für die wir immer Verwendung hatten.

Wir waren an dem Tage, von dem ich erzählen will, mit unseren Arbeiten noch nicht ganz fertig geworden, als Hermanns Mutter uns plöglich vom Tisch an die Fensterbant verwies, um den Tisch für das Mittagessen zurecht zu machen.

Ich wollte mich entfernen, wurde aber durch Hermanns Fragen über sein Erempel doch noch aufgehalten. Als ich ein paar Minuten später das Bimmer verließ, faß die ganze Familie bereits am Tische und ich sab, daß es zu Mittag nichts weiter als trockenes Schwarz brot gab, dessen Brocken in eine Untertaffe getunkt wurden, die mit Salz gefüllt für alle erreichbar mitten auf dem Tische stand.

Wie Schuppen fiel es von meinen Augen, und ich fam unglück­licher und verwirrter nach Hause, als je.

Als ich in die Stube trat, fah mich meine Mutter prüfend an, strich mir dann mit der Hand über die Backe und fragte leise: Was ist Dir denn?

Nun fonnte ich mich nicht mehr halten! Die Tränen stürzten mir aus den Augen. Ich verbarg meiaen Kopf in ihrem Schoße und weinte mich aus.

Es dauerte Minuten, bis stockend aus mir herauskam, was ich beobachtet hatte.

Sie strich mir wieder und wieder über das Haar und sagte endlich mit leisem Seufzen: Ja, siehst Du, das ist das Leben!

Das Wort durchzudte mich wie ein Blizz, und zum erstenmal fam mir eine Ahnung davon, wie grausam das Leben sein kann.

Ich weiß heute nicht mehr, warum ich es eigentlich getan habe. Ich glaube, mein Mitleid ist zu start gewesen, und meine Scham, nicht helfen zu lönnen, au groß ich mied meinen Freund von dem Tage an. Erst nach Wochen, als der Frühling bereits vor der Tür stand, die ersten Stare wieder von den Dächern pfiffen und die Nahrungssorgen um meinen Hansi sich ihrem Ende näherten, ging ich eines Tages mit Hermann wieder gemeinsam von der Schule nach Hause. Unterwegs fragte ich ihn nach seinem Kaninchen, das ein Zwillingsbruder von dem meinen war, und das er nur wenige Tage später als ich geschenkt bekommen hatte.

Ich habe es nicht mehr stieß er auf meine Frage heraus und wandte den Kopf zur Seite.

Du hast es nicht mehr? wiederholte ich verwundert. Nein. Schon lange nicht mehr!

Wo bist Du denn mit ihm geblieben?

Ich habe es verschenkt.

Wirklich! Wem denn? fragte ich, immer verwunderter. Du haft das Tier doch so gern gehabt?

Zu Weihnachten habe ich's meiner Mutter geschenkt! Deiner Mutter? Ja, was soll denn die damit?

Frag' doch nicht so dumm! herrschte er mich darauf an. Vater hat's geschlachtet und wir haben es zu Weihnachten gegessen. Was sonst? Ich war starr. Kein Wort konnte ich hervorbringen.

Und von dem Pelz hat mein Bruder' ne Wintermüze gekriegt. So, nun weißt Du's!

Ja, nun wußte ich es!

Bedrückt ging ich nach Hause und schlich in den Hof, zu meinem Hasi, um ihm Futter zu reichen.

ich

Liebtosend fuhr ich ihm über das seidenweiche, schwarze Fell. Gut, daß Du nicht in die Küche zu wandern brauchst! flüsterte ihm leise zu, als könne das Tier mich verstehen, und dachte an den armen Hermann, der das seine der Mutter geschenkt hatte, weil sonst vielleicht zu Weihnachten wieder nichts weiter als Schwarzbrot und Salz auf dem Tische gestanden hätte. Was für ein kleiner Held er doch war! Wie der verzichten fonnte!

-

Und wenn er auch seine Schulaufgaben mitunter nicht so glatt löfte, wie der Lehrer es verlangte ein Held war er doch! Db ich es auch fertig bringen würde, meinen hasi schlachten au lassen, wenn es nötig sein würde? Ich weiß nicht, ob ich mir damals eine Antwort darauf gegeben habe, aber das Weihnachtsopfer meines Freundes habe ich heute noch nicht vergessen! Und wenn mich einmal Mißmut und Niedergeschlagenheit beschleichen wollen, darüber, daß die Dinge sich so wenig unseren Wünschen fügen, die Göttin des Glücks immer wieder lächelnd an unserer Schwelle vorübergeht, und vor so manche Freude ein bitteres Berzichten gestellt ist, so fällt mir zuweilen der arme, blaffe Junge aus meiner Kinderzeit wieder ein, der so groß im Berzichten war, daß er die größte Freude seiner Knabenjahre ohne Murren opferte, als es nötig war. Dafür ist sein Opfer aber auch nicht vergeblich gewesen! Mich segnet es heute noch.

Kleines feuilleton.

Krittler.

Ein unverschämter Naseweis, Der, was er durch Stahlarbeitersfleiß Auf dem Laden fünstlich liegen sah, Dacht, es wär für ihn alleine da: So tatscht' er dem geduldigen Mann Die blanken Waren sämtlich an Und schätzte sie nach Dünfelsrecht Das Schlechte hoch, das Gute schlecht, Getroft, zufriednen Angesichts; Dann ging er weg und faufte nichts. Den Kramer das zuletzt verdroß, Und macht ein stählern fünstlich Schloß Zur rechten Stunde glühend heiß. Da ruft gleich unser Naseweis: Wer wird so schlechte Ware kaufen! Der Stahl ist schändlich angelaufen." Und tappt auch gleich recht läppisch drein, Und fängt erbärmlich an zu schrein. Der Kramer fragt: was ist dann das? Der Quidam schreit: Ein frostiger Spaß!"

Medizinisches.

Goethe.

Die Ernährung beim Fieber. Bei jeder fieberhaften Ich fah meinen Freund seit dem Tage mit einer Art von scheuer Erkrankung taucht die Frage auf, wie der Patient ernährt werden Ehrfurcht an. Was für ein Held war er, ein Held im Dulden und soll. Dabei werden natürlich Unterschiede zu machen sein, aber ein