aus, zieht das Schuhwerk umständlich und keuchend an und humpelt mühselig weüer. Ein Schutzmann taucht auf, und ich verfolge ge- spannt, was nun kommen wird. Doch das Auge des Gesetzes steht an dem Alten vorbei, als sei er nicht vorhanden. Und links und rechts jagen vornehme Equipagen und Autos mit Kronen und Wappen an den Türen auf und ab. Der Luxus prahlt und brüstet sich und ist blind für das Elend ringsum. Ich stand auf und setzte meinen Weg fort. Das Reichstags- gebäude wollte ich sehen. � So schlenderte ich durchs Brandenburger Tor und stand bald darauf vor dem stolzen Bau am Reichstags- user. Das ist also der Ort, an dem über unser Wohl und Wehe beraten wird. Alte längst vergessen geglaubte Reden, die hier ge- halten wurden, kamen mir wieder tns Gedächtnis. In Gedanken versunken ging ich links herum nach dem Königsplatz und spähte nach der Siegessäule aus. Dabei wäre ich beinahe über einen alten Handwerksburschen gestolpert, der dicht am Reichstagsgebäude fein Bündel ausgepackt hatte und seine Lumpen auf dem Pflaster zum Trocknen ausbreitete. Am anderen Morgen ging ich wieder nach der Schlegelstraste. Allein der Beamte bedauerte, noch kein« Antwort zu haben. Ich sollte am Nachmittag wiederkommen. .Das kann ich nicht. Ich must Arbeit haben. Länger hier bleiben kann ich nicht, weil ich kein Geld mehr habe." .Ja, da kann ich Ihnen auch nicht helfen." .Dann raten Sie mir bitte, wie ich am ehesten von hier in eine Gegend komme, wo es Rittergüter gibt. Ich will mir selbst Arbeit suchen." .Da fahren Sie am besten vom Lehrter Bahnhof aus nach N. und von da können Sie sich dann auf die Wanderschaft begeben. Dort finden Sie sicher was." Mit dem nächsten Zuge fuhr ich ab. Heinrich Hole!. < Fortsetzung folgt.) Die Kataftropbc der deutfeben Spitzbergen-expedltion. Georges Parmentier, Vizepräsident der Geographischen Gesell- schaft von Saint- Ouentm. hat in Green- Harbour auf Spitz- bergen ein paar zum Teil noch unbekannte Einzelheiten über die Katastrophe der deutschen Spitzbergen -Expedition und die Schicksale der den unglücklichen Forschern nachgesandten Hilfs- expeditionen erfahren. Seinem im.Temps' veröffentlichten Bericht. der sich im wesentlichen auf Mitteilungen der überlebenden Mit- glieder der Expedition stützt, entnehmen wir folgendes. Die Ex- pedition versuchte zuerst die Ostküste von Westspitzbergen zu um- segeln und durch Helen Sound die Nordkllste von Nordostland zu erreichen. Dieser Plan wurde durch die Eismaffen vereitelt. Die Forscher sahen sich gewungen, wieder zu der West- kllste von Westspitzbergen zurückzukehren, und sie erreichten die Scoresby- Insel. Bon hier zog eine Gruppe von vier Mann unter der Führung des Leutnants Schröder mit Schlitten und zwölf Hunden aus, uni das Meereis biS Riips- Bay zu überwinden und dann unter Ueberwinduug des Inlandeises bis Dove-Bay und zur Kllste von Nordostland vorzudringen. Von dieser Gruppe hat man nichts mehr gehört. Nach dem Auszug jener vier Mann wandte sich das Expeditionsschiff„Herzog Ernst' nach Lomme-Bay, dann nach Tenfenberg-Vay sWestspitzbergen), wo Ende August<1912) Lebensmittel niedergelegt wurden. In diesem Augen- blick begann das Eis gefährlich zu werden, und es wollte trotz aller Anstrengungen, die man bis zum 20. September machte, nicht ge- lingen, das Schiff wieder in offenes Meer zu bringen; da sie sich in der Bay gefangen sahen, gäbe,- die Forscher ihr Schiff auf und machten sich alle auf den Weg nach Advent« Bay. Sie konnten jedoch Advent« Bay nicht erreichen und kehrten daher an Bord zurück, wo sie eine Expedition von nur sieben Mann nach Advent-Bay ausrüsteten; die übrigen sollten auf die Rückkehr dieser Expedition warten. � Die sieben Mann zogen aus und liehen zwei Deutsche , den norwegischen Steward und den Eislotsen zurück. Zwei deutsche Forscher verlieben die Gruppe, um die Ostküste der Wiide-Bay zu überschreiten; auch von ihnen hat man nichts mehr erfahren. Die fünf Mann, die übrig blieben, überschritten die Wiide-Bay, indem sie sich nach der Westküste wandten, und erreichten eine Hütte, in der einer von ihnen mit einem erfrorenen Fuste ankam. Dieser Mann blieb mit einen, Gefährten sechs Wochen lang in der Hütte, und allen beiden gelang es dann, zum Schiff zurückzukehren. Die anderen wandten sich mit drei Hunden nach Advent-Bay. Aber die Polarnacht war gekommen und bereitete ihnen zahllose Schwierigkeiten. Sie erreichten eine Hütte im Weslsjord, wo sie bis Mitte Dezember blieben. Dann verlieben sie die Hütte und erreichten das äusterste Ende des Westfjords. Der eine der beiden Deutschen war so geschwächt, dah er den Wunsch ausdrückte, zum Schiff zurückzukehren. Der andere, Kapitän Ritscher, bat die beiden Norweger(es sollen ja aber im ganzen nur noch drei Mann gewesen sein??), jenen zu begleiten, indem er erklärte, dast er allein bleiben wolle. Die drei Mann gelangten nach Mosiel-Bay, wo der Deutsche verschwand. Die beiden Norweger feuerten Schüsse ab und warteten einige Zeit, aber vergebens: der Unglückliche kam niemals wieder. Die beiden Ueberlebenden erreichten das Schiff bei Nul und fanden dort die beiden Deutschen und den norwegischen Steward; der letztere starb am 20. Februar an Tuberkulose . Während diese Ereignisse sich abspielten, wandte sich Kapitän Ritscher mit einen, Hunde und geringen Lebensmittelvorräten allein nach Advent-Bay. Er überschritt Dickson-Bay, stieß auf tiefe Wafferlachen, überschritt nach schrecklichen Leiden die Eismassen von Advent-Bay und gelaugte am 27. Dezember erschöpft nach dem amerikanischen Bergwerk von Advent-Bay. Er besaß nur noch ein paar Gramm Hafermehl. Sein Hund war noch bei ihm. Sein« beiden Füste waren bis zu den Knien erfroren, und eine seiner Händ« war ernstlich verletzt. Der Arzt des Bergwerks nahm ihn in Be- Handlung. Man mußte ihm einen Teil der Füste amputieren. Er wurde wiederhergestellt und begab sich in das Hospital von Tromsoe, von wo er am 10. August nach Green-Harbour, wo sich gegen- wärtig sein Sckiff befindet, zurückgekehrt ist. Kapitän Ritscher be- wegt sich gegenwärtig auf Krücken vorwärts; die Passagiere der Jacht„Andeimes", an deren Bord ich mich befinde, sprachen ihm auf dem„Herzog Ernst" für seinen Mut und den Eifer, den er entfaltet hat, um seine Gefährten wiederzufinden, ihre höchste Bewunderung aus. Man kann auch die Zähigkeit und die Selbstverleugnung dieses Mannes, der, obwohl er noch krank und leidend ist, das Kommando auf seinem Schiffe wieder selbst übernehmen wollte, nicht genug be» wundern. Bald nach seiner Ankunft in Advent-Bay schickte Kapitän Ritscher von der Station für drahtlose Telegraphie aus ein Telegramm nach Berlin . Es wurden sofort Hilfsexpeditionen ausgerüstet, die den in Eis« masscn eingeschlossenen„Herzog Ernst" befreien und, wenn möglich, die. verschwundenen Forscher wiederfinden sollten. Die erste Hilfs- expedition wurde in Adveni-Bay ausgerüstet. Sie bestand au« vier Mann. Green-Harbour schickte sechs Hunde und einen Jäger; auch in Advent-Bay nahm man einige Hunde auf. Die vier Mann fuhren am 24. Januar 1913 ab und blieben 20 Tage weg. Sie konnten aber nur den Sir Thomas-Berg bei West-Fjord erreichen. Die Hunde von Advent-Bay gingen sämtlich ein. während die von Green- Harbour leben bliebe». Einem der Männer war ein Fuß ab« gefroren; man mußte den Unglücklichen auf einen Schlitten legen und ihn einstweilen mit einem Gefährten und einigen Lebensmitteln zurücklassen. Die beiden anderen kehrten nach Advent- Bay zurück; von hier zog nun wieder eine Hilfsmannschaft au«, um die Zurückgebliebenen zu suchen und zurückzubringen, was auch gelang. Eine zweite Expedition zog zu Anfang diese« Jahres von King'S Bast aus: Sie bestand aus vier Norwegern, einem Engländer und einem Deutschen und hatte nur drei Hunde. Die Männer überschritten das Inlandeis bis Grey-Hook und gelangten wohl nach der Hütte an der Westküste von Wiide-Bay, fanden dort aber keine Spur von den Verschwundenen. Am 7. April kehrten sie nach King's Bay zurück. Es wurde dann in Norwegen unter dem Kom- mando des Kapitäns Staxrüd eine größere Hilfsexpedition aus- gerüstet. Der Dreimaster„Hertha" führte die Expedition nach Ire« Tron, wo sie am 3. April ankam. Drei Lappen mit zwanzig Renn- lieren begleiteten die Expedition; man nahm zwölf Hunde mit und in Grcen-Harbonr noch fünf dazu. Die Expedition zog an, 7. April aus und gelangte ain 20. April zum Schiff, wo sie die beiden Deutschen , die, nicht weit von dort, in ihrer Hütte geblieben waren, lebend wiederfand. Man liest in der Hülte eine große Anzahl Lebens- mittel für die beiden Deutschen und die vier Norweger, die die Station an, 26. März Verlasien halten. Dann kehrte man zum Schiff zurück, das man mit Hilfe von Dynamit von den Eismaffen befreite, und man wandte sich nach der Meerenge von Hinlopen. Hier wurde der„Herzog Ernst" aber wieder von den EiSmassen sestgehalten. Eine deutsche Privatcxpedition uulcr der Führung deS Polar- forscher? und Jouriralisten Lerner fuhr auf dem mit acht Norwegern bemannten norwegischen Schiffe„Loevenskjoeld" aus und folgte der Expedition des Kapitäns Slaxrüd. Drei deutsche Gelehrt«, unter ihnen der durch seine Erfahrung auf alpinistischem Gebiete bekannte Dr. Biehler aus Freiburg , begleiteten die Expedition. Sie erreicht« Moffel-Bay, an der Nordostküste von Wiide-Bay, zehn Tage später als der Kapitän Staxrüd. Die Herren verließen Moffel-Bay auf Schneeschuhen und erreichten Tenrenberg-Bay, wo sie den Kapitän Staxrüd mit seinen Begleitern und den beiden Deutschen trafen. Sie kehrten zu ihrem Schiff nach Moffel-Bay zurück und erreichten das Nordkap auf Nvrdostland. Von hier machten sie eine Expedition Weiler nach Osten z». in der Hoffnung, dast sie ihre unglücklichen Landsleute würden finden können; dt« letzteren hatten, wie man weiß, den„Herzog Ernst" im vorigen Jahre in der Nähe der ScoreSby« Jnwl verlassen. Sie legten 600 Kilometer zurück und gclangien bis zum Wrede-Kap; weiter konnten sie, da sie kein Fleisch für die Hunde hatten, nicht gehen, und sie fanden keine Spur von den Verschwundenen. Am 6. Mai wurde LernerS Schiff von. Eise gepackt, und am 28. Juni war es zerschmettert. Alle Männer mußten sich in die drei Boot« des Schiffe? flüchten. Sie waren gezwungen, sie vier Meile» über Eis zu schleppen, um das offene Wasser zu erreichen. Am 22. Juli ruderten sie nach Tenrenberg-Bay und erreichten den„Herzog Ernst" einen Tag nachdem Kapitän Staxrüd ihn durch Dynamit befreit hatte. Die Nordlüste WeslspitzbergenS war in Sicht, schien aber von Eis umgeben zu sein. Die Forscher zogen e« daher vor, da« Schiff in die offene Meerenge von Hinlopen zu bringen. Sie wurden jedo.h vom Eise in, Osten der Williaminsel festgehalten.
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30 (29.8.1913) 168
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