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aus verlorener Ehre". Es ist bezeichnend für die künstlerische Natur der Kinematographie, daß man auf dieses Abenteuerdrama eines jugendlichen Eifrers verfiel, das der reife Mann später niemals als Kunstwert hat gelten lassen wollen. Nun sind die Räuber" an der Reihe. Wir werden wohl nicht lange zu warten brauchen. Vor dem Kino ist nichts sicher, so steht es in allen Tageszeitungen. Und der ruhige Bürger lacht. Ja, es wäre zum Lachen, wenn es nicht so bluternft wäre, wenn das alles nicht die schamloseste Vergewaltigung unserer Kunst bedeutete.
Wir haben also erkannt, daß es ein Filmdrama" nicht gibt, da die Kinovorführungen die Postulate, die man an ein Drama auf Grund der allgemeingültigen Kunstgeseze stellen muß, nicht erfüllen können. Man hat mir von literarisch nicht ungeschulter Seite tatsächlich eingewendet: ich stritte um Worte; wenn es teine Dramen seien, so werde man es eben Filmromane nennen, das ändere an der Sache nichts. Ich erwidere darauf: daß es zum Wesen des Romans gehört, daß er nicht vorgemacht wird( denn auf blödsinnige Einwendungen gehören ebenso blödsinnige Erwiderungen).
Saft wohl nichts zu trinken?
Ich schüttle mit dem Kopfe. Hier trint! Er bietet mir seine Flasche an. Es ist eine Liter flasche und enthält Magermilch. Ich nehme einen Schlud.
Jmmer trinke noch mehr nötigt er mich. Es langt für uns beide. Mußt halt sehn, wo Du eine Flasche herkriegst. So ist das nichts. Durst ist schlimmer als Hunger, sagt er einfach. Seltsam! Wieder muß ich an den Herrn Oberinspektor im Nachbargute denten, der nicht einmal Wasser für mich übrig hatte.
Und während wir an unserem Brote lauen, fragt er mich aus, woher ich tomme, warum ich fort bin, und ich gebe ihm Auskunft. Was ich in der Fabrik für Arbeit zu verrichten hatte und was ich dort verdiente. Ich habe Möbel berpadt, gebe ich ihm Bescheid. Berpadt? Warum?
Nun, die Fabrit macht Möbel und verkauft sie auch nach auswärts. Und da müssen sie verpackt werden, damit sie auf der Bahn beim Transport nicht beschädigt werden.
Ach so. Und wieviel verdienst Du da? 28 M. wöchentlich.
Er pfeift leise vor sich hin und meint: Biel Geld.
Ich suche ihm auseinanderzusetzen, daß es gar nicht zu viel Geld sei. Eher noch zu wenig, und erzähle ihm von der Wohnungsmiete, die 300 m. jährlich beträgt, von den Steuern, die fast 50 M. betragen, und den hohen Nahrungsmittelpreisen.
Es gibt fein Filmdrama" und mehr noch, die Kinematographie hat mit Kunst nichts, gar nichts zu tun. Das Filmdrama ist seinem Wesen nach doch nichts anderes als eine mit lebenden Bildern illustrierte Romanhandlung( wohlgemerkt: Roman handlung!). Mit demselben Recht, mit dem man die Kinematographie eine Kunst nennt, tann die Photographie eines Gemäldes ein Kunstwert fein. Die Kinematographie fönnte höchstens ein mechanisches Kunstreproduktionssystem, eine Kunstvervielfältigung sein, wenn die dargestellten Stoffe Kunstwerte wären. Leider sind auch diese nicht einmal Kunst. Zum Begriff der Kunst gehört es doch zu allernächst, daß der Künstler Eignes, Individuelles in sein Kunstwert gießt, daß er die ihm eigenen Jdeen durch eine nur ihm eigene Form zum Ausdruck bringt. Auch vor dieser allgemeinen Kunstforderung vermag die Kinematographie nicht zu bestehen. Das fogenannte Filmdrama vermag lediglich eine Handlung wiederzugeben, von einer Idee, die dabei zum Ausdruck gebracht wird, fann nicht die Rede sein, da die Ausdrucsmittel völlig unzureichend junge Frau mit ihm gehen. Aber sie war schon schwanger, ehe die find. Die Form aber ist niemals individuell, sondern schematisch. Die Kinematographie hat mit Kunst nichts zu tun. Der Kino gehört der Wissenschaft und allen möglichen anderen Gebieten, nimmer aber der Kunst. Walter Oehme .
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In Sommerarbeit auf dem Rittergut.
Von Heinrich Holet.
Nachdem wir eine halbe Stunde gegangen waren, bogen wir zehn Mann, die nach dem Weizenfelde sollten, über eine Wiese nach links ab. Die anderen setzten den Weg in der alten Richtung fort. Im Gänsemarsch, einer hinter dem andern in Abständen von drei bis fünf Metern, bildeten sie einen langen Zug.
Nach etwa zwanzig Minuten waren auch wir an der angewiesenen Arbeitsstätte und verteilten uns. Ein fast endloses Weizenfeld dehnte sich vor uns aus. Goldgelb und schwer wiegten sich die Aehren im Morgenwinde.
Mein Schnitter legte Jacke und Brotbündel ab, wegte die Sense und nachdem er sich in die Hände gespuckt hatte, fing er mit einem " psia krew" an zu mähen. Schrupp, schrupp, schrupp, rauschte die Sense und die Halme, die sich eben noch im Winde wiegten, legten fich zur Erde. Nun begann auch meine Arbeit. Das gemähte Getreide muß glatt zusammengelegt werden. Wenn man so viel beisammen hat, das es eine Garbe gibt, dann wirds gebunden und die Garbe auf den Feldrand geworfen, damit die Bahn frei ist für die Mähmaschine.
Viel Zeit zum umsehen bleibt nicht übrig, wenn man mittommen und nicht zurückbleiben will. Schwupp, schwupp" rauscht die Sense und jeder Sensenhieb bedeutet einen fleinen Schritt vorwärts. Von Zeit zu Zeit hält der Schnitter inne und wegt die Sense. Und weiter gehts dann: schrupp, schrupp, schrupp.
Und hinter ihm her raffe ich die schweren, goldenen Mehren, Tege sie zusammen und binde Garbe um Garbe. Die Sonne steigt höher und höher. Es ist erst um sieben, aber schon mächtig warm. Blau und wolkenlos wölbt sich der Himmel über uns. Der Rücken
schmerzt schon von dem vielen ungewohnten Bücken und der Schweiß
bringt aus allen Boren.
Nun ja. Dafür fannst Du aber auch ordentlich leben und brauchst nicht so ein Hundeleben zu führen wie wir. Und nun erzählt er mir, wie er lebt. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahre geht er alljährlich nach Deutschland als Erntearbeiter. Heuer ist er das zwölftemal in Deutschland . Voriges Jahr war er in der Gegend von Wanzleben auf einem Gut und lernte dort seine Franziska fennen. Im Februar dieses Jahres hat er geheiratet und bon seinem Vater das Anwesen erhalten. Ein Häuschen mit vier Morgen Land und einer Kuh. Sein Vater und Franziska bewirts schaften es, während er in der Fremde ist. Eigentlich sollte seine Beit kam, da sie nach Deutschland gehen wollten. Und so ging er allein. Denn die„ Herren" wollen feine schwangeren Frauen und Mädchen in Arbeit nehmen, und wenn sie mit den Frauen Kontrakte abschließen, müssen sie ausdrücklich versichern, daß sie nicht guter Hoffnung sind. Kommt es trotzdem vor, daß fie schwanger wird, dann ist das ein Grund, der den„ Herrn" zur sofortigen Entlassung berechtigt. Deshalb hat er sie zu Hause gelassen, als er 20. März in die Fremde ging. Anfang August sieht sie ihrer Niederfunft entgegen.
am
Schweigend blickt er vor sich hin. Seine Gedanken weilen wohl zu Hause. Wieviel Lohn hast Du hier? frage ich ihn.
2 Mart 20 Pfennig Tagelohn; wenn ich Afford habe, dann berdiene ich mehr, 22 bis 26 Mart. Aber da muß man viel arbeiten. Wieviel brauchst Du für Dich jede Woche?
Nu, ich habe mit Kost; Kartoffeln tocht mir Frau Materna. Brauche ich noch Brot und Schmalz, ein bißchen Wurst und alle Tage anderthalb Liter Magermilch. Brauche ich 5 oder 6 Mark die Woche. Das andere Geld spare ich mir.
Da mußt Du hier schon viel Geld gespart haben? Ja, wenn wir immer so viel friegten wie jetzt in der Ernte. So? Ist das denn viel?
Nu, nachher gibts nur 1 Mart 70 Pfennig. Da bleibt dann nicht so viel übrig. 2 Mart 20 Pfennig gibts bloß sechs Wochen lang.
Wie lange mußt Du hier bleiben?
Der Kontratt ist bis zum 15. Dezember. Wenn der Herr aber feine Arbeit hat, dann schickt er uns schon früher fort.
Sinnend schaue ich über das wogende Feld. Wanja brütet stumm vor sich hin. Dann stößt er zwischen den Zähnen hervor: Hundeleben das, wenn der Mensch arm ist. Bsia freb!
Von der anderen Seite dringt das falte, harte Geräusch vom Wegen der Sense herüber. Ich sehe nach der Uhr: reichlich halb Neun. Und nach wenigen Augenblicken rauscht wieder die Sense durch die Halme und ich binde mit schmerzenden Rücken und Händen Garbe um Garbe. Hoch oben, faum sichtbar über uns, jubeln die Lerchen!
*
ich Staum hatte ich die letzte Garbe gebunden, jo tam auch Der Herr Administrator hatte richtig tagiert. Um zehn Uhr waren wir durch. so schon der Selbstbinder angeraffelt, von drei träftigen Pferden ges zogen. Die Messer schnurren und rasen hin und her, Zahnräder und bebel greifen in einander und arbeiten gleichmäßig. Sie legen das gemähte Getreide glatt, schlingen den Bindfaden drum herum, wenn es zur Garbe reicht, binden den Knoten und die kleine Gabel an der Seite hinten pendelt hin und her und wirft eine Garbe nach der anderen zu Boden.
Aber die Sense rauscht vor mir in gleichmäßigen Schlägen und ich muß weiter. Garbe um Garbe werfe ich auf den Feldrain. Um halb acht Uhr fommt der Herr Administrator, hoch zu Roß. Er nicht mir befriedigt zu:„ Na,' s geht ja!" und reitet weiter. Nach einer Biertelstunde taucht er wieder auf. Er war ringsum geritten, zu sehen, wie weit die Arbeit gediehen ist.„ Na, bis um zehn sind wir wohl soweit, daß die Maschine ran tann?" Und nachdem er uns eine Weile zugeschaut hat, reitet er von dannen. Endlich ist's um acht Frühstück!
"
Wir gehen nach unseren Bündeln und werfen uns auf die Garben. Ich habe tüchtigen Hunger und noch größeren Durst. Aber leider nichts zu trinken. Und nur schwer rutscht das Brot durch die frodene Rehle. Wanja, mein Mäher, sieht mir zu, wie ich mein Brot hinunter wirge und fragt:
Und vorn stampfen die Pferie schwißend vorwärts. Cben auf dem Sig thront der Knecht und achtet darauf, daß die Pferde und die Maschine weder zu weit nach rechts oder links gehen, sondern dicht am Rande hin.
Nach drei Stunden kommen frische Pferde und nach weiteren drei Stunden wieder andere. Und ehe die Sonne finit, ist das weite Feld abgemäht.