Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 176. is be
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Ein Mann.
Mittwoch, den 10. September.
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1913
In der Schenke war die Schlägerei zu einer allgemeinen geworden. Bis auf einige ältere, besonnenere Männer, die sich gleich nach dem ersten Geplänkel vorsichtig zurückgezogen, hatten alle Anwesenden für oder wider die Raufenden Partei genommen. Mathieu, von Donat angegriffen, versezte diesem eingedrungen, um sie, die friedlich beim Biere saßen, zu proeinen so heftigen Faustschlag in die Magengrube, daß er in einem fürchterlichen Zustande zwischen den Tischen zusammenstürzte, wobei er sich übergab. Aber schon ging über Mathieu ein Hagel von Hieben nieder. Hayots Freunde mengten sich ein und umringten den jungen Stämpen, der minder routiniert als sein älterer Bruder war, und kneteten, walkten, zerbläuten ihn, zerschlugen ihm Weichen und Brust.
die Straße geflüchtet. Draußen hielten sie die Passanten mit Ausrufen des Mitleides an; ach, du lieber Himmel! wie sie ( zugerichtet waren! Ihre Haut war rot wie ein frisch abgezogener Hase! Nicht einmal ihre feine Wäsche, nicht die neuen Anzüge hatte man verschont! Namentlich die Frauen zeigten sich entsetzt und schlugen die Hände überm Kopfe zu sammen. Dann begannen sie zu erzählen: jene Kanaillen, die Hulottes, feien wie ein Gewittersturm ins Wirtshaus vozieren. Sogar Messer hätten jene gezogen, während sie sich ohne Waffen, mit blanken Händen, zu verteidigen hatten. Daher auch der ungleiche Kampf. Aber man würde es ihnen schon heimzahlen! Es sei eine Schmach fürs ganze Dorf, daß man sie nicht aus dem Wirtshause hinausgeworfen habe. Als sich die Leute darüber aufzuhalten begannen, versuchten sie die Stimmung für sich auszunüßen. Allein die Männer hörten nur kopfschüttelnd, ohne sich zu rühren, ihren Schimpfreden zu. Als sie einsahen, daß sie bloß das Mitleid der Weiber und das täppische Schweigen der gaffenden Gassenjungen für sich hatten, zogen sie ab.
Mathieu leistete, so gut er konnte, Widerstand. Als ein fettiger Didwanst ihn zu umschlingen versuchte, schlug er ihm die Zähne ein. Einen anderen traf er ins Genid. Ein dritter erhielt einen fürchterlichen Sieb auf den Brustkorb; kaum war jener zurückgewichen, als andere, sich in die Bresche Nun der Raufhandel beendigt war, strömten die Neustürzend, über Mathieu herfielen. Mit zerfeztem Wams und gierigen in hellen Haufen ins Wirtshaus und bestürmten die blutüberströmtem Ohr hielt er noch immer stand, bestrebt, die Hulottes mit Fragen. Doch die waren, nachdem die Erregung Mauer zu erreichen, um sich den Rücken zu decken. Plötzlich des Kampfes gewichen, total erschöpft und zitterten am ganzen wurde ihm ein Bein gestellt. Er strauchelte, versuchte noch, Störper. Mit großen Schritten gingen sie in den Wald und sich an einem Tische anzuklammern, wurde jedoch von zahl- ließen sich am Rande eines Bächleins nieder, das unter einem reichen Händen zu Boden gestoßen. Gebüsche hervorsprudelte. Als sie sich überzeugt hatten, daß ihnen feinerlei Ueberraschung mehr drohe, wuschen sie sich Stopf und Armie in dem klaren, murmelnden Wässerchen.
Ein
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Nun artete das Handgemenge in ein richtiges Blutbad aus. In geschlossenen Reihen fiel die Hayot- Partei über ihn her. Immer neue Püffe flatschten auf ihn nieder. Hagel von Tritten zermalmte ihm das Kreuz. Durch das wilde Getümmel kamen die Tische zu Fall, das Haus krachte Bittere Tage für Cachaprès, diese letzten vierzehn Tage! in allen Fugen. Bisweilen brüllte einer vor Schmerz und Der Bursche kam gar nicht mehr aus dem Toben heraus, Wut wie ein Tier; wütende Flüche drangen zwischen den haderte mit Gott und den Menschen. Wie viele Tage und Knirschenden Zähnen hervor; doch alle diese Laute gingen in Nächte verstrichen waren, seit sie sich im Häuschen der dem wüsten Getöse des Stampfes unter. Der bestürzte Wirt Cougnole jo toll geschnäbelt hatten, und kein einziges Mal lief zu seinen Gläsern und suchte diese in der Eile in Sicher- war sie seither erschienen! Vermaledeite Dirne! Wit Wolluſt heit zu bringen; doch lagen die meisten zertrümmert am hätte er sie von Dämonen in die Hölle geschleppt, im FegeBoden, eine feine, glibernde Staubschicht auf den geröteten feuer braten sehen und selbst dabei sein mögen, um sich an Fliesen bildend. Er lamentierte laut; er war ein fried- ihren Qualen zu weiden. Seine wiedererwachenden wilden liebender Mann, zu alt, um sich in den Kampf einzumengen. Instinkte ließen ihn die ungeheuerlichsten Torturen für sie Von Zeit zu Zeit flehte er um Gnade für sich und die anderen. erfinnen; Germaine sollte bluten und auf der Folterbank Wohl hatte er nach dem Gendarmen geschickt, doch dieser liegen! Sie hatte sich über ihn lustig gemacht; so gewiß wie ließ auf sich warten. Möglich, daß ihn der Bote im Quartier da oben die Sonne stand, war er der geprellte Narr in einer nicht angetroffen hatte. Tatsächlich kam dieser mit der Nach Komödie, die sie und der Hayot ausgedacht hatten. Sie richt zurück, daß der Wächter, den Sonntag benüßend, auf hatten ihm weismachen können, was ihnen beliebte. Und einem Inspektionsgang nach einem Holzschlag, eine Meile jezt erinnerte er sich auch an Germainens zweideutige Worte, vom Dorfe, begriffen sei. ihre wachsende Kälte, ihr gezwungenes Benehmen, das sie zur Schau getragen.
,, Warnant, zu Hilfe!" ächzte Mathieu.
Die wilde Meute lynchte ihn; eine Wolfe lag vor seinen Augen, seine Arme vermochten nicht mehr die Schläge zu parieren, und mühsam rang er nach Atem. Sein Ruf schlug wie ein Alarmsignal an Warnants Ohr, der den Bruder vergessen hatte, während er auf Hubert einhieb.
Er wandte sich nach der Nichtung um, aus der der Hilfeschrei gekommen war, sah Mathien von der wilden Horde stampft werden und sprang mit dem Rufe auf:
Nur Mut! Halte Dich gut!"
Wohlan! Wie sie wollte! Er, Cachaprès, würde ein Kreuz über die Vergangenheit machen, aber ein Kreuz von der Art, daß man es über der verhaßten Germaine auf dem Kirchhofe aufstellen könnte. Er hatte es wahrhaftig satt, mit dieser schmerzhaften Wunde sich weiter zu schleppen.
Ein angeschossenes Tier verkriecht sich im Gehölz; doch zer- seine Wunde war nicht von denen, die heilen. Er hatte genug des vergeblichen Harrens, während sein Fleisch nach ihr schrie, genug des ewigen Narrenspiels. Dies war fein Leben mehr. Und nichts in der Welt erschien ihm mehr begehrenswert genug, um ihn für das Glück, das ihn so schnöde geflohen hatte, noch schadlos zu halten. Sie hatte ihn dahin gebracht, daß ihn vor seiner Zätigkeit efelte. Das Wild hatte keinen Reiz mehr für ihn; gleichgültig ließ er die flinken Rudel vorüberziehen, denen er einst so gierig nachgestellt hatte. Aber auch noch andere, düstere, nie zuvor gedachte Gedanken tauchten in ihm auf. Seiner einsamen, zigeunerhaften Kinderjahre gedachte er, seiner Angehörigen, die, finster, mißtrauisch, gedrückt, ein bißchen minder gut noch als Eber und Wölfe im Walde lebten, in Hütten wie Erdlöcher hauſend, weder Wohlbehagen noch Frohlust noch die Liebe schöner Mädchen, den Ueberfluß der Speicher, die Freuden der Tafel kennend; die ohne Wunsch, ohne Begier, allen Geniiffen des Lebens fremd, sich immerdar nur plagten und mühten, ohne zu wissen warum; die ihre Kinder in einem Gebüsch zur Welt brachten wie wilde Tiere und schließlich
Ein Stuhl war leicht zu erreichen. Den packte er mit beiden Händen wie ein Holzknecht das Beil und ließ ihn auf Rücken, Lenden, Schädel niedersausen, wohin er gerade zufällig traf. Sechsmal holte er aus, den anderen feine Zeit zum Besinnen lassend. Beim sechsten Male zerbrach der Sessel; bloß ein Bein blieb ihm in der Hand, mit dem er wie ein Rasender um sich schlug. Das Blut spritte in Strömen von den Gesichtern; dem einen hatte er ein Schlüsselbein zer schmettert, dem anderen die Kinnladen ausgerenkt. Alle schoben, stießen, drängten fich, suchten sich mit geducten Schultern und vorgestreckten Ellenbogen zu schützen. Und unaufhörlich hieb er, aus Leibeskräften die Waffe schwingend, auf die dampfenden verquollenen Fleischmassen vor sich ein. Das war das Ende des Kampfes.
Die beiden Hayots hatten jedoch nicht mehr so lange gewartet und sich schon früher in Sicherheit gebracht. Mit zerfeßten Röcken und blutigen Gesichtern hatten sie sich auf