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sein, das ließ sich nicht so ohne weiteres sagen. Aber die Hände zu stellen. Dann könne der Wind nicht mehr herein. Ich begnüge waren über und über mit Schmuz bedeckt.

Der Vermittler hatte für die Burschen das Fahrgeld verlegt und ihre Papiere dafür zu sich genommen. Jetzt übergab er die Legitimationspapiere dem Vorschnitter und dieses bezahlte ihm die Auslagen und die Vermittlungsgebühr. Dann schickte er sie in die Kaserne mit den Worten: Laßt Euch drin Strojäcke und Decken geben und macht sie Euch zurecht."

Wir gingen unserer Arbeit zu.

Aber am Abend, kaum daß wir zu Hause waren, ging der Krach schon mit den Neuen los. Diese hatten, um Platz für ihre Pritschen zu gewinnen, cinen Teil derselben näher aneinander­gerüdt. Das paẞte aber denen, die davon betroffen wurden, nicht. ..Die Lage war ge­Sie murrten. Die vier Neuen horchten auf. spannt", wie unsere Diplomaten zu sagen pflegen. Von den alten Leuten fnurrte einer halblaut: Wegen. der hergelaufenen Galizier möchte man sich sein Zeug umstellen lassen."

Nun gings los! Die vier waren durch das Wort Galizier" beleidigt und wollten den Schimpf nicht auf sich fißen lassen. Sie feien feine Galizier, und wer es noch einmal zu behaupten wage, der solle sich dann die Folgen selber zuschreiben.

Lange und heftig war die Auseinandersetzung, che sich die er higten Gemüter beruhigten.

Dann versuchte ich ihnen klarzumachen, wie unklug doch ihr ganzes Verhalten sei, und erzählte ihnen einiges aus der Geschichte ibres einstmaligen gemeinsamen Vaterlandes. Die Galizier seien demnach ebensogut Polen wie die übrigen in der Ostmark des Deutschen Reiches und in Russisch- Polen.

Dafür fönnten sie doch nicht, daß sie bei der Teilung Bolens an Oesterreich kamen, ebenso wie sie nicht daran schuld seien, zu Deutschland oder Rußland zu gehören.

Sie hörten mir wohl aufmerksam zu, blieben aber trotzdem dabei, der Ausdruck Galizier sei eine Beschimpfung, weil eben die Galizier als Ganzes minderivertig seien.

Ich gab mich zufrieden. Die armen Teufel müssen eben auch jemand haben, auf den sie herabschauen können mit dem Gefühle, etwas Besseres zu sein. Darum ließ ich ihnen den Galizier ". Im Verlauf unseres Gespräches warf einer die Frage auf, was ich für ein Landsmann sei?

Ein Tscheche," gab ich zur Antwort. " Czech , czech?" ringsum fragende Gesichter. Nur ein ein­ziger, Fedor, der aus der Nähe von Moskau stammt, weiß etwas von den Tschechen. Aber wo das Land liegt, das die Tschechen be­wohnen, weiß keiner von ihnen. Ich gebe mir Mühe, es ihnen beizubringen. Doch an ihren Gesichtern sehe ich, daß sie wohl die Worte verstehen, aber sonst nichts. Von Geographie haben sie feine Ahnung; ihnen fehlen die nötigen Begriffe.

Ich könnte ihnen ebensogut mit demselben Erfolge von der Philosophie Segels oder Kants erzählen.

mich damit und befolge seine Weisung. Dann werfe ich mich aufs Lager hin. Meine Gefährten erzählen sich noch immer. Von den Gütern, auf denen sie schon gearbeitet haben, und der Behandlung, die ihnen dort zuteil wurde. Und wenn von den Beamten dann die Rede ist, knirschen sie: ten z kuroy syn!"( Der Hurensohn!) Bald ist auch dieses Thema erschöpft. Dafür kommen Wiße, Anekdoten und Zoten an die Reihe. Meist handeln sie davon, wie die Geistlichkeit sich mit dem Zölibat abfindet. Ein jeder weiß irgendeinen Wih oder eine Zote, und wieherndes Gelächter lohnt dem Erzähler, wenn er fertig ist.

Drüben in der Ede liegt Buret, der heute krank ist, noch gerade so wie er am Morgen lag, als wir auszogen: vollständig ange­Eine leer ge­fleidet mitsamt den Stiefeln auf seinem Lager. trunkene Schnapsflasche liegt neben ihm am Boden. Wahrschein­lich das einzige Medikament, von dem er sich Hilfe verspricht. Allmählich wird es stiller. Nur hier und dort wechselt einer enige Worte mit einem anderen. Draußen auf dem Kirchturme schlägt es halb elf!

Ningsum beginnt ein Flüstern; ich lausche und entsinne mich. schon gestern abend das Flüstern vernommen zu haben. Bis es auch dicht neben mir flüstert und ich die Worte verstehen kann.

Sie beten! Sie beten zu dem Gotte, der ihnen solch elendes Dasein beschieden! Sie falten betend die Hände, hadern unter­einander, statt sich die Hände gegenseitig zu reichen und sie zu Fäusten zu ballen. Sie beten noch!

( Fortseßung folgt.)

Kleines feuilleton.

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sibilcol

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Auf den Spuren des historischen Fanst.

Ueber den historischen Doktor Faust hat Robert Petsch For­

schungen angestellt, über deren Ergebnisse er in der Germanisch- Ro­ manischen Monatsschrift " berichtet hat. Danach war Faust zwar eine historische Persönlichkeit, der Name aber kein Familienname, son­dern der Kollektivname für eine Reihe von Magiern des Mittelalters und gewissermaßen die angenommene Firma desjenigen Faust, der bei seinem ältesten Biographen Thris temius Magister Georgius Sabellicus Faustus junior" heißt und das Vorbild für die Gestalt des Volksbuches und damit Goethes wurde. Aus den Berichten des Thritemius und auch der anderen geht deutlich der Groll der Fachleute gegen den wildwachsenden philosophus philosophorum", den Halbgott von Heidelberg ", ber vor. Diese Titel, die Faustus junior offenbar sich selbst beigelegt hatte, weisen auf gelehrte Etrebungen und zeugen mindestens für humanistische Bildung. Dafür spricht auch die Prahlerei Faust's, er fönne antike Schriften wieder herstellen. Ob er seine Bildung freilich in Heidelberg genossen hat, ist so zweifelhaft, wie die Nach­richt des Melanchton, daß er in Krakau die Zauberei studiert habe. Wohl möglich, daß Faust selbst an einem Orie sich auf Krakau be­rief, das gleich Toledo der Magie verdächtig war, und anderswo auf das humanistische Heidelberg , um sich das Ansehen sowohl des Allmählich nimmt die Unterhaltung andere Bahnen. Die Teufelsbanners, wie des Philosophen" zu geben. Petsch ist der Neuen werden gefragt, woher sie kommen und wie es ihnen dort Ansicht, daß Faustus junior wirklich jene efstatische Anlage besaß, ergangen sei. In Schwiebus seien sie gewesen, erzählen die wir bei den Fakiren, Schamanen und anderen Magiern in sie. Alle vier waren auf demselben Gute beschäftigt. primitiven Kulturverhältnissen noch heute antreffen. Sie bekamen 1,20 M. Tagelohn, 24 Pfund Kartoffeln, 1 Pfund Mehl pro Woche und täglich ½ Liter Vollmilch. Die Behandlung sei aber so schlecht gewesen, daß sie lieber die 30 M., die von jedem für die Reisekosten zurückbehalten worden waren, im Stiche ließen und weggingen.

Dafür fennt aber der älteste von den Neuen, ein stämmiger Mensch von etiva 23 Jahren, meine Landsleute aus eigener Er, fahrung. Er hat mit ihnen früher auf Eisenbahnstrecken, beim Bahnbau und in Buderfabriken gearbeitet. Was er von ihnen zu berichten weiß, ist wenig erbaulich. Trinkgelage, Raufereien und wieder Trinkgelage. Oh, Tschechen sind feine Kerle," schließt er seine Erzählung. Aber er meint es durchaus nicht ironisch.

Später war Faust vorzugsweise Alchimist und vor allen Dingen Seine alchimistische Tätigkeit für Franz v. Sidingen Wahrsager. scheint ihm nach Thritemius die Schulmeisterstelle zu Kreuznach eingetragen zu haben. Faust's Wahrsagerei fonnte bisweilen recht unangenehm wirken, und es ist wohl möglich, was Melanchton ..Verfluchtes Leben", meinten sie, nachdem ihnen die anderen Manlius berichtet, daß er sich rühmte, dem Kaiser seine italienischen die Verhältnisse auf unserem" Gute geschildert haben, und sie Siege verschafft zu haben( es würde sich der Zeit nach um die dahinter kamen, daß sie sich gar nicht verbessert haben. Dann be- Schlacht bei Pavia 1525 und um den sacco di Roma 1527 handeln). ratschlagen sie. Sie haben Hunger. Seit heute morgen hätten Vielleicht hängt mit solchen unverschämten Prahlereien sowohl die fie noch nichts gegessen, und sie haben auch keinen Pfennig Geld. Flucht aus Wittenberg und aus Nürnberg zusammen, als die Aus Dann gehen sie zum Vorschnitter: sie wollen Vorschuß haben. weisung des Wahrsagers Dr. Jörg Faustus von Heidelberg durch Nach einer Weile tommen sie wieder herauf. Jeder hat ein Stück den Rat zu Ingolstadt ( 1528). Geistliche und weltliche Fürsten Brot und Wurst, eine Flasche Bier und Zigaretten. Vorschuß aber wußten seine Dienste zu schäßen. Urkundlich nachgewiesen hätten sie keinen bekommen. Dafür hätte ihnen der Vorschnitter ist, daß Doctor Faustus philosophus" 1520 dem hochgebildeten Stredit gewährt. Sie sind wieder guter Dinge und verzehren er- Fürstbischof Georg( Schenk von Limburg) aus den Sternen über zählend ihre Sachen. sein Lebensschicksal prophezeien durfte. Gut beglaubigt ist auch feine Verbindung mit der Huttenschen Familie. Als der junge Philipp von Hutten , der Vetter Ulrichs, 1534 seine erste Expedition nach Venezuela antrat, prophezeite ihm der große Philologe Joachim Gamerarius eine glüdliche, Faust eine böse Fahrt, und der lettere behielt recht. Um die Wende des vierten Jahrzehnts muß Faust gestorben sein.

Von den übrigen kommt und geht bald einer. Einige pußen ihre Stiefel, andere wieder rasieren sich; morgen ist Sonntag! Der Kot von den Stiefeln bleibt liegen, wo er hinfällt. Und jene, die sich rasieren, streichen den abgefragten Seifenschaum vom Messer ab und schleudern ihn von den Fingern. Wo er hinfällt, Dort liegt er.

Dort wieder hustet einer und speit den Auswurf mitten hin auf den Boden mich schüttelt der Ekel.

"

Aus allem, was über den historischen Faust in Umlauf gesetzt worden ist, läßt sich immerhin mit einiger Deutlichkeit ablesen, daß Allmählich wird es dunkel in dem großen, kahlen Raume. das Bild des seltsamen Mannes von der Dunkelmännerei des aus­Meine Pritsche, die bisher neben dem Fenster gestanden, steht jetzt gehenden Mittelalters tüchtig verzerrt worden ist. Faust war ein durch das Zusammenrüden direkt am Fenster. Eine der untersten Mensch der Zeit, in der nach Huttens lebensfrohem Wort die Künste Scheiben fehlt und der Wind streicht durch das Loch über mein erblühten und die Wissenschaften sich regten, und nun hat ihn der Lager. Vom Vorschnitter, zu dem ich gehe, verlange ich Abhilfe Haß derer, die an diesem Blühen und Regen nicht teilnahmen, dem und bekomme ein Brett von ihm, mit der Weisung, es vor das Loch Teufel verschrieben.

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Verantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.