Ife&ec« toie&t, die ihr Glück bei ihr gar nicht versucht hatten, Kebandelte sie mehr wie einen lustigen Kameraden, denn als Respektsperson. Herr von Wildenstein war ihr, von allem Anfang an, anders als alle andern begegnet. Er verehrte sie wie eine ftönigin, wie ein höheres Wesen. Ihr mochte das etwas römisch vorgekommen sein, nach und nach aber begann sie den Unterschied zwischen den Huldigungen, an die sie gewöhnt war und denen, die der junge Rittmeister ihr darbrachte, zu fühlen. Der Ton, den sie ihm gegenüber angeschlagen, hatte, ihr gewöhnlicher, spielerischer, den Scherz herausfordernder Ton stimmte sich allmählich um. Sie mußte einen Blick in dieses Männerherz getan haben, der ihr etwas völlig Neues, Schönes enthüllte: eine tiefe, ernste, an die Wurzeln des Lebens greifende Empfindung. Und die wollte Erny nicht einbüßen, sie wußte sehr wohl, daß sie damit ihren besten Reichtum verlor. Sie beging eine große Unvorsichtigkeit, sie schrieb, sie beschied Wildenstein zu sich. Er kam nicht: sie erfuhr, daß er einen kurzen Urlaub nach Wien genommen hatte. Einige Tage hindurch waren die Briefe von seiner Schlvester ausgeblieben, dann gab der Vor- mund tramrigc Nachricht von ihr. Sie hatte ihre Zöglinge in einer ansteckenden Krankheit gepftegt und lag nun selbst schwer danieder. Als Wildenstein zur bestimmten Frist zurückkehrte, kam er vom Begräbnis seiner Schwester. Die Gräfin äußerte ihr Mitgefühl in liebenswürdiger Weise, schonend und herzlich. Wildenstein und sie hatten die Rollen getauscht: sie zeigte sich ihm dankbar, wenn er einer Gelegenheit, ein freundliches tröstendes Wort von ihr zu hören, nicht auswich. Seine Leidenschaft schien erloschen, untergegangen in seinem tiefen Schmerz. Und doch war der Oberst nie eifersüchriger auf ihn ge- Wesen als jetzt. Er bewachte, er bekauschte seine Frau, er der- schlang sie mit den Augen, wenn sie den Namen Wildenstein aussprach, er hätte den zweiten Rittmeister von der Erde fort- tilgen mögen— und den ersten dazu. Die Eifersucht auf den einen ließ ihn nicht schlafen, der Neid auf das Ansehen, die Be- licbtheit, die der andere im Regiment genoß, raubte ihm den Appetit. Seine Anlage zur Grausamkeit, das Erbteil vieler bornierter Menschen, entwickelte sich unter solchen Umständen zu üppiger Blüte. Das Ossizierkorps und die Mannschaft hatten schlechte Zeiten und waren überzeugt: es gibt keine Hoffnung auf bessere, bevor der Oberst die beiden Rittmeister „weggebissen" haben wird. Mühe genug ließ er sich's kosten. Die Eskadron Brands lag in der Stabstation, und der Morgenritt des Obersten führte an der Reitschule vorbei. Alle Augenblicke war er da, spöttelte, nörgelte— raste, brachte die Leute zur Verzweiflung und Brand beinahe un: seine Geduld. Auch seiner Frau machte der Oberst das Leben schwer. Einmal, in einer Stunde der Empörung über ihn, ließ sie sich hinreißen, Wildenstein ihr Leid zu klagen. Das wurde für beide verhängnisvoll. Die lange zurückgcdämmte Empfm- dung im Herzen Wildensteins brach mit elementarer Macht hervor: er entrang der Geliebten ein halbes Geständnis ihrer Gegenliebe und drückte in an Wahnsinn grenzendem Entzücken den ersten Kuß aus nur schwach widerstrebende Lippen. Sie hatte ihm durch seine Klage das Recht gegeben, sie zu be- schützen, und dieses Recht war nun sein, und er wollte es wahren, es verteidigen, und sie war sein. Um dieses höchste Gut sollte ihm keine Macht der Erde bringen. Aber nicht un- reckstmäßig, nicht in Unehren wollte, er sie besitzen. Er sprach von der Scheidung ihrer Ehe. von dem Eingehen einer neuen mit ihm. Er entrollte vor ihr ein Zukunftsbild, das ihm die Seligkeit ans Erden verkörperte, vor dem ihr aber graute. 'So hatte sie es nickt gemeint I Empörend und lächerlich er- schien der gesellschaftlich hochstehenden, an Lurus gewöhnten Frau die Zumutung Wildensteins und er selbst als ein rück- sichtsloser Egoist. Am folgenden Tage erhielt er einen langen Brief von der Gräfin. Sic bat ihn, ihre„gestrige Uebereilung" großmütig zu verzeihen. Sie war seitdem von bleue gefoltert. Sie hatte schwer gegen ihren Gatten gefehlt, dem sie ja im Grunde keinen anderen Vorwurf machen durste als den. daß er sie zu sehr liebe. Sie hatte sich auch an Wildenstein schwer versündigt, und ihn— freilich eine Selbstgetäuschte— über die Stärke ihrer Empfindung für ihn getäuscht. Sie würde sich nie entschließen können, ihren Pflichten untren zu werden, jhren Gatten zu verlassen.„Ich bin in Ihrer Hand," hieß es am Schlüsse.„Sie können mich verderben: Sie sind ein edler Mensch, Sie werden es nicht tun. Ich hoffe, ich baue auf Sie, Sie werden die arme kleine Erny nicht unglücklich machen wollen. Ich wa�je nicht, Sie um Ihre Freundschaft zu bitten� ich bitte nur, se?»n Sie nicht mein Feind." lForUeyung tolqi.! Z�eä�vig Dohm. Am heutigen Tage feiert Hedwig Dohm ihren 80. Geburtstag. Auch die Sozialdemokratinnen benutzen diese Gelegenheit, um der Kämpferin für Frauenrcchte und Lolksfreiheit zu danken. Hedwig Dohm gehört der Sozialdemokratie nicht an. sie stand abseiiS vom Parteileben. In ihr lebt ein unbezwinglicher Freiheitsdrang, und diese Sehnsucht nach Freiheit war es wohl auch, die dem jungeir Mädchen die Begeisterung siir die 48 er Bewegung gab, und die Frau hieß, für die rechtlosen Frauen einzulreien. Sie siihlte die Schmach, die auf dem ganzen Geschlecht lastete, aber sie ließ fich nicht von ihr niederdrücken. Sie lehnte sich auf und versuchte, die übrigen Frauen mitzureißen zu einem Kampf gegen das Unrecht, das Jahrhunderte hindurch an ihnen begangen sei. Im Jahre 1876 erschien, nachdem sie schon früher zwei andere Arbeiten„JesuitiSmuS im Hausstande" und„Wissenschaftliche Einanzi« pation der Frau" herausgegeben hatte, ihre Schrift„Der Frauen Natur und Recht". Es ist ein Genuß, in dem Buch zu blättern. Die ganze Verlogenheit der von den bürgerlichen Männern gegen das Fraucnwahlrecht vorgebrachten Gründe wird ausgedeckt. Mit beißender Ironie weist Hedwig Dohm auf die mangelhaste Logik derer, die den Frauen die Logik absprechen wollen, sie haßt die Phrase, daß die Frau das Wahlrecht nicht brauche, weil die Männer für sie mitsorgen und weil die Frauen nicht für die politische Betätigung geeignet seien. Sie nimmt das politische Wahlrecht als das erste Grundrecht für fich und die Allgemeinheit der Frauen in Anspruch. „Aus ihrer Macht über die Frauen leiten die Männer ihre Rechte den Frauen gegenüber her. Die Tatsache der Herrschaft ist aber kein Recht... Das Unrecht wird nicht geringer, wenn ein Gesetz e» sanktioniert hat, die Unterdrückung nicht weniger nichtswürdig, sondern nur um so furchtbarer, wenn sie einen universellen, einen Welt- geschichtlichen Charakter trägt. ES gibt kein Recht des Unrechtes oder sollte doch keins geben. Solange es heißt: der Mann will und die Frau soll, leben wir nicht in einem Rechts«, sondern in einem Gewallstaat." Aber sie schilt nicht nur die Männer, viel schärfer wendet sich ihre Anklage noch gegen die Frauen selbst, die nicht den Mut haben, mit einem kühnen„Ich will I" ihr Recht zu fordern,„die, wenn untauglich geworden zur Lust oder zum Nutzen des Mannes, ohne Murren, mögen sie sich gleich noch Jahrzehnte hindurch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befinden, in stillen Winkeln das Gnadenbrot der Gesellschaft esien. Die Frauen, die das Stimmrecht nicht wollen, verzichten damit auf die höchsten Stufen menschlicher Entwicklung und erklären sich kür eine untergeordnete Spezies der Gattung Mensch. So mögen sie fortfahren zu leben von den Brosamen, die von ihrer Herren Tische fallen. Das schrieb Hedwig Dohm im Jahre 1876 und mit diesen Worten klagte sie nicht nur die große Zahl der Frauen an, die ge- dankenlos in den Tag hineinlcbtcn oder die unter dem Druck der Arbeit und der Rechtlosigkeit seufzten, ohne darüber nachzusinnen, lvas sie tun könnten, um diesem Zustand ein Ende zu machen. Ihre Worte trafen ebenso gut oder»och mehr die Frauen, die die schmach« volle Lage ihres Geschlechtes erkannt hatten, aber zu ängstlich waren, die Forderung nach politischen Rechten zu erheben. Den im Allgemeinen Deutschen Frauenverein organisierten Damen, die allen Anlaß gehabt hätten, Hedwig Dohms Streitschrift freudig zu begrüßen, paßte das Buch ganz und gar nicht. Es war ihnen wahrscheinlich unangenehm, zu einem Kampf ausgefordcrl zu werden, der sie mit den herrschenden Mächten in Konflikt bringen konnte: sie beschränkten sich, wie selbst die einstmals radikale Luist Otto-PcterS sagte, darauf, als einzige Emanzipation für die Frauen „die Emanzipation ihrer Arbeit" anzustreben. Hedwig Dohms Buch wurde totgeschwiegen. Heute feiern ste die Achtzigjährige, die- den Kamps gegen Unrecht und Gewallherrschast keineswegs aufgegeben hat. Mögen sie I Viel- leicht ist es ein Zeichen dafür, daß sie jetzt nach beinahe vierzig Jahren langsam dort anlangen, wo Hedwig Dohm bereils um 187S stand. Und doch, wesensverwandt sind ihr die meisten bürgerlkche'. Frauen nicht. Man spürt bei ihnen nichts von der frischen Kampfes« freude, die Hedwig Dohm auszeichnet, ihnen fehlt auch heute noch das Temperament und der Vekennermut, Eigenschaften, die diese Frau stets in so hohem Maße besaß. Die Sozialdemokratie grüßt Frau Hedwig Dohm als ehrlich« Hasserin geduldigen Leidens und Kämpfcrin für die Befreiung der Frau. td. >» Ein Blult von Hedwig Dohm . In ihrem Werke„Die Mütter*� einem Buche der Erziehung zur vernünftigen Mutterschaft, das 1003 bei S. Fischer, Berlin , erschien, sogt Hedwig Dohm über die Strafe als Erziehungß- mittel:
Ausgabe
30 (20.9.1913) 184
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