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Serrn. Wenn man nur denkt!- 3um zweiten Dragoner- 1 erscheinen. Wenn sie einen Stein in ihren Furchen fanden, so regiment war er gekommen vor zwölf Jahren, halb ver- warfen sie denselben auf den wüsten Acker in der Mitte mit hungert, der verwaiste Sohn einer armen Tagelöhnerin, die fräftigem Schwunge, was aber nur selten geschah, da derselbe mit ihm in der Welt herumgezogen war, da- und dorthin, to fie gerade Arbeit fand, der nie eine Schule regelmäßig besucht, nie einen ganzen Rock am Leib gehabt hatte. Und nun auf einmal gut genährt, bekleidet und bewohnt, von seinem Rittmeister mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt als der ärmste, im Zustande ärgster Verwahrlosung übernommene Rekrut. Man konnte Freude an ihm haben, an seinem physischen, geistigen und moralischen Gedeihen, an dem Glück, das fich auf seinem gutmütigen, braunen Gesichte spiegelte wenn er nicht gerade weinte denn das war seine Schwäche. Viel zu leicht für einen Mann, einen Soldaten, traten ihm Tränen in die Augen. Der bärenhafte Bursche konnte nicht leiden sehen, am wenigsten Tiere. Er war allem Lebendigen ein Freund: er hielt sich für den Beneidenswertesten auf Erden, als ihm ein Pferd anvertraut wurde. Keines im ganzen Regimente war besser gehalten als Peters Sinbad, und in verhältnismäßig furzer Zeit keines besser geritten. Auf dem Rücken des Tieres, dessen Gedanken er, und das seine Gedanken erriet, verlebte er seine glücklichsten Stunden.
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( Fortießung folgt.)
schon fast mit allen Steinen belastet war, welche überhaupt auf den Nachbarädern zu finden gewesen. So war der lange Morgen zum Teil vergangen, als von dem Dorfe her ein kleines, artiges Fuhrwerklein sich näherte, welches kaum zu sehen war, als es begann, die gelinde Höhe heranzukommen. Das war ein grün bemaltes Kinderwägelchen, in welchem die Kinder der beiden Pflüger, ein Anabe und ein kleines Ding von Mädchen, gemein schaftlich den Vormittagsimbiß heranfuhren. Für jeden Teil lag ein schönes Brot, in eine Serviette gewickelt, eine Kanne Wein mit Gläsern und noch irgendein Zutätchen in dem Wagen, welches die zärtliche Bäuerin für den fleißigen Meister mitgesandt, und außerdem waren da noch verpackt allerlei seltsam gestaltete an gebissene Aepfel und Birnen, welche die Kinder am Wege aufgclesen, und eine völlig nadte Puppe mit nur einem Bein und einem verschmierten Gesicht, welche wie ein Fräulein zwischen den Broten saß und sich behaglich fahren ließ. Dies Fuhrwerk hielt nach manchem Anstoß und Aufenthalt endlich auf der Höhe im Schatten eines jungen Lindengebüsches, welches da am Rande des Feldes stand, und nun konnte man die beiden Fuhrleute näher betrachten. Es war ein Junge von sieben und ein Dirnchen von fünfen, beide gesund und munter, und weiter war nichts Auffälliges an ihnen, als daß beide sehr hübsche Augen hatten und das Mädchen dazu noch eine bräunliche Gesichtsfarbe und ganz krause, dunkle Haare, welche ihm ein feuriges und treuherziges Ansehen gaben. Die Pflüger waren jetzt auch wieder oben angekommen, steckten den Pferden etwas Klee vor und ließen die Pflüge in der halb vollgemeinschaftlichen Jmbiß begaben und sich zuerst begrüßten; denn bislang hatten sie noch nicht gesprochen an diesem Tage.
Romeo und Julia auf dem Dorfe. endeten Furche stehen, während sie als gute Nachbarn fich zu dem
( Nachdruck verboten.)
1] Seldwyler Geschichte von Gottfried Keller .
Diese Geschichte zu erzählen, würde eine müßige Erfindung sein, wenn sie nicht auf einem wahren Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im Menschenleben jede der schönen Fabeln wurzelt, auf welche ein großes Dichterwerk gegründet ist. Die Zahl solcher Fabeln ist mäßig, gleich der Zahl der Metalle, aber sie ereignen sich immer wieder aufs neue mit veränderten Umständen und in der wunderlichsten Verkleidung.
An dem schönen Flusse, der eine halbe Stunde entfernt an Seldwyl vorüberzieht, erhebt sich eine weitgedehnte Erdwelle und verliert sich, selber wohlbebaut, in der fruchtbaren Ebene. Fern an ihrem Fuße liegt ein Dorf, welches manche große Bauernhöfe enthält, und über die sanfte Anhöhe lagen vor Jahren drei prächtige lange Aecker weithingestreckt, gleich drei riesigen Bändern nebeneinander. An einem sonnigen Septembermorgen pflügten zwei Bauern auf zweien dieser Aecker, und zwar auf jedem der beiden äußersten; der mittlere schien seit langen Jahren brach und wüst zu liegen, denn er war mit Steinen und hohem Untraut bedeckt, und eine Welt von geflügelten Tieren summte ungestört über ihm. Die Bauern aber, welche zu beiden Seiten hinter ihrem Pfluge gingen, waren lange, knochige Männer von ungefähr vierzig Jahren und verkündeten auf den ersten Blick Sen sicheren, gutbesorgten Bauersmann. Sie trugen furze Kniehosen von starkem Zwillich, an dem jede Falte ihre unveränderliche Lage hatte und wie in Stein gemeißelt aussah. Wenn sie, auf ein Hindernis stoßend, den Pflug fester faßten, so zitterten bie groben Hemdärmel von der leichten Erschütterung, indessen die wohlrasierten Gesichter ruhig und aufmerfam, aber ein wenig blinzelnd in den Sonnenschein vor sich hinschauten, die Furche bemaßen oder wohl auch zuweilen sich umjahen, wenn ein fernes Geräusch die Stille des Landes unterbrach. Langsam und mit einer gewissen natürlichen Zierlichkeit setzten sie einen Fuß um den anderen vorwärts, und teiner sprach ein Wort, außer, wenn er etwa dem Knechte, der die vier stattlichen Pferde antrieb, eine Anweisung gab. So glichen sie einander vollkommen in einiger Entfernung, denn sie stellten die ursprüngliche Art dieser Gegend dax, und man hätte sie auf den ersten Blick nur daran unterscheiden können, daß der eine den Zipfel seiner weißen Kappe nach vorn trug, der andere aber hinten im Nacken hängen hatte. Aber das wecheselte zwischen ihnen ab, indem sie in der entgegengesetzten Richtung pflügten: denn wenn sie oben auf der Höhe zusammentrafen und aneinander vorüberkamen, so schlug dem, welcher gegen den frischen Ostwind ging, die Zipfelkappe nach hinten über, während sie, bei dem anderen, der den Wind im Rücken hatte, sich nach vorne sträubte. Es gab auch jedesmal einen mittleren Augenblick, wo die schimmernden Müßen aufrecht in der Luft schwankten und wie zwei weiße Flammen gen Himmel güngelfen. So pflügten beide ruhevoll, und es war schön anzusehen in der stillen, goldenen Septembergegend, wo sie so auf der Höhe vorbeizogen, still und langsam und sich allmählich voneinander entfernten, immer weiter auseinander, bis beide wie zwei untergehende Gestirne hinter die Wölbung des Himmels hinabgingen und verschwanden, um eine gute Weile darauf wieder zu
Wir nehmen Gelegenheit, auf die Gesamtausgabe der meisterlichen Erzählungen" Die Leute von Selowyla" hinzuweisen, die unsere Leser im 4. und 5. Bande von Gottfried Kellers Gesammelten Werfen"( Verlag: J. G. Cotta Nachf., Buchhandlung, Stuttgart ) finden.
Wie nun die Männer mit Behagen ihr Frühstück einnahmen und mit zufriedenem Wohlwollen den Kindern mitteilten, die nicht von der Stelle wichen, so lange gegessen und getrunken wurde, ließen sie ihre Blicke in der Nähe und Ferne herumschweifen und sahen das Städtchen räucherig glänzend in seinen Bergen liegen; denn das reichliche Mittagsmahl, welches die Seldwyler alle Tage bereiteten, pflegte ein weithin scheinendes Silbergewölf über ihre Dächer emporzutragen, welches lachend an ihren Bergen hinschwebte.
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" Die Lumpenhunde zu Seldwyl kochen wieder gut!" sagte Manz, der eine der Bauern, und Marti, der andere, erwiderte: Gestern war einer bei mir wegen des Acers hier."„ Aus dem Bezirksrat? Bei mir ist er auch gewesen!" sagte Manz.„ Go? und meinte wahrscheinlich auch, Du solltest das Land benußen und den Herren die Pacht zahlen?" Ja, bis es sich entschieden habe, wem der Acer gehöre, und was mit ihm anzufangen sei. Ich habe mich aber bedankt, das verwilderte Wesen für einen anderen herzustellen, und sagte, sie sollten den Acer nur verkaufen und den Ertrag aufheben, bis sich ein Eigentümer herausgestellt, was wohl nie geschehen wird, denn was einmal auf der Kanzlei zu Seldwyl liegt, hat da gute Weike, und überdem ist die Sache schwer zu entscheiden. Die Lumpen möchten indessen gar zu gern etwas zu naschen bekommen durch den Pachtzins, was sie freilich mit der Verkaufssumme auch tun könnten; allein wir würden uns hüten, dasselbe zu hoch hinaufzutreiben, und wir wüßten dann doch, was wir hätten, und wem das Land gehört!"
" Ganz so meine ich auch und habe dem Steckleinspringer eine ähnliche Antwort gegeben!"
Sie schwiegen eine Weile, dann fing Manz wiederum an: Schad' ist es aber doch, daß der gute Boden so daliegen muß, es ist nicht zum Ansehen; das geht nun schon in die zwanzig Jahre so, und keine Seele fragt danach; denn hier im Dorf ist niemand, der irgendeinen Anspruch auf den Acker hat, und niemand weiß auch, wo die Kinder des verdorbenen Trompeters hingekommen sind." " Hm!" sagte Marti, das wäre so eine Sache! Wenn ich den schwarzen Geiger ansehe, der sich bald bei den Heimatlosen aufhält, bald in den Dörfern zum Tanz aufspielt, so möchte ich darauf schwören, daß er ein Enkel des Trompeters ist, der freilich nicht weiß, daß er noch einen Acker hat. Was täte er aber damit? Einen Monat lang sich besaufen und dann nach wie vor! Budem, wer dürfte da einen Wink geben, da man es doch nicht sicher wissen kann!"
" Da könnte man eine schöne Geschichte anrichten!" antwortete Manz, wir haben so genug zu tun, diesem Geiger das Heimatsrecht in unserer Gemeinde abzustreiten, da man uns den Fehel fortwährend aufhalsen will. Haben sich seine Eltern einmal unter die Heimatlosen begeben, mag er auch dableiben und dem Kesselbolk das Geigelein streichen. Wie in aller Welt können wir wissen, daß er des Trompeters Sohnessohn ist? Was mich betrifft, wenn ich den Alten auch in dem dunklen Gesicht vollkommen zu erkennen glaube, so sage ich: Irren ist menschlich, und das geringste Fetchen Papier , ein Stücklein von einem Taufschein würde meinem Gewissen besser tun, als zehn sündhafte Menschengesichter!"
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„ Gia, sicherlich!" sagte Marti, er sagt zwar, er sei nicht schuld, daß man ihn nicht getauft habe! Aber sollen wir unseren Taufstein tragbar machen und in den Wäldern herumtragen? Nein, er steht fest in der Kirche, und dafür ist die Totenbahre tragbar, die draußen an der Mauer, hängt. Wir sind schon übervölkert im Dorf und brauchen bald zwei Schulmeister!"
Hiermit war die Mahlzeit und das Zwiegespräch der Bauern