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Finger, daß sie erschroden hineilte, und er gab ihr, ohne zu wissen warum, einige Ohrfeigen, also daß beide Kinder in großer Traurig feit und weinend nach Hause gingen, und sie wußten jezt eigentlich so wenig, warum sie traurig waren, als warum sie vorhin so ver­gnügt gewesen; denn die Rauheit der Väter, an sich ziemlich neu, war von den arglosen Geschöpfen noch nicht begriffen und konnte sie nicht tiefer bewegen.

Die nächsten Tage war es schon eine härtere Arbeit, zu welcher Mannsleute gehörten, als Manz die Steine aufnehmen und weg­fahren ließ. Es wollte kein Ende nehmen, und alle Steine der Welt schienen da beisammen zu sein. Er ließ sie aber nicht ganz vom Felde wegbringen, sondern jede Fuhre auf jenem streitigen Dreiede abwerfen, welches Marti schon säuberlich umgepflügt hatte. Er hatte vorher einen geraden Strich gezogen als Grenzscheide und be­Tastete nun dies Fleckchen Erde   mit allen Steinen, welche beide Männer seit unvordenklichen Zeiten herübergeworfen, so daß eine gewaltige Pyramide entstand, welche wegzubringen Marti wohl bleiben lassen würde, dachte er. Weart hatte dies gingen erwartet; er glaubte, sein Gegner werde nach alter Weise mit dem Pfluge zu Werke gehen wollen, und hatte daher abgewartet, bis er ihn als Pflüger ausziehen sähe. Erst als die Sache schon beinahe fertig, hörte er von dem schönen Denkmal, welches Manz da er­richtet, rannte voll Wut hinaus, sah die Bescherung, rannte zurück und holte den Gemeindeamman, um vorläufig gegen den Stein­Haufen zu protestieren, um den Fled gerichtlich in Beschlag nehmen zu lassen, und von diesem Tage an lagen die zwei Bauern im Prozeß miteinander, und ruhten nicht eher, bis sie beide zugrunde gerichtet waren. Die Gedanken der sonst so wohlweisen Männer waren nun so turz geschnitten wie Häcksel; der beschränkteste Rechtssinn von der Welt erfüllte jeden von ihnen, indem keiner begreifen fonnte noch wollte, wie der andere so offenbar unrechtmäßig und willkürlich den fraglichen unbedeutenden Ackerzipfel an sich reißen könne. Bei Manz kam noch ein wunderbarer Sinn für Symmetrie und paral­Tele Linie hinzu, und er fühlte sich wahrhaft gekränkt durch den aberwißigen Eigensinn, mit welchem Marti auf dem Dasein des unsinnigsten und mutwilligsten Schnörkels beharrte. Beide aber trafen zusammen in der Ueberzeugung, daß der andere, den ande­ren so frech und plump übervorteilend, ihn notwendig für einen verächtlichen Dummtopf halten müsse, da man dergleichen etwa einem armen, haltlosen Teufel, nicht aber einem aufrechten, flugen und wehrhaften Manne gegenüber sich erlauben könne, und jeder sah sich in seiner wunderlichen Ehre gekränkt und gab sich rückhalt los der Leidenschaft des Streites und dem daraus erfolgenden Ver­falle hin, und ihr Leben glich fortan der träumerischen Qual zweier Verdammten, welche, auf einem schmalen Brette einen dunklen Strom hinabtreibend, sich befehden, in die Luft hauen und sich selber anpacken und vernichten, in der Meinung, fie hätten den Feind ge­faßt.

( Fortsehung folgt.)

Deutscher Naturforschertag.

An den ersten beiden Kongreßtagen fanden viele Einzelsitzun­gen der 34 Abteilungen statt. Ginige Abteilungen traten für be­sondere Vorträge zusammen. Von diesen nennen wir vor allem den Vortrag des berühmten Züricher   Physikers Prof. Einstein vor den Abteilungen für Mathematik, Astronomie und Physik über das Thema:

Der gegenwärtige Stand des Gravitations.  problems.

Unter dem Gravitationsgeseh versteht man das von Newton vor etwa 225 Jahren aufgestellte Gesetz der allgemeinen Massen­anziehung, das besagt, daß die Bewegungen der Himmelsförper so erfolgen, als ob zwischen je zwei Massen eine anziehende Kraft wirksam ist, die entsprechend der Größe der Massen wächst und entsprechend der mit sich selbst multiplizierten Entfernung der Massen abnimmt, so daß bei doppelter Entfernung die wirksame Kraft nur noch den vierten Teil beträgt, bei dreifacher Entfernung den neunten Teil, bei vierfacher Entfernung den sechzehnten Teil usw. Dieses Gesez regelt nicht nur die Bewegungen der Himmels­törper, auch die Schwere der Massen auf der Erde stellt einen Spezialfall der allgemeinen Massenanziehung dar. Bei allen Be­wegungen sowohl am Himmel wie auf der Erde hat sich das Gesetz so genau zutreffend erwiesen, daß vom Standpunkt der Erfahrung aus kein Grund vorliegt, an seiner strengen Gültigkeit zu zweifeln. Trotzdem gibt es heute kaum noch einen Physiker, der an der strengen Gültigkeit des Newtonschen Massenanziehungsgejeßes jejt­hält. Es beruht das auf dem umgestaltenden Einfluß, den die Ent­wickelung unserer Kenntnis der elettromagnetischen Vorgänge in den letzten Jahrzehnten mit sich gebracht hat.

Nach dem Muster des Newtonschen Gesezes waren auch die Gefeße aufgestellt, die die elettromagnetischen Vorgänge beherrschen. Hiernach sollten elektrische Massen, magnetische Massen, Stromele­mente Fernwirkungen aufeinander ausüben, die der Schwere­wirkung analog sind und ebenso wie diese zu ihrer Fortpflanzung durch den Raum teine Zeit brauchen. An die Stelle dieser unver­mittelten Fernwirkungen seite Marwell im Verfolg der Gedanken des genialen Faraday eine Wirkung von Punkt zu Punkt, und Herz

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verhalf vor 25 Jahren dieser Theorie zum Siege, indem er experi­mentell nachwies, daß die elektrische Kraft zu ihrer Fortpflanzung Zeit braucht.

Nachdem so die Theorie von in die Ferne wirkenden Kräften auf dem Gebiete der Elektrodynamit als unhaltbar erkannt war, wurde auch das Vertrauen in die Richtigkeit der Fernwirkungs­theorie der allgemeinen Schwere erschüttert, und es brach sich die Ueberzeugung Bahn, daß das Newtonsche Gravitationsgesetz die Erscheinungen der allgemeinen Schwere feineswegs in ihrer Ge­samtheit umspanne. Daß es trotzdem bei Berechnung der Be­wegungen der Himmelskörper bisher ausreichte, glaubte man darauf zurückführen zu können, daß die Geschwindigkeiten und Be­schleunigungen jener Bewegungen flein sind. Freilich übertreffen diese kosmischen Geschwindigkeiten bei weitem alle, die wir auf der Erde erzeugen fönnen, sie betragen immerhin mehrere Meilen in der Sekunde, während die Geschwindigkeit der schnellsten Geschosse noch nicht 1000 Meter in der Sekunde erreicht. Aber im Vergleich zur Mugungitungsgeschwindigkeit des Lichte?( 300 000 stilometer in der Sekunde) sind sie doch winzig, beispielsweise beträgt die der Erde bei ihrem Laufe um die Sonne nur den 10 000. Teil davon, 30 Kilometer in der Sekunde. In der Tat läßt sich zeigen, daß unter der Annahme, die Bewegungen der Himmelskörper seien durch elektrische Kräfte hervorgerufen, die von elektrischen Ladungen auf den Himmelskörpern herrühren, wir aus diesen Bewegungen die Marwellschen Geseze der Elektrodynamit nicht würden er­schließen können. Es ist also durchaus nicht unwahrscheinlich, daß auch das Newtonsche Gesetz der allgemeinen in die Ferne wirkenden Schwere einer Erweiterung bedarf, die keineswegs aus den Be wegungen der Himmelskörper erschlossen werden kann. Freilich lagen zunächst keine direkten Gründe vor, die eine solche Erweite­rung gebieterisch forderten. Das hat sich geändert durch die feit einigen Jahren aufgestellte und bei den Physikern zu immer grö­Berem, wenn auch nicht unbezweifeltem Ansehen gelangte sogen. Relativitätstheorie. Die Grundlage dieser Theorie können wir in folgender Weise flar machen:

Wenn sich jemand in einem gleichmäßig in gerader Linie fahrenden Eisenbahnwagen befindet, dessen Fenster verhängt sind, so ist es ihm unmöglich zu entscheiden, in welcher Richtung und mit welcher Geschwindigkeit der Wagen fährt; wenn von dem unver­meidlichen Rütteln des Wagens abgesehen wird, so ist es nicht ein­mal möglich zu entscheiden, ob der Wagen fährt oder nicht. Abstraft ausgedrückt: mit Bezug auf ein gegen das ursprüngliche Bezugs­system( Erdboden) gleichförmig bewegtes System( Wagen) sind die Gesetze des Geschehens die nämlichen wie mit Bezug auf das ur­sprüngliche System( Erdboden). Diese Aussage enthält das Rela­tivitätsprinzip der gleichförmigen Bewegung. Zu den logischen Folgerungen der hierauf aufgebauten Relativitätstheorie gehört auch die, daß es in der Natur kein Mittel gibt, das uns gestattet, Signale mit einer größeren als der Lichtgeschwindigkeit zu senden. Gilt aber das Newtonsche Gesetz streng, so müßten Bewegungen einer schweren Masse in einem Punkte ganz momentan auch Aende­rungen im Bewegungszustand einer von ihr weit entfernten schweren Masse zur Folge haben, es fönnten also von einem Orte nach einem entfernten ganz momentan Signale gesendet werden im Widerspruch mit der Relativitätstheorie.

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Namhafte Physiker sind hierdurch zum Fallenlassen der Rela­tivitätstheorie bewogen worden. Einstein, einer ihrer hauptsäch­lichsten Schöpfer und Vertreter, versucht umgekehrt die Gravi­tationstheorie so zu erweitern, daß sie mit der Relativitätstheoric verträglich wird. Auch von anderer Seite ist dies schon versucht worden. In seinem Vortrage legte Einstein diese Versuche aus­führlich dar, worauf hier wegen der schwierigen mathematischen Einzelheiten nicht näher eingegangen werden kann. Es sei nur erwähnt, daß der neue Einsteinsche Versuch mit einer Erweiterung des Relativitätsprinzips selbst verbunden ist, so daß es auch für ungleichmäßige Bewegungen Geltung haben soll. Er versucht das auf folgende Weise flarzumachen:

Zwei Physiker erwachen aus narkotischem Schlafe und be= merken, daß sie sich in einem geschlossenen Kasten mit undurch­sichtigen Wänden befinden, versehen mit all ihren Apparaten. Sie haben keine Kenntnis davon, wo der Kasten angeordnet bzw. ob und wie er bewegt ist. Sie stellen nun fest, daß Körper, die in die Mitte des Kastens gebracht und losgelassen werden, alle nach derselben Richtung jagen wir nach unten mit einer allen ge= meinsamen Beschleunigung fallen. Hieraus schließt der eine, daß der Kasten ruhig auf einem Himmelskörper liegt und daß die Rich­tung nach unten die nach dem Zentrum des Himmelsförpers ist. Der andere vertritt den Standpunkt, daß der Kasten durch eine außen an ihm angreifende Kraft in gleichförmig beschleunigter Bewegung erhalten sein könne. Wir kennen tein Mittel, nach dem sie entscheiden könnten, wer Recht hat. Ist dies aber prinzipiell nicht unterscheidbar, so kommt der Beschleunigung ebenso wenig eine absolute physikalische Bedeutung zu wie der Geschwindigkeit, und das Relativitätsprinzip wäre dann auf den Fall beschleunigter Bezugssysteme auszudehnen.

Aus den Rechnungen Einsteins  , auf die im einzelnen hier natürlich nicht eingegangen werden kann, ergibt sich, daß durch die Anhäufung von Massen in der Nähe eines ruhenden Massenpunktes seine Trägheit erhöht wird. Dann wird man die Trägheit eines Punktes als durch die Existenz der übrigen Massen bedingt ansehen müssen, und so erscheint die Trägheit bedingt als eine Art Wechsel­