des Lobes aus. Rittmeister Brand war mehr als liebens- wiirdia und berühmt, er war einzig. Er kannte.sein Ge- schlecht. O, und sie ebenfalls, wenn auch nur in einem Ercmplar, in dem freilich die Fehlerhaftigkeit 6« tont le xanre masculin vertreten war. O, wenn er ahnen könnte! tvenn er wußte... Ein diskretes Klopfen an der Tür unterbrach sie. Fräulein Julie zeigte sich, sie trug einen Karton unter dem Arme und meldete, die Fürstin A. habe sich ansagen lassen, und da mußte Madame doch bestimmen, ob die heutige Sendung Sophie Müllers sogleich oder erst zuletzt vorgezeigt werden solle. Mit zierlichst gerundeten Handbewegungen ent- nahm sie dem eleganten Behältnisse nacheinander vier Hüte und stellte sie auf Haubenstöckchen vor die Gebieterin hin: Nein, das waren wieder Sachen! Sachen! Nicht eines dieserHüterin" würde auch nur einen Tag alt werden im Salon. Tie Fürstin A. würde gewiß zwei Stück nehmen und Prinzessin B. die anderen zwei: sie waren wie geboren für die beiden Damen, und nur auf ihren Häuptern wollte Fräulein Julie sie sehen. Der Baronin C. dürften sie gar nicht vor Augen kominen, die kauft sonst den wirklichen Damen alle vier auf einmal weg. Amslie prüfte jeden einzelnen Hut genau:Ja, Madame Miillör ist erstaunlich, sie übertrifft sich bei jeder neuen Leistung. Was für Ideen sie hat! Sehen Sie nur, Mr. Brand, wie die Aigrette auf diesem Spitzenhut placiert ist. Welche Grazie und welcher Geschmack in der Wahl der Farben, eine hebt die andere, und keine schlägt die andere. Den Hut verkaufen wir als Modell." So schön! so schön!" fiel Julie ein,und diese Nettig- feit! Alles wie aus dem Ei geschält." Brand blieb stumm und betrachtete die Hüte mit tief innerlichster Riihrung. Dieses schimmernde, phantastische kostbare Zeug hat der Mangel geschaffen, die Armut hat es gemacht für den übermütigsten Luxus. Die Schönheit dieses Zeuges ist wie Hauch, einige Regentropfen vernichten sie. Und dafür den schlaf der Nächte, das Licht der Augen .. Dafür! Wieder wurde geklopft und angezeigt, daß der Wagen der Fürstin vorgefahren sei. Fräulein Julie raffte hastig ihre Waren zusammen und eilte in den Salon. Madame Ain6lie und Brand waren zugleich ausgestanden. Er verabschiedete sich sehr bewegt und sagte:Der Witwe meines Freundes muß geholfen werden. Helfen Sie mir helfen. Ueber das Wie müssen wir uns beraten. Wann darf ich wiederkommen?" Konimen Sie morgen," sprach sie huldvoll. (Fortsetzung folgt.)' Romeo und Julia auf dem Dorfe. S e l d w Y l c r Geschichte von Gottfried Keller . 4) Nachdruck verboten. Toch war sein Vater Manz nun der erste von den beiden Feinden, der sich nicht mebr halten konnte und von Haus und Hof springen mußte. Dieser Vortritt rührte daher, daß er eine Frau besaß, die ihm geholfen, und einen Sohn, der doch einiges mit brauchte, während Marti der einzige Verzehrer war in seinem wackeligen Königreich, und seine Tochter durfte wohl arbeiten wie ein Haustierchen, aber nichts gebrauchen. Manz aber wußte nichts anderes anzufangen, als aus den Rat seiner Seldwyler Gönner in die Stadt zu ziehen und da sich als Wirt aufzutun. Dies ist immer ein Elend anzusehen, wenn ein ehemaliger Landmann, der auf dem Felde alt geworden ist, mit den Trümmern seiner Habe in eine Stadt zieht und da eine Schenke oder Kneipe auftut, um als letzten victtungsanker den sreundliche'n und gewandten Wirt zu machen, während es ihm nichts weniger als freundlich zumute ist. Als die Manzen vom Hofe zogen, sah man erst, wie arm sie bereits waren; denn sie luden lauter alten und verfallenden Hausrat auf, dem man es ansah, daß seit vielen Jahren nichts erneuert und an- geschafft worden war. Die Frau legte aber nichtsdestominder ihren besten Staat an, als sie sich oben auf die Gerümpelfuhre setzte, und machte ein Gesicht voller Hoffnungen, als künftige Stadtsrau schon mit Verachtung auf die Dorfgenossen herabsehend, welche voll Mit- leid hinter den Hecken hervor dem bedenklichen Auge zusahen. Denn sie nahm sich vor, mit ihrer Liebenswürdigkeit und Klugheit die ganze Stadt zu bezaubern, und was ibr versimpelter Mann nicht machen könne, das wolle sich schon ausrichten, wenn sie nur erst ein- mal als Frau Wirtin in einem stattlichen Gasthofe säße. Dieser Gasthof bestand aber in einer trübseligen Winkclschenke in einem abgelegenen, schmalen Gäßchen, auf der eben ein anderer zugrunde gegangen war, und welche die Seldwnünc dem Manz verpachteten, da er noch einige hundert Taler einzuM/hcn hatte. Sie verkauften ihm auch ein paar Fäßchcn säuerlichen Weines und das Wirtfchafts. Mobiliar, das aus einem Dutzend weißen, geringen Flaschen, eben- soviel Gläsern und einigen tannenen Tischen und Bänken bestand, welche einst blutrot angestrichen gewesen und jetzt vielfältig abge- scheuert waren. Vor dem Fenster knarrte ein eiserner Resten in einem Haken, und in dem Reifen schenkte eine blecherne Hand Rot- wein aus einem Schüppchen in ein Glas. Ueberdies hing ein ver- dorrter Busch von Stechpalmen über der Haustür, was Manz alles mit in die Pacht bekam. Um deswillen war er nicht so wohlgemut wie seine Frau, sondern trieb mit schlimmer Ahnung und voll Jngrrmm die mageren Pferde an, welche er vom neuen Bauern geliehen. Das letzte schäbige Knechtchen, das er gehabt, hatte ihn schon seit einigen Wochen verlassen. Als er solcher Weise abfuhr, sah er wohl, wie Marti voll Hohn und Schadenfreude sich unfern der Straße zu schaffen machte, fluchte ihm und hielt denselben für den alleinigen Urheber seines Unglücks. Sali aber, sobald das Fuhrwerk im Gange war, beschleunigte seine Schritte, eilte voraus und ging allein auf Seitenwegen nach der Stadt. Da wären wir!" sagte Manz, als die Fuhre vor dem Spelun- kelein anhielt. Die Frau erschrak darüber, denn das war in der Tat ein betrübter Gasthof. Die Leute traten eilfertig unter die Fenster und vor die Häuser, um sich den neuen Bauernwirt anzu- sehen,_ und machten mit ihrer Seidwyler Ueberlegenhcit mitleidig spöttische Gesichter. Zornig und mit nassen Augen kletterte die Manzin vom Wagen herunten und lief, ihre Zunge vorläufig wetzend, in das Haus, um sich heute vornehm nicht wieder blicken zu lassen, denn sie schämte sich des schlechten Gerätes und der ver- dorbener Betten, welche nun abgeladen wurden. Sali schämte sich auch, aber mußte helfen und machte mit seinem Vater einen seit- stimen Verlag in dem Gäßchen, auf welchem alsbald die Kinder der Falliten herumsprangen und sich über das verlumpte Bauernpack lustig machten. Im Hause aber sah es noch trübseliger aus, und es glich einer vollkommenen Räuberhöhle. Die Wände waren schlecht geweihtes, feuchtes Mauerwerk, außer der dunklen, unfreundlichen Gaststube mit ihrem ehemals blutroten Tischen waren nur noch ein par schlechte Kämmerchen da, und überall hatte der ausgezogene Vor- gänger den trostlosesten Schmutz und Kehricht zurückgelassen. So war der Anfang, und so ging es auch fort. Während der ersten Wochen kamen, besonders am Abend, wohl hin und wieder ein Tisch voll Leute aus Neugierde, den Bauernwirt zu sehen, und ob es da vielleicht einigen Spaß absetzte. Am Wirt hatten sie nicht viel zu sehen, denn Manz war ungelenk, starr, unfreundlich und melancholisch und wußte sich gar nicht zu benehmen, wollte es auch nicht wissen. Er füllte langsam und ungeschickt die Schöppchen, stellte sie mürrisch vor die Gäste und versuchte etwas zu sagen, hrachte aber nichts heraus. Desto eifriger warf sich nun seine Frau ins Geschirr und hielt die Leute wirklich einige Tage zusammen. aber in einem ganz anderen Sinne, als sie meinte. Die ziemlich dicke Frau hatte sich eine eigene Haustracht zusammengesetzt, in der sie unwiderstehlich zu sein glaubte. Zu einem leinenen, natur- sarbenen Landrock trug sie. einen alten, grünseidenen Spenser, eine baumwollene Schürze und einen schlimmen, weißen Halskragen. Von ihrem nicht mehr dichten Haar hatte sie an den Schläfen possierliche Schnecken gewickelt und in das Zöpfchen hinten einen hohen Kamm gesteckt. So schwänzelte und tänzelte sich mit ange- strengter Anmut herum, spitzte lächerlich das Maul, daß es süß aussehen sollte, hüpfte elastisch an die Tische hin und, das GlaS oder den Teller mit gesalzenem Käse hinsetzend, sagte sie lächelnd:So. so? so soli! herrlich, herrlich, ihr Herren!' und solches dummes Zeug mehr; denn obwohl sie sonst eine geschliffene Zunge hatte, so wußte sie jetzt doch nichts Gescheites vorzubringen, da sie fremd war und die Leute nicht kannte. Die Seldwyler von der schlechtesten Sorte, die da hockten, hielten die Hand vor den Mund, wollten vor Lachen ersticken, stießen sich unter dem Tisch mit den Füßen und sagten:Potz tausig! das ist ja eine Herrliche! Eine Himmlische!" sagte ein anderer;bei ewigen Hagel! Es ist der Mühe wert, hier- her zu kommen, so eine haben wir lange nicht gesehen!" Ihr Mann bemerkte das wohl mit finsterem Blicke; er gab ihr einen Stoß in die Rippen und flüsterte:Du alte Kuh! Was machst Du denn?"Störe mich nicht," sagte sie unwillig,Du alter Tol- patsch, stehst Du nicht, wie ich mir Mühe gebe und mit den Leuten umzugehen weiß? Das sind aber nur Lumpen von Deinem An- hang! Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere Kundschaft hier haben!" Dies alles war beleuchtet von einem oder zwei dünnen Talglichtern; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die dunkle Küche, setzte sich auf den Herd und weinte über Vater und Mutter. Die Gäste hatten aber das Schauspiel bald satt, welches ihnen die gute Frau Manz gewährte, und blieben wieder, wo es ihnen wohler war und sie über die wunderliche Wirtschaft lachen konnten; nur dann und wann erschien ein einzelner, der ein Glas trank und die Wände angähnte, oder es kam ausnahmsweise eine ganze Bande, die armen Leute mit einem vorübergehenden Trubel und Lärm zu täuschen. Es ward ihnen angst und bange in dem engen Mauer- Winkel, wo sie kaum die Sonne sahen, und Manz. welcher sonst ge- wohnt war, tagelang in der Stadt zu liegen, fand es jetzt uner- träglich zwischen diesen Mauern. Wenn er an die freie Weite der Felder dachte, so stierte er finster brütend an die Decke oder auf den Boden, lief unter die enge Haustüre und wieder zurück, da die Nachbarn den bösen Wirt, wie sie ihn schon nannten, angafften. Nun dauerte es aber nicht mehr lange, und sie verarmten gänzlich, und hatten gar nichts mehr in der Hand; sie mußten, um etwas zu