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Wenn ich nicht abraten darf," erwiderte Brand schmerz­lich, darf ich Sie während der Bedenkzeit, die Sie sich be­dungen haben, nicht sehen, nicht sprechen, denn sonst..." Er wurde durch das Eintreten Paulinens unterbrochen, die den Tisch zu decken kam.

,, Warten Sie," rief Sophie ihr hastig entgegen und er­rötete über und über; sie wollte keinen Zeugen haben bei ihrer ärmlichen Mahlzeit.

Brand empfahl sich, und es tat ihm bitter weh, daß Abschiedswort lautete:

ihr

Auf Wiedersehen also, in acht Tagen." Unter dem Tore wurde er von der Hausmeisterin er­

wartet.

Sie schlich auf ihn zu, eine lächelnde Hyäne, warf einen spähenden Blick in die Runde, konnte nirgends einen Lauscher entdecken und sprach:

Hob'n e'n beim Fenster' nausg'schmiß'n! Recht is ihm g'scheg'n. Nur schod; daß mer fein' dritt'n Stock hob'n." Ich habe niemand zum Fenster hinausgeworfen," er

widerte Brand.

No, versteht si!" Sie lächelte verschmitt, und jetzt er innerte fie an ein Krokodil. Ton hoben's es nit, aber hundertmolverdient hätt's der Schuft, der miserabliche. Schon weg'n den jung'n Ding von do drib'n. So an arm's jung's Ding. Die Eltern sein Schneiderleit, brave Leit und' s Mädt war a brav... Bis der Schuft aber dös steht ihm no dös Staffee, der fette Rahm, die frischen, noch warmen Prötchen, die ins Haus, dos wird sei Gnädige erfohren, ob s'es g'freit oder nit.. Jetzt'n hot er's satt, dös arme Ding, und bandlet gern an mit uns'rer Frau von Miller. No jo, so an einschichtiges Frauenzimmer wär ihm holt kommod,' s is a Glück, daß der gnä' Herr zum Recht'n seg'n und ihn ' nauspfeffern."

" Frau Hausbesorgerin, ich habe ihn nicht hinaus ge­pfeffert", ich habe ihn ersucht, sich selbst an die frische Luft zu setzen," sprach Brand ernst und nachdrücklich.

in einem Atem bitte ich auch... Was die Antwort betrifft, I gleich im anderen Dorf einen Kaffee trinken!" betrifft, gleidh im -" Versteht sich!" die Madame Vernon in acht Tagen von mir erwartet fagte Sali, mach nur, daß wir aus diesem Dorfe wegkommen." Herr Rittmeister, da lassen Sie mich allein entscheiden. Raten Bald waren sie auch im freien Felde und gingen still neben­Sie nicht ab, suchen Sie nicht, mich zu beeinflussen. Ich einander durch die Fluren; es war ein schöner Sonntagmorgen im muß in dieser Sache ganz frei, ganz nach eigener Einsicht September, keine Wolke stand am Himmel, die Höhen und die Wälder waren mit einem zarten Duftgewebe bekleidet, welches die handeln." Seiten tönten die Kirchenglocken herüber, hier das harmonische Gegend geheimnisvoller und feierlicher machte, und von allen tiefe Geläute einer reichen Ortschaft, dort die geschwäßigen zwei Bimmelglöcklein eines fleinen, armen Dörfchens. Das liebende Paar vergaß, was am Ende dieses Tages werden sollte, und gab sich einzig der hoch aufatmenden, wortlosen Freude hin, sauber gekleidet und frei, wie zwei Glückliche, die sich von Rechts wegen angehören, in den Sonntag hineinzuwandeln. Jeder in der Sonn­tagsstille verhallende Ton oder ferne Ruf flang ihnen erschütternd durch die Seele: denn die Liebe ist eine Glode, welche das Ent­Tegenste und Gleichgültigste wieder tönen läßt und in eine be­sondere Musik verivandelt. Obgleich sie hungrig waren, dünfte sie die halbe Stunde Weges bis zum nächsten Dorfe nur einen Kazensprung lang zu sein, und sie betraten zögernd das Wirts­haus am Eingang des Ortes. Sali bestellte ein gutes Frühstück, und während es bereitet wurde, sahen sie mäuschenstill der sicheren und freundlichen Wirtschaft in der großen, reinlichen Gaststube zu. Der Wirt war zugleich ein Bäcker, das eben Gebackene durchduftete angenehm das ganze Haus, und Brot aller Art wurde in gehäuf­ten Körben herbeigetragen, da nach der Kirche die Leute hier ihr eine artige und saubere Frau, puzte gelaffen und freundlich ihre Weißbrot holten oder ihren Frühschoppen tranken. Die Wirtin, Kinder heraus, und soweit eines entlassen war, tam es zutraulich zu Wrenchen gelaufen, zeigte ihm seine Herrlichkeiten und erzählte von allem, dessen es sich erfreute und rühmte. Wie nun der wohl­duftende starte Kaffee fam, setzten sich die zwei Leutchen schüchtern an den Tisch, als ob sie da zu Gast gebeten wären. Sie ermunter­ten sich jedoch bald und flüsterten bescheiden, aber glüdselig mit­einander; ach, wie schmeckte dem aufblühenden Vrenchen der gute schöne Butter und der Honig, der Eierkuchen und was alles noch für Leckerbissen da waren! Sie schmedten ihm, weil es den Sali dazu ansah, und es so vergnügt, als ob es ein Jahr lang ge= fastet hätte. Dazu freute es sich über das seine Geschirr, über die filbernen Kaffeelöffelchen, denn die Wirtin schien fie für rechtliche, junge Leutchen zu halten, die man anständig bedienen müsse, und sette sich auch ab und zu plaudernd zu ihnen, und die beiden gaben ihr verständigen Bescheid, was ihr gefiel. Es ward dem guten Vrenchen so wohlig zumute, daß es nicht wußte, mochte es lieber wieder ins Freie, um allein mit seinem Schak herumzuschweifen durch Auen und Wälder, oder mochte es lieber in der gastlichen Stube bleiben, um wenigstens auf Stunden sich an einem statt­lichen Orte zu Hause zu träumen. Doch Sali erleichterte die Wahl, indem er ehrbar und geschäftig zum Aufbruch mahnte, als ob sie einen bestimmten und wichtigen Weg zu machen hätten. Die Wirtin und der Wirt begleiteten jie bis vor das Haus und ent­ließen sie auf das wohlvollendste wegen ihres guten Benehmens trotz der durchscheinenden Dürftigkeit, und das arme, junge Blut verabschiedete sich mit den besten Manieren von der Welt und wandelte fittig und ehrbar von hinnen. Aber auch als sie schon wieder im Freien waren und einen stundenlangen Eichwald be­genehme Träume vertieft, als ob sie nicht aus zank- und elend= Seldwyler Geschichte von Gottfried Keller . erfüllten, vernichteten Häusern herkämen, sondern guter Leute Kinder wären, welche in lieblicher Hoffnung wandelten. Vrenchen Nachdrud verboten. sentte das Köpfchen tiefsinnig gegen seine blumengeschmückte Bruſt Die Bäuerin zog ab mit ihrem Bündelturme, mit Mühe das und ging, die Hände sorglich an das Gewand gelegt, einher auf Gleichgewicht behauptend, und hinter ihr drein ging ihr Knechtchen, dem glatten, feuchten Waldboden, Sali dagegen schritt schlank auf­das sich in Vrenchens einst buntbemalte Bettstatt hineinstellte, den gerichtet, rasch und nachdenklich, die Augen auf die festen Eichen­Kopf gegen den mit verblichenen Sternen bedeckten Himmel der- stämme geheftet, wie ein Bauer, der überlegt, welche Bäume er selben stemmte und, ein zweiter Simson, die zwei vorderen, zier­lich geschnitten Säulen faßte, welche diesen Himmel trugen. Als Vrenchen, an Sali gelehnt, dem Zuge nachschaute und den wandeln­den Tempel zwischen den Gärten sah, sagte es:" Das gäbe noch ein artiges Gartenhäuschen oder eine Laube, wenn man's in einen Garten pflanzte, ein Tischchen und ein Bänklein darein stellte und Winden darum herumsäte. Wolltest Du mit mir darin fißen, Sali?"" Ja, Vreeli, besonders wenn die Winden aufgewachsen wären." Was stehen wir noch?" sagte Vrenchen, nichts hält uns mehr zurück."" So komm und schließe das Haus zu. Wem willst Du denn den Schlüssel übergeben? Vrenchen sah sich um. Hier an die Hellebarde wollen wir ihn hängen; sie ist über hun­dert Jahre in diesem Hause gewesen, habe ich den Vater oft sagen hören, nun steht sie da als der letzte Wächter!" Sie hingen den rostigen Hausschlüssel an einen rostigen Schnörkel der alten Waffe, an welcher die Bohnen rankten, und gingen davon. Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte, bis sie ein Dußend Schritte entfernt waren. Es sah aber nicht zurüd. Wo geh'n wir nun zuerst hin?" fragte es. Wir wollen ordentlich über Land gehen," erwiderte Sali, wo es uns freut den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und gegen Abend werden wir dann schon einen Tanzplatz finden." Gut!" fagte Vrenchen, den ganzen Tag werden wir beisammen sein und gehen, wo wir Lust haben. Jezt ist mir aber elend, wir wollen

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Wenn er nur g'iebt ist, wenn's' n nur obg'schofft hob'n. Wie S'n obg'schofft hob'n". fie fuhr mit dem Arme durch die Luft, als ob sie etwas Schweres beiseite bringen und für immer begraben wollte, und legte dann beteuernd ihre Rechte auf die Brust: Dös bleibt bei mir!"

( Fortfegung folgt.)

Romeo und Julia auf dem Dorfe . traten, gingen fie noch in dieser Weise nebeneinander her, in an­

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am vorteilhaftesten fällen soll. Endlich erwachten sie aus diesen vergeblichen Träumen, sahen sich an und entdeckten, daß sie immer noch in der Haltung gingen, in welcher sie das Gasthaus verlassen, erröteten und ließen traurig die Köpfe hängen. Aber Jugend hat teine Tugend; der Wald war grün, der Himmel blau und sie allein in der weiten Welt, und sie überließen sich alsbald wieder diesem Gefühle. Doch blieben sie nicht lange mehr allein, da die schöne Waldstraße sich belebte mit lustwandelnden Gruppen von jungen Leuten sowie mit einzelnen Paaren, welche schäfernd und singend die Zeit nach der Kirche verbrachten. Denn die Landleute haben so gut ihre ausgesuchten Promenaden und Lustwälder, wie die Städter, nur mit dem Unterschied, daß dieselben keine Unterhaltung fosten und noch schöner find; sie spazieren nicht nur mit einem be­sonderen Sinn des Sonntags durch ihre blühenden und reifenden Felder, sondern sie machen sehr gewählte Gänge durch Gehölze und an grünen Halden entlang, seßen sich hier auf eine anmutige, fernsichtige Höhe, dort an einen Waldrand, lassen ihre Lieder er­tönen und die schöne Wildnis ganz behaglich auf sich einwirken; und da sie dies offenbar nicht zu ihrer Pönitenz tun, sondern zu ihrem Vergnügen, so ist wohl anzunehmen, daß sie Sinn für Sie Natur haben, auch abgesehen von ihrer Nüglichkeit. Immer brechen sie etwas Grünes ab, junge Burschen wie alte Mütterchen, welche die alten Wege ihrer Jugend aufsuchen, und selbst steife Land­männer in den besten Geschäftsjahren, wenn sie über Land gehen,