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die Brüstung des luftigen Saales und fah dem Aufgange des Ge- Verdis Genie mufitalifa fo triumphiert, daß es wohl feinen auch stirnes entgegen, dessen Röte schon am Horizont stand, und sobald nur irgendwie Musit Hörenden auf der ganzen Welt gibt, der der Mond aufging und fein Licht quer durch den Estrich des Para- nicht Melodien aus dem„ Troubadour " kennt und ihnen gern diesgärtchens warf, tanzten sie im Mondschein weiter, und zwar begegnet. so still, artig und seelenvergnügt, als ob sie im Glanze von hundert Wachskerzen tanzten. Das seltsame Licht machte alle vertrauter, und so konnten Sali und Vrenchen nicht umhin, sich unter die gemeinsame Lustbarkeit zu mischen und auch mit anderen zu tanzen. ( Fortsetzung folgt.)
Zu seinem hundertsten Geburtstage.
Am 10. Oktober 1813 wurde in Roncole bei Parma der Komponist Giuseppe Verdi geboren. Er ist der größte italienische Tonsetzer der neuesten Zeit. Die ganze Welt, die für Kunst im allgemeinen und für Musik im besonderen Sinn hat, begeht den 10. Oftober festlich, wie sie den 22. Mai festlich begangen hat, auf den der hundertste Geburtstag Richard Wagners fiel.
Man kann sich nicht denken, daß ein Mann, dem so unerhört Bieles , Charakteristisches, Gutes, Geniales eingefallen ist, wie Verdi, die sogenannte gewöhnliche Musik ohne Absicht gemacht hat. Daß es geschehen wäre, um sich in Sicherheit zu bringen, davon kann keine Rede sein. Es muß vielmehr in der italienischen Musik liegen, und es liegt auch in ihr, das die dramatische Situation Bestimmende anders aufzufassen und durch Töne zu bezeichnen, als eine andere Musik. Ob sie es besser oder schlechter fertig bringt, als eine andere, ist eine Dottorfrage. Daß sie es gut versteht, beteist die Tatsache, daß alle Mufit, die Bühnenmusit wie die andere, aus Italien stammt, und auch Wagner hat noch im„ Rienzi ", sogar in einigen Teilen von„ Tannhäuser " und" Lohengrin ", seine Abstammung von Italien deutlich fundgegeben. Hat nun die italienische Musik jene ihre Eigentümlichkeit, so wird diese wiederum von niemandem glänzender, überzeugender vertreten als von Verdi, und wenn er, dieser Eigentümlichkeit entsprechend, manchmal, in einigen Werken sogar häufig, das schreibt, was wir gewöhnliche Musik nennen, so liegt es vielleicht an uns und nicht an Verdi, daß diese Mufit gewöhnlich erscheint.
Verdi wäre aber nicht ein Genie und ein seiner Kraft sicherer Es gab eine Zeit, da man sich in deutichen, ja sogar in Meister gewesen, wenn er sich nicht auch um die Entwickelung der italienischen Musikerfreisen der Kunstlästerung schuldig machte, wenn Stunft anderswo gefümmert hätte. Schon in dem 1851 gegebenen man Wagner und Verdi neben einander nannte. Man wurde sofort Rigoletto " schlägt er Töne an, die er zwar eine Weile vergißt, die als ein gänzlich verständnisloser Philister bezeichnet, der nicht weiß, ihm aber im späteren Alter wieder nahen, wie die schwankenden Gewelcher Unterschied ist zwischen dem auf tiefster Wahrheit und Unter- stalten dem den" Faust" schreibenden Goethe. Die großartige, auf ordnung der dramatischen Musik unter einer Idee hinarbeitenden geschlossenste Form und Wirkung des Kunstwerks hinzielende Abficht deutschen Genie und dem auf augenblickliche Effekte vor allem Richard Wagners , die er in Tristan und Jfolde"," Die Meistersinger rechnenden welschen Tonschreiber".
Diese Zeit ist so ziemlich vorbei, nicht ganz.
Es gibt noch immer einige Heißsporne, die Verdi nicht verstehen oder verstehen wollen. Man kann aber ruhig von ihnen behaupten, daß sie auch Wagner nicht verstehen. Man darf es überhaupt als das Zeichen fünstlerischer Beschränktheit ansehen, wenn jemand eine Persönlichkeit einem anderen gegenüber ableugnet. Künstlerisches Berständnis sucht nicht das Bereich der Kunst zu verarmen, dadurch, daß es den Bestand vermindert, sondern es sucht alles zu pflegen, was in dem großen Garten wächst, und es erfreut sich an jeder Bildung, wenn sie nur eigenartig ist.
Der Zwed dieser Zeilen ist, ein Bild von der Persönlichkeit des großen italienischen Tonsezers zu geben, und wenn, wie es schließ lich unvermeidlich sein wird, der Name Wagners in der Darstellung wiederkehrt, so wird es nur geschehen, um zu zeigen, daß Verdi und Wagner feineswegs die Gegenfäße bedeuten, als die man sie un fundigerweise hinstellt, sondern zuerst nebeneinander wirkende riesenhafte Kräfte sind, von denen die allerdings tiefer angelegte Wagners auf die Verdis einen großen ungeahnten Einfluß haben, ja fie zur höchsten, die Persönlichkeit noch verstärkenden Meisterschaft führen sollte.
Berdis Persönlichkeit ist rein romanisch. Alle Eigenschaften der südlichen Rassen, die sich mit Arabern nicht allzu start vermischt haben, Feuer, Glut, Stoßkraft, Erfindungsreichtum, Leidenschaft, unwiderstehliches Draufgehen, dem indes die Mäßigung, jene Haupttugend der Romanen, stets den wahren Erfolg sichert alle diese Vorzüge im Dienste einer schier unverwüstlichen förperlichen Kraft vereinigten sich zur Schaffung eines Menschen, wie er vielleicht nur alle hundert Jahre einmal zur Welt kommt.
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Verdi war Sinnenmensch vor allem. Das ist der Künstler stets, wenn auch in manchem Kräfte tätig sind, die das sinnliche Element abzuschwächen oder gar zu verwischen suchen. In Verdi schalteten die Sinne frei, und er selbst hat sich dieser Tatsache einem meiner Bariser Bekannten gegenüber noch im höchsten Greiſenalter gerühmt. Er hat es in einer so drastischen Form getan, daß ich gänzlich außerstande bin, auch nur entfernt den Wortlaut seiner Aeußerung anzudeuten, sie würde aber verdienen, als Leitwort den gesammelten Werken Verdis vorangestellt zu werden.
Als Sinnenmensch erster Klasse ging Verdi vor allem der fangbaren Melodie nach. Das Gesangliche ist der wahrste Ausdruck des sinnlich bewegten Menschen in Freud und im Schmerz, es ist im Grunde nur die höhere, weil rhythmisch bewegte Form des Jauchzens und des Seufzens.
Man hat dem großen Komponisten seine absolute Vorliebe für die sogenannte Melodie zum Vorwurf gemacht, und in vielen von denen, welche Verdi geschrieben hat, nichts weiter, als Material für Leiertästen gefunden. Dieser Vorwurf ist berechtigt, sobald man einzig und allein die sogenannte große Musik anerkennt. Es gibt aber außer dieser noch eine andere, auf die augenblicklichste Wirkung zielende, die noch überdies den 3Zweck hat, dem sie vortragenden Sänger eine dankbare Aufgabe zu sein. Auf diese Musik verstand Verdi fich, wie kaum jemand, und die Tatsache steht fest, daß diese feine Mufit eigentlich gar feinen Text mehr nötig hat. Wer kann sich 3. B. beim Terte des" Troubadour" überhaupt etwas denken? Man hat da und dort das Verwundern darüber ausgesprochen, daß der Troubadour" noch nicht parodiert ist. Er kann nicht parodiert werden, weil er eben schon selbst eine Parodie ist. Diefer haarsträubende Unsinn von dem geraubten Kinde und einem Grafen, der ein furchtbarer Kerl sein muß, obwohl man es ihm nicht beweisen fann, da überhaupt kein Mensch weiß, was er eigentlich will. Aber trog aller im Tegte des„ Troubadour " liegenden Hindernisse hat
von Nürnberg ", in„ Der Ring des Nibelungen " und" Parsifal " zu verwirklichen gesucht hat, regte sich auch in Verdi. Aber er war eben eine zu große Persönlichkeit, um sich in einer Nachahmung Wagners zu verlieren. Vielmehr gewann er für sich aus der sorgfamen lleberlegung der Grundfäße Wagners, die Melodie, das heißt den Ausdruck der die Handlung begleitenden Empfindungen und Gefühle ins Orchester zu verlegen und den Sängern eine der Natur näher kommende Weise zuzuteilen, einen neuen eigenen, seiner Sangesfreudigkeit entsprechenden Stil. Dieser gibt sich zuerst in Aida " kund und verstärkt sich in" Othello ", um in" Falstaff", der größten komischen Oper der Welt, einem Werke, dessen ganze Riefenhaftigkeit und Eigentümlichkeit den Zeitgenoffen noch nicht ganz aufgegangen ist, zu einer von niemand vor oder nach Verdi erreichten Selbständigkeit emporzuſteigen.
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" Falstaff" wurde 1893 aufgeführt. Der Komponist war damals achtzig Jahre alt. Als das Wert in der Pariser Großen Oper erscheinen sollte, äußerte der Direktor des Instituts, es schiene ihm gut, an einer Stelle der Handlung mit Hilfe eines Orchesterzwischenspiels einen Ruhepunkt zu schaffen. Der Meister überlegte einen Augenblick, fand den Nat gut, zog sich ins Direktionskabinett zurück und erschien nach etwa dreiviertel Stunden mit etwa zwölf Seiten Partitur, die mir Herr Paul Vidal , der Kapellmeister der Großen Oper, als furzweg wunderbar, une merveille", bezeichnete. Diese jeden Augenblick zur Entwickelung von Genialität bereite Naturgewalt ist das wahrhaft Eigentümliche in der Begabung Verdis , der für alle musikalischen Gattungen( man denke an fein Streichquartett und an seine Totenmesse zu Ehren Manzonis) sich sofort eine eigene Tonwelt zu schaffen wußte, um darin mit voller Freiheit zu schalten.
Verdis Name reiht sich denen der größten musikalischen Meister aller Zeiten an, und es ist vielleicht etwas besonders Schönes, daß er, dessen Erfolge bei der Mitwelt ohne Gleichen waren, der Nachwelt in seinem Falstaff" ein Wert hinterlassen hat, dessen Einfluß auf die Musik sich vielleicht heute in hundert Jahren erst ganz fundgetan haben wird. Dr. Julius Levin.
Kleines Feuilleton.
Wenn die Heringsschwärme wieder kommen. Vom Meere her pfeifen falte Oftoberwinde über den Strand. Längst, haben die legten zähesten Badegäste die Flucht ergriffen, landeinwärts erzählen die Stoppeln auf den Feldern davon, daß bald die Blätter fallen werden. Aber drunten an den Kaimauern, wo die Fischdampfer antern, herrscht nun geschäftiges und hastiges Treiben. Die Leiber der Dampfer werden mit Kohlen gesättigt, die Kräne rasseln, Salzfäffer und Salzsäcke werden entleert und über dem ganzen Bild wogt alles beherrschend ein eigentümlicher Geruch nach Nezen riecht es, nach neugeknüpften Negen. Denn die Heringe find wiedergekommen und nun soll das Meer seine herbstliche Ernte herausgeben. Vom geheimnisvollen Norden kommen sie wieder dahergezogen, die Myriaden der vielgesuchten kleinen Fische. Wochenlang werden sie vorüberziehen, durch die Nordsee , durch den Kanal. Bis dann die Schwärme dünner werden, die Beute beim Fange bescheidener. Wenn die Weihnachtsglocken flingen, werden sie wieder verschwunden sein, so rätselhaft und geheimnisvoll, wie sie alljährlich erscheinen.
Walter Holton gibt in der„ Daily Mail" eine Schilderung des modernen Heringsfanges; gar vieles wußten die alten Fischer in sommerlichen Stunden der Muße davon zu erzählen, woher die