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Langgedehnt, traurig, unendlich befilmmert- gebrochen wie die ihren trüben Stempel alldrüdte. Die Zeit der heiligen Allianz Strophe des Volksliedes.
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Georg Büchners Tod.
Von Herweg 5.
Der Mörder Tod schlich nächtlich sich ins Haus, Der rohe Knecht zerbrach die zarte Schale Und goß den hellen Geist als Opfer aus. Mein Büchner tot! Ihr habt mein Herz begraben! Mein Büchner tot, als seine Hand schon offent, Und als ein Volt schon harrete der Gaben, Da ward der Fürst von jähem Schlag getroffen! Der Jugend fehlt ein Führer in die Schlacht, Um einen Frühling ist die Welt gebracht; Die Glocke, die im Sturm so rein geflungen, Ist, da sie Frühling läuten wollt, zersprungen. Wer weint mit mir? Nein, ihr begreift es nicht, Wie zehnfach stets das Herz des Dichters bricht, Wie blutend, gleich der Sonne, nur sich reißt Von dieser Erde stets ein Dichtergeist; Wie immer, wo er von dem Leib sich löste, Sein eig'ner Schmerz beim Scheiden war der größte. Ein Szepter tann man ruhig fallen sehen, Wenn einmal nur die Hand mit ihm gespielt, Bon einem Weibe fann man lächelnd gehen,
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einmal
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war es, der Karlsbader Beschlüsse , der Demagogenjagd, der Ver folgung der Burschenschaften, der brutalen Unterdrückung jedes Hauchs von irgendwie fortschrittlichem Geist eine dumpfe, träge, verstockte und verhodte Zeit, in deren Schwüle nur wie ein jäher Blizz das Funkeln des Dolches brach, den der Studiosus Sand dem russischen Spizel und deutschen Komödienschmierer Kogebue in die Brust rannte. Auch auf des jungen Büchner Umgebung Iaftete harter Drud. In seinem engeren Vaterlande, dem Großherzogtum Hessen, einer napoleonischen Schöpfung, tebte sich unter Ludwig I. , den der Franzosenkaiser einst höhnisch als Monsieur de Darmstadt" behandelt hatte, die ganze blutsaugerische Willkür eines jubalternen Beamtentums aus, das souverän war, weil hier, wie anderwärts auch, der Potentat sein Verfassungsversprechen ver gessen hatte. Auch Georgs Vater, der als Militärarzt den französi schen Adlern durch halb Europa gefolgt war und bald nach der Gebint seines Sohnes als Regierungsarzt nach Darmstadt versett wurde, war, im Gegensatz zu seiner sanften, gütigen und ge bildeten Gattin Karoline ein verbissener Haustyrann und ein zäher Reaktionär, der alle liberalen Bestrebungen wie die Best haßte. Auch die acht Jahre, die Georg Büchner auf den Bänken des Darmstädter Gymnasiums saß, empfand er, wenn schon er meist der erste der Klasse war, als unerträglichen Drud, denn ein Düngerhaufen toter Gelehrsamfeit" wurde ihm hier als das allein würdige Ziel menschlichen Strebens" hingestellt. Sein ganzes Wesen aber trieb ihn mit Ungestüm zum Erfassen des wirklichen Lebens:„ Lebendiges!" schrieb er mit Riesenbuchstaben in ein Schulheft, Was nügt der tote Kram!" Da schon des Gymna siasten Seele schwärmerisch wie ein Altarfeuer für die Freiheit brannte, ward er in seinem letzten Schuljahre um und umgerüttelt ein in
Ter Todesstunde Qual find jene Schemen, die bide Luft Deutſchlands , hineinblies. Erfült mit radikalen An
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Die wir mit uns in unsere Grube nehmen, Die Geister, die am Sterbebette stehen, Und uns um Leben und Gestaltung flehen, Die schon die junge Morgenröte wittern, Und ihrem Werden bang entgegenzittern, Des Dichters Dual, die ungeborene Welt, Der Keim, der mit der reifen Garbe fällt. Ich will euch an ein Dichterlager bringen: Sehn mit dem Tod ihn um die Zukunft ringen, Seht seines Auges legten Fieberstrahl, Seht, wie es trunken in die Leere schaut Und drein noch sterbend Paradiese baut! Die Hand zuckt nach der Stirne noch einmal, Das Herz pocht milder an die schwachen Rippen, Das Zauberwort schwebt auf den blassen Lippen Noch ein Geheimnis möcht' er uns entdecken, Den legten, größten Traum ins Dasein wecken. D Herr des Himmels, sei ihm jezt nicht taub! Noch eine Stunde gönn' ihm, o Geschick, Verlösche uns nicht des Propheten Blick! Umsonst es bricht die müde Brust in Staub, Und mit ihr wieder eine Freiheitsstüte; Aufs stille Herz fällt die gelähmte Hand, Daß sie im Tod noch vor der Welt es schüße! Und die so reich vor seinem Geiste stand, Er darf die Zukunft nicht zur Blüte treiben, Und seine Träume müssen Träume bleiben, Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab, Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.
181317. Ottober 1913.
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1982
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schauungen, erwartungsvoll gestimmt auf den Tag, da der Trommel wirbel der Revolution durch die Gassen rollte, aber zugleich entschlossen, zu wirken, wohin ihn immer das Leben stellte, fehrte er 1831 der Schule den Rücken, um in Straßburg Zoologie und Anatomie zu studieren.
Kein größerer Gegensatz als die tote hessische Residenz an der Darm und die französische Universitätsstadt am Rhein , die voller geschichtlicher Erinnerungen und voll unmittelbaren Lebens stedte. Denn ähnlich wie Paris war Straßburg für die deutschen Liberalen ein Metta der Freiheit. Wem auf der rechten Seite des Rheins im Zeichen der Demagogenjagd der Boden unter den Füßen brannte, fand sich in Straßburg ein, und die Schildwache auf der Rheinbrücke bei Kehl fonnte es nicht hindern, daß von Straßburg aus revolutionäre Flugschriften und revolutionäre Gedanken nach den deutschen Gauen hinüberflatterten. Büchner aber schloß sich nicht den rein franzö fischen Kreisen an, sondern im Schoß der elsässischen Pfarrersfamilie Jacylé, deren Tochter Minna er bald als Braut gewinnen sollte, fand er deutsche Art und die Pflege deutscher Literatur vor. Nicht als ob diese Elsässer deshalb schlechte Franzosen gewesen wären, denn sie dachten alle wie der Pfarrer Stöber, mit dessen beiden wissenschaftlich und dichterisch interessierten Söhnen Büchner in nabe Beziehungen trat:„ Das Herz französisch, der Kopf deutsch!" Auch mit den Gedantengängen des utopischen Sozialisten Saints Simon wurde Büchner in Straßburg bekannt, aber er lehnte seine Lehre ab, weil ihm die Verwirklichung seiner Ziele allzu sehr im Nebelhaften zu verschwimmen schien. Denn schon der Straß burger Student war mit einer unheimlichen Schärfe und Klarheit des Blicks begabt. Zwar hatte er nicht und konnte er noch nicht haben einen Einblick in den Entwickelungsgang der Geschichte, die ihm vielmehr noch als ein wüstes Chaos und buntes Durcheinander erschien, aber während ein Saint- Simon zeitlebens auf den Millionär harrte, der die Menschheit in der von ihm ausgeheckten Zukunftsgesellschaft einquartieren würde, während die deutschen der Gebildeten und der Verbreitung politischer Bildung alles Liberalen voller Liebe, Glaube und Hoffnung von der Einsicht
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An Dichtern wie Georg Büchner erweist sich die ganze Hohlheit des Wortes, daß die Götter jung sterben lassen, wen sie lieb haben. Denn wer überschaut, was dieser früh und jäh Ge- Heil erwarteten, erkannte Georg Büchner , daß nur der Appell an die Massen zum Ziele führen könne. Wenn schiedene hinterlassen hat, dem drängt sich stets die wehmütige Frage in unserer Zeit, schrieb er an die Eltern, etwas helfen auf, was der Dichter noch hätte schaffen können, wenn die Parze foll, so ist es Gewalt!" und immer wieder unterstrich er, später seinen Lebensfaden durschschnitten. So tam sein Wesen und fein Werk nicht zur Reife und Vollendung, und wie sein Leben ein" daß nur das notwendige Bedürfnis der großen Masse Umänderungen Fragment, so ist auch sein Schaffen ein Torso. Aber mag keine von herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien des einzelnen den Schöpfungen Büchners in das lebendige Bewußtsein des vergebliches Torenwert ist". Aber nicht minder flar erkannte er die Boltes übergegangen fein, mag feiner seiner Säge, feines seiner Berblendung derer, die in den Deutschen ein zum Kampf für sein Worte wie fleine Münze von Hand zu Hand rollen, mag er vielen Recht bereites Volk sehen" und hatte deshalb für Knabenstreiche wie nur ein Schatten sein, umberspukend in den Katakomben der Lite- den Frankfurter Wach insturm nur ein Achselzucken. raturgeschichte, den sozialistisch gesinnten Massen steht er doch näher Das aber trung auch den Zwiespalt und die Problematik in sein als mancher Poet, der Stufe um Stufe emporsteigen durfte bis zum Wesen hinein: daß er die Mittel fannte, die aus der deutschen Gipfel seines Lebens und Schaffens. Den Dichter der Revo- Misere heraushalfen, und doch wußte, daß sie mit den so wenig Iution grüßt allezeit die Partei der Revolution! entwickelten Massen in Deutschland nicht anwendbar waren. Als er Denn dieser Lorbeer, ein Dichter der Revolution und mehr: nach zwei Straßburger Jahren die hessische Landesuniversität Gießen ein erster Sturmrufer der deutschen Revolution zu fein, wird bezog, warf ihn dieser Zwiespalt in förperliche und geistige Krisen. fich immer um Büchners Schläfe ranken. Dem Geburts Ließ Gießen sich auch bei weitem nicht mit dem sprudelnden Leben datum nach war er ein Sonntagskind, der just an jenem Straßburgs vergleichen, so galt seine Universität doch als ein Herd 17. Oftober 1813 zur Welt fam, und zwar in dem bei Darmstadt des westdeutschen Radikalismus. Nicht nur der zahme Welder gelegenen Dürfchen Goddelau , als sich bei Leipzig das Schicksal hatte hier gelehrt, sondern auch der bilde Follen war von hier Napoleons entschied. Büchners Kindheit und Jugend und ausgegangen. Doch wenn sich auch alles in Büchner dagegen aufmitten in der Jugend brach dieses Leben schon ab! fiel denn in bäumte, ein Knecht mit Knechten zu sein, einem vermoderten eine Zeit, der die bei Leipzig fiegreiche Gegenrevolution allenthalben Fürstengeschlecht und einem friechenden Staatsdiener- Ariftofratismus
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