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Grund hatte dem Herrn Amtmann, welcher den Fabrikanten nicht ausstehen konnte, zuerst ein Schmunzeln und dann ein anerkennender Beschwerde nachgeben und verfügte auf Räumung des Plates. des:" Donnerwetter, die Teufelsterle!" ausgelöst. Er mußte aber Nun plößlich begriff der Alte, warum man ihn fütterte! Hier am Orte ließ sich gut sein. Aller Umstände halber. Die Gesellschaft hatte gleich zu Anfang beschlossen, am Blaze zu überwintern und alle Mittel in Bewegung gesetzt, um das zu ermöglichen. Hatte aber nicht mit der Sittlichkeit von Fabrikantentöchtern gerechnet. Ihnen kam nicht zum Bewußtsein, daß ein tollten, noch irgend jemand anderem wie sich selber warm machen paar nadte stramme Buben, die in der Dezemberkälte herumtollten,
Schemel, Stühle, Staffeleien, Leintoand- und Bapierrollen, ihre beiden Töchter um dieselbe Zeit immer eine besondere GeDrehscheiben mit naffen. Lappen darum, Tonmassen, ein paar schäftigkeit am Fenster ihres Schlafzimmers entwidelten. Dieser Preffen, einige Mannequins und Unmengen von Flaschen, Luben, Behältern waren in allen vier Eden und den Winkeln und Zwischenräumen sonst, die Dach und Wände bildeten, auf gehäuft. Eine Wasserleitung tropfte eintönig, die Dachvor hänge und Zuggardinen waren schief und windverzogen wie in einem Photographenatelier, und das Blech der Lampen war verbogen und da und dort nahe am Herunterfallen. Die Kleinen Nebenräume lagen im Dunkel, aber Fächer mit Gerümpel, Mappen und Handwerksgeräte aller Art schauten durch die Türöffnungen. Ein dreiteiliger Schirm verbarg nur zur Hälfte den Stuhl mit den Kleidern des Modells, den heruntergetretenen Rock, den zerknüllten Hut, die schiefen Halbschuhe und das zerschlißte und schmutzige rosaseidene Korsett. Am Hemd sah man die Schweißringe der Armlöcher.
Guten Abend, Frank, grüßte Bendel. Holme rieb die Leinwand mit einem Stoffeßen ab; da er den Pinsel im Mund hatte, vermochte er nicht zu antworten, sondern nickte nur zerstreut. Er war lang, hager, hektisch. Sein Indianerprofil milderten ein paar schwarze, sanfte Augen, die, bereits vom Tod gezeichnet, träumend irgendetwas Kommendem entgegenblickten.
( Fortiegung folgt.)
Annütz!
Eine Schirmflickergeschichte.
Von Hermann Stenz ( Schluß.)
Die Schirmflicker hatten behördlich vier Wochen Aufenthaltserlaubnis bekommen. Das war immer so, in großen Städten durften sie länger bleiben. Arbeit gabs die Menge. Der junge Reiner flickte die Schirme und Körbe, welche sein Weib und der ältere fünfzehnjährige Bub zusammentrugen. Der jüngere Bub fochte, schleppte Holz herbei und stöberte den Hamstern nach. Mit Sack und Spaten zog er auf die Felder und hatte einmal in einer Woche drei Hamsterbauten mit seinen vogelscharfen Augen entdeckt und ausgegraben. Zusammen an anderthalb Zentner Getreide holte er heraus und tauschte es gegen Mehl um. Hie und da brachte er auch manches in seinem Sad mit, das sicher nicht in einem Hamsterkessel gelegen hatte. Große Kartoffeln,
dicke Rüben und Krautköpfe.
Der alte Reiner saß den ganzen Tag am Feuer, schürte immer ein weniges nach und fluchte und brummte dazu. Er hatte einigemale versucht zu arbeiten. Jedoch erwiesen sich seine Hände als zu zitterig und sein Sohn riß ihm unwirsch die Arbeit aus der Hand. Er jolle das sein lassen, denn er verderbe doch mehr wie er gut mache.
Da hatte der Alte lauernd geantwortet. Dann begreife er nicht, warum man ihn noch füttere, wenn er doch nichts mehr schaffen solle und könne! Sein Sohn hatte kein Wort darauf erwidert: Der alte Reiner aber grübelte wieder nach, warum sich die Jungen seiner nicht schon längst erledigt hatten. Er begriff das einfach nicht! Um Neujahr herum sollte er's erfahren. Der Fabrikant, dessen Wohnhaus neben der Fabrik stand, hatte bei der Behörde Beschwerde wegen der Schirmflicker geführt und auf Räumung des Plazes durch diese gedrungen. Solche Nachbarschaft war ihm lästig. Es schlug ihm auf die Nerven, von seinem Plaz am Tische des Speisezimmers aus, ständig diesen Haufen braunhäutiger Armut, diesen Klumpen arme Arbeit vor sich sehen zu müssen. Das Essen schmeckte ihm nicht mehr, seit er von seinem Sitze aus, mit dem silbernen Besteck Haniierend, bei jedem Blick, der ins Freie fiel, zuschauen mußte, wie diese Gesellschaft, niederträchtigerweise gerade immer um die gleiche Stunde, ihre Suppe pfampfte. Er wechselte mit seiner Frau den Tischplatz, so daß er dieses häßliche Bild im Rücken hatte. Aber das unangenehme Gefühl blieb. Zur Befräftigung seiner Beschwerde hatte er angegeben, daß er sich in seinem Eigentum bedroht fühle und die Sittlichkeit seiner beiden zwanzig und achtzehnjährigen Töchter gefährdet sei.
Ersteres entfräftete der junge Reiner durch ein sauberes Leumundszeugnis, das er aus dem Wagenkasten , ganz zu unterst, Herausframte. Aus der Rocktasche zog er ferner ein Papier, welches bescheinigte, daß er den Ackerzipfel zum Preise von drei Mark und auf die Dauer von drei Monaten vom Eigentümer des Grundstüdes gepachtet und bar bezahlt habe. Also berechtigterweise auf gemietetem Boden size. Dagegen ließ sich nichts einwenden. Der zweite Grund jedoch wurde als stichhaltig anerkannt. Die beiden Buben balgten nämlich jeden Morgen nach Tagwerden, quasi bar fuß bis an den Hals, eine Zeitlang um den Wagen herum. Das war ja nun für die beiden Bergel gesund und auch recht schön von ihnen, daß sie so auf ihre Abhärtung bedacht waren. Aber die Frau Fabrikant hatte die schret hofte Entdeckung gemacht, daß
fonnten.
Aber die Schirmflicker räumten nicht und der Fabrikant schrieb eine neue Beschwerde. Daraufhin erschienen eines Tages zwei blizzblanke Gendarmen, um die Gesellschaft zu esfortieren. Diese schrie und lärmte zum.Gottbrechen: Da drinnen im Wagen, da liege der todkranke Großvater. Wenn die Gendarmen die Verantwortung tragen wollten, daß der alte, arme Mann auf dem Transport im schütterigen Karren sterbe, dann würden sie aufbrechen. Aber sie würden sofort alle Zeitungen der Stadt vont dem Vorfall in Kenntnis seßen und die Oberbehörde auch! Der Alte im Wagen spielte seine Rolle vortrefflich. Er stöhnte und röchelte und winselte zum Erbarmen.
Die Gendarmen starrten sich mit frostblauen, verlegenen Gefichtern gegenseitig an und zogen dann verdußt ab.
Der alte Schirmflicker im Wagen wußte nun, warum ihn die Jungen noch fütterten, wußte, daß er noch zu etwas nut sei und war froh deshalb.
Gr erhielt jetzt sogar ein Glas Schnaps pro Tag. Aber aus dem Sinnieren kam er doch nicht heraus. Was dann, wenn die vier oder sechs Wochen herum waren, wenn das Schlimmste des Winters vorbei war? Dann ließen sie ihn sicher irgendwo liegen und er fonnte langsam verenden, wie ein frankes Tier. Das war es, wovor ihm graute, nicht vor dem Tod. Er wußte, seine Zeit war um.
Aber vorläufig war es noch nicht so weit und er hatte fleißig aufzupassen, daß er im Karren lag und jammerte, wenn der Gen= darm erschien und nachschaute, ob er noch nicht bald transportfähig sei. So ging der ganze Januar drauf. Der Gendarm tam weniger oft und befahl nur, daß die Buben ihre Promenaden Was aber ziemlich überflüssig war, denn einzustellen hätten. mittlerweile hatte eine wirklich grimmige Kälte eingesetzt. Der alte Reiner schlief trotz Schnee und Kälte noch immer unter dem Wagen und befand sich dabei nicht schlimmer wie sonst. Auch in der ersten Februarwoche war die Kälte sehr starf. Aber die Jungen hielten bereits fleißig Ausschau nach Wind, Mond und Vögeln.
Da eines Nachts unter dem Wagen liegend, hörte er, wie sein Sohn zum Weibe sprach:" Nächste Woche bricht das Wetter. llebermorgen packen wir auf und fahren gegen die Bergstraße am Odenwald . In vier Tagen leisten wir's. Dort ist am ehesten Frühling und die rauhen Winde können nicht bei!"
Wie ein Blitz überkam es den Alten unter dem Karren. Gr mußte nun plöblich, was er zu tun hatte. Denn jetzt war er wirflich unnüß geworden, war den andern nur ein Hemmnis. Leise zog er den alten Mantel vom Leib und legte ihn beiseite. Sofort spürte er fälter werden. Nach einer Weile schob er den dicken Teppich hinweg und legte ihm zum Mante Grimmig schlug der Frost auf den alten Körper ein. ein Stück weit fort. Soweit es die fraftlosen Arme erlaubten. Dann wieder nach einer Zeit zog er den Rock aus und warf Alles schön langsam, nach und nach.
ihn
dem
Wagen hinaus. Dann schob er die Lumpen unter sich weg und warf sie unter
Sein Körper trampfte sich zusammen, es fing ihm leise in den Er war dabei müde geworden und sank auf den nackten Boden. Ohren zu flingen und zu singen an. immer stärker und verdichtete sich zu einer Melodie, welche er Dieses Klingen wurde als junger Bursche oft am Lagerfeuer auf der Mundharmonika gespielt hatte. Es wurde ihm ganz leicht zumute, gerade wie wenn
er schwebte.
Ein paarmal noch bewegte er den Mund und zog die knöchernen wie in der Ferne. Finger zusammen. Das Klingen wurde leiser und verlor sich
Andern Tags fanden sie ihn tot unter dem Wagen. alten Mantel eingegraben. Unweit von ihm lag winselnd der Hund und hatte sich in den
Nach Sage und Nuf der„ Broden" Frankreichs , erdgeschichtlich an Rhön - und Fichtelgebirge erinnernd, historisch Teutoburger Wald dem Meteorologen als erster Versuchsort der dem Barometer zu grunde liegenden Luftdruckerscheinung heilig, den Mineralogen und Geologen eine wahre Zauberkammer das ist der Puy- de- Dôme . Kulminationspunkt Frankreichs und seines Zentralmaffivs, auf einem