Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 229.
Dienstag, den 25. November.
281 Helge Bendels Luftfchlöffer.
1913
misha mütiges fam in ihren Blick. Dann strich sie ihm übers Haar. Aber es war eine mütterliche Liebkosung. Als es lange still gewesen war, fing fie an, von ihrem
Ein Chikago- Roman von Henning Berger. Engagement zu sprechen. Sie hatten eigentlich im Sommer -Wir dürfen nicht sentimental werden, sagte die Bänkel - heimreisen wollen nach Schweden ; aber ein paar Angebote, fängerin. Und sie sprang auf, zog mit den Händen ihre die höher waren als alle früheren, banden sie. April und Mai in New York am Madison Square , und im Juni in Chikago, seidene Bluse straff und schob dann Helge den Sektkühler zu. in Masonic Temple Roofgarden. Juli und August eine · Schenk ein! befahl sie. Tournee durch die Lurusbadeorte, die ganze Küste entlangoder nach Hause.
Der Pfropfen knallte, und während die Fanchetti zerstreut mit dem Kohlensäurestäbchen in den Schaumperlen rührte, suchte Helge in seiner Erinnerung nach etwas, was dieser Szene ähnlich war. Aber er konnte das Bild nicht findenes lag weit zurück und zugleich ganz nah, eine Verschmelzung von zwei Bildern. Plötzlich sah er Neuters faltes, vierkantiges Gesicht.
- Kennst Du Reuter, sagte er.
Sie blickte verwundert auf und fragte: -Meinst Du Joe Reuter?
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Ja..
Ja, natürlich.
Und ehe er weiter fragen konnte, fügte sie hinzu:
Helge legte den Kopf auf ihre Knie und schloß die Augen. Sie sprach weiter, von den neuen Liedern, die für sie beſtellt und geschrieben waren, von den applauszwingenden Pointen der Musik jeder Gassenjunge zwischen Broadway und Bowery mußte die Melodien pfeifen, sonst war es nichts. Und sie summte ein Stückchen vor sich hin. Hier fällt das ganze Orchester ein, sagte sie einem Schlag verstehst Du bum! lalala bum!
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ganz unerwartet
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mit
bum!
Auch von Paris und der französischen Riviera erzählte sie. Helge war es, als höre er ein Klingen wie vom kostbaren, - Es gibt keinen unter den jungen Millionärssöhnen- blendenden Inhalt eines Juwelenschreins; es schien ihm, als vom Westen bis zum Ostenden wir nicht kennen, Willie erzähle jemand einen Traum. All diese Orte gab es, all dies und ich. Das ist ja auch ganz natürlich. Aber wie kommst Leben ward gelebt, all dies Gold flutete; aber er würde es Du auf Joe. nie sehen und erleben. Ein paar Stockwerke weiter unten war da ein längliches Gefängnis, in dem erim besten Fall durch Jahre hindurch sein Brot verdienen würde. Eine Frage brannte auf seiner Zunge; aber er brachte es nicht über sich, sie auszusprechen. Er hätte andeuten mögen, ob nicht Lilly mit ihren vielen Beziehungen ihm etwas Besseres, Passenderes in New York verschaffen könnte. Aber er schwieg; er schämte sich, ohne zu wissen, weshalb.
Er machte eine ungeduldige Gebärde. Das Familiäre und Offene in ihrer Antwort reizte ihn im Geheimen. Er fühlte sich Tausende von Meilen von ihrem Leben und Milieu entfernt.
- Das Hotel hier gehört ihm.
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Nein, es gehört dem Alten seinem Herrn Bater, sagte Lilly und lachte.
-Es muß schön sein, einen solchen Bater zu haben, beharrte Helge.
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Ja, Duwarum hast Du Dir nicht einen solchen Alten herausgelesen?
Und sie nickte mit dem Kopf und trank.
Aber mit dem Wein kam endlich auch die Stimmung. Helge füllte und leerte sein Glas, und beim Obst wetteiferten fie mit Erinnerungen. Er kannte schon ihre ganze Familie.
Sie bat ihn, noch einmal zu beschreiben, wie er ihr an jenem Abend gefolgt war, als er sie im Kontor gesehen hatte. Und Helge beschrieb jede Einzelheit, schilderte jedes Schaufenster, an dem sie gestanden hatte. Aber eigentlich war es ihr eigenes Porträt, was sie gern wollte, und er malte ihr in Worten jeden Farbenton ihres Haares, ihres Anzugs, ihren Gang, ihre Haltung.
Sie hörte lächelnd zu, entzüdt wie ein Stind. Und sie horchte auf gewisse Töne in seiner Stimme, und wo ihr die Bärtlichkeit ab und zu klangecht erschien, drückte sie seine Hand. Was wolltest Du eigentlich in dem kleinen Laden? fragte er zuletzt. Und er beschrieb, wie er in gemachtem Nachdenken vor dem Speisezettel des Stellerrestaurants gestanden und durch die Scheiben ihr Mienenspiel verfolgt hatte. Ach, laß das doch! sagte sie. Es war ein Granatfreuz, ein Andenken, das ich vor langer Zeit in einer unglücklichen Stunde verpfändet und jetzt glüdlich wieder aufgespürt habe. Sie erhob sich, füßte ihn im Vorübergehen aufs Haar und flingelte.
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Ohne Uebergang sagte sie:
Jeßt mußt Du bald gehen, Helge. dus in tur Und sie legte ihm die Hand auf den Mund, um seinen Ausruf zu erstiden, und küßte ihn auf die Wange. Ihr weicher Oberkörper preßte sich gegen seinen Arm. Er glitt auf den Fußboden nieder und schlang die Arme um ihre Knie. Noch nicht! Noch nicht! Nein, noch nicht. Aber bald. Ich muß packen, und Das kann ich nur, wenn ich allein bin. Ich habe auch Millie versprochen, für sie zu packen, damit wir ungestört sein follten
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Ja, ja, murmelte er. Aber ich will mit zum Bahnhof. Nein, sagte sie bestimmt; das haben wir ja schon verabredet. Das ist das Schlimmste, was ich weiß. Ich will nicht einen Menschen da stehen sehen, mit einem unglücklichen Gesicht, wenn der Zug hinausfährt.
Es war wirklich so. Schon im Park hatte sie das gesagt. Er dachte einen Augenblick, wie oft sie das ohne Zweifel irgendeinem unglüdlichen Toren sagen mußte. Was für ein Narr ich bin! sagte er unhörbar.
Und ein heftiges, gebieterisches Begehren erfüllte ihn, eine Art Raserei über eine Ungerechtigkeit, die fortwährend just gegen ihn, einzig ihn, verübt wurde. Er biß die Zähne zusammen und beugte den Kopf auf ihr Knie. Er füßte es. Süßte es hart durch den weichen Stoff hindurch, der die feste Nundung wiedergab, als wäre es ein Marmorknie.
Sie faß unbeweglich; aber ihre Miene war müde geDer Araber kam mit einem achteckigen Tisch und den Kleinen Tassen, deren breidider Inhalt, nachdem die Deckel worden. Spielend ließ er seine Hand über ihre Schuhschnalle gelüftet waren, stärker duftete als alle Parfüme. Der blaue Zurban mit dem gewundenen Stirnband, das einer schwarz- gleiten und dann sachte über den Knöchel in dem dünnen und gelbgefleckten Schlange oder einem dünnen Jaguar- seidenen Strumpf streicheln. Dann ein Griff um die Wade. schweif glich, schwankte über dem Bronzetablett und spiegelte fich wie ein matter, blauer Mond zwischen den Verzierungen und Arabesken. Der krause Bart war schwarz wie das Getränk.
Nachdem der Diener sich entfernt hatte, setzten sie sich auf den Diwan. Helge war seltsam nervös. Der starke Staffee hatte ihm ein gewaltiges Herzklopfen verursacht. Er sah nach der Uhr. Sie wies auf sechs.
Da beugte sie sich nieder und faßte sein Handgelenk, ganz ruhig und beherrscht, mit einem gewohnheitsmäßigen Griff. Dann stand sie auf.
Komm, mein Jungel sagte sie.
Helge blieb einen Augenblid auf dem Teppich hocken; in feinem Kopf fauste es; vor seinen Augen flimmerte es. Dann sprang er auf, riß seinen Hut an sich und stürzte nach der Tür. Aber die Fanchetti war schneller und stand mit dem Auch die Fanchetti war unruhig. Immer wieder runzelte Rücken dagegen gestemmit. Ihre großen, grauen Augen sich die niedere Stirn, um sich dann wieder zu glätten. Hin blickten Helge fest an, mit einem Ausdruck fast wie Trauer. und wieder betrachtete sie Helge verstohlen, und etwas Web- Sie sagte nichts.