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Selges Blicke sprühten; häßliche und grauenhafte Worte Aber seit einem halben Jahre hat dieses Wunder der alemannischen wollten sich aus seinem Mund drängen; aber er schluckte sie Seimat eine seltsame Veränderung feiner Gestalt erfahren. Kühne hinunter. Schließlich stieß er mühsam hervor: Bimmerleute haben in langsamer, zäher Arbeit zwischen den Lufen und den Rosettenlöchern des Turmunterbaues gewaltige Ballen -Warum ich nicht? Darum, weil ich Dich lieb habe, darum, weil wir herausgestreckt und sie spinnwebgleich untereinander verbunden, bis Freunde fein wollen, und darum, weil ich im Juni zurüdie fieben Stockwerke hohes Holzgerüft nun wie ein Mantel Basis des Turmes rings umgibt. Diefes für fich komme und will, daß wir dann zusammen sein können wie jetzt. allein schon schöne Zimmererkunstwerk verändert die Form -Und dann? murmelte der Tor und sah wie ein Flehen- des Turmes auf volle fünf Jahre gar nicht unfchön. Das der auf das Weib. Gerüft hat 100 000 M. gekostet, und wenn die langen Balken, aus denen es gefertigt ist, noch droben auf den Bergen mit grünendem Wipfel ständen, so wäre es ein ganzer Wald. Jezt sind die Zimmerstehen sie auf den luftigen, mit sicheren Brüstungen versehenen HolzLeute abgezogen und haben den Steinmetzen Blayz gemacht. Da altanen zwischen Himmel und Erde, prüfen Stein für Stein an dem morschen Viererbau, nehmen einen nach dem anderen heraus und erfeßen sie alle durch genau gleich große, gesunde Brüder. Und während aus dem hölzernen Gerüstmantel heraus die durchbrochene Pyramide noch freier und fühner als sonst in die Lüfte steigt, wird unter ihr von fleißigen, forgfamen Steinmetzhänden ein neuer Turm unter den alten gebaut.
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Dann, sagte die Fanchetti und lächelte, dann werd ich Dich grenzenlos lieb haben
Ich liebe Dich! flüsterte Helge mit zitternder Stimme. Lilly blickte lange auf die überschlanke Gestalt, die ein bißchen hin und her schwankte wie ein wurzelloser junger Baum. Sie schloß die Augen. Aber gleich darauf öffnete sie sie wieder, und während sich ihre Brauen ein einziges Mal hastig hoben und senkten und sie leicht erbleichte, fagte sie: - Du bist ein großes Kind, Helge. Und darum hab ich Dich lieb.
Sie ging von der Tür weg und setzte sich an ihren Toilettentisch. Eine kleine Weile starrte sie im Spiegel ihr eigenes Bild an, das weiß gegen einen verrauchten, blaugrauen Hintergrund schimmerte. Helge stand stumm da und betrachtete sie. Er sah sie das Gesicht in die Hand senken und lange so fißen.
-Weint sie? dachte er.
feinen
da
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nicht anders denten, als daß der verschollene Baumeister in diesem Der Freiburger Münster ist meine alte Liebe. Ich kann mir's Wunderwerk nichts erschaffen wollte als ein Symbol der Welt, nicht etwa der Kirche. Der Welt mit ihrem himmelstürmenden Drang, mag fie christlich, heidnisch oder atheistisch sein; der Welt mit ihrem brünstigen Haften an der Erde und ihren lichten Gedanken in die Weite und in die Höhe; der Welt, die wie die Kirche einen guten Magen hat, aber immer noch Größe genug in sich fühlt, mit dem Aber nach einiger Zeit schüttelte sie den Kopf wie über schmutzigsten Mammon auch Wunderwerke zu erschaffen. ihre eigenen Gedanken, stand auf und ging zu ihm hin. Sie fette, in der sich die feinen Steinpranken des Gewölbes schneiden, Jm Münsterportal ziehen vier Arbeiter durch das Loch der Noschlang die Arme um seinen Hals, drückte ihn an sich und Balfen für Ballen hundert Meter hoch im Turminnern empor, füßte ihn ohne Leidenschaft. Und Helge erwiderte diese Liebdie Geschichte der ganzen Welt schaut auf die vier fosung, indem er ihr die Hände füßte und heftig drückte. mühsam an der Winde drehenden Proletarier. Da steht Sie nickte, gleichsam zum Zeichen, daß er sich nichts vor- die Frau Sitte mit ihrem feusch verhüllten Körper und zuwerfen brauche, sie nicht um Verzeihung zu bitten brauchte. dent Geficht und blinzelt die nadte Frau Und mit einem Blick auf die Reiseuhr, die in ihrem Leder- Welt mit liftigen Heuglein das Symbol der Wannestraft an, welches futteral zwischen Flaschen und Schmuckstücken stand, sagte fie: ein Ritter ihr galant anbietet. An der Dede fließt aus dem Munde leicht schwebender Engel verheißungsvolle Weisheit aus langen schön Komm, mein Junge, mein einziger Junge jekt bemalten Spruchbändern. Des Baumeisters Humor aber feiert wahre Drgien in den zahllosen Wasserspeiern. Es gibt teine menschliche Narrbeit und feine irdische Gemeinheit, die nicht ihren drastischen Ausdruc in Stein gefunden hätte, vom schäbigen Geizhals an bis zum unerfättlichen Vielfraß, vom eitlen Laffen bis zum tierischen Unzüchtigen. Und währenddem der strömende Regen durch die offenen Mäuter dieser Larven gießt, spielt darunter unter einem entzückenden Türm chen der junge David die Harfe und die reine Jungfrau Maria zeigt dem Bolt ihr göttliches Kind. So ist das brausende Leben der Menschheit, ihr Ringen mit äußeren und inneren Gewalten, ihr Sehnen nach oben und ihr Suchen nach unten wie in einer ver fteinerten Sinfonie festgehalten in diesem Wunderbau.
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mußt Du gehen.
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Und als er stammelnd eine lange Auseinandersetzung begann und fie bat, ihn nicht zu vergessen, ihm nicht wehzutun, nicht andere..., da beruhigte sie ihn mit ein paar furzen Worten: sie würde ihm schreiben, ihm telegraphieren, ihm ihre Adresse, Photographien schicken, gleich vom ersten Tag an. Und er sollte ihr regelmäßig schreiben.
( Fortierung folgt.)
Ich fuhr einmal von Braunschweig nach Freiburg . In der alten Welfenstadt hatte ich den letzten Abendschein auf den grünen Kupfertürmen der Egidykirche gesehen, und als ich in der alten Breisgaustadt ausstieg, schien die Morgensonne durch die zarte Steinpracht der durchbrochenen Münsterpyramide. Beides war Gotit, und doch welch himmelweiter Unterschied. Dort die nüchterne Gefchloffenheit des norddeutschen Protestantismus, hier die offene Sinnenfreudigkeit des katholischen Südens.
„ Eine Kirche ohne Dach, teine Straße ohne Bach"... so schildert ein Reimschmied des fünfzehnten Jahrhunderts das alte Frei burg und setzt dabei mit einer originellen Charakterisierung den Münsterturm an die richtige, nämlich an die erste Stelle. So traftvoll und schlank und mit so fühner Leichtigkeit aufschießend, wie der Freiburger Münsterturm ist kein Turm der ganzen Welt; der Straßburger ist fleiner und nicht so edel in der Form, der Ulmer mit seinem mausgrauen Sandstein nicht so malerisch, und der Köl ner mit seiner prozigen Wiederholung des gleichen Turms prätenzios und langweilig. Aber der Freiburger Münsterturm ist ein steinernes Gedicht, wie es nur ein ganz großer Boet schaffen fonnte. Sonne, Mond und Sterne scheinen durch dieses luftige Steinwert, und wer das Selbstporträt des unbekannten Turme meisters mit seinem feinen, starken Künstlerantlig im Münster gefehen hat, der kann nicht daran zweifeln, daß dieser Architekt ein Dichter war, der nur mit Quadern, Säulenbündeln und Kreuzblumen anstatt in Jamben und Trochäen sein Innerstes aussprach.
Wie sich der Brunnen springend übergipfelt, Jn Ruhe flar, im Steigen undurchdringlich, Leicht abmeßbar, als Wefen unbezwinglich, Mit einem überblumten Kreuz getipfelt, Doch über diesem schützt mit goldner Spige Ein Dolch den Münster vor dem Neid der Blige.
So schildert der jüngste und kraftvollfte alemannische Poet, Hermann Burte , in einem Sonett den Freiburger Münsterturm.
Aber hoch herab aus all dem falten Steinwerf winkt ein Jdyll. Wer gute Augen hat, kann unter der Pyramide drei fleine Fensterchen fehen, davor auch jezt noch im November wie vor jedem fleinen Bürgerhaus rote Geranienstöcke blühen. Das ist die Türmerwohnung und wer schon droben war, der kann verstehen, daß es Dichters- und Schriftstellersleute von jeher start angemacht hat, Türmer zu sein. Alphonse Daudet hat sich einmal nicht mehr anders zu helfen ge wußt, als daß er sich drei Monate lang als Bensionär bei dem Wächter des Leuchturms auf den Blutinseln bei Korfila einmietete. Er sah weithin über alle Welt, und konnte auch, wenn einen einmal die Laune dazu ankommt, oben herabspucken! Und wen käme fle nicht manchmal an?
Doch nicht nur da draußen und da drunten ist die Welt schön, wenn man einmal für einige Stunden Türmer sein darf, sondern auch da drinnen. Da ist im Schuße der glatten Steinwände aus einem ganzen Eichenwald der Glockenstuhl des Münsters gebaut. Mächtige halbmeterdice Balken sind zu Gerüsten wie riesige Guillotinen gefügt; nur daß anstatt des stummen Fallbeils eine beredte Glode in den Rahmen bängt. Ueber sechshundert Jahre alt sind die Balken dieses zwei Haus hohen Glockenstuhls. 250 Bentner tönendes und dröhnendes Erz hängen hier mit schmiedeeisernen Zungen, deren größte allein vier Zentner wiegt. Das ist die Zunge der Susanna", wie die größte und wahrscheinlich älteste Glode in Deutschland im Voltsmunde genannt wird. Und svenn nicht gerade irgend eine von den dreizehn Glocken amtlich in Bewegung gefezt wird, halten sie stumme Zwiesprache und reden aus sieben Jahrhunderten von Krieg und Best, jauchzenden Festen und pruntenden Prozeffionen. Eine, die Zinnglode, weiß fo gar von vielen unbezahlten Schulden zu berichten, denn von Martini bis Weihnachten wurde sie bis Mitte des letzten Jahrhunderts täglich geläutet, um den säumigen Zahlern ihre Schulden ins Gewissen zu rufen. Am schweigsamsten ist die hundertzentrige Susanna. Acht Männer braucht es, um sie in Schwung zu bringen. Mehr weiß schon das Silbergöckle, das bei Beerdigungen, und das Armfinderglödle, das bei Hinrichtungen geläutet wurde.
Aber sie alle erzählen von der Sehnsucht der Menschen, von ihrer Torheit und von der Macht der katholischen Kirche .
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