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Ich geh' auch nach Hause, sagte Millie.

Sie sah frisch und unverdorben aus, und alle ihre Wangengrübchen lachten. The starke Schminke der Augen­wimpern hob sich aber doch seltsam ab von den hellen Brauen und dem blonden Stirnhaar.

-Wollen wir fahren, fragte Helge, während ein Schuß­mann sie über die Straße geleitete.

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Es ist die Strafe für mein Leben, hatte sie ein bißchen weh-[ politischen Tätigkeit begrüßte den Freund mit den Gedanken der neuen mütig hinzugefügt. Zeit auf den Lippen, Mörike , der Unpolitische, Zeitlose, äußerte sich fühl und ablehnend, und es scheint sich nun zwischen der jugend lichen Begeisterung und der Skepsis des fühleren Alters eine Szene entsponnen zu haben wie zwischen Tasso und Antonio, nur ohne persönliches Motiv. Nach einer unverbürgten Ueberlieferung hätte Mörifes Verstocktheit endlich den anderen zu dem fassungslosen Ausruf getrieben: Wer heute feine Partei ergreift, von dem heißt es: Pfui über dich Buben hinter dem Dfen". Kurz hat über die Form des Bruchs nie gesprochen, aber er hat als schwäbischer Volks­parteiler so temperamentvoll gehandelt, wie dies Wort, das er zu Mörite gesprochen haben soll, gestimmt ist. Auf Uhlands forderte Wegen gewachsen, er einen Staat des Rechtes, der aus dem Volte herauf seine Geradheit und Festigkeit und bürgerliche Wohlfahrtskraft erhalten sollte. Und er hat die Leiden des Bollspolitikers jener Jahre durchgekostet. Spät erst im Be ginn der sechziger Jahre wurde ihm ein schmales, gesichertes Brot zu teil: als man ihm das Pöstchen eines Bibliothekars an der Tübinger Universität übertrug: ein fupferner Heller für das reiche Gold, das seine in Stoff und Sprache echt schwäbische Art in all den großen und kleinen Erzählungen seines Schaffens gegeben hatte.

Nein, nein, ich will gehen. Es war gar keine Luft da droben heut' abend.

Und die Fanchettis schnupperten mit geweiteten Nasen­löchern. ( Fortseßung folgt.)

per Der Sonnenwirt- Dichter.

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Bon Hermann Kurz , dem letzten der fünf Bedeutenden in Wie seine dichterische Art, die auf realistische Lebendigkeit aus deutscher Kunst, die das Jahr 1813 geboren hat, ist die Rede. Sie ging und damit, zumal auch in der Behandlung historischer Stoffe, find alle fünf Menschen gewesen, die das Leben hart hernahm, ihr auf neue Wege trat, beschaffen war, läßt sich mit eigenen Worten Weg führte durch dornige Verhaue, und nur zweien gelang es, ihn fagen. In dem Schillerroman schrieb Kurz: Es ist die schönste zu Ende zu schreiten, ins Freie: Hebbel und Wagner. Aber Otto Aufgabe der Poesie, den Menschen über sich selbst zu erheben, das Ludwig, Georg Büchner und nun Hermann Kurz haben das Märtyrer Wahre in der Wirklichkeit aus dem mannigfaltigen Schein heraus­dasein voll auf sich nehmen müssen. Und die Tage, wo die zulösen und das schwankende, verworrene Dasein auf das ruhige Werke der Fünf den Sieg errangen, hat gar nur einer groß herauf Maß der Schönheit zurückzuführen.. Jeder vollendete Dichter Tommen sehen. Sie waren alle das Opfer ihres Jahr wird ihn einschlagen, und wenn seine Zeit, mit ihrer Not und ihren hunderts, in dem sich soziale Unreife und politische Leidenschaften im Gedränge, nicht Zeit hat, auf ihn zu hören, so Unduldsamkeit dem Neuen in einem Bündnis von Gleichgültigkeit werden die folgenden Geschlechter mit dankbarer Vergütung zu ihm und Todfeindschaft entgegenstellten. Das hat auch der Reutlinger zurückkehren; denn nichts Echtes tann auf die Dauer verloren sein. Hermann Kurz , der prächtige schwäbische Erzähler, erfahren. Am Was aber das Wohl und Wehe seiner Zeit im Herzen bewegt, ihren 30. November 1813 war er geboren, und er starb 1873, zwar als ganzen Zwiespalt ungelöst ausspricht, der herben Gegenwart ihr ein Sechziger, aber doch schon seit einer Reihe von Jahren ver- herbes Bild im Spiegel zeigt und mit der Stimme von Tausenden braucht. und Abertausenden redet, dem wird im gleichen Augenblick ein tausendstimmiges Echo des Beifalls entgegentönen. Ein Tag wird ihm vollere Kränze bringen, als jener sich in Jahrhunderten er­wirbt, und auch die Späteren werden ihm seinen bestrittenen Platz unter den Lenkern der Geschichte zugestehen. Sein Dicherkranz vielleicht wird well auf die Nachwelt kommen, aber der mächtigste von allen Herrschern, der so reich belohnt, weil er nur einmal lohnen kann, der Augenblic, hat ihm gehuldigt." Der Dichterkranz, den Hermann Kurz inmitten starter Kämpfe voll treuen Ausdauerns in der Werkstatt, wo die Hämmer der Bolts­politik aufs Eisen schlagen, erwarb, er ist nicht welt auf die Nach­welt gekommen: seit zehn Jahren scheint er erst zur rechten grünen Frische zu gelangen. Wir wollen Hermann Kurz zu unseren besten Voltsdichtern zählen.

Mit drei Namen läßt sich von außen her seine Art bezeichnen, aus dem Verkehrskreise her. Er war der Schüler Uhlands, der den Dichter zeitig in ihm erkannte, er war der Freund von Ludwig Pfau , der in der Märzjahrzeit und später in seinem Hause immer ein sicheres Asyl fand, und zu den Freunden, die bei ihm aus und eingingen, gehörte in den sechziger Jahren auch der Tübinger Student Edouard Vaillant , der spätere Kommune tämpfer, unser französischer Genosse. Hermann Kurz war, was diese Namen sagen: ein aufrechter, zäher Demokrat, der durch sein Handeln bewiesen hat, was der Kern seines Wesens war: Kraft, die

als flare Tat ins Leben wollte.

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frd.

Zwei große Romanwerke bezeichnen die Höhe seines dichterischen Wollens. Beide wurzeln in der Begeisterung seiner Jugend, und ihr Werden begleitete ihn tief in sein Leben hinein. Er gab darin die beste Luft seines Lebens, das Innerste seines Wesens, den eigenen Charakter. Die dichterischen Werke Hermann Kura' können heute in wohl Die Helden beider Werke sind Menschen, die mit der Widrigkeit einer hemmenden, fleinlichen, engen Umwelt feilen Ausgaben gekauft werden. Eine gute Gesamtausgabe ringen. In dem Roman Schillers Heimatjahre" sind zwei starke der Gedichte, Romane und Novellen bearbeitete Hermann Fischer für Naturen in solchem Kampfe geschildert: der Herzog Karl, der sich den Klassikerverlag Hesse u. Beder in Leipzig , wo das Wertvollste von dieser Umwelt nicht frei machen kann und moralisch darin ver- auch in billigen Einzelheften erschienen ist, einiges auch bei früppelt, und Schiller , der den Bann flüchtend abwirft und so den Reclam, darunter die vortreffliche Erzählung Die beiden Lubus". freien Weg zur Größe gewinnt. In dem Räuberroman Der Politisches ist in der Fischerschen Ausgabe leider nicht aufgenommen. Sonnenwirt" aber ist der Held ein wilder, im Grunde jedoch guter Auf den Abdruck der Schrift von 1845: Die Fragen der Gegenwart Kerl, der an der blöden Starrheit und Schlechtigkeit der Umwelt und das freie Wort, Abstimmung eines Poeten in politischen An­verdirbt. Nach diesem tragischen Roman, geschöpft aus Ereignissen gelegenheiten" hätte des Charakterbildes wegen nicht verzichtet der württembergischen Geschichte, muß Kurz benannt werden. werden sollen. Isolde Kurz hat vor einigen Jahren die Lebens­Denn mehr als ein anderes seiner Werte ist dieses berufen, geschichte ihres Vaters geschrieben, die im Verlage Georg Müller, sein Schaffen lebendig weiterzutragen. München , erschien.

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Mit Schillers Heimatjahren setzte der Dichter an, und der Tragik feines Lebens wurde mit diesem Werke der Grundstein gelegt. Der Cottasche Verlag ermunterte ihn anfangs, sich dem Werke hinzugeben, und er wagte es, die Theologie hinter sich zu werfen und dem Dichter das ersehnte Recht zu geben, aber als der Roman vollendet war, lehnte Cotta den Verlag dennoch ab. Cotta erkannte die Be­deutung der Arbeit durchaus an, aber an der Zeichnung des württem­bergischen Herzogs nahm er Anstoß. Sie war ihm nicht loyal genug, er verzichtete also aus Höflingsbedenken". Kurz mußte den ge­zahlten Vorschuß zurückerstatten und sein Wert erschien in einem Verlage, der dem Buche keine Verbreitung verschaffen konnte und der dem Dichter überdies das vereinbarte Honorar schuldig blieb. Die gründlichen historischen Studien, die dieser Roman erfordert hatte, führten den Dichter auch an den Sonnentvirt- Stoff heran. Bollendet wurde dieses zweite greße bedeutendste Wert in einer Zeit des Darbens, die sich anschloß an eine Zeit hingebenden Mitkämpfens in den Zeiten der achtundvierziger Betvegung. Kurz war in die Redaktion eines fleinen politischen Blattes, des oppofitionellen Beobachters", eingetreten und ließ, der Forderung des Tages mit ganzer Kraft gehorchend, die dichterischen Pläne in zweite Linie rücken. Er war aus anderem Holze als sein Freund Eduard Mörike , den kein Sturm aus dem behaglichen Hinleben in dem Idyll bon Cleversulzbach aufschreden konnte. Die neue Zeit gerrig sogar diese Freundschaft. Isolde Kurz , des Dichters Tochter, erzählt, wie ihr Vater in den stürmischen Tagen mit Mörife in Stuttgart zufammentraf: Hermann Kurz hin ersten Feuer seiner

Sergeant Schuftick.

Eine Erinnerung an die Soldatenzeit von E. Schubert.

Ein feiner Regen rieselte herab und hüllte den Kasernenhof in nebeliges Grau. Einzelne Windstöße verfingen sich in den Licht­luten des Pferdestalles und vollführten ein fnatterndes Geräusch, dazwischen erklang in verschiedenen Tonlagen das Gellirr der Halfter­fetten der Pferde.

Jm Stall war es mollig warm. Mit einer Blechmulde in den Händen ging die Stallwache auf dem Stallgang auf und ab, um die Abgänge der Pferde aufzufangen. Das war militärische Vor­schrift, damit die Streu immer sauber blieb. Von der Staltür her ertönten einige furz hervorgestoßene Kommandoworte: Hait Weg getreten!" und etwa 15 bis 20 Mann, die Fahrer der Batterie, stampften in den Stall, dem eintönigen Stallbild ein leb­hafteres Gepräge verleihend. Den Beschluß machte der Sergeant Schustid, ein mittelgroßer, start untersetzter Mensch mit rötlichem Haar und Schnurrbart. Die wasserblauen Augen lagen unter den vorspringenden Stirnbogen tief vergraber und hoben sich merk würdig von den robusten Zügen des von Sommersprossen besäten Gesichtes ab.

In Ditelbiens gefegneten Gefilden hatte Schuftick das Licht der Welt erblickt. Als Sohn eines Zieglers hatte er bis zum zwanzigsten Jahre sein Leben in siner Ziegelei verbracht, war unter seinen