„herrlichsten LiN'.de", das die Sonne bescheint, von Amerika. Baldsiebt es den Jim blanke Nirkelstücke für Zigaretten spenden, den BillLackschuhe tragen, den John auf Rollschuhen kugeln. Von denMüttern seiner Spielkameraden hört es sagen, dag sie„Fünf-Dollar-Hüte" haben, Ladies sind, die Schwester eine Mig ist, derVater einen„Vier-Dollar-Job" sVerdienst) hat. Und der fein auf-geputzte Parlor sEmpfangsraum) mit dem schönen Hausrat ist auchschon bewundert worden. Das Einwandererkind denkt an seine kalte,kahle Häuslichkeit, besieht sich seine windigen Trittlinge, stellt sichseine Mutter als alles andere vor, nur nicht als Lady, und es weiß,daß es selbst niemals einen Groschen besaß. Was Wunder, wennalle Vergleiche zu seiner Ungunst ausfallen.Ueber die Ursachen dieses Standes der Dingo weiß das Kind»och nichts Bestimmtes zu sagen. Aber bald geht's in die Schule.Noch ehe das Abc gelernt, wird gelehrt, daß Amerika das Herr-lichste, freieste Land ist, wo jeder, auch der Aermste, Präsident undMillionär werden kann; daß jeder ein freier Bürger ist, währendim alten Lande die Menschen nur Knechte der Fürsten find. Früher,vor vielen Jahren, sei es in Amerika auch so gewesen; aber dieUnterdrücker seien davongeschlagen und die„Hessen", die geholfen,getötet worden. Danach sei Freiheit angebrochen, die Gleichheitder Menschen verkündet und Reichtum über alle gekommen. DasWiste übrigens die ganze Welt, denn von überall kämen Tausendeherbeigeströmt, um Schutz und Reichtum unter dem Sternenbannerzu suchen, das über alle schützend wehe. Solch ein edles Bannerzu achten, müsse Ehrensache sein, das glückspendende Land zu ver-teidigen, die heiligste Pflicht. Das wirkt.Freilich wird den Kindern die wahre Geschickte jener„Hesten"—die von ihrem vielgeliebten LandeSvater'als Scklacktvieh an denenglischen König verschachert worden waren— nicht erzählt, auchnicht, daß die deutschen Bauern in Germantown ihre Unabhängig-keitserklärung schon entworfen, noch ehe die„Väter deSLandes" daran dachten; daß die deutschen Turner in dervordersten Reihe gegen die Sklavenhalter des Südens fochten; daßauf die deutschen Scharfschützen in den dunkelsten Stunden desBürgerkrieges unbedingter Verlaß war. Noch werden Namenwie Steuden, Siegel,.Schurz genannt. Dafür aber wird ausWashington ein Gott gemacht, aus den„Bätern des Landes"mindestens Halbgötter, und Lincolns Laufbahn wird zur Möglichkeitfiir jedes Kind.Der Vater weiß auf die begeisterten Geschichten, die sein Kindvon Straße und Schule mitbringt, nicht viel zu erwidern. Wohlmag er stille Zweifel an der Herrlichkeit, Gleichheit und Freiheitdes Landes semer Wahl hegen. Er erinnert sich vielleicht, wieschwer er bei der Arbeit getrieben wird; daß einer seiner Kollegenverunglückte, fich aber kein mitleidiges Auge nach ihm wendete; daßandere Kollegen sofort auf die Straße gesetzt wurden, weil sieeinige Stunden zu spät kamen; daß andere keine Arbeit mehr findenkönnen, weil sie 40 Jahre alt sind; daß ein Bekannter betteln gehenmutz, weil er seine Glieder in der Fabrik eingebüßt hat.Aber wenn er an die Heimat denkt, werden seine Gefühle auchnicht rosiger. Hat sich ihm das Vaterland jemals anders als in derGestalt des Unteroffiziers, des Steuererhebers, deS Gerichtsvollziehersgezeigt? Die neue Heimat mag auch nicht bester sein als die alte,immerhin ist er jetzt den Polizeigeruch los. Zwischen ihm und derpreußischen Drangsal liegt das Weltmeer. Seine Söhne brauchennicht ihre besten Jahre in der Kaserne zu vergeuden. Das Sümm-chcm das ihm bei der Teilerei mit dem Fabrikanten verbleibt, wirdnicht noch einmal vom Steuererbeber geteilt. Dann braucht er wederSchulgeld zu zahlen noch Lesebücher zu kaufen. Und vor allem:er kann sich in Amerika doch wenigsten« satt essen, wenn erArbeit hat.So muß schon etwas Wahres an den Geschichten seines Spröß-lingS sein. Ueber das Wieviel oder WaS zu deuteln, ver-bieten ihm Zeitmangel und Unkenntnis. Uebrigens, wenner mit seinem Jungen anfangen wollte, Vorzüge des Vater-landeS gegen Amerika zu sieben, würde er nicht weit kommen.Ohne Zweifel wird mancher deutsche Bater in solchem Redegefechtmattgeietzt werden, ohne überzeugt zu sein. Nach eingehenderPrüfung wird sein Gefühl immer noch günstig für daS Vaterlandabschließen, nur kann er nicht recht erklären, aus welchen Summenfich dieser Ueberschuß zusammensetzt: seine Bildung erlaubt es nicht,sein Sprachvermögen hat dafür keinen Ausdruck. Von den Werten,die den Ruhm des Volkes der Dichter und Denker ausmachen, hatteer sehr wenig erhalten. Dieser Mangel war auch nicht kleinergeworden durch Eintrichterung von Bibelsprüchen, Gesangbuch-versen und durch Einzelbeschreibung des Jenseits. DieMeisterwerke der dentschen Literatur waren für ihn nicht geschrieben,die Werke der deutschen Kunst für ihn nicht geschaffen, die deutschenSprachmeister hatten für ihn nicht gesprochen. Sein Wortschatz derMuttersprache langte gerade, am Familientisch die Sorgen zu er-zählen, aber nicht dazu, bei den Kindern ein liebevolles Verständnisfür deutsche Kultur und deutsche Sprache zu fördern.Mit einer so armseligen geistigen Ausrüstung ist gegen Jungen,die fich an den gleißenden Brüsten der Amerika»« großgesogen haben,nichts auszurichten.Dies alles läßt bei dem Einwandererkind das Bewußtseinkeimen und befestigen, daß Amerika da? erleuchtetste und beste Landder Welt ist; daß es sich verlohnt, fein Bürger und Verteidiger zufein.Es beginnt sich zu schämen, anderswo geboren zu fein; esärgert sich über den Vater, der in der. Wahl seines Geburtslandesjedes Unterscheidungsvermögen missen ließ. Scham und Aergeriverden zum Haß gegen alles, was nicht Amerika heißt. DaS Ver-brechen, das das deutsche Kind in semer Herkunst sieht, suchtes gutzumachen durch lautes Brüsten mit Amerikas Herrlichkeit.Deutsche Lebensart macht der amerikanischen Platz; mit Aengst-lichkeit wird jeder deutsche Laut vermieden. Die Alten sprechendeutsch, die Kinder annvorten englisch. Aus dem Hans wird einJohn, aus den: Lieschen eine Bessy. Und wo immer sich einpatriotisches Geheul hören läßt, heult der deutsche Nachwuchs amlautesten mit.*Das Elend deS Deutschtums in den Vereinigten Staaten ist dieFolge des Elends im Vaterland. In Amerika hat die deutscheSacke das zu büßen, was die herrschende Klasse in Deutschland amarbeitenden Volk gesündigt hat.Das Aleien der Srkältung.Unter den vielen Uebeln der Menschheit wird keins häufiger ge-nannt als die Erkältung, und doch ist lein BegriH für die medizinischeWissenschaft so wenig befriedigend aufgeklärt. Man möchte sagen,daß mit Rücksicht auf die Erküllung jeder einzelne Mensch seine Privat»crfahrungen sammelt, die er für richtiger und wichtiger hält als alles,was ihm der Arzt darüber sagen oder verschreiben kann. Und nichtselten mit einem gewisten Recht. Das mephistophelische Wort:„DerGeist der Medizin ist leicht zu fassen" erleidet hier eine um so mehrbedauerliche Ausnahme, als es sich um eine Ausnahme handelt, vonder wohl kein einziger Mensch verschont bleibt. Vielleicht sängtder Fehler aller Erörterungen darüber schon mit demNamen der Erkältung an, aber er ist nun einmal nichtauszurotten und wenigstens in der Hinsicht zutreffend, als er daraufhindeutet, daß die Veranlagung in der Erwerbung dieses Leidenseine überwiegende Rolle spielt.Dr. Kchßer, der in der chirurgischen Universitätsklinik in Jenaeingehende Forschungen über das Wesen der Erkältung angestelltund seine Ergebniste jetzt in der„Zeitschrift für Balneologie" ver-öffentlicht hat, nennt für jede Erkältungskrankheit drei Gesichtspunkteals wesentlich: einmal die Einwirkung tatsächlicher ErkäliungSeinflüste,an zweiter Stelle die dadurch hervorgerufene Empfänglichkeitfür krankheiterregende Bakterien und drittens das Vorhanden-sein solcher Bakterien. Es ist selbstverständlich ein Fortschrittder Neuzeit, daß die Erkältungskrankheiten ein Gegenstandfür die bakteriologische Forschung geworden sind. Als ansteckendsind gerade sie wohl mit zu allererst erkannt worden, weil eine fastalltägliche Erfahrung lehrt, wie leicht übertragbar ein Schnupfen ist.Immerhin ist noch nach der Entdeckung der Bakterien geraume Zeitvergangen, ehe man die Kleinwesen auch für diese Leiden der Mensch«heil verantwortlich gemacht und ihnen nachzuspüren versucht hat, undnoch jüngeren Dalums sind die Bestrebungen, die den ErkältungS-krankheilen gar durch eine Schutzimpfung oder ähnliche bakterien-feindliche Behandlung beikoinme» wollen. Dr. Keyßer beschäftigt sichnaturgemäß auch mit der Ausklärung des Begriffs der Erkältung.Früher wurde, vom alten Hhppokrates an. die Erkältung überallda angenommen, wo eine Erkrankung auf andere Weise nicht erklärtwerden konnte, und man kann wohl sagen, daß außerhalb wisten-schafUicher Kreise derselbe Gebrauch auch heute noch herrscht. Mitder Umwandlung der Medizin in eine echte Naturwissenschaft tratdann ein Rückschlag ein, und die Schule Virckows wollte von derErkältung überhaupt nichts mehr wisten. Damals bedeutete daSnur eine Gegenwehr gegen die Anwendung einer Bezeichnung,der man keine genaue Kennzeichnung geben konnte. Später, alsdie Bakterienforschung sich entwickelt hatte, kam man vondieser Seite her mit besseren Gründen zur Ablehnung deSErkältungsbcgriffs. Wenn man jede ansteckende Krankheit auf be«stimmte Erreger zurückführt, so erscheint es zunächst nicht not-wendig oder sogar unzulässig, daneben solche Einflüsse wie die einerErkältung anzuerkennen. Immerhin erkannte auch schon Pasteur,daß die Entstehung einer Krankheit davon abhängig ist, daß die be-treffenden Bakterien eine bestimmte„individuelle Disposition" vor«ffiiden, mit anderen Worten: einen zubereiteten Nähiboden, auf demsie sich entwickeln können. Damit Ivar schon die Richtung gewiesen,in der man zu einer wissenschaftlichen Begründung der Erkältunggelangen konnte und da? geschah durch den Nachweis, daß durch Er-kältung die Widerslandsfähigkeit gegen Angriffe auf die Gesundheit deSOrganismus insbesondere vonseiten der Bakterien herabgesetzt wird.Auch damit steht man freilich erst am Anfang der Erkenntnis, weil nun erstgezeigt werden muß. worin die durch die Erkältung geschaffene DiS-Position eigentlich besteht.ES gibt drei hauptsächliche Theorien über die Er»k ä l t u n g. Die erste und älteste stammt von französischen Forschernund will die Erkältungskrankheiten durch eine Ilnterdrückung derHautausscheidungen und die dadurch herbeigeführte Anhäufungschädlicher Stoffe im Körper erklären. Dieie Anschauung ist späterwiderlegt worden. Die zweite Theorie von Rosenthal geht von derAnnahme einer gewissen Lähmung der Hautgesäße unter dem Ein«fluß der Wärme ans. In der Tat würde e? daraus verständ-lich fein, daß der plötzliche Einfluß von kalter Luft zu einer be«sonders starken Abkühlung des BlutS führt, die weiterhindie inneren Organe schädigt. Die Tierversuche, bei denen