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ganz" Feierabend machen, worauf der junge Prinzipal noch wunschlosen Seele. In feinen Worten gab es weder Schwächen erheblich kälter zurückgab:" Wie's Ihnen beliebt!" noch Beschimpfungen. Das war der Ton eines Mannes, der an So war sie schon mehrmals aus Verstiegenheiten der diesem Tage seine Pflicht genau so tut wie an allen anderen Tagen, Einbildung abgestürzt and mit blutender Seele liegen ohne einen Augenblick daran zu denken, daß diesmal ein besonderer geblieben. Seit jener Mittagsstunde, in welcher der Zeichner Wut dazu gehört. Weder die Drohungen noch die Verfolgungen ließen ihn auch nur eine Minute zögern und schwanken. nach ihrer festen Ueberzeugung um ihre Hand anhielt, kannte Mehrere Leute haben behauptet, daß er, um seine Aufgabe zu fich Brigitte Böhi selbst nicht mehr. Darüber waren schon erfüllen, um die Unschuld eines Juden und das Verbrechen eines Christen einige Wochen verflossen. Sie glaubte mit Fug, sich gewiffen- festzustellen, Klerifale Vorurteile und antisemitische Leidenschaften, die haft prüfen zu müssen, denn der überraschende Antrag hatte seit feiner Jugend in seinem Herzen wurzelten, überwinden mußte. ihren Lebtag zersprengt, aus dem Gleise geworfen. Zuerst Die ihn kannten, wissen, daß das nicht wahr ist, daß er feinerlet war sie in einem Gefühl wilden Triumphes zu ihrem fanatismus fanute, daß seine hohe Intelligenz ihn himmmelhoch Schwager gelaufen, der die Nachricht zwar mit gebührendem Zweifel aufnahm, dann aber die Vorteile einer solchen Heirat und Verwandtschaft erwog und der Verwirrten energisch zu sprach, troßdem er kurz vorher noch seinem derben Genossen Büst das Wort geredet hatte.
über Haß und Parteilichkeit erhob, und daß er ein freier Geist war. Diefe innere Freiheit, die föstlichste von allen, konnten seine Verfolger Steine, wie Fernand Gregh sagte, den Sockel feines Denkmals bilden ihm nicht nehmen. In dem Gefängnis, in das sie ihn schickten, und dessen werden, war er frei, freier als sie alle... Sie, feine Verfolger und feine Verleumder, waren die Gefangenen, Gefangene ihrer eigenen Lügen Eitel gemacht, legte sie sich im Geist bereits den Namen und Verbrechen. Augenzeugen sahen ihn hinter Schranken und Madame Oberholzer bei, belauschte seinen Klang, erprobte Gittern ruhig, lächelnd, duldsam.... Und doch glaube ich, daß er sein Gewicht, indem sie ihn mit anderen verglich; sie stellte litt. Ich glaube, daß er unter so viel Niedrigkeit und Perfidie, sich den Neid, die Aufregung der Bleichemädchen vor, be- unter so ungeheuerlicher Ungerechtigkeit, unter diefer Epidemie von sonders am Tage der Hochzeit, wenn sie im weißen Seiden- Verbrechen und Narrheit, unter den abscheulichen Rasereien dieser kleid und Schleier durch die Spalier bildende Neugier zur fah, wie die alte Frau mit heiliger Einfalt ein Scheit für den Männer, die die Menge täuschten, grausam gelitten hat. Auch er Kirche fuhr. Welch eine Erhebung aus jahrelanger Schmach! Scheiterhaufen des Unschuldigen herbeischleppte...." Und was nicht noch mehr? Wurde so nicht vor aller Augen die Gerechtigkeit ihrer Sache erwiesen und fiel nicht, weit Aus der Vorzeit. über den Tag hinaus, ein Licht auf all die Entwürdigten Ein Bergwert aus der Steinzeit. Unter dem soihres Geschlechts, die für immer im Schatten leben sollten, genannten Riefelfelde von Spiennes ", 4 stilometer südöstlich von weil sie einmal in der Sonne zu warm geworden waren! der belgischen Stadt Mons , befindet sich ein außerordentlich aus. Dieser Hochmut ließ die Aermste lange nicht los. Sie gedehntes Bergwert aus der neolithischen Zeit( der jüngeren Steinschuf in der Phantasie unermüdlich neue Bilder der Genug- zeit), das zwar schon im Jahre 1867 entdeckt, aber erst in dem vertuung und steigerte ihr Selbstgefühl so hoch, daß sie insgeheim schon mit den vornehmsten Bürgersfrauen verfehrte. Ob sie das auch in Wirklichkeit vermochte? So schüchtern war sie ja längst nicht mehr, sie hatte nicht umsonst den Umgang der großen Bleicheherren genossen. Und wenn auch für eine schlichte Tagelöhnerin viel Mut dazu gehörte, es von heut auf morgen etwa einer Stadträtin gleichzutun, sie wollte sich gewiß redliche Mühe geben, damit ihr Mann sich ihrer niemals und nirgends zu schämen brauchte.( Forts. folgt.)
Kleines Feuilleton.
gangenen Jahre näher untersucht worden ist. Die Untersuchungen haben bereits wichtige Erfolge gezeitigt, sollen aber noch fortgesett gelangt man durch Schächte von 10 bis 15 Meter Tiefe; die werden. In das Bergwerk, dessen Ausdehnung noch unbekannt ist, Schächte finden sich dicht nebeneinander und ihre Abstände be tragen nur 2 bis 8 Meter. Gegenwärtig sind alle diese Schächte bis auf zwei freigelegte verstopft, denn die Bergleute, die hier vor 4000 Jahren oder länger tätig waren, haben alles taube Gestein und sonstige Abfälle in die Schächte geschüttet. Die innere Wandung der Schächte zeigt, daß hier ehemals Holzbalken in Ver tiefungen gelegen haben, die zusammen eine wendeltreppenartige Leiter ausgemacht haben müssen.
Was haben die Bergleute der neolithischen Zeit nun hier im Innern der Erde gesucht? Unter dem„ Kieselfelde" liegen verschiedene Schichten, darunter eine Kreideschicht, die reich an großen Feuersteinen Das Heldenamt der Gerechtigkeit. Anatole France , der große gewefen fein muß, denn nach Feuersteinen ist hier gesucht worden. französische Romandichter, widmet dem vor einigen Tagen ver- Die Spithacken, mit denen die Bergleute der neolithischen Zeit storbenen General Picquart einen Nachruf. Er spricht von dem zur arbeiteten, bestanden aus Feuerstein . In dem bisher freigelegten Beit der Dreyfus- Sache berühmt gewordenen Zweiten Bureau und Teile des Bergwertes hat man deren viele Hunderte gefunden, und von den„ Bureaukraten im Käppi, die die Gerechtigkeit verraten und man wird wohl noch Tausende finden, denn das bisher untersuchte ein ganzes großes Volt betrogen haben" und fährt dann fort: Gebiet ist nur ein verschwindend kleiner Teil des Ganzen. Das Und in diesem Bureau fand sich ein Mann, der diesen Leuten ganz eigentliche Bergwerk ist eine Höhle, die dadurch entstanden ist, und gar nicht glich. Er hatte einen hellen Geist, einen edlen daß die Kreide weggebrochen ist und an vielen Stellen Säulen Charakter, eine geduldige, echt menschliche Seele von unfäglicher ausgespart worden sind. An einzelnen Stellen sieht man noch Güte. Er galt mit Recht für einen der intelligentesten Offiziere deutlich die langen Furchen, die die Feuersteinhade in das der Armee und war, obwohl sein Wesen, das in diesen Kreis Gestein gezogen hat. Das Gebiet, das abgebaut wurde, nicht hineinpaßte, ihm schädlich sein konnte, als Erster unter ist ziemlich niedrig, woraus man schließen kann, daß die den Offizieren feiner Altersklasse zum Oberstleutnant ernannt Bergleute zum Teil in unbequemen, liegenden Stellungen gehadt worden. Seine Freunde kannten seine ein wenig spöttische Duld- haben müssen. famkeit und seine erprobte Herzensgüte; sie wußten, daß er für alles Welche Arbeitsleistung dazu nötig war, erfennt man sogleich, Schöne empfänglich war, daß er Musik und Literatur zu empfinden wenn man mit einer Feuersteinbacke selbst im Fels zu arbeiten ver und auch in der Welt der Gedanken zu leben verstand. Wie alle sucht. Außer Feuersteingeräten hat man geringe Reste von TonMenschen mit tiefem Innenleben entwickelte er feine geistigen und gefäßen entdeckt; merkwürdigerweise aber hat man noch keine der moralischen Fähigkeiten in der Einsamkeit. Diese Neigung zur Lampen, mit denen das Bergwert zweifellos erleuchtet war, auf Burückgezogenheit, seine natürliche Schlichtheit, seine Selbstverleugnung finden können. Das gegenwärtig untersuchte Gebiet bedeckt nur und feine Opferwilligkeit machten ihn zu einem jener Soldaten, die eine Fläche von 16 X 24 Metern. Zu dieser Fläche gehören nicht Alfred de Vigny gefehen oder vorgeahnt hatte, zu einem jener be- weniger als neun Schächte. scheidenen Helden, die allem, was sie tun, wie etwas Selbstverständliches den Adel, der in ihnen selbst liegt, ausprägen, und für die die Erfüllung der Pflicht die Poesie des Lebens ist.
Literarisches.
Fichte Literatur. Das würdigste Fichte- Denkmal, auf
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Und dieser Offizier entdeckte eines Tages im Zweiten Bureau, das der„ Boriväris" bereits hinties, ist das Evangelium der Frei daß Dreyfus wegen eines Verbrechens, das Esterhazy begangen heit", das May Rieß aus den Werken des Philosophen errichtet hatte, verurteilt worden war. Er benachrigte seine Borgefeßten. bat.( J. G. Fichte, Ein Evangelium der Freiheit. Jena 1905. Bei Sie versuchten, zuerst durch Freundlichkeit, dann durch Drohungen, Eugen Diederich. 3 M.) Die Lektüre Fichtes beginnt man am feine weiteren Nachforschungen zu vereiteln, da die Aufdeckung der besten mit der Bestimmung des Menschen"( bei Reclam er Unschuld des verurteilten Dreyfus die Aufdeckung ihrer Fehler und schienen, wo auch der Geschlossene Handelsstaat, Die ihrer Verbrechen zur Folge haben mußte. Er fühlte, daß er sich Bestimmung des Gelehrten, die Neden an die durch Beharren zugrunde richtete. Und beharrte troßdem. Mit deutsche Nation zu finden sind),„ Die Anweisung zum ruhiger, sicherer Ueberlegung, mit gefestigtem Mut fette er fein feligen Leben", die Neden, in denen sich die religiösen Gedanken Gerechtigkeitswert fort. Man entfernte ihn. Man schickte ihn unter Fichtes entfalten, find neuerdings in den Berliner Markbänden der irgend einem jämmerlichen Vorwand bis an die Grenze Deutschen Bibliothek; die Einleitung des Herausgebers ist mit von Tripolis , in der Hoffnung, daß er dort von fritischer Vorsicht zu lesen. Eine sehr schöne Sammlung zum arabischen Räuberhorden ermordet werden würde. Und da man ihn Atheis musstreit erschien 1912, von Hans Lindau heraus. nicht töten fonnte, fuchte man ihn durch Verleumdungen zu ver- gegeben, in der Frig Mauthnerschen Bibliothek der Philosophen" berben. Durch perfide Versprechungen glaubte man zu verhindern,( Verlag Georg Müller, München , geb. 7 M.); diese lebendigen daß er im Bola- Prozeß das Wort nähme. Er sprach aber doch; er Schriften enthalten die schärfsten und Klarsten Gedanken wider das Sprach mit der Stube des Gerechten , mit der Ruhe einer furchts und Kirchenchristentum.
Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.