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Brigitte hielt sich mit beiden Händen an der Stuhllehne zum Feierabend verging, und so oft der Meister an dem Regal vor­fest und schüttelte energisch den Kopf: Ach nein, Herr Herz- überfam, in dem die Gewindebohrer sauber nach den Nummern feld, Sie sind zu gütig, ich fomme schon noch zur Zeit heimi, geordnet lagen, wurde mir heiß und elend. Doch blieb mein Ver­gehen an jenem Abend unbemerkt, und ich glaube, ich habe nie die wenn ich-

Dann stand sie, da er näher fam, auf, als möchte sie um Erlaubnis bitten, gleich wieder gehen zu dürfen. Er nahm das für übergroße Schüchternheit und setzte sich, einlenkend, ihr gegenüber. Ja, zum Zeichen der Unverfänglichkeit dieser Situation er gelassen weiter und eröffnete dabei der höch lich Staunenden einen durchaus ernstgemeinten Vorschlag. Sie scheine sich an ihrem Platz in der Bleiche nicht mehr sonderlich wohl zu fühlen? Vielleicht möchte sie lieber einmal ein anderes Stück Welt kennen lernen. Ob sie etwa Lust verspire, im Herbst mit ihm über den großen Teich zu dampfen? Im Neuvorker Haus könnte er ihr eine weit beffere, angenehmere Stellung bieten. Eine Stellung, die in punkto Gewinn und Lebensgenuß wohl nichts zu wünschen übrig ließe. Sie würde dann natürlich gleich englischen Un­terricht erhalten und könnte sich diesen Sommer ausschließlich dem Sprachstudium widmen.

Troß ihrer fühlbaren Zurückhaltung fuhr er fort, im Grunde gewiß, daß sie sich einem derartigen Glück nicht ver­schließen werde. Er selbst war fest entschlossen, das unge­wöhnliche, rätselhafte Mädchen auf seine Art zu heben und auszuzeichnen.

Brigitte hörte gesenkten Blides zu, als dürfe sie diesem Frieden und väterlichen Wohlwollen nicht trauen. Sie faß nur auf der äußersten Kante des Seffels, blickte unentwegt in ihren Schoß und preßte die Hände gegeneinander. Ihre Antworten schossen hervor wie aufgescheuchte Vögel.

Ich weiß halt nicht... es ist gar weit fort. Das muß ich mir erst überlegen." Wie zum Schuß vor Anfechtung begann sie von ihrem Kinde zu sprechen.

Das dauerte dem Amerikaner offenbar zu lang. Bri­gittes Einspruch ungeachtet, füllte er ein Glas mit perfendem Wein und nötigte sie, wieder näherrückend, mit ihm anzu stoßen. ( Forts. folgt.)

[ Schluß]

Aus der Werkstatt.

Von Hermann Hesse .

Um vier Uhr, während wir unser Vesperbrot aßen, tat der Meister etwas Sonderbares. Er ging zu Hans Bastels Plaz an der Werkbank, nahm zwei Schraubenschlüssel und machte mit vieler Mühe des Hansen Schraubstock los, der seit vielen Jahren dort feine Stelle gehabt hatte. Was dachte er sich bei dieser seltsamen und unnügen Arbeit? Es sah fast aus, als wollte er den Gesellen überhaupt nimmer in der Werkstatt haben; aber das war jetzt, bei der vielen Arbeit, rein nicht möglich. Mir machte es einen fast schauerlichen Eindruck, zu sehen, wie dieser praktische, jeder Spielerei bitter abholde Mann in seinem stillen Grimm auf eine solche sym­bolische Handlung verfiel.

Feierabendstunde mit so erlöstem Aufatmen begrüßt wie damals. Andern Tages, obwohl ich um den zerbrochenen Bohrer noch ein schlechtes Gewissen hatte, überwog auch bei mir wieder der ängstliche Gedanke, wie es mit dem Bastel gehen würde. Ein wenig frischer und besser ausgeruht als gestern, femen wir ins Geschäft, aber die Schwüle war nicht gewichen, und die sonst üblichen Morgens gespräche und Scherze blieben uns in der Keyle steden. Hans war our gewohnten Stunde gekommen, nüchtern und im blauen Schlofferkleid, wie es sich gehörte. Seinen Schraubstock hatte er unter der Werkbank gefunden und ruhig wieder auf dem alten Blas befestigt. Er zog die Mutter an, klopfte und rüttelte, bis alles wieder richtig sah, dann holte er Schmiere und salble die Schraube gut ein, ließ fie zur Probe ein paarmal spielen und be gann alsdann seine Arbeit.

Es dauerte keine halbe Stunde, so kam der junge Meister.

Tag," sagten wir und er nickte. Nur der Hans hatte nicht ge grüßt. Zu diesem trat er nun, schaute ihm eine Weile zu, während Hans ruhig weiter feilte, und sagte dann: Seit wann ist denn der Schraubstock wieder da?"

" Seit vor einer halben Stunde," lachte der Gefelle. Aber es war fünstlich gelacht, voll Trutz und vielleicht auch Besorgnis. " So," sagte der Meister. Wer hat denn Dich geheißen, ihn wieder hinzumachen?"

"

Niemand. Ich weiß allein, was ich zu tun hab'."

" In dieser Werkstatt hast Du nichts zu tun," rief der Meister nun etwas lauter, von heut' an nichts mehr. Verstanden?"

Hans lachte.

Meinst, Du fannst mich rausschmeißen?" Da ballte der Meister die Fäufte.

Seit wann sagst Du denn Du zu mir, Du Lump?" " Selber Lump

Ein Schlag, und ein kurzer Schrei fang auf, dann wurde es totenstill in der ganzen Werkstatt, denn nun hörten alle mit der Arbeit auf und hörten entsetzt zu.

geben. Nun standen sie dicht voreinander, minutenlang regungslos Der Meister hatte dem Bastel einen Fauftschlag ins Gesicht ge­und dem Gesellen schwoll die Haut ums Auge bläulich an. Beide hatten die Fäuste ein wenig vorgestredt, und beide zitterten ein wenig, der Meister am sichtbarsten. Wir rissen die Augen auf, und feinem fiel es ein, ein Wort zu wagen.

Ta geschah es wie ein Blik, daß der Geselle, am Meister vorbei zur Esse stürzte und mit beiden Händen den schwersten Vorhammer an sich riß. Noch im selben Augenblia stand er vor dem Meister, den Hammer hoch geschwungen, und blickte ihn auf eine Weise an, daß uns todesangst wurde.

"

Schlag doch zu, wenn Du Courage hast!" sagte der Meister. Doch flang es nicht ganz echt, und als jetzt Hans Miene machte, zu­zuhauen, wich der Bedrängte vor ihm zurüd, Schritt um Schritt, und Hans immer hinter ihm her, mit dem riesigen Schmiedehammer zielend. Der Meister war totenblaß und feuchte laut. Hans trieb ihn so langsam weiter bis in die Ecke, da stand er, an die Wand gedrängt, neben seiner Maschine, von der das Tuch geglitten war. Hans sah schauerlich aus, die Spur des Faustschlags neben seinem Auge stand in dem weißen, verzerrten Gesicht wie ein wüfter Fleck. " Feigling! Feiger Hund!" schrie er höhnisch, und der Meister antwortete nichts.

Abends um fünf Uhr fuhren wir ordentlich zusammen, als die Werkstattür langsam aufging und der Hans Baitel behaglich ein­trat, noch in Sonntagsileidern und den Hut im Genid, die linfe Da lüpfte Hans Bastel den Hammer noch ein wenig, biß die Hand im Hosensack und leise pfeifend. Wir erwarteten mit Angst, Zähne zusammen und hieb- Wir schlossen die Augen. Dann daß der Meister ihn nun anreden, schelten und anbrüllen, ja hörten wir den Gesellen lachen, laut und böse lachen. Sein Schlag vielleicht schlagen würde. Der tat aber nichts davon, sondern blieb hatte gedröhnt, als müsse das Haus einfallen, und nun schwang er stehen, wo er war, sah sich nicht nach dem Eintretenden um und biß den Hammer wieder hoch und hieb noch einmal. Aber beide Schläge fich nur, wie ich deutlich sah, trampshaft auf die Unterlippe. Ich galten nicht dem Meister, statt dessen war seine Maschine scheußlich begriff beide nicht, am wenigsten den Bastel, bis ich bemerkte, daß zertrümmert und lag in geborstenen und verbogenen und pla dieser ein wenig angetrunken war. Den Hut auf dem Kopf und geschlagenen Stückchen da. die Hand im Sad, bummelte er herein, bis vor seinen Platz.

Der ist ein Lump, der das getan hat," sagte er. Aber niemand gab Antwort. Darauf redete er einen von uns an, erzählte einen Wiz, aber der hütete sich natürlich und wagte nicht, aufzusehen oder gar zu lachen. Da ging Hans Bastel in die freigehaltene Ecke der Werkstatt, wo die kleine vom Meister und ihm gemachte neue Maschine stand; sie war bis auf Kleinigkeiten fertig und proviso­risch an eine Eisenschiene angeschraubt. Er nahm die darüber aus­gebreitete Sadkleinwand ab und betrachtete das Werklein eine Weile, spielte mit den zwei zierlichen Hebeln und fingerte an ein paar Schrauben herum. Dann wurde es ihm langweilig, er ließ die Maschine unbedeckt stehen, ging an die Esse, ließ einen Hobelspan aufflackern und zündete sich eine Zigarette an. Die behielt er qualmend im Munde und verließ die Werkstatt mit demselben be­haglichen Bummlerschritt, mit dem er gekommen war.

Als er draußen war, ging der Meister hin und breitete das Tuch wieder sorgfältig über die Maschine. Er sagte kein Wort und war mir an diesem Abend ein Rätsel. Daß Hans Bastels Ange­legenheit nun erledigt sei, wagte feiner von uns zu hoffen. Mir aber passierte vor lauter Erregung ein böses Ungeschic: c8 brach mir ein feiner Gewindebohrer im Eisen ab, und von diesem Augen­blick an fürchtete ich nur noch für meine eigene Haut und dachte an nichts anderes mehr. Es war eine Qual, wie träg die Zeit bis

Jezt warf der Mann den Hammer weg und ging ganz lange sam in die Mitte der Werkstatt zurüd; dort sezte er sich ruhig mit verschränkten Armen auf den Amboß, doch zitterte er noch in den Knien und Händen.

Der Meister tam, ebenso langsam, ihm nach und stellte sich vor ihn auf. Es schien, als seien beide vollständig erschöpft und ihre Wut gebrochen. Der Hans baumelte sogar mit den Beinen. Und so saß der eine und stand der andere, fie sahen nicht einmal mehr einander an, und der Meister fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Dann nahm er sich plöslich zusammen und sagte sehr leise und ernst: Steh' jetzt auf, Hans, und geh', nicht wahr?" " Ja, ja, freilich," sagte der Geselle. Und dann noch: Also adieu denn!"

Adieu, Hans".

Nun ging er hinaus, mit dem verschwollenen Auge, und die Hände noch schwarz von der Schraubstockschmiere; und wir sahen ihn nicht wieder.

Ich hielt den Augenblid für günstig, ging zum Meister hin und fagte ihm, ich hätte einen Gewindebohrer zerbrochen, einen von den feinen. Aengstlich erwartete ich das verdiente Strafgericht. Gr fragte: Welche Nummer?"

Dreidreiviertel," flüsterte ich..

" Bestell' einen neuen," sagte er und weiter kein Wort.