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Unterhaltungsblatt öes Vorwärts Nr. 83. Dienstaq, den 17. Februar.>�14
1] HMHolm. Eine Landarbeiterseschichte von Johan Skjoldborg  . Links der Giebel einer Gutsscheune mit aroßen, seit- lichen Einfahrtstoren und eiilein alten, vornüberhängenden Fachwerksgiebel, der drohend ruif alle Vorübergehenden her- niÄerschaut und in der Mitte der schwarz angeteerten, drei- eckigen Spihe ein altmodisches Fenster mit einem Wirbel in der Mitte hat ähnlich dem bitterbösen Auge eines Gutsverwalters, das grün ward vor Aerger über all die Leute, die hier im Hofe aus und eingingen. Rechts ein aus roten Backsteinen aufgeführtes und mit Zement verbundenes, schlankes, regelmäßiges, modernes Gebäude. In der Mitte ein schmutziger Weg mit tiefen Fuß- und Wagenspuren, die deutlich aus dem lehmigen Brei her- vorragten. In der Oeffnung zwischen den beiden Giebeln taucht ein Reiter auf. Er hat das linke Pferd des Gespannes bestiegen, das rechte folgt von selber nach: denn die beiden Pferde sind zusammengekoppelt mit Sattelzeug aus alten, steifen Leder- rienien und Tauenden samt eisernen Kumten. Das Geschirr, das lose auf den ledigen Tieren hängt, klappert und rasselt, während sie sich langsam vorwärts bewegen mit hängenden Köpfen und habgeschlossenen Augen. Der Reiter ist ein hagerer Mensch mit schiefen Schultern. Er trägt den Kopf stark vornübergebeugt, in einer Haltung, als wolle er es einer mächtigen Hand leichter machen, seinem Nacken noch einen Stoß zu versetzen. Seine etwas blinzeln- den, mutlosen Augen haben einen treuherziggutmütigen Aus- druck, imd sein langnasiger, einem Schafe ähnelnder Kopf scheint recht dazu geeignet zu sein, sich vor allerhand Unwetter zu neigen und zu beugen. Es ist Tammes, der Großknecht. Nun kommen andere. Der nächste, der rote Jens, hat eine etwas strammere Haltung. Er ist schwerer, doch aufgebläht und gedunsen, mit Pausbacken und dicken, sommersprossigen Händen. Seine Nase schimmert blauschwarz, und die Augen sind mit roten Adern durchzogen. Der fettige Schlapphut sitzt schief auf seinem Haare, das feuerrot ist wie sein großer, roter Vollbart. Er gähnt geräuschvoll ein Schnappen und Bellen wie bei großen Hunden. Das Gespann des roten Jens ist schlechter als das erste, doch besser als das nachfolgende. Dieses, ein schwarzes und ein braunes Pferd, führt Jakobus. Das schwarze hat ein dickes Knie, und das braune schwingt bei jedem Tritte den breiten, haarigen Huf klatschend in den Lehmbrci des Weges hinein. Auf dem Rücken des Braunen sitzt Jakobus in seiner zerlumpten Jacke, mit einem zufriedenen Zuge uni den mit Bartstoppeln übersäten Mund. Der Körper ist steif wie ein krummgewachsener Baum, dock» brüstet er sich und nickt selbst- bewußt mit dem Kopfe. Er ist nicht weit entfernt vom Halbschlummer. Nummer vier, Palle, hat unglaublich große, rote Hände, die weit aus den Aermeln hervorragen, und dazu so umfang- reiche, abstehende Ohrmuscheln, daß man meinen sollte, er könne sie als Fächer benutzen. Seine aufgesprungenen rissi- gen Lippen hat er mit Tabaksblättern beklebt. Er atmet nnt offenem Munde, als könne er durch die Nase nicht Luft genug einziehen. Hinter Palle erscheint Klein-Lasse mit seinen beiden Gäulen. Klein-Lasse ist flachbriistig und hüstelt. Er ist ganz blaß. Nicht einmal an seinen Händen und Lippen spürt man, daß er Blut in den Adern hat, und seine kleinen, kranken Augen verschwinden fast in den tiefen Augenhöhlen. Gleich hinter ihni erscheint Groß-Lasse. Seine stark her- vortretenden Augen sehen aus, als wollten sie aus dem Kopfe hervorquellen, und mit dein steifen unbeweglichen Blicke gleichen sie bläulich-weißen Porzellankugeln. Seine groß?» Gliedmaßen schlenkern beim Reiten hin und her wie die eines Toten.
Der jetzt folgt, heißt Per Holt. Er ist ein außerordentlich fest und gedrungen gebauter Junggeselle und sitzt auf feinein Pferderücken, als sei er Dragoner gewesen. Die Mütze sitzt auf einem Ohre und init einer Würde, als trüge er noch jetzt die Sporen, ruht seine linke Hand flott auf der muskelstarken Lende. Er hat schwarzes Haar und zusammengewachsene Augenbrauen. Seines dunklen Auges Glanz zeugt von körper- licher Gesundheit. Ein Schimmer lebhafter Gedankenarbeit taucht in den Augen auf und zu gleicher Zeit ein Ausdruck furchtloser Ruhe. Sein Kinn zeugt von dreister Kraft: er sieht aus, als könne man mit geballter Faust auf ihn ein- schlagen, ohne daß er auch nur blinzeln würde. Einer nach dem anderen tauchen sie in der Oeffnung auf Krün Sows mit seinem dicken, faltenreichen Gesicht, in dessen Furchen Schmutz und Tabakjauche lagern, der große Paul, Niels RönMargarete", deren straffe Lenden- muskeln noch das eingebrannte Prämienzeichen sehen lassen, Life", deren lahme Hüfte eine einzige große Wunde bildet ... Mensch und Tier, Mensch und Tier. Vierzehn Reiter und vierzehn Gespanne. Endlich hört es auf: es kommen keine inehr. Sie ziehen den aufgeweichten Feldweg entlang mit platschenden Hufen und schlenkernden Gliedern: im immer gleichen, schleppenden Takt geht es vorwärts, und es sieht aus, als würde es immer so weiter gehen, bis irgend eine Macht von außen mit einem Kommandowort dazwischenfährt. Wie im Schlaf zieht die Schar den vorgeschriebenen Weg weiter, ohne irgendeinen Seitenweg einzuschlagen. Jetzt muß die Chaussee überschritten werden. Doch da komint den ebenen Weg entlang ein elegantes Gefährt, blanke Schimmel, die spielend und tänzelnd im silbernen Gebiß schäumen, ein Wagen, der auf Gummirädern federt, und ein Kutscher in weißen Handschuhen, der einen mit Bärenpelz be- setzten Mantel trägt. Aus einem Pelz schauen die vom Wein geröteten Wangen und der dunkle Schnurrbart des Kammerherrn hervor. Er liegt unbeweglich an den gepolsterten, niederen Rücksitz ge- lehnt und starrt mit seinen großen, gewölbten Rasseaugen dein Kutscher   direkt in den Nacken. Als Tammes den Landauer gewahrt, hält er an, und gleich den Eisenbahnwagen, die sich gegenseitig puffen und stoßen, erfolgen kleine Zusammenstöße in der langen Reihe, die ehrerbietig anhält. Als der Kammerherr vorbeifährt, ziehen die vierzehn Reiter ihre Mützen und begrüßen ehrerbietig ihren Gebieter und Brotherrn. Der Kammerherr erwidert ihren Gruß obenhin, aber rück- sichtsvoll. Darauf gleitet das feingebaute Gefährt lveiter die Land- straße entlang, wie eine Spinne am Faden, und der schwere, klobige Arbeiterzug setzt sich von neuem in Bewegung, den ausgedehnten Stoppelfeldern und dem frisch gepflügten Lande zu. Dem Kammerherrn entgegen kommt ein Zug derber, wohlgenährter jütländischer Ochsen vor soliden, selbstgebautei: Wagen. Jedes Fleckchen ist besetzt mit dicht aufeinander ge- packten, sonntäglich gekleideten Leuten. Es hängen gleichsam so viele darauf, wie nur irgend möglich. Bauern sind es, langbärtige und blonde Bauern mit hellen, intelligenten Augen, Grundtvigianer aus Fölling, die zur Herbstversamni- lung fahren nach der Oerumer Hochschule. Die Wagen weichen gerade soviel aus, daß das linke Rad in der Spur� des reckiten fährt, aber mehr auch nicht. Und niemand grüßt den Gutsbesitzer mit Ausnahme eines ein- zelnen alten Mannes, der hinten im Wagenzug ein wenig den Hut lüftet, niemand blickt nach der Seite: aller Augen schauen geradeaus und ganz plötzlich, wie hervorgerufen durch den Druck einer heimlichen Feder, nehmen alle Gesichter einen barschen Ausdruck an. Sobald jedoch der Kammerherr vorüber ist. fallen wieder, wie auf Kommando, die steifen Masken. Die bellen Gesichter lächeln und tuschelnd stecken sie die mit Hilten bekleideten Köpfe zusammen. Die grundtvigianischen Falling-Bauern fahren weiter die Pappelallee entlang gen Oernm, und der Gutsbesitzer biegt in