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Ist hier die Pforte, die

seben vom Tobe trennt? Ein lamente, der Kirchenvorstand und die Gemeindevertretung. Boli Schritt zuviel entscheidet. Von der Achtsamkeit des narkotisierenden tische Strömungen gab es da natürlich nicht. Gewählt wurden rates, von ein paar Tropfen Chloroform, von den Funktionen einfach die sogenannten angesehenften Männer der Stadt, die dann Deines Herzens, von irgendeinem gufall hängt es ab, ob Du jemals mit Eifer ihre eigenen Interessen wahrnahmen. Wenn ein Streit wiederkehrst. Du stehst an der Schwelle. über sozusagen höhere Dinge entbrannte, so ging es ficher um eine Ist es aber der Lod, dann können wir ihn willkommen heißen ganz ausgefallene Sache. So stritt man sich jahrelang im Kirchen­als lieben Gast. Er ist verschrien als heimtückischer Henters- borstand um die Frage, ob der gemeinsame Abendmahlskelch durch necht  , bielleicht ist er in Wirklichkeit ein liebenswürdiger Reise- den Einzeltelch erfekt werden sollte, durch Einzeldippen", wie die marschall. Während sie uns den Leib aufschneiden, Glieder ab- Anhänger des gemeinsamen Selches sich ausdrückten. fägen, Knochen aufstemmen, Giter ausfragen, läßt er uns durch Im übrigen entwickelte sich mit dem zunehmenden Reichtum Weltenräume wandeln.

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Der Wärter hat mir alle meine Sachen zurechtgelegt: der Tag des Abschiedes ist da. Ich will es still und unauffällig machen. Jeder Gehende wedt trübe Gefühle in vielen Zurückbleibenden, weniger Glücklichen. Den Koffer in der Hand schleiche ich durch den weiten Korridor. An der Treppe, die zum Operationssaale führt, sehe ich noch einmal den Stabsarzt in seinem weißen Kittel. Vor ihm ein dreizehnjähriger Junge bleich, mit schlotternden Knien. Er fürchtet sich so vor der Operation" fagt die Mutter weinend. Der Stabsarzt nimmt lachend die Hände des Knaben und schüttelt fie fräftig, ohne ein Wort zu sprechen. Aber sein Lachen sagt deut­lich zu dem zitternden Kinde: Sieh mich an! Na, sieh mich doch an! Sehe ich aus, wie einer, der Dir was tut?" Er befühlt, gleich­fam mit Geringschäßung, den Schaden und lacht wieder:" Das bißchen, das Du da hast, macht Dich furchtsam? Zas ist ja Kinder­spiel für uns beide! Das friegen wir, mein Guter!" Ermutigt, entschloffen geht der Junge die Treppe hinan. Einen Augenblick steht ihm der Arzt ernst, mitleidig nach, dann gibt er dem Wärter fachliche Anweisungen für das kommende. Er erblickt dabei mich, reicht mir die Hand und wünscht mir gute Reise. Ich weiß ein Wort des Dantes mehr zu sagen ich würde am liebsten die Sand, die so ficher mit Weißel und Hammer menschliche Schädel

paltet, füssen.

Der verhängnisvolle Anker.

Die Geschichte eines Spießertriegs. Halbwegs zwischen Trier   und Koblenz   liegen an der Mosel  einander gegenüber zwei Städtchen: Traben   und Trarbach  , seit einigen Jahren zu einer Gemeinde vereinigt. Beide waren bis dahin alte gemütliche Nester, sind aber mittlerweile durch den Auf­schwung des Weinhandels und durch die Ausnutzung des heil­Träftigen Wildbades zu kleinen Hochburgen des Kapitalismus ge­worden, in denen die bekannte Mischung von reichen Besizern und mehr oder weniger proletarisierten Küfern, Tagelöhnern usw. herrscht.

Es ist noch nicht anderthalb Jahrzehnte her, da wurde die bis herige Art der Verbindung zwischen beiden Orten, die Fähre oder Parte, wie man dort sagt durch eine große, schöne Brücke erfest. Schon vorher waren allerhand gemeinnüßige Einrichtungen wie Post, elektrisches Licht und dergleichen von Traben- Trarbach  gemeinsam betrieben worden. Dann kam, wie gesagt, die Brüde, und schließlich die langersehnte, aber auch lang bekämpfte Gin­gemeindung Trabens denn um eine solche handelte es fich tat­fächlich, wenn auch diese Bezeichnung offiziell vermieden wurde, um den Lokalpatriotismus der Trabener zu schonen.

Ueber die Vorteile dieser Vereinigung für beide Ortschaften ft fein Wort zu verlieren. Ebensowenig wie über den Nußen, den schon vorher die gemeinsame Berwaltung und Unterhaltung dieser oder jener Institutionen den Bewohnern beider Orte ge­bracht hatte. Aber dennoch hatte sich im selben Maße, wie die kommunale Annäherung fortschritt, eine gewisse Feindseligkeit swischen den beiden Orten entivickelt und vergrößert. Warum, ist schwer zu sagen. Die Trabener schoben natürlich die Schuld auf bie Trarbacher und umgekehrt. Man gelangte soweit, daß man Charakterunterschiede zwischen der Bevölkerung beider Ufer feft­ftellte, wobei jedes Ufer seine Anwohner als die tapfereren und intelligenteren, die des anderen Ufers aber als die roheren und blöderen bezeichnete.

Schon jahrzehntelang tobte ein eifersüchtiger Kampf. Die Regierung hatte oft Mühe genug, Gerechtigkeit walten zu lassen. War in Trarbach   von altersher die höhere Schule, so bekam Traben  bie Eisenbahn   und das Hauptpoftamt. Dafür lag dann wieder die höhere Mädchenschule in Trarbach  , bis später die Trabener das Uebergewicht erlangten und sie zu sich herüber zogen.

Die beiden höheren Schulen sind wichtige Momente für das Berständnis des bitteren Haffes zwischen Traben   und Trarbach  . Denn die Führer auf beiden Seiten waren von jeher eine Hand­boll sehr begüterter und einflußreicher Leute, die schon wegen des Schulweges ihrer Kinder ein Interesse an der Lage der Schul­Totalitäten hatten.

ein Wettstreit besonderer Art. Jeder wollte es dem Nachbar zu­vortun. Nicht etwa indem man nüßliche Anstalten schuf, Kranken­Häuser, Musterschulen, Bäder. Nein, man wetteiferte in Lugus­bauten. Zunächst bei den Privathäusern, dann aber auch bei den öffentlichen Gebäuden. Die Trarbacher   stießen einen Anbau ans Nathaus, um ein Postamt unterzubringen. Wartet nur, ihr Broken! sagten die Trabener und bauten ein ganz neues Rathaus, dessen Kosten in die Hunderttausende gingen. Da gleich darauf durch die Eingemeindung dieses Rathaus überflüssig wurde, ver­legte man die höhere Mädchenschule dahinein.

Viele Jahre lang sammelte sich der Groll zwischen beiden Gemeinden an, bis es im Jahre 1903 zum offenen Kriege kam, und zwar um einen alten Anker.

Ich deutete schon an, daß die Entstehung der Brücke nicht eine Annäherung, sondern eine Entfremdung der beiden Orte herbei­führte. Wenn heutzutage eine Eisenbahn, eine Chaussee oder eine Brücke gebaut wird, so pflegt dabei ein militärisches Intereffe maßgebend zu sein. Im ganzen kommt aber doch so eine Ein­richtung den friedlichen Bürgern zugute. Umgekehrt in Traben­Trarbach. Hier wurde die Brücke zum Streitobjekt und dann auch noch eine für den Lokalfeldzug wichtige Heeresstraße. zoll erhoben werden sollte. Auf beiden Ufern? Das hätte zwet Zunächst gab es großen Streit über die Frage, wo der Brücken. Brüdenhäuschen und doppeltes Personal erfordert. Man ent schied sich also dafür, nur auf einer Seite ein Zollhaus zu erbauen, und zwar auf der Trabener Seite. Wer von dort aus auf die Brüde will, muß also zahlen, während die Trarbacher bis zum anderen Ufer frei die Brücke beschreiten dürfen. Das taten fie denn auch weidlich. Abends zogen sie mit Kind und Kegel über die schöne, neue Brücke bis zum Zollhaus, lachten die jenseits zornig versammelten Trabener aus und kehrten wieder um. Das fonnten die Trabener den Trarbachern nicht vergessen. Der Haß wuchs. Er wartete nur auf eine Gelegenheit, um auszubrechen, und die kam endlich im Frühling des Jahres 1903. Damals hatte man aus der Mosel   einen riesigen verrosteten Anfer herausgebaggert: aus der Zeit Ludwigs XIV.", in die man alles zu verweisen pflegt, was hier gefunden wird. Da man nicht wußte, was man mit dem Ding anfangen sollte, überwies man es schließ lich dem Verschönerungsverein. Der Verschönerungsverein war zwar beiden Orten gemeinsam, aber nun entstand die Frage, wo man den Anker am wirksamsten aufstellen könnte. Vor allem: ob hüben oder drüben? Schlugen die Trabener ihren Markiplah vor, so hielten die Trarbacher ihr Kriegerdenkmal für geeigneter. Was war zu tun? Ein endloser Streit um den verhängnisvollen Anker schien zu drohen, bis man endlich auf den rettenden Aus­weg kam, den Anfer bis auf weiteres in Trarbach auf einen Platz niederzulegen, an dem der Apotheker, der Vorsitzende des Ber schönerungsvereins, sein Haus hatte. Man schmückte den Platz ein wenig aus, und der Anker fand vor der Apotheke Ruhe. Hier blieb er eine Zeitlang liegen. Nichts rührte sich. Alles schien zufrieden.

Aber eines Morgens öffnet der Apotheker und Vorsitzende des Verschönerungsvereins feine Fensterläden, will wie gewöhnlich einen lokalpatriotischen Blick auf die girde seiner Stadt werfen und steht starr. Der Anker ist verschwunden.

Großes Hallo. Schon kommt ein Trarbacher aus Traben  zurüd: Die Trabener haben unseren Anker gestohlen! Er liegt drüben auf dem Marktplay.

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Erst allmählich erfuhr man, wie das zugegangen war: In finsterer Nacht um 11 Uhr pünktlich erlischt die gesamte Straßen­beleuchtung war eine Schar muliger Trabener eingedrungen. Sie brachten einen Karren mit, dessen Räder sorgfältig umwickelt waren. Lautlos wurde die schwere Arbeit des Aufladens erledigt, und ebenso lautlos ging der Transport vonstatten. Aus einem Bäderladen saben neugierig ein paar Gesellen in die Morgenluft hinaus: es wurde ihnen der Rat gegeben, schleunigst zu verduften, wenn ihnen nicht heimgeleuchtet werden sollte. Auf dem Trabener Marktplatz, am Brunnen, machte der Zug Halt. Hier legte man den Anfer feierlich nieder und zementierte für alle Fälle die Kette unter dem Brunnen fest in den Boden hinein! Falls die verfluchten Trarbacher..

Die Urheber dieser Räuberei waren natürlich begüterte Tra bener Lokalpatrioten, denen es mit faurem Wein und füßen Worten leicht gelungen war, ein paar Dutzend Küfer  , Handwerker, und sonstige starke Gesellen ebenfalls in einen Lokalchauvinismus hinein­auheben, der ihnen die Wiedergewinnung des Anfers zur heiligen Pflicht machte, dieses Anters, der aus der Zeit ärgfter französischer Tyrannei stammte.

In solchen Nestern, die lange Zeit von keinem frischen Luft­zug erreicht wurden, gedeiht natürlich der ödeste Materialismus, chlecht verhüllt durch vereinzelte sogenannte Bildungsbestrebungen, die halb der Mode, halb dem Unterhaltungsbedürfnis entspringen und natürlich ganz allein den Besitzenden zugute kommen. Die Kontorarbeit dieser Weinhändler ist begreiflicherweise selbst bei In Trarbach   griff eine dumpfe Verzweiflung Plak. Bittere den geringeren Köpfen nicht imstande, die geistigen Bedürfnisse zu Reden, finstere Drohungen wurden laut. Die angewandte Lift befriedigen. Es bleibt der Drang, sich irgendwie auf höheren Ge- und Heimlichkeit verdroß vielleicht am allermeisten. Dazu fam bieten zu betätigen, und da boten sich vor allem die lokalen Par-' der übermütige Hohn der Trabener. Es wurden Ansichtskarten