Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 46.
14]
Gyldholm.
Freitag, den 6. März.
Eine Landarbeitergeschichte von J. Skjoldborg Alle miteinander, Männer und Frauen, tragen den unverkennbaren Stempel ihrer Stellung als Häusler, ihre Kleidung, ihre Hände, die Haut und der übrige Körper und ihre Augen. Die Arbeit hat sie plump gemacht; die Armut hat fie hier und da gezwickt, wie man den Schafen Zeichen in die Ohren schneidet, um sie wieder zu erkennen, die tägliche Placerei hat sie gescheuert und geschunden und ihnen im Laufe der Jahre die Fasson gegeben, die sie haben, und Entbehrung und Unterdrückung haben ihre Blicke so anspruchslos schlaffzufrieden gemacht.
Doch ihre Zähne sind gesund und zerbeißen die Pflaumensteine, daß die Schalenstücke nach allen Seiten springen.
Per Holt steht noch in dem jugendlichen Alter, wo der Körper allein fraft seiner gesunden Säfte blüht. Er sieht verwegen- leichtsinnig aus und geht in Hemdsärmeln hin und her, um die Gläser zu füllen. Und nach und nach kommt Leben in die toten Augen der Tischgäste, und die Freude stellt sich ein, herbeigerufen durch die Genüsse des Augenblicks. Sofort, nach beendeter Mahlzeit, müssen die Frauen zum Melten aufs Gut. Die Männer aber sehen sich an die Kaffeepünsche, erhitzt von all dem, was in ihrem Magen zu kochen und aus allen Poren herauszudünsten beginnt.
Der rote Jens geht an sein Lieblingsthema. Einmal, es war im Fallinger Krug, schlug er sich mit zwei Ziegeleiarbeitern und einem Schweden .
1914
,, Sie hätten nicht übel Lust, die Güter zu verschlucken, aber ich glaube, sie wischen sich umsonst das Maul", sagt Jakobus und spuckt auf die Diele.
Balles Unterlippe hängt soweit herab, daß sein Gaumen Blid zu dem jeweilig Sprechenden. Klein- Lasse krächst, hustet sichtbar wird und mit großer Anstrengung nur hebt er den und spudt aus seiner franken Brust.
männer?" fragt Per. ,, Was sind das eigentlich für Leute, diese Hochschul
er darinnen der Menschen Dummheit durch ein Sieb, das Jakobus wackelt selbstbewußt mit dem Kopfe, als schüttle Spreu und Weizen scheidet, und dann sagt er:„ Hm, das will ich Euch sagen, Ihr Leutchen, das sind die äh- die das mit der Muttersprache aufgebracht haben!"
lange genug gewohnt, ich weiß daher wohl... nein, das sind " Das ist Lüge!" unterbricht ihn Jens. Ich hab' hier fahren an Sommertagen in langen Reihen mit einer wehenLeute, die sich absolut mit den Deutschen schlagen wollen. Sie den Fahne und singen das Lied: Ich kämpfe für mein Land, so lange ich kann, so lange sich noch findet ein Mann." " Sa aber..
,, Halt Dein Maul, Jakobus, das verstehe ich am besten. Und ihre Mädel verschafften sich, wenn sie aus der Schule raus kommen, einen Schirm und ein rotes Kleid mit blankem Gürtel, und dann rennen sie von einer Versammlung zur anderen, solange noch ein Faden davon übrig ist. So ist es!" " Ja, aber das, was ich sage, das mit ähmit der Muttersprache das stimmtt doch", sagt Jakobus heraus
fordernd.
Da war natürlich Frauenzimmerhallo und Wind in den Segeln. Sie hielten gegen uns zusammen und drei schlimme Burschen waren es. Doch da gebe ich dem einen meinen Stiefelbaden grad in die Schnauze, daß er bei meiner Seligkeit auf der Stelle hinschlägt, und im selben Moment renne ich dem andern den Schädel in den Bauch, daß er aufbrüllt wie ein Weib in Kindesnöten... ich kenne ja alle die empfindlichen Stellen des Körpers", lächelt Jens. Aber da sticht der Schwede mir ein Messer in den Nacken und das blieb sitzen, denn in all der Eile vergaß er, es wieder herauszuziehen... Buerst jenes Lied, das so anfängt: Hier könnt Ihr sehen!"
Er erhebt sich aber scheint sich doch wieder zu bedenken: ,, Willst Du mich foppen!" ruft Jens und wird dunkelrot. Wenn Du nicht ein alter Mann wärst, Jakobus, dann solltest Du, hol mich der Teufel, gleich Kopf stehen!" Seine Faust schlägt auf den Tisch, daß die Tassen tanzen.
wohnt ist, Sieger zu bleiben. Es wird ganz still und Jens seßt sich, wie einer, der ge
Jens beugt sich vornüber, und alle müssen hin, um die weiße Narbe in dem rotgefleckten Stiernaden in Augenschein zu nehmen.
,, Da fahre ich wie der Blizz gegen sie, packe einen Stuhl, breche das eine Bein ab, und dann, kann ich Euch sagen, haben fie's gekriegt, daß sie in allen Farben schillerten, die ihr kennt, und in noch einigen dazu. Und das Blut kam auch ganz schön!" fügt Jens hinzu, als wäre er beim Schlachten gewesen. ,, Aber wegen der Geschichte wurde ich notiert, hahaha!"
Jens fährt sich abwechselnd durch den feuerroten Bart oder schlägt mit der sommersprossigen Hand, die zum rauhen Anfassen wie geschaffen ist, auf den Tisch. Und lächelnd schaut er sich in dem horchenden Kreise um mit seinen rotgeäderten Augen.
Ja, Du siehst aus, als wärest Du recht stark gewesen, Jens", sagt der alte Holt interessiert.
Recht stark! Ja, das kann man wohl sagen!" Jens erzählt ein anderes Erlebnis, und allemal gießt Per einen Schnaps ein.
Die Erzählung wird dadurch unterbrochen, daß ein Fremder eintritt, ein junger Bursche. Er bleibt an der Tür stehen und sagt etwas verlegen:
sch soll grüßen und sagen, daß morgen abend 7 Uhr Bersammlung auf der Hochschule ist, wegen des neuen Reichstagsabgeordneten!"
,, Wo dienst Du?" fragt Per.
,, Bei Klaus in Derum."
Ist das nicht der, der immer vor dem Gemeindevorstand auf dem Bauch rutscht?" ruft der rore Jens. Der junge Mensch verschwindet hurtig und die andern lachen.
,, Es ist toll, wieviel Versammlungen die Bauern in dieser Beit abhalten", sagt Ver.
"
Die Bauern sind schlimmer noch, als die Gutsbesitzer." " So'n recht geiziger alter Bauer, ja", fügt der alte Holt Hinzu.
Als nach beendetem Melken die Frauen gegen Abend zum Kaffeetrinken kommen, fingen die Männer beim Bunsch. Per kennt so viele Lieder und trägt sie glänzend vor.
Und dann:
Die Mette hat mich gern, Sie macht mich liebestoll. Wenn sie nur nicht besoffen ist, Doch ist sie immer voll."
,, Wenn ich einmal der Kaiser wär, Ich würd' die Welt regieren; Kommers und Saufen sollte man Bis hin nach Polen spüren..."
Am meisten Glück macht ein Lied mit gesprochenen Versen zwischen den einzelnen Strophen:
Ich hab' ein Weib, ich armer Kerl- Muß mich zufrieden geben.
Sie gibt mir nicht einmal' nen Schnaps, Wo ist das frohe Leben?
Und komme ich dann und wann mit einem Spitz nach Haus, dann sagt Rieke: Du bist besoffen, du Schwein! Nein, gewiß bin ich's nicht, antworte ich, nur dies geht mir immer im Kopfe herum: Sengduiljada, Sengduiljada, Sengduilja duiljaduilja- da!"
-
Wenn Per solche lustigen Lieder singt, gleitet über die arbeitsharten Züge ein lustiger Schimmer gleich der Sonne, die zwischen zwei Wolfen eine ärmliche Landschaft bescheint. Auch die Frauen amüsieren sich, sie lachen und fichern, als der rote Jens das drastische Lied von der„ spröden Frau" singt. Inzwischen ist Palle der Kopf so schwer geworden, daß er ihn nur mit Mühe aufrecht halten kann, und seine Unterlippe hängt bis aufs Kinn herab.
Ihm genüber fist Niels Nön mit schweren Augenlidern. Balle!" sagt er. Und mit schtrerer lallender Zunge wiederholt er in kleinen Zwischenräumen:„ Balle!- Ba- Balle!" Der schwindsüchtige Klein- Lasse steht am Ende des Tisches neben der Tür und sieht vergnügt aus; seine Augen haben einen fast unheimlichen Glanz. Ihm gegenüber steht eine Shar