Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 47.
15]
Gyldholm.
Sonnabend, den 7. März.
1914
die zum erstenmal der Zwangsanstalt entschlüpft sind und nun vor Uebermut nicht wissen, was sie anfangen sollen.
Auf dem Marktplate bewegen sie sich im Gedränge nur
Eine Bandarbeitergeschichte von J. Stjoldborg in einem zusammenhängenden Klumpen und es ist, als beNachdem er so eine Weile losgelegt hat, runzelt per die Brauen und sagt:„ Eins möcht' ich Dir nur sagen: spiel' Dich nicht gar zu sehr auf, Jens!"
Aufspielen! Du weißt wohl nicht, daß Du einen Mann vor Dir hast. Per Holt! Und hol's der Teufel, einen voll ausgewachsenen Mann!"
Per erhebt sich. Er schließt den Mund fest und kneift die Augen zusammen. Nun ist's schon besser, Du nimmst Dich zusammen, mein Junge, denn ich kann, Gott verdamm mich, auch frazbürstig werden!"
" Junge!" fährt Jens auf und padt mit seinen groben. Sommersprossigen Fäusten Per so fest, daß die Vorderteile der Hochzeitsweste auseinanderbersten!
In diesem Hause gibt es nur einen Mann!" ruft Per und fährt auf Jens los, der, ein fürchterliches Gebrüll ausstoßend, im nächsten Augenblick neben dem Ofen auf der Diele liegt, mit einem Loch im Kopfe.
Es erfolgt sofort ein allgemeiner Aufbruch.
stände dieser nicht aus Einzelwesen, sondern aus einem einaigen folossalen Slumptier, einem Ungeheuer mit vielen Fangarmen, vielen wilden Augen und vielen brüllenden Mäulern.
Die Heimfahrt ist eine wilde Jagd durch Dunkelheit und Nacht, auf Wegen, die der Bauer meidet, wenn er aus weiter Ferne den wilden Zug herankommen hört. Durch sausenden Peitschenschlag werden die schäumenden Pferde vorwärts getrieben, daß Hufe und Radachsen Funken sprühen. Und hinter ihnen erzittert die Zuft vom Gebrüll.
Und vorüber zieht die wilde Jagd und verschwindet an Der Gemarkung von Gyldholm, als hätte die Erde sie verschlungen bis zum nächsten Markttage.
Die zum Gut gehörenden Häusler sind ständig an die Gyldholmer Scheunen, Ställe und Aecker gefesselt. Nur wenn Reichstagswahl ist, werden sie losgelassen.
Sie kommen niemals zu Kommunalwahlen oder Versammlungen in den Darumer, Fallinger und Derumer Be zirken. Aber am Tage vor der Reichstagswahl sagt der Ver
Im Gang flüstert Niels Rön Jakobus zu:„ Er konnte walter zu ihnen:" Morgen sollt ihr wählen!" genau so, als ihm ordentlich eins versezen!"
Jakobus fichert und nickt und antwortet:„ Ja, er konnte ihm weiß Gott eins versezen, hihi!"
Als sie auf dem Wege angelangt sind, läuft der große Paul immer weiter, wie vom Winde gejagt.
,, Aber wo willst Du denn hin, Du Tölpel? Menschenskind, bist Du denn ganz verrückt? Hier wohnen wir doch!" Paul antwortet aus einiger Entfernung: Sch weiß es wohl. Ich weiß es wohl, Maren, aber mich soll der Teufel holen, wenn ich wenden fann!"
Damit ist Per Holts großes Taufgelage zu Ende, das wie ein leichtsinnig übermütiger Streich in den Annalen der Gyldholmer Kätnerhäuser verzeichnet steht.
Gyldholm liegt da draußen im dänischen Bauernland, umgeben von seinen breiten Aeckern, wie eine Insel.
Dort wird ein Leben für sich gelebt. Dort verhalten sich die Jahrhunderte alten Ueberlieferungen des Schlosses, dessen Korridor mit den Bildern Gyldholmscher Besizer vieler Generationen geschmückt ist, zu den Ueberlieferungen in Keller und Leutestube genau so, wie sich das Licht zum Schatten verhält.
Dort findet man eine Gemeinschaft, die von der Unterflasse mit ihren frummen Rücken stufenweise hinaufsteigt bis zur obersten Sprossedem Kammerhern, der dort oben in erhabener Ruhe und einsamer Majestät thront.
Eine Insel mit aller Tradition und Verfassung, die aus früheren Zeiten zurückgeblieben ist.
Und zwischen diefer Insel und der Umwelt gibt es so gut wie feine Verbindung.
Es ist ein Ort, wohin fein Bauer kommt, und von wo aus keiner zum Bauern geht. Es herrscht eine rege Verbindung zwischen Rittergut und Rittergut, zwischen der einen Insel und der anderen.
Die hohen Herrschaften fahren in ihren eleganten Equipagen und strahlenden Toiletten wie ein prachtvolles Schauspiel vorbei an Häusern und Höfen, von Gut zu Gut. Und im Mai und November transportieren schwere Arbeitswagen Kisten, Kommoden, Mobilien und Gerümpel von einer Leutestube zur anderen und einem Kätnerhaus zum andern.
Doch zum Olufsmarkt und Sommerfest fahren ein paar Wagenladungen voll junger Leute von Gyldholm durch das Land gleich einem Wirbelwind.
Bei dem ersten Höker, auf den sie stoßen, kaufen sie Branntwein und sind währenddem drum und dran, seinen Ladentisch umzukippen. Unter Gejohle und Geschrei zieht der Zug weiter durch friedliche Dörfer wie ein Ungewitter. Von den Wagenbrettern aus, auf denen sie sißen und in erhobenen Händen ihre Flaschen schwingen, rufen sie jedem unflätige Worte zu; sie überholen, wenn irgend möglich, jeden Wagen und jagen mit ihren Tieren ruhig des Weges dahinziehende Menschen in den Chauffeegraben wie ungezogene Jungen,
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wenn er sagen würde:" Morgen sollt ihr Dung fahren!"
Und die Kätner vollführen die Arbeit genau so wie jede andere, die im Dienste des Kammerherrn vorfällt.
Sie fahren vorüber an den vergrößerten Höfen der Bauern und den hohen Meiereischornsteinen und wundern sich über die Veränderung, die hier stattgefunden hat.
,, Es ist toll, wie die' s können!" sagt Per Holt. Der rote Jens zerrt seinen langen Bart. Können? Die gehen, hol's der Satan, aber auch pleite, bevor das Jahr um ist!" ,, Und ihres Vaters Geld ist alle!" fügt der große Paul
hinzu. ,, Wenn sie so fortfahren, dann glaub ich's auch!" flötet Jakobus und schaut tiefsinnig drein. Niels Rön verschließt das eine Nasenloch mit dem Finger und pustet. Ja, solange sie ihr Erbteil noch im Schranke haben, stehen sie nichts aus, das großschnauzige Back!"
Paul zeigt auf einen Wagen: Der da sißt, war einer meiner Schulkameraden. Er sieht nicht aus, als lebe er nur von Magermilch. Ein aufgeblasener Bursche war er!"
Dieser hier war genau so, das glaube mir." Jens zeigt auf einen seiner Schulkameraden, der in einem flotten Bauernwagen an dem Gutswagen vorbeifährt. Ich hab' ihm ein paarmal den Hintern gehörig versohlt, wenn wir aus der Schule nach Hause gingen, das könnt Ihr mir glauben, haha!"
Plötzlich entblößen alle Häusler ihre Häupter. Der Baron von Löwenborg ist auf dem Wege sichtbar geworden.
Bald darauf kommen Lerche von Klausholm, der Jäger meister von Utterup, Calissen, Träholt.
Eine ganze Weile sizzen die Gyldholmer Häusler fast unausgesetzt mit der Müße- in der Hand.
Baul entdeckt unter den Wegfahrenden noch einen Schul kameraden. Das ist einer, der mit einem Kuchen unter jedem Arm geboren wurde!"
,, Na, ist er von der Sorte!" bemerkt Jakobus. Paul schaut sich lächelnd um.„ Ja, das Modell kennt Ihr ja wohl alle!"
Ste lachen.
Per Holt blickt mit erstaunten Augen um sich:„ Nein, diefe Menge Menschen!"
Er ist zum erstenmal zur Wahl.
" Für wen wohl eigentlich gestimmt werden soll, außer für den Kanzleirat?" hustet Klein- Lasse.
Krän Sows spuckt über die Wagenkante hinüber:„ Ja, das mag Gott wissen!"
An der Wahlstelle angelangt, sehen sie den Kandidaten der Bauern auf der Rednertribüne.
Tja, das ist ja Per Nielsens Hans aus Ballerum", ruft Krän Sows. Wie in. aller Welt ist der da hinauf gekommen!" Kennst Du ihn?"
He, ja, natürlich! Ich hab ihn eines Abends in eine Ralfgrube gesteckt; er war etwas naseweis damals, als er mit