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der Schultheiß- Maren ging, hehe!... Er fann fein Mund- Armen machte das Mädchen mechanische Bewegungen, die sich werf wohl gebrauchen!" immer wiederholten. Der Refrain des Liedes flingt mir noch
Der Bauernfandidat erhält die bei weitem größte heute in den Ohren: Stimmenzahl. Die Gyldholmer Häusler aber haben für den Kanzleirat gestimmt wie immer darum sind sie ja gefommen.
Nun sorgen sie dafür, daß sie etwas zu trinken bekommen. Und auf der Rückfahrt kann jedermann sehen, daß es Leute vom Rittergut sind, die auf dem Wagen figen.
So oft sie einen Bauernwagen passieren, beugt Paul fich bor und ruft:„ Wir gehören zu Gyldholm."
Der rote Jens überschüttet alle und jeden mit Schimpf worten, und als der Wagen an der Derumer Hochschule vorbeirollt, stößt er ein tierisches Gebrüll aus, das verstärkt von der roten Fassade zurückgeworfen wird.
So fahren fie heim zu den kleinen, niedrigen, grauen Häuschen, dicht an der Einfahrt des Schloffes Gyldholm, das da draußen im dänischen Bauernland, umgeben von seinen Weckern und Wiesen wie eine Insel liegt.( Forts. folgt.)
Der Patriot.
Die Kais Cockerill, St. Michel, van Dyck und weiter über den Steen hinauf find nicht gerade die Tugendstraßen von Antverpen. Auf der einen Seite dieser Kais ziehen sich die Hafenanlagen an der Schelde entlang. Ein reiches Leben entfaltet sich in ihnen. Sart ringen in schwerer Arbeit Tausende auf den Schiffen und in den gewaltigen Lagerräumen um ein farges Brot. Auf der anderen Seite der Straßen, die sich aneinanderreihen, drängt sich Wirtschaft an Wirtschaft. Als ich an dem Sonntag vor dem Ausbruch des Generalstreits an diesen Wirtschaften vorbeiging, wurde ich nicht, wie es sonst geschah, von den vor den Türen stehenden Mädchen angerufen:„ Komm, Dider, tomm!" Auch winkte man mir nicht aus den Fenstern zu. Die Wirtschaften schienen, soweit die weibliche Bedienung in Betracht fam, wie ausgestorben zu
fein.
Jch bog in der Nähe des Steen gegen die Schelde zu und stieg die Treppe zu der Promenade empor, die über die Lagerschuppen bes Norddeutschen Lloyd hinwegführt. Im Hafen herrschte ein reges Leben. Es war sicher, daß am anderen Tage der Betrieb im Hafen eingestellt werden würde. Die Schiffe suchten möglichst noch rasch mit eigener Mannschaft zu löschen und zu laden, um an diesem Sonntag noch aus dem Hafen zu kommen. So war auch die Gneisenau" vom Norddeutschen Lloyd zur Ausreise fertig. Eine große Anzahl von Menschen hatten sich eingefunden, um der Abfahrt des Schiffes beizuwohnen. Fast die Hälfte davon bestand aus den Kellnerinnen der Kneipen, an denen ich vorhin borbeigewandert war. Sie tauschten mit den Seeleuten die letzten Grüße aus. Es ging im Hin und Widerrufen recht lebhaft au, und manches dieser armen Mädchen weinte auch ihrem Liebsten bon einigen Tagen heiße Tränen nach.
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" Ich zeige gern mein schönes Bein Und auch mein rundes Knie Aber weiter geh' ich nie!"
Drei Lieder von derselben Art sang das Mädchen herunter. Den Beifall nach jedem Licde spendeten die Kolleginnen. Dann nahm es einen Teller und ging einsammeln. Das gesammelte Geld lieferte es an eine kleine, dide Frau ab, die an der Schänke stand und Liköre trank. Das war die Frau Direktor Haggel. meher. Sie hatte ein recht kniffliges Gesicht, trug einen riesengroßen blauen Hut und einen Samtmantel. Als ihr meine auf das Geld und einen recht gehässigen und verächtlichen auf das Freundin das Geld übergab, warf sie einen geringschäßigen Blid
Mädchen.
meine Betrachtungen. Die Mädchen auf dem Podium sangen eines Ich saß eine ganze Zeitlang für mich allein und machte so nach dem anderen und sammelten eines nach dem anderen ein. Der Spaß wurde ziemlich teuer. Die Hagebutten" blingelten öfter nach mir hin; die Schenkmamsell und die Frau Direktor warfen abschäßende Blicke auf mich. Mit einem Male trat ein großer und dider Mann an meinen Tisch. Er hielt mir die Hand hin und grüßte freundlichst und doch mit einer gevissen Herab lassung: Der Herr ist aus Berlin ?"
Ich nickte.
" Dann gefällt es Ihnen wohl hier? Ja, ein Familien restaurant, wie kein zweites hier in Antverpen," meinte er selbstgefällig. Ich antwortete mit einem:„ Na!"
" Ja, man bietet aber auch etivas. Man möchte noch mehr bieten. Aber die eigenen Landsleute unterstüßen einen nicht. Sehen Sie, ich war mit in China . Aber meinen Sie, das wird hier besonders beachtet!?"
fort:
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Ich dachte, da tun die Leute ganz gut daran. Er jedoch fuhr Ich hatte sechs Chinesengöpfe mitgebracht. Ich habe auch die " Ja, in China Takufort Peking alles mitgemacht. Chinamedaille. Bin hier sogar Vorsitzender, das heißt zweiter, bon deutschen Kriegerverein. Aber es ist kein Zusammenhalt da." In diesem Augenblick betrat die Direktorin das Podium. Sie entledigte sich ihres Mantels, den sie den Mädchen hinschmiß und stand dick und klein im enganliegenden blauen Trikot da. Ich hätte über diese Karikatur fast laut hinaus gelacht. Aber gleich darauf kam ein Entfeßen über mich. Die Frau Direktor sang auch. Der Ton aus einer verrosteten Gießkanne ist Sphärenmufit dagegen. Beim Singen flopfte sie auf die Schenkel, drehte sich um und klopfte auf ihre Reversseite. Dabei schrie und fauchzte fie, als wollte sie die Welt mit ihrer Stimme ausfüllen:
Alles, was ich hab und bin- Alles laß ich sehen!"
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Als das Geschret zu Ende war, natschter die Sagebuiten" wie wahnsinnig Beifall, dann halfen sie ihr wieder in den Mantel. Auch der Wirt hatte in seine fettigen Hände, geschlagen. Die Direktorin tam an unseren Tisch und sagte hochmütig: " Ich habe von allerhöchsten Herrschaften noch ganz anderen aber hier Beifall erhalten =" Und sie warf einen verächtlichen Blick in die Runde. Sie wissen doch: Das eigentliche Publikum kommt erst später," besänftigte der Wirt.
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" Ach, das ist ja auch schredlich. Von den Damen ist noch nicht eine zu einem Drint eingeladen worden," antwortete die Direktorin und warf mir einen sehr tadelnden Blick zu.
Sie ging, und der Wirt nahm das Gespräch mit mir wieder auf: ,, Sie leistet etwas und reißt immer noch mit hin. Also neus lich zum Geburtstag des Kaisers habe ich eine Extrafeier beranstaltet. Tadellos sage ich Ihnen! Dort oben auf der Bühne stand die Büste des Kaisers. Den künstlerischen Teil hatte die Frau Direktor übernommen. Sie trat in schwarz- weiß- rotem Trikot auf. Die Damen hatten alle schwarz- weiß- rote Schärpen um. Einfach tadellos! Ich bin ja auch auf meine Rechnung gelommen. Aber es hätte mehr sein müssen. Zuletzt gab's Schampanjer und dann mit die Mädels
Die Schlepper hatten sich bereits vor die Gneisenau" gepannt. Die letzten Bertäuungen wurden gelöst, und unter den Alängen des ewigen: Muaß ih denn, muaß ih denn" glitt das Schiff langsam die Schelde hinab. Ein letztes Winten mit den Taschentüchern, bei vielen der Mädchen ein Trocknen der Augen dann löste sich der Menschenknäuel auf. Als ich die Lenite an mir borbeiströmen ließ, bemerkte ich in einer Gruppe ein Mädchen, das mir bekannt vorfam. Ich fann nach, wohin ich es tun solle. Auf einmal schoß es mir durch den Kopf: Die ist dir doch bon zu Hause bekannt, wo sie in der A.E.G. arbeitete! Das Mädchen hatte sich immer für eine sehr begabte Sängerin gehalten und war öfter als Chansonette aufgetreten. Ich ging ihm daher nach und sprach es an. Das Mädchen erkannte mich sogleich; fragte mich, wie ich nach Antwerpen käme und teilte mir mit, daß es mit einer Hamburger Sängerinnentruppe in einem Wirtshaus In der Avenue Keyzer aufträte. Ich mußte das Versprechen geben, baß ich das Lokal gegen Abend, wenn sie spielten, aufsuchen werde. Da ich erst gegen acht Uhr nach Brüssel zurüdfahren wollte, hatte ich noch einige Stunden Zeit. Ich begab mich daher abends in das bezeichnete Wirtshaus. Das Lokal bestand aus einem Tanggestredten Raum, an dessen Stirnseite ein Podium errichtet war. Auf diesem Podium saßen elava zehn junge Mädchen, darunter auch meine Bekannte. Die Mädchen frugen furze Flitterröckchen; die Mieber waren weit ausgeschnitten und die bei allen Mädchen auffallend mageren Arme bloß. Die Gesichter der Mäd- Sofort lenkte er ein: Jch meine den Einzelnen. Der deutsche then waren hochyrot geschminkt, die Augenhöhlen geschwärzt und Arbeiter ist im allgemeinen gut. Er unterstübt nur seine Landsauf den Köpfen hatten sie mächtige Lodentuffs. Auf dem Anreiße leute zu wentg. Er läuft hier in die verfluchten Volkshäuser, gettel nannten sich diese Mädchen:" Hamburger Sängerinnen liest da Zeitungen, hört Vorträge an und gönnt sich feinen guten fruppe: Die Hagebutten. Direktion: Frau Direitor Haggelmeyer." und billigen Kunstgenuß, wie ich ihn im patriotischen Interesse Als ich in das Rokal trat, bemerkte mich meine Berliner Ham- biete." burgerin sofort und lächelte mir zu. Einige Zeit, nachdem ich mich gesetzt halle , trat das Mädchen an den Rand des Podiums und begann zu singen. Die Stimme flang recht hölzern. Mit den
Ich lächelte spöttisch. Aber er schien es nicht au merter " Ja, Spaß hat's gegeben. Aber dazu ist man auf die beffere Bürgerwelt angewiesen. Der deutsche Arbeiter und es gibt viel hierna, Sie werden ja wiffen, wie verheßt und verroht der ift." " Oho!" fuhr ich auf.
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Ich hatte wohl schon zum fünften Male an die sammelnden Mädchen meinen Obulus entrichtet und meinte daher:" Die Geschichte kommt siemlich teuer."