Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 49.
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Gyldholm.
Mittwoch, den 11. März.
Eine Landarbeitergeschichte von J. Skjoldborg . Es ist ganz spannend. Aber alle haben die Empfindung,
daß es auf die Dauer nicht so weiter gehen kann.
Er selber ist stets guter Laune und unbekümmert. von unten her fängt die Sache an faul zu werden.
Aber
Amalie ist mißtrauisch geworden, ob die neuen Leute auch verheiratet sind, wirklich verheiratet. Sie sagt es der Sows, und die Sows teilt es der Bolette mit, und Bolette gibt die Neuigkeit weiter, und so fliegt das Gerücht hin und ber in den niedrigen grauen Häusern, und es klingt wie das Ticken vieler Telegraphenapparate.
Und von oben her zieht es sich über seinem Haupte zufammen wie eine Wolfe.
Der Kammerherr trifft den Verwalter.„ Hält er dieses pöbelhafte Blatt immer noch?" fragt er.
sa!"
„ Aber Mensch, haben Sie ihm das denn nicht verboten?" Der Kammerherr ist ungeduldig.
„ Doch, aber er fragte mich nur, ob ich nicht einige Eremplare leihen wolle, dann würde ich sehen, daß es das einzige Blatt sei, das die Wahrheit zu schreiben wage... Das ist der schlimmste Kerl, mit dem ich je zu tun gehabt habe!" ruft der Verwalter.
Der Kammerherr geht unruhig hin und her.„ Ja, aber sagt ihm, daß ich es verbiete!"
„ Das habe ich gefagt doch er bat mich zu grüßen und dem Kammerherrn zu sagen, er möchte doch auf seine eigenen Kartoffeln passen!"
1914
Per Holt sieht den Neuen an, und seine schwarzen Augen strahlen in flammender Bewunderung.
Krän Sows aber sagt mitleidig: Nun bist Du doch unglücklich, Du armer Mann!"
lächelnde Antwort. Ihr glaubt wohl, Gyldholm sei die ganze Ach du lieber Himmel, Ihr guten Menschen!" ist die Welt! Wann werdet Ihr einmal aufwachen!"
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Am nächsten Tage stapelt der Neue seine Siebensachen auf einen Wagen.
Es läuft ein Weg um Gyldholm herum, aber es geht auch einer mitten durch das Gut. Der Kutscher verspricht, den letteren zu wählen. Als dann der Wagen um die Giebelecke schwingt, wo zwei Gebäude zusammenstoßen, ergreift der Mann seine Harmonika und beginnt zu singen:
,, Auf, Brüder! Herbei! es tagt im Ost...! Und zwischen den Scheunen und Ställen des alten Gutes schallt und hallt das aufrührerische Lied, daß die Leute mit der Arbeit innehalten.
Der Kammerherr aber, der unterwegs ist, macht plötzlich Kehrt und entfernt sich in der Richtung nach dem Parke zu.
Noch als der Wagen längst den Gutshof verlassen hat und die Allee hinunterfährt, kann man oben auf dem Fuder den verjagten Häusler eifrig die Harmonika ziehen sehen und noch hört man den Refrain: Herbei drum zur Arbeit! Leben oder Tod!"
10.
Die sozialistischen Harmonikaklänge sind über Gyldholm hingezogen wie eine Schar Wildgänse, die auf der Wanderung sind. Per Holt hat wohl den Kopf erhoben und den vorüberHm! Was sind das für Zeiten, Hansen, in denen wir ziehenden Tönen der Luft gelauscht; aber er hat ihn wieder leben! Sat man je dergleichen gehört!... Diese Volks- gesenkt. aufwiegler!" Der Kammerherr droht mit seinem Elfenbein- Die Töne erstarben auf dem Hintergrund dumpfer, arstock in die Luft. Sie müssen diesen Menschen entfernen, beitsharter Stunden, die zu einförmigen Tagen wurden, Hansen! Sobald als möglich! Aber"- er denkt nach flanglos und nebelgrau, wie Decken von Filz. Winter und aber nicht gewaltsam, Hansen, nicht gewaltsam. Sie wissen, Sommer lösen sich ab. ich bin mehr für das humane Vorgehen."
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Dann, eines Tages werden die großen Hendiemen eingefahren.
Der Kammerherr kommt von der Fasanerie in seinem braunen, englischen Anzug mit der funkelnden Diamantnadel in dem schwarzen Schlips. Beim Umbiegen um die Ecke des Stierhauses gewahrt er seine Leute, die ganz ruhig mit geradem Rücken und ohne eine Hand zu rühren, dastehen und horchen. Und der neue Mann steht oben auf dem Diemen in feiner an den Händen ausgefransten Bluse und gestikuliert mit den Armen beim Reden.
Der Kammerherr errötet. Aber er beschleunigt trotzdem nicht seine Schritte, sondern hält das langsame, würdige Tempo inne.
Die Leute fliegen an die Arbeit, als sie ihn gewahr
werden.
Er steht stiff.
Hören Sie, mein Bester, wollen Sie so freundlich sein, mein Gut augenblicklich zu verlassen!" Die innere Erregung zittert hinter der ruhigen Form.
Jawohl, wenn ich meinen Lohn bis Mai bekomme, wird es mir ein Bergnügen sein!"
Sie können Ihr Geld auf dem Kontor erheben. Morgen früh foll ein Wagen Sie hinfahren, wohin Sie wollen. Aber Sie müssen sofort mein Gut verlassen!"
„ Ja, dies Sklavennest ist auch nicht gerade angenehm." Doch, aber Sie können glauben das wird noch immer schlimmer!" lächelt der neue Mann.
Da verliert der Kammerherr einen Augenblick feine Selbstbeherrschung. Er zittert. Bald ist er rot, bald blaß. Er erhebt den Blick, als fuche er Beistand von oben: Daß man dergleichen dulden muß! Daß man solchen Schlingel nicht einsperren fann!" zischt er beinahe durch die zusammengepreßten Zähne und entfernt sich eilig.
Aber der Neue ruft ihm nach: Ja, es ist jammerschade, daß das hölzerne Pferd abgeschafft ist!"
Die Arbeiter auf Gyldholm feßen ihr Inselleben fort wie gewöhnlich. Wie Ameisen in den vielen Oeffnungen hin und her laufen und sich stets nur eine bestimmte Strecke vom Haufen entfernen, genau so kommen die Leute von Gyldholm aus den Toren, Deffnungen und Türen hervor, um wieder dorthin zurückzukehren, wenn sie ihre Eggen und Pflüge bis zu dem bewachsenen Knick geführt haben, der nach dem Bauernland hin die Grenze bildet. Ein Tag ist wie der andere.
Das ganze Leben regelt sich nach den vergoldeten Zeigern der Schloßzuhr.
Und der Fußsteig zwischen dem Gutshofe und den Kätnerhäusern wird tiefer und tiefer.
Ein großes, abschüssiges Feld, das sich bis zu dem tiefer liegenden Wäldchen erstreckt, ist dicht mit jungen, blaugrünen übenpflanzen, mit gelbem Ackersent und allerhand Unkraut besetzt, und alles ist fräftig emporgeschossen an den sonnenhellen Tagen des Frühsommers.
Auf diesem Rübenfelde kriechen Weiber und Kinder, Seite an Seite, in langer Reihe.
Am Ende des Feldes haben die Mütter ihre Kinderwagen stehen, denen sie einen kurzen Besuch abstatten, wenn die Schreie von dorther gar zu heftig werden; eine einzelne Mutter schiebt ihren Wagen in der Furche vor sich her.
Diese Leute verbringen ihren Tag: Erde zwischen den Händen, die glühende Sonne auf dem Rücken und die Nase dicht über den scharfen Düften, die den herben Säften der ausgezogenen Kräuter entströmen.
Alle Tage von früh bis spät, mit einzelnen Zwischenräumen, friecht die Reihe arbeitend weiter über den großen, grüngelben Abhang, der allmählich zu langgestreckten, erhöhten Reihen schwarzer Erde wird, auf deren Rücken schwache Rübenpflanzen schwanken, und unten zwischen den Reihen liegt halbverwelftes, ausgejätetes Kraut, gepreßt und zerdrückt von friechenden Knien.
Währenddem sind die Kätnerhäuser verlassen von jeglicher männlichen und weiblichen Arbeitskraft. Nur die kleinen Es gibt dem Kammerherrn einen Rud, aber er seht doch Kinder find allein zurückgeblieben in der langen, granen seinen Weg fort, ohne sich umzusehen.
Häuserreihe.