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weg."

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Runft.

ist eine

Folgende: Die Familie Selide" las ich gelegentlich eines Abends bei Karl Hauptmann vor. Bugegen waren außer Karl Hauptmann Rodin über die Kunst des Bildhauers. Der greise und seiner Gattin Gerhart Hauptmann mit Gattin und Holz. Die Vorlesung erzielte einen ungewöhnlich starken und unmittelbaren Er- Meister Rodin wird nicht müde, den jungen Künstlern in immer folg. Ich entfinne mich, daß Frau Gerhart Hauptmann vor Erneuer Form die Rückkehr zur Natur zu predigen, die er als die schütterung weinte, und daß er auffprang, mit erregten Schritten im letzte Wahrheit aller Erfahrung feiner langen Stünstlerlaufbahn be­Zimmer auf und ab ging und feine Ergriffenheit mehrere Male in trachtet. Mein ganzes Leben war eine Art Studium," so sagt er lebhaftester Weise äußerte. Es versteht sich, daß wir das Drama auf sondern zu studieren: dies erklärt, warum die Ausführung mancher in einem Auffage. Mein Ziel war niemals, Aufträge zu bekommen, der Freien Bühne" aufgeführt wissen wollten. Gerhart Hauptmann Was mich leitet, ist vor allem schlug vor, daß wir es eines Abends bei ihm Brahm vorlesen sollten. Die Werke so lange gedauert hat. Wirkung dieser Vorlesung follte aber eine recht andere sein. Es ent- die große Liebe zur Natur; man muß fie lieben und ständig mit ihr leben. Sie ist in Wahrheit die spann sich, als ich meinen Vortrag beendet hatte, eine lebhafte große Stumme, die endlich boch redet, einen ästhetische Diskussion, unter der Brahm indessen in vollkommenem begeistert Stillschweigen verharrte. Start Hauptmann aber riet, ich weiß nicht und ihre Geheimnisse ausliefert. Die Natur ist die einzige Wahr­mehr, aus was fir theoretischen Gründen, mit aller Entschiedenheit beit, die man sehen lernen muß. Man kann es nicht. Wenn man bou einer Aufführung ab. Jezt erst, als Karl Hauptmann fertig jung ist, verschwendet man sich. Dann hat man im Kopf einen war, fagte Brahm ich höre noch, als wärs beute, seine leisen, Haufen von Phantasien, Träumen und fertigen Ideen. Man sucht farblofen, trodnen, Inappen Worte: Ich muß mich dem Standpunkt die Dinge im Stopf, man muß aber die Augen aufmachen lernen. des Herrn Dr. Hauptmann anschließen". Einzig Frau Gerhart Das ist schwer. Ich selbst habe die Hälfte meines Lebens damit Hauptmann unterbrach das etwas peinliche Schweigen, das nach verbracht, die Kunstgriffe zu vergessen und mich von dem zu befreien, Brahms Ablehnung entstanden war, mit der Bemerkung, daß man was man mich gelehrt hatte." Dann geht Rodin darauf ein, wie ihm das Zeichnen bei der Bildhauerei zu statten fommt: Jimmer und doch wenigstens einen Veriudh mit dem Stüd machen fönnte. Doch das weiter dauernde Schweigen überging diefen Vorschlag glatt lebertreibung der Bewegung erhalte ich zuweilen eine Geschmeidig immer habe ich bie Natur in ihrer Naivität nachgebildet und durch Man erkennt hier schon den Keim, der binnen furzem zur was die Alten taten: die erweiterten die Natur. Die Griechen waren feit, die sich der Wahrheit nähert. Dies ist in einem Worte das, Spaltung innerhalb der Freien Bühne" führen sollte. Schlaf macht Brahm den Vorwurf, daß er bei allen sonstigen tüchtigen weiblichen Körpers nach dem Leben. Man mag sie Venus nennen reine Realisten. Die Venus von Melos ist die Nachbildung eines Eigenschaften doch nicht der Mann war, um einzusehen, daß eine folche Bewegung unmöglich auf einem Bein stehen lann." Er fab oder wie man will, es ist ein wirkliches Weib und darum ist fie nur Hauptmann, nicht die anderen. Und so fam es nicht gerade schön. Die großen Künstler des Altertums faben die Natur mit ein­Sie sahen gut, sie bildeten gut nach, und so aus heiterm Himmel, daß eine ganze Anzahl des alten Mitglieder- fältigen Augen an. stammes der Freien Bühne" mit Holz, Bahr und mir ausschied." wurde man von ihren Werken bewegt: in ihnen Ja, Hermann Bahr der war eben am literarischen Himmel von Sefunde oder eine Minute des veränderlichen unendlichen Ge­heimnisses festgehalten." Berlin neu aufgetaucht, frisch aus Paris zurück und er hatte den Berliner Naturalisten die erste Stunde von Maeterlind, sowie von lichen Körpers zu sprechen: Seit den 50 Jahren, in denen ich Weiter fommt Rodin auf die Schönheit des mensch- der ganzen dekadenten und neuen symbolischen Dichtung Frankreichs mitgebracht. Es faß sich ja recht unterhaltsam mit an Wahrs in studiere, entdecke ich täglich neue Seiten, die ich noch nicht Tische, wenn er im Café Saiferhof" auf seiner Polsterbank lag, die fannte. Meine Modelle enthüllen mir häufig seine Schönheit, wenn schwarze Genielode in der Stirn, eine grellrote Strawatte um den sie ihre Pose aufgeben. Ich ordne nie eine bestimmte Bewegung an, sondern sage dem Modell: sei zornig, träume, bete, weine, Hembkragen, die lange Virginia im Mundwinkel, und wenn er nicht mit tanze. An mir liegt es dann, die Linie herauszugreifen und fest­feiner perlenden Handschrift auf emen handlich zugeschnittenen Papierblock mit dem Stopierstift gleich ins zuhalten, die ich für wahr halte. Es ist mit diesen Stellungen Reine" feinen Pariser Defadengroman Die gute Schule" oder seine faltigkeit ist unendlich und die ganze Schönheit des Menschen und Bewegungen wie mit den Wellen des Meeres; ihre Mannig Feuilletons für die Freie Bühne" hinwarf von Paris , der Décadence", Chat Noir", dem Fin de Siècle " und dem Symbo- bahn fragte ich jedes Modell nach den Werkstätten, in denen es ist in der Prometheusfabel enthalten. Im Anfange meiner Bauf lismus erzählte und die Ueberwindung des Naturalismus ver- Modell gestanden hatte und wenn es aus der Ecole fam, merkte ich fündete, pointiert, mit fultiviert sensibler brillanter Nervosität, halb es nur zu bald: sobald es auf den Tisch gestiegen war, nahm das Bariser, halb Wiener , der geborene Feuilletonist und Verführer.. Aber so sehr einen das interessieren konnte ich fühlte im Stillen: Modell eine der Bewegungen an, die sie dort lernen und immer bas war wohl von allem Anfang bei uns auch schon gleich das waren diese Bewegungen falsch. Soll man sich darüber wundern? Was lebrt man denn dort? Die Komposition, eine Theaterwissenschaft, die Wissenschaft der Lüge. Man muß auf die Natur hören; sie ist die ewige Wissenschaft und die unerschöpfliche Duelle, Das durchschossene und gebeilte Herz. Ins Herz durch sie können wir die Wahrheit kennen lernen, durch sie unser getroffen zu sein, galt in buchstäblichem und übertragenem Sinne verlassen heißt, seine Ohnmacht eingestehen. Was ist denn die erworbenes Gut unaufhörlich bereichern. Sich auf die Phantasie zu früher als eine unbedingt tödliche Verwundung, aber auch diese Regel Phantasie anders, als die Fähigkeit, Erinnerungen zusammen­hat die Kunst des Chirurgen umgestoßen. Die ärztliche Literatur hat auf ihren Ruhmesblättern schon eine beträchtliche Zahl von Phantasie hat ihre Grenzen, während die unendliche Natur unauf zustellen? Unsere Erinnerungen aber sind beschränkt und die Fällen verzeichnet, in denen Herzwunden zu völliger Heilung gehürlich einen unerschöpflichen Vorgang bereit hält, dessen unendliche bracht wurden. Freilich sind Schußverlegungen begreiflicherweise noch weit gefährlicher als solche durch einen Stich, obgleich auch bei Fülle der Eindrücke uns anzieht." diesen selbstverständlich die Voraussetzung zu machen ist, daß sie mehr oberflächlicher Natur sind.

,, Ende vom Liede".

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Heilkunde.

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Sprachkundliches.

Der Privatdozent Dr. Finsterer hat jetzt vor der Gesellschaft der Rosewörter. Schon in den geschichtlich für uns erreich Aerzte in Wien einen beachtenswerten Erfolg geschildert, den er an einem baren ältesten Beiten unseres Voltstums sehen wir, wie an Stelle Selbstmordkandidaten gegen eine Schußverlegung des Herzens er der vollen Personennamen gern Kosenamen eintreten; man denke rungen hat. Es handelte sich um einen jungen Mann, der sich durch an den Westgotenbischof, der den Namen Wulfila führte, eine Kose­einen Revolverschuß ums Leben zu bringen versuchte und sich auch form zu dem Vollnamen mit Wulf(= Wolf), an Wulfhart u. a. ins Herz getroffen hatte, so daß er in einem anscheinend hoffnungs. Nach neueren Interinchungen haben alle unsere Roseformen ihren losen Zustand der Unfallstation eingeliefert wurde. Er befand sich Ursprung bei diesen Eigennamen. Auch Gattungsnamen gewinnen in totenähnlicher Bewußtlosigkeit und der Puls war fast völlig verso eben etwas den Eigennamen Verwandtes. Der Mensch rückt sich schwunden. Der Arzt griff infolgedessen sofort zur Stampferiprize, auch gewaltige Naturerscheinungen durch derartige Sprachformen schritt aber nicht zur Operation, ehe er nicht die Art und den unendlich näher und verfehrt mit ihnen wie mit seinesgleichen. Grad der Verlegung möglichst genau festgestellt hatte. Bu So nennt der Schweizer einen mächtigen Berg ein Vergli diesem Zweck wurde der Verlegte auch mit Röntgenstrahlen und ein schweres Donnerwetter ein Wetterli, und der durchleuchtet und e8 ergab sich, daß die Revolverfugel Drtler, der höchste Berg der österreichischen Alpen, heißt im Herzen selbst steckte, in dessen Inneren aber beweglich eigentlich Drtle, d. h. Epiglein. Wir sehen bei jeder Wolfssprache war und bei der Zusammenziehung und Ausdehnung des eine ausgesprochene Vorliebe für solche Kosewörter, die immer etwas Drgans hin und her geworfen wurde. Nach Beratung mit Profeffor Trauliches, Gemütliches an sich tragen. Man denke nur an Kose­Hochenegg wurde die Operation in der Weise ausgeführt, daß die wörter wie alemannisch: Bubi, Aletti, Tierli, österreichisch Diendi, Herzwunde von außen zugenäht wurde, ohne das Geschoß zu Schnadahüpft, schleiße Madel, Gänsebliemel, moselfränkisch Bliem­entfernen, was ohne die äußerste Lebensgefahr nicht möglich ge- cher, Gidelcher, westfälisch Bäckstes, Engelles u. a. Daher liebte auch wesen wäre. die deutsche Bergmannssprache Ausdrücke wie Nestlein, Klüftlein u. a. So nennt der Bergmann Störnchen von edlem Metall Neuglein, eine fleine Sanduhr Sandseigerlein, eine Spreize, an der die Fahrt, d. h. die Leiter, mittels ciferner Bänder befestigt wird, Fröschel, das Hans, in dem ein Bergjunge auf das Schlagen der Uhr acht geben mußte, damit rechtzeitig Schicht gemacht wurde, Horchhäusel u. a. Auch die befannten Harzer Vogelhaisel" mit ihren Stanarienvögeln gehören hierher.

Nach 14 Tagen fonnte von einem sicheren Gelingen der Ope­ration gesprochen werden, und nach weiteren 4 Wochen war die Revolverfugel derart nahe der Herzipige eingeheilt, daß sie nur noch verhältnismäßig geringe Beschwerden verursachte. Der gerettete Selbstmörder wird also wahrscheinlich, wenn er nicht etwa seine Absicht mit mehr Erfolg wiederholt, mit der Kugel im Herzen ganz munter weiterleben können.

Berantw. Nedakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.

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