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Der Mordwine, der einige Schulbildung hatte und mit dem ich| tischer Gerichtsbarkeit schleppt, so begeht er damit einen Alt fo suwellen ziemlich offenherzig sprach, gab einmal auf meine Frage, schimpflichen Vertrauensbruches, wie er selbst für Rußland   wohl was für ein Mensch dieser Offip sei, lächelnd zur Antwort: eingig basteht.

Der Teufel mag's wissen... aber sonst tommt man mit ihm ganz gut aus..

Und nach einer Beile fügte er hinzu:

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Der verstorbene Michajlo, der ein sehr verständiger Mensch war, sagte einmal zu Difip, wie er sich mit ihm zankte:" Bist Du denn überhaupt ein Mensch? Als Knecht taugft Du nichts, und zum Herrn bist Du nicht geboren und so wirst Du Dein Lebtag wie ein Zimmermannsblei, das man an der Ede vergessen hat, hin und her schwanken!... Und das trifft auch wirklich auf ihn Dann versant er in Nachdenken und sagte, abermals nach einer Pause, mit einer gewissen Unsicherheit:

au.

"

So aber ist mit ihm auszukommen, wie gesagt... ein ganz guter Mensch!" Ich habe unter diefen Leuten einen recht schweren Stand. Mit meinen fünfzehn Jahren bin ich von dem Unternehmer, cinem ent fernten Verwandten von mir, angestellt, um den Materialverbrauch zu kontrollieren und darauf acht zu geben, daß die Zimmerleute nicht die Nägel stehlen oder die Bretter in der Schenke vertrinken. Sie laffen sich jedoch keineswegs durch meine Anwesenheit stören, sondern stehlen so viel Nägel und Breiter, als sie nur wollen, und geben mir deutlich zu verstehen, daß ich eigentlich ganz überflüssig bin. Und finden sie Gelegenheit, mir so aus Versehen mit einem Brett einen Stoß zu versetzen oder mir sonst einen Schabernad zu spielen, dann tun fie es nur zu gern.

Ich fühle mich so vereinsamit, so beschämt und fremd unter ihnen; ich möchte ihnen gern etwas sagen, das sie mit mir aus föhnen würde, ich quäle mich ab, das passende Wort zu finden doch ich finde es nicht, und ich habe selbst das drückende Bewußtiein, überflüssig zu sein.

Jedesmal, wenn ich das Quantum des gebrauchten Materials in mein Buch einschreibe, tommt Disip mit gemächlichem Schritt auf mich zu und fragt mich:

Na, hast Du es aufgezeichnet? Beig' mal her..."

An Gorki, dem Dichter, nimmt der gebildete Teil der ganzen Welt warmes Interesse. Aber mit ungleich stärkeren Linien is sein Name in die Herzen des internationalen Proletariats ein gegraben. Denn er ist sein Dichter, der Dichter des Proletariats. Selbst der dunklen, namenlosen Masse entsprossen, am eigenen Körper und in der eigenen Seele ihr Schidsal miterlebend, all feine Kraft und sein können aus den unsichtbaren Quellen schöp fend, aus denen der Lebensgeist der Massen stammt, so wurde er einer von jenen, die mit Künstlergeist der Welt all das zu fünden wissen, was Millionen erleben, und flumm in sich begraben müssen.

Sein Roman Die Mutter" ist in Rußland   verboten, weil es ein Arbeiterbuch ist. Ihm selbst will man den Prozeß machen, weil er darin vom Befreiungskampf der russischen Massen spricht, von Kämpfen und Siegen der sozial- revolutionären Idee, von der Selbstermannung der Arbeiter und vom allmählichen Erwachen des Bauernvolfes. Vielleicht ist das der geeignetste Moment für die Arbeiter außerhalb Rußlands  , das Buch ihres Dichters in die Hand zu nehmen und aus ihm ein Stück Gegenwartsgeschichte au lernen, das in erster Linie Geschichte des Arbeiterstandes, Geschichte des Proletariats ist.

Eine Mutter ist die Heldin dieses Buches. Eine alternde Frau, die während der Zeit ihrer Ehe das unfägliche Schicksal ihrer millionen Geschlechtsgenossinnen tragen mußte. Der Mann, ein wüster Patron, dessen einzige Freude das Prügeln und dessen einziger Genuß der Branntwein war. Ein stumpfes Arbeitstier in der Fabrik. Einer von jenen Tausenden, wie sie die Fabriken jeden Feierabend ausspeien, wie unnüße Schlade". Er schlägt die Frau und prügelt den Sohn. Bis dieser, der die Stärke des Alten geerbt hat, sich eines Tages mit erhobenem Schmiedehammer vor ihn hinstellt und ihm ins Gesicht brüllt, daß er sich nicht mehr von ihm schlagen lasse. Der Alte nimmt's als Beweis der Mündig­teit, läßt fortan den Jungen für das Haus sorgen, führt noch einige Zeit das Leben eines Viehes weiter und stirbt.

Nun tritt im Herzen der Mutter der Sohn völlig an Stelle

Er beguckt meine Notiz mit zusammengefniffenen Augen und des Vaters. Er ist jetzt ihr Herr. Aber obwohl sie vor ihm sagt obenhin:

Haft' ne recht fleine Schrift..."

Er selbst versteht nur die Drucktypen der Kirchenschrift nachzu­malen, die gewöhnliche Kurrentschrift ist ihm unbekannt,

"

Was ist denn das hier für ein Buchstabe?" fragt er mich.

,, Das ist ein großes B".

" So so, ein großes B.

Und was steht denn dahinter?"

"

Die Zahl 5."

" Falsch Eine 6 muß es sein."

,, Nein, eine 5."

Das soll wohl Bretter heißen?

Wieso denn eine 5? Der Soldat hat doch eben noch ein Brett fortgenommen!..."

"

"

Wozu? Es war doch keins mehr nötig!"

Wieso denn nicht? Er hat's in die Schenke getragen. Er blickt mir mit seinen fornblumenblauen, heiter lächelnden Augen ins Gesicht, wickelt dabei seine Bartlocken um den Finger und sagt mit einem Ausdruck bodenlosester Unverschämtheit: " Schreib nur ruhig eine 6 hin! Sieh mal, mein kleines Kuckucksei es ist doch so falt und naß, und die Arbeit ist schwer, da wollen die Leute ihre Seele ein bißchen erquicken und mit Branntwein anwärmen. Setz' nur feine so strenge Miene auf, der liebe Gott fann die strengen Leute nicht leiden!

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Er spricht noch eine ganze Weile so in seiner gleißenden, krausen Weise fort; seine Worte fallen auf mich wie ein Negen von Säge­spänen, der mich innerlich blind macht, und ich zeige ihm die ge­änderte giffer. Na, siehst Du so stimmt's!" sagt er. Jetzt sieht die Ziffer biel schöner aus, wie eine dice Kaufmannsfrau sigt sie da, so rund und behäbig... ( Forts. folgt.)

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Maxim Gorkis   Mutter".*)

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" In Wahrheit seid Ihr alle Genossen, alle Ver­wandte, denn alle seid Ihr Kinder einer Mutter der Wahrheit. Die Wahrheit hat Euch geboren und durch ihre Kraft lebt Ihr."

Der eine will dieses, der andere jenes. Eine Mutter aber will immer Liebe."

Durch einen großen Teil der Presse geht die ungeheuerliche Nachricht, Marim Gorki   drohe neuerdings der Prozeß wegen seines Romanes Die Mutter  " und seine Verbannung nach Sibirien   stehe nicht außer dem Bereiche des Möglichen. Gorfi hat auch wegen dieses Romanes in der Verbannung gelebt, und er fehrte zurück, als vor kurzer Zeit anläßlich des Romanow- Jubiläums eine Amnestie erlassen wurde, die dem Sinne nach auch ihn mitein­begriff. Wenn der russische Staatsanwalt jetzt den Dichter vor bas aus Millionen Schredensurteilen bekannte Forum moskowi­

*) Dieser stärkste und ausgesprochen sozialistische Roman erschien auerst im Vorwärts".

nicht weniger Angst hat, als vor seinem Vater, wagt sie es, ihn leise und unterwürfig zu bitten, ein anderes Leben zu führen, sich nicht sinnlos zu betrinken, sich nicht zu Roheiten hinreißen zu lassen.

Aber Pawel Wlassow scheint nicht zu hören. Er lebt, wie die andern jungen Burschen. Er tanzt und betrinkt sich und führt das Messer lose im Gürtel. Die Mutter wagt nicht, ihre Mah­nungen zu wiederholen, aber sie verdoppelt ihre Sorgfalt für ihn und wartet ängstlich und doch voller Hoffnung, daß er dieses Leben satt bekommen würde.

Er bekommt es satt, schneller als sie ahnt. Er bleibt Sonntags zu Hause, bringt Bücher mit, liest in ihnen halbe Nächte durch. Die Mutter beobachtet ihn unausgesetzt. Es ist nicht viel Gespräch zivischen ihnen beiden und sie begreift unbewußt, daß der Sohn Wege geht, die abseits ihres Gedankenkreises liegen. Das beunruhigt sie, kameraden unterscheidet. Sie merkt, da wächst in ihm irgend etwas obwohl Pawel sich in allem zu seinen Gunsten von seinen Arbeits­auf, mit dem sie, die Mutter, nicht Schritt halten kann. Und eine Angst ergreift sie, daß ihr Kind ihr seelisch entgleiten könnte und der brennende Wunsch wacht in ihr auf, von allem zu wissen, was er denkt, es mitdenken zu fönnen, ihm geistig nahe zu bleiben.

Und eines Tages wagt sie denn die schwere Frage an den Sohn: " Ich möchte Dich fragen, was Du immer liest."

Und der Sohn sagt der Mutter, er lese verbotene Bücher. Es ist deswegen verboten, sie zu lesen, weil sie die Wahrheit über unser Leben das Leben der Arbeiter- sagen. Sie werden heinlich gedruckt und wenn man sie bei mir findet, werde ich ins Gefängnis geworfen..., ins Gefängnis, weil ich die Wahrheit wissen will. Verstehst Du das?"

Nein, sie, die Mutter, versteht das nicht. Sie begreift nur, daß der Sohn sich etwas Gewaltigem und Schrecklichem geweiht hat. Ihr war stets im Leben alles unvermeidlich erschienen, sie war gewohnt, sich allem unterzuordnen

Und der Sohn beginnt, ihr von der Wahrheit zu sprechen. Er erinnert sie an ihr eigenes Leben. Er erzählt ihr von den andern draußen, die den Kampf mit der Macht aufgenommen haben. Er sagt ihr, was er will: lernen und Handeln. Erst lernen, un­ermüdlich lernen, dann ebenso unermüdlich kämpfen.

Sie begreift es nicht. Sie fühlt, daß es vielleicht besser wäre, gar nichts von all dem zu wissen. 2.ber sie wird dem Kinde nicht hindernd in den Weg treten. Mag er ihn denn gehen, diesen Weg, von dem sie glaubt, daß er ihn von ihr wegführe.... Was kann eine Mutter tun?

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Und sie hält still zu allem, was Pawel tut. Es kommen Leute aus der Stadt. Sie fürchtet sich vor ihnen, aber sie fämpft ihre Angst nieder um des Sohnes willen. Sie fizzt still dabei, wie die Fremden junge Leute und junge Mädchen aus Büchern vorlesen und über das Gelesene sprechen. Sie versteht oft den Sinn der Worte nicht, aber sie versteht den Sinn dieses Zusammen­seins, begreift den Inhalt des Wortes Genossen  ", mit dem die Freunde einander Segrüßen. Sie begreift, daß hier eine Gemein­famkeit sich schmiedet, die anders ist als die innerhalb der Familie und doch vielleicht fester und werivoller. Und ihr Herz schlägt