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immer in demselben Wunsch: Mitgehen können, nicht zurüdbleiben, begreifen, verstehen helfen. Die Mutter Pawels wird langsam zur Mutter all dieser Men­schen, die in ihr Haus kommen und die mit ihrem Sohn den gleichen Weg gehen. Sie sorgt für sie in tausend Kleinigkeiten, tocht ihnen den Tee, strickt Strümpfe für die Mädchen- und horcht immer zu, was sie reden und lesen. Manchmal zweifelt sie:" Ich bin zu alt". Aber dann hofft sie wieder." Ich verstehe es doch recht gut." Nur Angst hat sie um Pawel. Eines Tages tommt die erste Haussuchung. Ein Revolutionär wird in ihrem Hause verhaftet; man sucht nach Büchern, verhört sie. Aber je länger die Soldatesfa im Hause wütet, desto ruhiger wird die Mutter, desto sicherer weiß sie ihre Antworten zu geben. Sie hat die Feuerprobe bestanden. Sie hat etwas miterlebt, was ihr Leben an das des Sohnes und seiner Freunde knüpfen muß. Und wird innerlich dessen froh.

Und nun, immer wieder zurüdgeworfen von der Angst und immer wieder vorwärts gepeitscht vom Beispiel des Sohnes und der Wahrheit der neuen Gedanken, die auf sie einstürmen, wird sie mitgerissen auf dem Wege der Wahrheit. Sie ist dabei, wie Pawel seine erste Rede an die Arbeiter unter freiem Himmel hält, und sie schreitet hinter ihm, als er bei der Maifcier zum erstenmal die rote Arbeiterfahne entfaltet und furchtlos auf die Bajonette des Militärs zuschreitet. Sie weiß seit Monaten:" Man wird Bawel verhaften, wird ihm den Prozeß machen, wird ihn nach Sibirien   schiden. Sie wird es erleben, vielleicht hente schon." Aber ihr Herz bleibt ruhig dabei. Es muß sein. All die anderen müssen es auch, mancher aus dem Kreis, der sie Mutter" nennt, ist während der Zeit dorthin gekommen. Nur wenn sie daran denkt, daß man ihren Sohn im Gefängnis schlagen könnte, für einen Augenblick alle Angst und alles Grauen wieder. Man verhaftet Pawel und die meisten seiner Freunde. Die vollendete Tatsache zwingt sie doch beinahe in die Knie. Aber eines rettet sie: jie darf das Wert des Sohnes fortsetzen. Flugblätter müssen in die Fabriken geschafft werden. Sie trägt sie als Speise­verkäuferin am eigenen Leibe dorthin. Freut sich, die Polizeispione überliften zu können und berauscht sich fast an der Gewißheit, daß man auch sie eines Tages verhaften würde.

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dann kehrt

Sie zieht in die Vorstadt zu einem Revolutionären. Bei der Beerdigung eines Genossen kommt es auf dem Friedhof zu einem blutigen Kampf zwischen der Polizei und der Menge. Ein junger Bursche wird verwundet, sie rettet ihn und pflegt ihn. Später geht sie hinaus aufs Land, trägt den Bauern verbotene Schriften zu, lernt ihr Leben kennen. Und je weiter sie tommt, und je mehr sie ihre Kraft dem revolutionären Gedanken weiht, desto umfassender wird für sie der Begriff Mutter, wie alle fie nennen. Es ist ihr, als habe sie selbst diese Millionen leidender und kämpfender Men­schen geboren, als sei fie ihnen allen Mutter", trage alle ihre Sorgen und lebe ihre Leiden tausendfältig.

Unterdessen ist der Prozeß ihres Sohnes herbeigekommen. Als Verwandte darf sie der Farce der Verhandlung beiwohnen. Noch einmal hört sie ihren Sohn sprechen vor seinen Richtern, die er als Richter nicht anerkennt, groß, frei, gewaltig. Dann führt man ihn hinaus, zurück ins Gefängnis, nach Sibirien  . Bawels Rede aber soll in vielen tausend Flugblättern ins Land hinausflattern. Die Mutter selbst will sie aufs Land bringen. Aber auf dem Bahnhof schon erfüllt sich ihr Schicksal Das ist der Inhalt des Buches, um dessentwegen Gorki jenen fie wird verhaftet. Schredensweg antreten soll, den er selbst seine Helden gehen läßt. Bielleicht, daß auch er als Opfer feines Werkes fallen wird, ein zerbrochenes Glied mehr in der Kette des nach Befreiung lechzenden Boltes. Aber die Kette ist unzerreißbar, und ihre Glieder wachsen nach hundert für eins, das da zerbrach.

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Die Arbeiter der ganzen Welt aber mögen dieses Buch wiede: und wieder in die Hand nehmen. Und aufs neue werden sie der Wahrheit inne werden, die eine Mutter ihnen darin kündet: " In Wahrheit seid Ihr alle Genossen, alle Verwandte, denn alle seid Ihr Kinder einer Mutter, der Wahrheit. Die Wahrheit hat Euch geboren und durch ihre Kraft lebt Ihr!"

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Kleines Feuilleton.

Völkerkunde.

C. Z. Klößel.

Das Nätsel der Osterinjel. Die einsame Osterinsel im Stillen Ozean   hat der Wissenschaft so manche Rätsel aufge­geben, über die man sich lange den Kopf zerbrochen hat. Man sah in diesem Eiland die Reste cines früheren Kontinents oder zum mindesten ein wichtiges Mindeglied zwischen Polynesien   und Süd­ amerika  , und man star ute die geheimnisvollen folossalen Steinbilder an, die auf hoher Mauer über die Insel gewaltig emporragen. Um die Romantik dieser Rätselinsel noch zu erhöhen, Tam der Umstand hinzu, daß die Zahl der Bewohner immer mehr zusammenschmolz und man ein Aussterben der Bevölkerung be­fürchtete. Durch systematische Erforschung hat nun Dr. Walter Knoche Licht in dieses sielfache Dunkel gebracht. Er berichtet über die von ihm gewonnenen Resultate in einem Aufsatz der Um schbau".

Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.

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Die Zahl der Bewohner hat jetzt wieder zugenommen; während fie vor dreißig Jahren nur wenig über 100 betrug, ist das Giland heute von 228 Menschen bewohnt, und auch die Zahl der Frauen, die damals nur ein Biertel der Gesamtbevölkerung ausmachte, ijt heute wieder auf die Hälfte der Einwohner angewachsen. Die Be völkerung der Osterinsel, die früher eine fast zehnmal so große Menschenzahl wie jest ernährte, ist durch die grausamen Ver wüstungen peruanischer Seeräuber sowie durch Krankheiten, wie Boden und Lepra  , dezimiert worden. Die heutigen Einwohner find nach Sprache und Störperbau zweifellos reine Polynesier. Da noch eine zusammenhängende historische Tradition vorhanden ist, so kann man aus den Erzählungen einen ungefähren Schluß auf die Zeit der Einwanderung ziehen. Etwa 30 Häuptlingsgeschlechter haben auf der Insel geherrscht, und je nachdem man die Regierungszeit mit 10 oder 20 Jahren annimmt, fommt man dann auf das Jahr Kanoes unter dem Häuptling Hot- Matua die Insel besiedelt haben. 1600 oder 1300 n. Chr. als die Zeit, da die Ozeanier in zwei großen Die ersten europäischen   Besucher dieses einsamsten bewohnten Punktes der Erde waven 1712 der Reisende Noggeveen und sein Begleiter, der Deutsche Behrends. Mit Polynesien   oder Süd­ amerika   hat die Osterinsel   nie in einem geographischen Zusammen. hang gestanden; sie ist rein vulkanischen Ursprungs und über einem relativ alten Meere emporgestiegen. Jedenfalls waren die polyne fischen Besiedler nicht die Erbauer jener berühmten Monumente, die von den Eingeborenen Moais" genannt werden. Auch zur Lösung dieser Frage kann die noch heute auf der Insel erhaltene Heberlieferung Aufschlüsse bieten. Danach war das Eiland bei der Ankunft der Polynesier von den Langohren" besiedelt, die die Denkmäler erbauten. Die Neuankömmlinge, die Kurzohren", mußten ihnen bei der Arbeit helfen. Als die Kurzohren sich aber sehr vermehrt hatten, da empörten sie sich gegen die Urbewohner der Insel, besiegten sie und rotteten sie aus. Außerdem stürzten sie auf Befehl ihrer Königin die Standbilder, die zweifellos Ahnenbilder steinbilder, die Langohren", sind jedenfalls von Weiten her ge über Familiengräbern waren, herunter. Die Erbauer der Riesen­kommen; der Name schreibt sich von der Dehnung der Ohrläppchen her, die ihnen bis auf die Schultern herabbingen. Die Kurzohren" haben diese Sitte später übernommen, und noch heute trägt eine einzige Greisin auf der Insel diese Schmudform einer fernen Ver­gangenheit. Die ersten Bewohner der Osterinsel werden wohl einer Rasse angehört haben, die weiter von Weiten fommend die ost­pazifische Inselwelt besölferte; sie entwickelten dann auf dem an Hilfsmitteln überaus armen Inselchen eine eigenartige Kultur, so daß man von der Robinsonade eines Böllchens" sprechen kann. Ein Rätsel besteht allerdings noch heute auf diesem von so vielen Ge­heimnissen umwebenen Eiland. Man hat hier Schrifttafeln mit einer höchst ausgebildeten Bilderschrift gefunden, deren Hiero­glyphen, so die Schlangenbilder, nicht der Jusel entstammen können, da es auf ihr keine Schlangen gibt.

Aftronomisches.

Das Gesamtlicht des Sternenhimmels. Wenn der Mond nicht am Himmel steht, gilt die Nacht als dunkel, auch wenn die Luft völlig flar ist und die Sterne in ungetrübtem Glanz sichtbar sind. Eine merkliche Erhellung der Erde durch die Sterne Venus in ihrem höchsten Glanz fann vielleicht einen leisen Schatten allein ist eben für unsere Sinne nicht vorhanden. Höchstens die werfen. Die Wissenschaft befibt aber selbstverständlich Mittel, auch bas vom Sternenhimmel ausgehende Licht zu messen. Der be rühmte, vor wenigen Jahren verstorbene Astronom Newcomb   hatte schon vor längerer Zeit den Bersuch unternommen, das Gesamtlicht der Firsterne zu bestimmen, und war zu dem Schluß gelangt, daß dies Licht ungefähr dem von 2000 Sternen erster Größe gleich fei. Die Grundlagen dieser Berechnung waren noch recht unvollkommen. Der holländische Astronom Kapteyn, einer der erfolgreichsten Forscher des Fixsternhimmels, hat diese Angabe dahin verändert, daß er das Licht des Sternenhimmels gleich 2485 Sternen erster Größe seşte. Jezt hat Dr. Chapman eine neue Lichtmessung auf photographischem Wege ausgeführt und ist zu einem wesentlich ande. ren Ergebnis gelangt, das die Leuchtkraft des Sternenhimmels viel geringer erscheinen läßt. Sie kommt nämlich nach diesen Unter­fuchungen nur 700 Sternen erster Größe gleich. Dieser Astronom gibt außerdem die überraschende Aufklärung, daß nur die Hälfte des Lichte von den Sternen herrührt, die heller als die zehnte Größenklasse sind und an Bahl etwa eine Viertelmillion betragen. Da für das bloße Auge nur Sterne bis zur fünften Größe sichtbar sind, so kommt also der überwiegende Teil des Sternenlichts von folchen Himmelstörpern her, die einzeln mit dem bloßen Auge nicht mehr gesehen werden können. Die auch für das Fernrohr schwäche. ren Gestirne, die bis zur 25. Größenklasse herabgehen, haben aller­dings wohl kaum viel zu der Gesamtmenge des Lichts beizutragen. Beiläufig ist zu bemerken, daß es 11 Sterne am Himmel gibt, bie noch heller sind als die erste Größenklasse. Der Sirius z. B., über­haupt der hellste Figsteru des Himmels, fommt etwa 33 Sternen erster Größe gleich, und jene 11 Sterne zusammen wiegen 33 solcher von erster Größe auf. Die größte Lichtmenge wird von den für das Auge nicht mehr sichtbaren Sternen zwischen neunter und zehn­ter Größe geliefert.

Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.