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Bruder des erften, der vorbeifuhr, des großen Norre. geflichtet ift, ift die Urheintat feines Geiftes. Darum ift auch Sie sind beide gleich dum und gleich geizig." Racine fein Bieblingsdichter.

Es ist Per, der halb an sich selber spricht. Der dritte Schlitten wird von zwei fuchsroten Stuten gezogen, die weiße Füße und helle Mähnen haben. Das ist der dicke Jerik aus Korsdal. Seht nur einmal den dort! Der sieht aus wie ein fettes Schwein, das geschlachtet werden soll.

Er gibt 15 Dere Trinkgeld. Es ist ein paarmal vor­gekommen, daß er 25 Dere gegeben hat, aber dann glaubt er wunder welche Heldentat er verrichtet hat... Siehst Du, der dort mit den beiden Bechschwarzen ankommt die können laufen, das fannst Du glauben, der gibt 35 Dere."

,, Du kennst sie gut, Per."

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Die Respektlosigkeit hat er dann von der Antike und von der bürgerlichen Aufklärung überkommen, das Bürgerbewußtsein aber vom Proletariat, das in einer Welt immer höher schwellender Un vernunft der Bernunft einen unzerstörbaren Adergrund sichern will, durch ihre Anwendung auf die elementarsten sozialen Vorgänge, auf die Erhaltung der Raffe. Anatole France ist als Dichter fran­aöfischer als Balzac , der doch nur ein allerdings nicht leicht anderswo als in Frankreich denkbarer ungeheuerer Einzelfall war, franzöfifcher als Zola. Er ist weder von den Dämonen seiner Ge schöpfe besessen, noch unterliegt seine fchaffende Persönlichkeit der Wucht des sozialen. Gefchehens. Seine Chroniken der Zeit blinken von Erzählerfreude, von philofophischem Souveränitätsgefühl und von jener gütigen Ironie, die aus tiefem menschlichen Mitleid quillt, das zur menschlichen Mit freude werden möchte. Und als Dichter tritt er auch in uniere Reihen. Der Parteigenosse Anatole Ich kenn ihren Charakter und weiß, wie sie sind und France will nichts Neues über nationalökonomische Dinge dann was heißt gerne mögen ich weiß ja gut, daß sie fagen, aber er schöpft aus der Quelle unseres Erkennens dazu geboren sind und auf diese Weise ständig gelebt haben, und Hoffens mit aber es ist doch kein großes Vergnügen für unsereinen, wenn den es tröstend es einem so geht, wie es uns geht, dazusiben und einen solchen Aufzug mitanzusehen von diesen Burschen, von denen man fich sagen kann, daß man selber genau so gut ist nicht wahr?" ,, Nein seht doch, was für einen Winterhut die auf hat!" fagt Sophie. ( Forts. folgt.)

Sie kamien ja ständig auf Hoibyhof, damals als ich noch da war, und er feiert ja heute Geburtstag, der Kerl!" Du magst sie wohl nicht gerne, Per?"

Anatole France .

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Anatole France wird heute 70 Jahre alt der Kalender verrät es, ob auch seine frischströmende Phantafie und Schöpferkraft jeden Gedanken, ihn unter die Greise zu rechnen, veripottet. Nie bat einer den Geist der Schwere vollkommener überwunden als dieser Phönig, der nicht nur aus der Flamme, sondern aus einem Meer von Büchern immer wieder verjüngt emporfchwebt. France gehört zu den dokumentierten" Schriftstellern. Was auf Erden Bedeutendes, Tiefsinniges, Seltfames, Närriiches in Büchern aufgezeichnet worden ist, hat er zusammengeleſen: Philosophie und Grammatik, Geichichte und jegliche Kunstlehre. Theologie und Geheimwissenschaft. Die Antiquariate und Trödlerbuden etlicher Länder hat er durchwühlt nach Schätzen, Seltenheiten und Kuriositäten. Aber nie war jemand weiter von allem Schulmeisterlichen, Pedantischen und Aufdringlichen entfernt, als dieser Alleswisser. Das kommt daher, daß er ein Dichter ist, der in und hinter all dieser aufgetürmten Weisheit den Menschen wahrnimmt, das naturgebundene Wefen mit seinen souveränen Anmaßungen, mit feinen belustigenden Beschränktheiten, die aber doch wieder ein Teil der unendlichen allgemeinen Mannig­faltigkeit und Möglichkeit sind.

France stammt geistig von Renan ab, dessen Andenten er auch eine seiner schönsten Reden gewidmet hat, aber er hat sich über die innere Dürftigkeit des ironischen Dilettantismus erhoben vielleicht darum, weil er nicht vom Absoluten, bon der fatholischen Theologie herfam, herfam, sondern umgekehrt einen in unendlicher Arbeit des Bewußtieins sich allmählich erweiternden Kreis höherer Ordnungen erblickte. Bei aufmerksamer Betrachtung zeigt sich in feinem Schaffen die Einheit, die die halb modern- weltmännische, halb antife Stepfis feiner früheren Periode mit dem humanitären Eifer und dem sozialen Zukunftsglauben der späteren Romane, des Crainquebille und der sozialistischen An­sprachen verbindet. Es ist die französische flare Vernunft und die französische unverhimmelte Sinnenfreude, die sich in dem, ach so rasch abblühenden Garten des Lebens ergehen wollen. Daher der Haß gegen die moralischen leberspanntheiten, gegen die Nomantit, die die mühselig emporgewundenen Eimer der Vernunft ausgießen und in die trüben Brunnen der Intuition" tauchen möchte. Dies ist auch die Erklärung der, historisch betrachtet, ungerechten Attacke auf das Jakobinertum in seinem vorlegten Werke( Die Götter dürsten"). Der Voltairianer das neueste Werk Frances, der Aufstand der Engel " weist auch literarisch direkt auf den Schöpfer des Candide" und sogar der Jungfrau" zurück protestiert gegen den Senfualismus, gegen Rousseau , gegen die dürre Hugenotten­ethif, gegen die Unterwerfung der Menschen unter den Fetisch der Formeln. Erinnern wir uns nur, wie gerade in dem Roman aus der Schreckenszeit, während die Götter dürsten und Blut fordern, der Schalk Eros zwischen des Guillotincfarren hindurchschlüpft. In dieser philosophierenden Galanterie, wie als feinnerviger Stillünstler ist Anatole France ein Nachkomme und Fortsetzer der französischen Klafif, die an einem von Leidenschaften erfüllten, zeremoniell ge­bundenen Königshof erwachsen ist. Versailles , wohin er vor kurzem aus der von Automobilhupen durchdröhnten Avenue du Bois

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dem kristallenen Relch feiner Sprache, durch und die Herzen erhellend hindurchleuchtet.

Crainquebille.

Von Anatole France .

Die Majestät der Justiz herrscht in ihrer ganzen Größe in jedem einzelnen Urteil, welches der Richter im Namen des soube­ränen Boltes verkündet. Jeremias Trainquebille, ein herum­ziehender Gemüsefrämer, sollte erfahren, wie erhaben das Gesez ist, als er wegen Beleidigung eines öffentlichen Staatsbeamten vor Gericht geführt wurde.

Nachdem er in dem prächtigen und düsteren Saale auf der An­Hagebant Platz genommen hatte, sah er voll staunender Bewunde­rung auf die Richter und Advokaten in ihren Roben, auf den Ge­richtsdiener, mit der Kette, auf die Polizisten und auf die Zu­schauer, die bloßen Hauptes schweigend hinter einer Scheidewand saßen.

Er sah sich selbst auf einem erhöhten Sik und empfand es als eine hohe Ehre, als Angeklagter vor dem hohen Tribunal erscheinen zu dürfen.

Im Hintergrund des Saales zwischen den beiden beigeordneten Richtern thronte der Präsident Bourriche, auf dessen Brust die Ehrenabzeichen der Akademie prangten. schmückten die Rückwand des Saales, so daß alle göttlichen und Eine Büfte der Republik und ein Christus am Kreuze menschlichen Gesetze über Crainquebilles Haupt schwebten.

Er empfand es mit wahrem Schrecken. Denn da er durchaus nicht philosophisch veranlagt war, fragte er sich nicht, was diese Büfte und dieses Kruaifig hier bedeuten sollten und in welcher Be­ziehung eigentlich wohl Jesus und Marianne( familiärer Ausdruck für die Republik ) zu dem Gericht stehen konnten.

Dennoch gab es einem zu denken, denn die päpstliche Lehre zu der Verfassung der Republik und dem Zivilrecht. und das kanonische Recht stehen in vielen Bunkten im Widerspruch

So viel man weiß, sind die Dekretalen( das päpstliche Recht) nicht aufgehoben worden.

Die Kirche Christi lehrt wie früher, daß nur solche Mächte eine legitime Gültigkeit haben, die sie selbst eingefeht hat. Aber die französische Republik erhebt den Anspruch, keineswegs von der päpst­lichen Macht abhängig zu sein.

Füglich hatte Crainquebille mit einigem Recht sagen können: ist, so verwirft dieser Christus, der zu Euren Häuptern hängt, fraft Meine Herren Richter, da der Präsident Loubet nicht gefalbt des Konzils und der päpstlichen Gewalt Eure Macht.

Entweder ist er hier, um Euch an die Macht der Kirche zu er innern, die Eure Macht vermindert, oder seine Gegenwart hier hat abfolut feinen vernünftigen Sinn.

Daraufhin hätte der Präsident Bourriche vielleicht geant­

wortet:

Angeffagter Trainquebille, Frankreichs Könige haben immer in Unfrieden mit dem Papst gelebt. Kleinigkeiten willen dankte er nicht ab. Wilhelm von Nogaret wurde erfommuniziert, aber um solcher

Der Christ hier im Gerichtssaal ist nicht der Christ Gre­ gors VII. und Bonifacius VIII . Er ist, sozusagen, der Christ des Evangeliums, der nichts vom kanonischen Recht wußte und nie­mals etwas von den verwünschten Defretalen gehört hat.

Dann lag es bei Crainquebille, ihm zu antworten: Der Christ des Evangeliums war ein Menschenfreund. Wölfer seit neunzehn Jahrhunderten als einen großen Irrtum der Und außerdem erlitt er eine Verurteilung, die alle christlichen Justiz anerkannt haben. Ich rate daher, mein Herr Präsident, mich in seinem Namen nicht einmal zu vierundzwanzig Stunden Gefängnis zu verurteilen.

Aber Crainquebille machte weder historische oder politische, noch

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