Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 76.
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Dienstag, den 21. April.
Einen Augenblick stand Per völlig verdugt da; die toarmen Worte überraschten ihn. Es war des Hoibyfönigs Herz, das sprach. Er war ein merkwürdiger Mann, dieser Bauer, und daß er die beiden Braunen vorspannen wollte! Das waren seine Lieblingstiere, fie galten ihm am höchsten von allen Tieren des Hofes. Er schonte diese beiden Pferde mehr als sich selber.
Daran dachte Ber, während er das Baumzeug befestigte und die blanken glänzenden Seiten der Braunen klopfte. Noch nie ist die Hoibyer Wehmutter schneller befördert worden oder leichter über alle Hindernisse hinweggekommen. Es wurde fein Wort gesprochen. Die beiden Männer wechselten fein Wort miteinander. Aber wo auf dem Wege Schneehaufen beseitigt werden sollten, oder wo es andere schwierige Stellen gab, dachten sie dasselbe und handelten augenblicklich übereinstimmend, wie zwei kluge und gewandte
Männer.
Als der Hoibykönig mit der Beitsche über den Rüden der Braunen durch den Hohlweg sauste, so daß der tiefe Schnee ihnen um die Ohren stob, da dachte Ber:
So fährt er mit den beiden Braunen um meinetwillen!" Auch nachdem sie das Moorhäuschen erreicht hatten, fagte feiner von ihnen ein Wort, weder Danfe noch Adieu noch Guten Morgen. Nichts.
Bei der Kranken brannte mir eine Petroleumlampe ohne Glas, die also nur ein schwaches Licht verbreitete.
Die Wehmutter schritt erregt ein paarmal auf der Diele bin und her.
Die Enttäuschung, möglicherweise die Entbindung bei den reichen Leuten auf dem Frauenhofe zu verlieren, lag noch auf ihrem Antlig.
Sie blickte sich mit strenger und kritischer Miene um.
Aber als sie im Dämmerlicht entdeckte, wie leer und armselig hier alles war, da schwand der strenge Ausdruck ein wenig von ihrem Antlik.
Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war es noch erbärmlicher, als sie es sich gedacht hatte.
Aber heißes Wasser stand im Ofen. Per war ja eine Angelegenheit wie diese nicht unbekannt.
Er praktizierte sämtliche Kinder in das erste Zimmer hinein.
In den Kästen war fein rechtes Bettzeug. Die Kinder hatten fast nur in altem Zeug und Lumpen von unbestinumbarer Herkunft gelegen.
Da seufzte die Hebamme und blickte sich zögernd und suchend um, als wisse sie nicht, worauf sie ihre Augen Heften solle.
Auf dem Bette waren feine Laken.
Und Federn waren auch nicht mehr in den fleckigen und zerschlissenen Bezügen, in denen Sophie lag. Sie selber hatte eine baumtvollene Taille angezogen. Das war wohl das Beste, was sie besaß.
Ber ging zu den Kindern hinaus. Die Hebamme packte ihre Utensilien aus der Tasche.
Sophie hat schon ein paar Wehen gehabt. Jekt greift fie mit den Händen nach oben, packt das Kopfkissen und stößt einige jammernde Wehelaute aus.
Die Hebamme geht zu ihr ans Bett:
Seid nun vernünftig, beste Frau, nehmt die Hände Herunter, dann ist es gleich vorbei."
Die Hebamme stedt ihre Hand unter Sophies Lende, um fie ein wenig zu stüßen, und merkt dabei, daß diese auf bloßen Säden liegt, die unmittelbar über das Bettstroh gebreitet sind. ..Aber du gütiger Himmel!" entfährt es ihr unwillkürlich. Sie sagt es vor sich hin. Sophie hört es nicht einmal. Da nimmt das Gesicht der Hebamme den mitleidigen Ausdruck an, der ihm im allgemeinen eigen ist.
In dem kleinen Kinde ist kaum noch Leben. Es ist ganz blau. Die Mutter liegt da mit geschlossenen Augen, wie tot. Die Hebamme bittet Ber um eine Waschschüssel.
1914
Er bringt einen Eimer; den pflegten sie zu gebrauchen, und sie hatten nichts anderes.
" Habt Ihr auch keine Seife?"
Er bringt einen kleinen Klumpen grüner Seife auf einer Scherbe.
Es werden nur die allernötigsten Worte gewechselt. Nie mand ist in der Stimmung, mehr zu sagen.
Dann wäre es also das Wickeltuch?"
Per bückt sich und zieht eine Siste hervor, die unter dent Bett steht. Dort liegt alles sorgfältig eingewickelt in ein Beitungspapier.
Es ist ein altes Wickeltuch, das in der Mitte mit einent
Stück alten Hemdentuchs geflicht ist. Aber das ganze ist rein und Sophie hat den Rand sogar mit rotem Wollgarn eingefaßt, um dem Ganzen ein besseres Aussehen zu verleihen. Ber ist ganz froh, daß das wenigstens so einigermaßen in Ordnung ist.
In der Kiste liegt auch noch ein Kleines Hemd, aus altent Beug zusammengestückt, aber weiß und sauber.
"
Ach du lieber Himmel," sagt die Hebamme leise vor sich hin und lächelt.
Das Licht des anbrechenden Morgens scheint durch das Fenster auf die Hebamme, die dafigt und Staffee trinkt, während sie Mutter und Kind beobachtet, um zu sehen, ob sie leben werden oder sterben.
So im Licht des erwachenden Tages sieht alles noch viel ärmlicher aus als zuvor, scheint es ihr.
Per nimmt sich auch einen Schluck Kaffee. Stillschweigen.
Alles ist so stille. Man sollte nicht glauben, daß hier Kinder im Hause sind. Und auch nicht, daß in diesem Augenblick ein neues Leben zur Welt gekommen ist. Hier ist keine Festlichkeit, keine Freude.
Bevor sie geht, wirft die Hebamme einen Blick in die Rüche und in die Speisekammer. Sie findet nur eine viertel Blase mit Fett und ein Stück Schwarzbrot- und dann einen Eimer Wasser natürlich.-
Die Ziege ist schon seit langem tot und hin. ,, Dies hier ist zu arg, Mann!" sagt die Hebamme.
"
Das scheint mir auch," antwortet Ber .
Während er ihr behilflich ist, ihren Kasten zu packen, sagt er, daß sie sich ihr Geld bei dem Vorsigenden des Gemeinderats holen soll.
Gleich darauf erscheint Hügel - Pers Frau; sie hat in der lebten Zeit häufig hier so kleine Stippvisiten gemacht. Und als sie nun hört, daß alles überstanden ist, eilt sie nach Hause, um Sophie eine süße Suppe zu kochen.
Unterwegs begegnet ihr Mads Hoi, der seinen zweiräderigen Fischkarren zieht.
., Was kostet der Fisch heute, Mads?" fragt sie.
"
,, Es wär schon beffer. Du bezahltest mir, was Du mir schuldest," antwortet Mads; er ist verdrossen heute.
Es hilft alles nichts, Du mußt mir heute noch einen kleinen Fisch überlassen." Sie nähert sich ihm und sagt mit leiser Stimme: Seine Frau da drinnen hat ein kleines gekriegt, und sie haben gar nichts!"
-
hr betrügt mich; ich bekomme von Euch kein Geld. Er da drinnen schuldet mir auch noch. Wie geht es ihr denn, der Frau?" fragt Mads, etwas milder gestimmt. ..Schlecht!"
,, Warum friegt Ihr auch all die vielen Kinder?" nörgelt Mads; er ist ein alter Junggeselle.
"
Ja, siehst Du, Mads, das verstehst Du nun einmal nicht," antwortet die Frau in gemütlichem Ton. Aber nichts destoweniger bist Du ein hübscher alter Mann, Mads." „ Alt?"
"
Nein! Nein! Ach, das ist ja auch wahr, wann wirst Dut denn nun heiraten?"
"
Du redest Unsinn.... Aber einen kleinen Fisch für die Frau werd' ich Dir wohl geben müssen."
Er reicht ihr eine prächtige kleine Flunder.
Du wirst Dein Geld zum Frühjahr bekommen, Mads!" Ja, zum Frühjahr, zum Frühjahr," äfft Mads hinter ihr drein. Ihr in den Moorhäusern sagt hier immer: Du sollst Dein Geld zum Frühjahr bekommen."