Unterhaltungsblatt des vorwärts Nr. 77. Mittwoch, den 22. April. 1914
20] Im Sauernlanö. Bon Johan Skjoldborg  . 17. Vor Per Holts Tür hielt ein Schlitten. Es waren Bolsens rote Pferde. Auf dein Vordersitz smzen �iran   Bolsen und Niels Rasks Frau vom Hoibyhos in eigener Person, beide in schweren Pelzmänteln. Frau Bolsen war eine Nachbarin der Hebamme, war eine der ersten in der Gemeinde, denn sie hatte eine prächtige Sing- stimme, und ivar dafür bekannt, aus dem Stegreif ein Gebet sprechen zu können, so lang, wie nur je ein Pastor. Sic war kurzsichtig und trug eine Brill?! ihr Benehmen war würdig und priesterlich, und ihre Stimme hatte denselben ein- schmeichelnden Tonfall, wie die des geliebten Kolporteurs frommer Schriften Madsen-Klinkernp. Auch redete sie sehr viel. Per Holt zeigte sich in der Tür und sah die beiden Frauen mit fragendem Ausdruck an. Es geht Euch Wohl nicht gut. Per." sagte die Hoiby- bäuerin.Darum haben wir nun etwas für Euch mitgebracht. Du kannst es uns abnehmen." Per war ganz gerührt: dergleichen hatte er nicht erwartet. Da kann man doch sehen!" dachte er. Er ging in dieser Zeit in schlaflosem Kummer umher und mit einem vor Angst bebenden Herzen: daher war er auch leicht gerührt. Die Tränen waren ihm nahe, aber vor allen Dingen wollte er nicht, dasj man es merken sollte. Es war ein Sack mit Bettzeug da und Eßlvaren. So wie Frau Bolsen im Korridor war. begann sie alles zu beschnüffeln und neugierig zu beglotzen. Sie nahm sich daher auch nicht vor dein tiefen Lock, in acht, das sich direkt hinter der Türschwelle in der Lehmdiele befand, so das; sie fast ins Zimmer hineingefallen wäre. Die 5tiiider lachten leise. Es sah auch zu komisch aus. Sie begriff das selber und ward rot vor Zorn: ihr würdiges Eintreten ins Zimmer war'tnidurch vollkommen zu- nichts geworden. Du hättest doch Wohl Zeit genug, so etwas in Ordnung zu machen." sagte sie zu Per. Es klang sehr vorwurfsvoll. Sie blickte sich forschend um. um noch mehr Sck)äden zu entdecken. Und als sie sah denn kurzsichtige Leute pflegen ja alles zu sehen. daß ein Teckbalken gebrochen und daß überhaupt das ganze Zimmer stark in Verfall war. fügte sie hinzu: Mir scheint übrigens, hier zu Hause wäre genug für Dich zu tun, bester Mann!" Sie warf den Kopf in den Nacken und blickte ihn kritisch an. Per antwortete nicht. Aber wer ihn kannte, sah. wie seine Nasenflügel bebten, und wie er gleichzeitig die Kopfhaut hin und her schob, und hätte gewußt, was daS bedeutete. Nun." sagte sie gnädig,mach den Sack auf." Es war eine alte, stark abgenutzte Bettdecke, nicht viel besser wie Pers eigene. Nun, hier ist also Bettzeug," sagte sie.Von uns." Die Hoibybäuerin hatte ein paar lange Kisfen aus einem Paket hervorgeholt. Außerdem brachte jede von ihnen ein Weißbrot, eine Tasie voll Butter und eine Flasche Saft mit. Das war übrigens alles. Sie gingen hinein zu Sophie. Aber sie lag schweigend und ganz still da und koirnte nicht mit ihnen reden. Sie beobachteten beide ganz genau, wie Sophie dalag, und Frau Bolsen glotzte rücksichtslos rings umher. Sie ging ohne weitere? in die Küche hinaus, als sei sie auf einer Inspektionsreise. Deine Situation ist schlecht. Per," sagte währenddem die Hoibybäuerm.Sprich mit Niels Rask, ich sage es Dir, es ist zu Deinem Besten. Wenn Du in der rechten Weise mit ihm darüber redest, dann hilft er Dir hierüber hinweg, davon bin rch fest überzeugt."
Ich werde mit niemanden in anderer Weise reden, als m meiner eigenen," antwortete Per fest. Die Hoibybäuerin schüttelte den.Kopf.  Du bist allzu' schroff, Per. Ich begreife nicht, daß ein armer Mann, wie Du es bist, so starrköpfig werden konnte." Per lächelt. Aber es ist eine Sünde Deiner Familie gegenüber, und auch Gott   gegenüber: denn er mag die Hoffärtigen nicht, aber den Demütigen schenkt er seine Gnade: denke daran. Per. Es sind Gottes eigene Worte." Was tut er dann mit dem Besitzer vom Hoibyhofe?" Pers Ton klang so spöttisch wie möglich. Sie ward ganz eifrig:Niels Nask vom Hoibyhofe ist ein guter Mann, wenn die Leute sich nach ihm richten wolle». Das will ich Dir nur sagen." Sie schüttelte direkt den Kopf, als sie von ihrem Manne sprach. Dann ging sie hinaus zu Frau Bolsen. Sophie winkte Per zu sich heran.Wie lange wollen die beiden Frauenzimmer hier noch umhergehen und alles be­krittelnd" flüsterte sie. Im selben Augenblick kehrten die beiden wieder zurück. Frau Bolsen begann ein Kirchenlied zu singen. Ihre Stimme war hübsch. Aber man fühlte, wie sehr sie ihren eigenen Gesang genoß. Pers Blick ward finsterer und finsterer. Sophie lag gequält da. Man merkte, wie sehr sie sich danach sehnte, die beiden los zu werden. Wollen wir nun beten?" sagte Frau Bolsen und schob mit zwei Fingern die Brillengläser zurecht, wie sie es bei dein vielgeliebten Kolporteur Madsen-Klinkernp gesehe» hatte. Lieber Herrgott im Himmel! Wir senden ein Gebet hinauf zu Dir aus dieser niederen Hütte, auf daß Du gnädig auf diese armen elende» Menschen herabschauen mögest. Lehr sie nun. Herr, die Gaben, die wir ihnen heute gebracht haben, gut anzuwenden, auf daß sie ihnen zu Nutzen gereichen. Aber, lieber Herr im Himmel, nimm Dich vor allem gnädig ihrer Seele an..." Weiter kam sie nicht. Mitten im beste» Beten mußte sie innehalten. Per runzelte nämlich ganz unheimlich seine Augenbrauen und sagte diese vier Worte: Tanke, es ist genug!" Was sagst Du da, Mensch?" Tu sollst jetzt schweigen! Und das sofort!" Pers Ton war derart, daß man absolut nicht fehl gehen konnte. Frau Bolsen rückte an ihrer Brille herum: sie blickte von einem zum andern, bald über die Brillengläser himveg, bald darunter. Sie war völlig verwirrt. Du brichst Dir noch einmal den Hals, Per Holt," sagte die Hoibybäuerin und knöpfte den Mantel zu. Sollen wir gehen! Jagt er uns fort!--" Frau Bolsens Augen starrten Per an.Ist das Deine Meinung, daß»vir gehen sollen. Mensch?" Bitte, ja!" Ihre bebrillten Augen richteten sich nach oben, während ihr Kopf auf die eine Seite sank und sie tief aufseufzte. Bald darauf war der Schlitten verschwunden. Und nach dieser schweren Nacht und diesem anstrengen- den Tage senkte sich endlich die wohlverdiente Ruhe auf die Bewohner des Moorhäuschens herab. 18. Per Holt war in ständiger Unruhe: selbst in dem kleinen Zimmer schritt er immer auf und ab. Er vermochte nicht, sich ruhig zu Verhalten. Das war in der letzten Zeit über ihn gekommen. Er konnte nickt lange sitzen und auch nicht lange liegen. Rastlos und unterbrochen wankte er hin und her, als ließen ihm die kummervollen Gedanken keine Ruhe. Hin und her ging es ohn Unterlaß, und dann wieder rings in die Runde. Hin und wieder schielte er zur Seite mit dein Blick eines Gefangenen. Draußen herrschte Winter und auf den Wegen lag Schnee. Stiefel besaß er nickt. Aber er zog noch ein paar alte