Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 82.

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Smetse der Schmied.

Mittwoch, den 29. April.

Eine flämische Legende von Charles de Coster  . 1. Von Smetse, seinem Bauch und seiner Schmiede.

Smetse, der Schmied, wohnte in der guten Stadt Gent  , am Zwiebeldamm gegenüber der Leye, dem schönen Fluß. Er war geschickt in seinem Handwerk, hatte Ueberfluß an Fett und ein so lustig Gesicht, daß die Trübsinnigften sich er­gößten, wenn sie ihn nur in seiner Schmiede sahen, wie er auf seinen furzen Beinen behend hin und her lief, die Nase nach dem Winde, den Wanst in der Luft und auf alles ein wachsam Auge habend.

Wenn die Arbeit in seiner Werkstatt sich häufte, dann fagte Smetje, die Hände über den Bauch gemächlich und wohl­gemut faltend und dem hellen Klang seiner Schmiede lauschend: Bei Artevelde! Welche Trommeln, Tamburine, Querpfeifen, Baßgeigen und Dudelsäcke sind so viel wert, was die himm­lische Musik anbelangt, als meine schlagenden Hämmer, meine ächzenden Ambosse und pruftenden Blasebälge, meine waderen Arbeiter, so da singen und schmieden?" Dann sprach er zu allen: Nur getrost, Kinder! Wer vom frühen Morgen an wader arbeitet, trinkt zum Vesper um so besser. Wes ist der schlaffe Arm da, der mit seinem Hammer so gemächlich schlägt? Glaubt er, daß er Eier schlägt, dieser Hüftlahme? An die Barren, Dolf, sie schmelzen zu Wasser. An den Panzer, Pier, flopfe ihn recht flach. Ein gut geschmiedet Eisen ist eine Arznei gegen Kugeln. An die Pflugschar, Flipke, und tüchtige Arbeit; vom Pfluge fommt das Brot der Welt. An die Türe, Toon; siehe, da kommt der abgetriebene Klepper des Don Sancio d'Avila, des Ritters mit der mürrischen Fraße, von seinem ausgemergelten Knappen geführt, welcher gewißlich kommt, ihn beschlagen zu lassen. Möge er doppelten Preis zahlen um seines spanischen Hochmuts und seiner Härte gegen den Bürgersmann willen!"

Also ging Smetse in seiner Schmiede umher, sang viele Male und pfiff, wenn er nicht sang. Im übrigen verdiente er manch schönen Dukaten, nahm zu an Gesundheit und trant um die Vesperzeit in der Herberge von Pensaert gern Braun bier.

2. Wie Slimbroek, der Rote, Smetjes Schmiedefeuer berlöschte.

1914

3. Woman Slimbroekt mit artigem Kopfpu im Flusse sieht.

In diesem Zustand überließ sich Smetse nicht der Ver­zweiflung. Er war jedoch schier betrübt und zornig, wenn er allein in seiner Schmiede ohne Feuer stand und all sein wackeres Werkzeug am Boden sah, dieweil er den holden Klang der Ambosse und Hämmer in der Schmiede von Slim­broek bernahm.

Aber was ihn noch mehr erboste, das war dieses: allemal, wenn er vor dem Hause des besagten Slimbroek vorbeiging, so trat der rothaarige Verräter unversehens auf die Schwelle seiner Türe, grüßte ihn gar artig, sagte ihm viel Höfliches und hielt ihm hundert Schmeichelreden, ohne mit heuchleri­schen Grüßen zu sparen; und das alles, um seiner zu spotten und über sein Elend schändlich zu lachen.

Lange währten diese häßlichen Bossen und Grimassen, und Smetse war am Ende seiner Geduld. Sa," sprach er, es kränkt mich, elend zu sein, aber darein muß ich mich er­geben, denn es ist Gottes heiliger Wille. Aber es schmerzt mich zu grausam, diesen bösen Schelm, welcher mir meine Stunden durch seine Tüden raubte, sich über mein Elend er­gößen zu sehen."

Indessen ließ Slimbroek nicht nach, und alle Tage wurden feine Worte beißender, denn je größer Unrecht er dem guten Schmied getan, um so größeren Haß hegte er gegen ihn. und Smetse gelobte sich an ihm zu rächen und ihm hinfür und Smetse gelobte sich an ihm zu rächen und ihm hinfür den Geschmack am Hohnlachen zu benehmen.

Eines Sonntags also, da er am Schifferdamm stund und mit einer großen Menge von Flußschiffern, Bürgern, Knaben und Scholaren, so des Feiertags wegen müßig gingen, den Fluß anschaute, fam Slimbroek unversehens aus einer Musik­schenke, allwo er nicht wenige Krüge geschlürft hatte; und aus Ursache des Trunks war er dreister, denn seine Gewohnheit war. Da er Smetse bemerkte, rannte er ihn an und sprach mit vielen Gebärden, kreischender Stimme und gellendem Ge­lächter gar frech zu ihm: Ei, guten Tag, Smetse, guten Tag, lieber Freund. Wie ist Dein Befinden, Smetse? Du scheinst Dein gutes Fett zu verlieren, Smetse. Das ist jammerschade. Woher kommt das? Sollt es Dich kränken, daß Du Deine Kunden verloren hast, Smetse? Du scheinst Dein gutes Fett zu verlieren, Smetse? Du mußt trinken, damit die Freude wieder einkehrt in Deinem Bauch. Man sieht Dich nimmer zur Vesperzeit in Pensaerts Herberge; warum Sentse? Be­darfst Du etlicher Dukaten, um zu trinken? Ich habe genug für Dich, wenn Du willst, Smetse." Und er klimperte mit seinem Sädel.

Indessen errichtete ein gewisser Adrian Slimbroek mit Berstattung der Zunft eine neue Grobschmiede am Zwiebel- Großen Dank," sagte Smetse, Du bist zu gütig, Meister danm. Dieser Slimbroek war ein häßlicher, fleiner, fümmer- Slimbroek; es ist an mir, Dir jegund einen Trunk zu be­licher, magerer Kerl, bleich von Angesicht, mit einem gespalte- zahlen." nen Maul wie ein Fuchs, und der Note zubenannt, von wegen der Farbe seiner Haare.

Ein Meister in Ränken, wohlerfahren in Schlichen und Künsten der Heuchelei und sozusagen der Schmiede gerieben­ster, hatte er alle die adligen und reichen Männer der Stadt für seine Werkstatt gewonnen. Selbige waren aus Furcht oder aus anderen Gründen gut Freund mit den Spaniern und haßten die Reformierten. Ihrer viele waren Kunden von Smetse, doch Slimbroek hatte sie gegen den Schmied auf­gehetzt, indem er sprach: Dieser Smetse ist im Grunde seiner Seele ein Geuse. In seinen jungen Jahren war er Maro­deur und kreuzte auf dem Meere mit denen von Seeland  wider Hispanien, zum Vorteil der Religion, so sich reformiert nennet. Er hat annoch in Walcheren  , Camp- Beere und Vlissingen viel Verwandte und Freunde, lauter wütende Re­formierte, so vom römischen Papst und den Herren Erz­bischöfen sonder Ehrfurcht sprechen."

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" Des weiteren," fügte er hinzu, ist jener Smetse ganz und gar Atheist, liest die Bibel von Antwerpen   ohngeachtet der Verbote und besucht die Kirchen allein aus Furcht und mitnichten aus Liebe."

Durch solche und andere verleumderische Nachreden raubte Slimbroek dem Smetse alle seine Kunden. Und alsbald er­losch das Feuer in der Schmiede des guten Schmieds. Bald auch waren seine Ersparnisse verzehrt, und Frau Sorge 30g in fein Haus ein.

" Ha," rief Slimbroek, Mitleid und Teilnahme Heuchelnd, ,.warum mich freihalten wollen?. Die Leute wissen ja zur Genüge, daß Du nicht reich bist, Smetse."

Reich genung," antwortete der Schmied, um Dir den schönsten Schluck zu verschaffen, den Du jemals tranfest." Das wird ein Spaß sein," sprach Slimbroek zu der Menge der Flußschiffer und Bürger. Das wird ein Spaß sein, Smetse will die Zeche bezahlen. Die Welt geht unter. Es ist das Jahr der vergüldeten Lumpen. Smetse bezahlt die Zeche. Ha, ich möchte gerne das Braunbier schlürfen, das Smetse bezahlt. Ich habe Durst wie afrikanischer Sand, sonntäglichen Durst, Durst wie ein Teufel, so in Luzifers  Kesseln ein wenig gesotten wird."

So trinke, Slimbroek," sagte Smetse und warf ihn in

den Fluß.

Da die Leute am Ufer das sahen, Klatschten sie in die Hände, und ein jeder stellte sich an den Rand, um Slimbroeks Gebaren genau zu betrachten. Selbiger war mit dem Kopf voran ins Wasser gefallen und hatte einem Hunde, welcher schon lange tot war und, wie Aas zu tun pflegt, mit dem Strome schwamm, den Leib durchbohrt. Mit besagtem Hund hatte er sich gar wunderbarlich den Kopf geschmückt und fonnte sich nicht davon Josmachen, maßen er feine Arme zum Schwimmen brauchte, und er hatte des ganze Gesicht mit stinkendem Unflat gedingt.

Ohngeachtet er davon wie geblendet war, so wagte er