in itet Sonne oufseuchten. ff« tnerbeft immer mehr dieser geselligen Bogel, die und) Beute suchen. Aus unserem Schiffe werden näm» lich sämtliche Abfallbehälter geleert, da die» im Hafen streng der» boten ist. Seit in früherer Zeit mehrmal» verheerende Epidemien aufgetreten sind, duldet die Hafenpolizei keine Uebertretung ihrer Borschriften. Während der Dampfer nach dem Kommando de» Lotsen am Bier festmacht, können wir un» an, Anblick der Stadt erfreuen. Die hellen Häuser weisen durchweg die bekannte orientalische Bau- arr auf; sie haben alle vollständig flache Dächer und oftmal» einen ganz absonderlichen Farbenanstrich. Jedoch fällt e» im weihlich- flimmernden Licht Aegypten » gar nicht weiter auf, wenn die Tiinche rot oder gelb oder hellblau ist. Viel der grellen Farben wird in der starken Beleuchtung verschluckt! eine Erscheinung, die man überall in südlichen Gegenden findet. Becht hübsch beleben die schlanken Minarets, die Gebetstürme der Moscheen, da» Stadt- dild. Beherrscht wird die Stadt von einem kleinen Hügel, der ein winzige» Fort trägt, über dem lustig der türkische Halbmond im roten Felde flattert. ES ist da»Fort Napoleon". Die Engländer haben sich ein anderes stärkere» Werk gebaut. Es liegt weiter im Hintergrunde! man kann e» von hier nicht sehen. Bunt und reich bewegt ist da» Leben am Ufer. Hier im Hafen gibt c» keine trägen oder neugierigen Müßiggänger. Wie in einem Ameisenhaufen rennen die Menschen durcheinander. Dunkelfarbige Araber in langen wallenden Gewändern stoßen und drängen sich im Kampfe um die Gepäckstücke der Passagiere. Jeder sucht einige Piaster zu verdienen. Der Lärm ist fast unbeschreiblich. Fuhrwerke aller Art kommen und entfernen sich: mitunter trottet auch ein geduldige» Grautier mit seinem Treiber vorbei. Aufdring- liche Stiefelputzerjungen umwerben den ratlosen Fremden, und, um Ruhe zu haben, läßt er einem von ihnen sein« Kunst probieren. Nach einigen Schritten wird er jedoch schon wieder schreiend um- schwärmt. Der Wasserverkäufer läßt laut seine Stimme erschallen und macht mit zwei Messingbecken, die er aneinander schlägt, tüchtig Reklame. ES ist eine typische Erscheinung in dieser heißen Gegend. Eine hohe schlanke Figur ist eS, die mir besonder» aufgefallen ist. Ein buntgcwirkte» Tuch ist in malerischer Art über die Schulter ? eschlagen und um den Leib gelegt. Die weiten weißen Bein- leider reichen bis zu den Knien, so daß die nackten braunen Füße ihre sehnige Beschaffenheit frei zeigen können. In stolzem Gange schreitet er dahin. Eine kühne Hakennase verleiht dem bärtigen iGesidjt einen ungemein charaktervollen Ausdruck. Mit Würde weih er seinen gewundenen Turban zu tragen, unter dem in lebhafter Aufmerksamkeit die dunklen Augen ihre Blicke hervorschießen lassen. Kein noch so flüchtiger Wink entgeht ihnen, wenn ein Durstiger nach seiner Labung verlangt. Ein weitbauchiger tonerner Krug dient al» Behälter dafür. Der Boden de» Gefäße» ruht auf seiner Hüft«, und ein breiter Lederriemen über der Schulter gibt dem Kruge sicheren Halt. Der Wassermann handelt aber gar nicht einmal mit Wasser, wie ich staunend sehe. Er verkauft richtig schäumendes, dunkele» Bier, da» vom Auslände nach Aegypten eingeführt wird. Der Koran verbietet seinen Anhängern de» Genuß diese» alkoholhaltigen Getränke« nicht, wie den Wein, und darum erfreut sich der edle Gerstensaft bei den frommen Muselmännern einer stetig wachsenden Beliebtheit. Ach, wenn Mohammed da» wüßte.... Da« ganze wirre und bunte Durcheinander de» orientalischen Hafenleben» mit seinem Lärm und Geschrei kann den an solche Eindrücke noch nicht gewöhnten Fremden fast nervös machen. In beneidenswerter Ruh« stehen nur die dunkelfarbigen Beamten der ägyptischen Polizei. Wer sie s« recht gelassen wie ein Fels in der Brandung stehen sieht, könnte an ihre weißen Kollegen an» Berlin erinnert werden. Kaum liegt da» Schiff an seinem Platz, so werden die Luken geöffnet. Gähnend sperren sie ihren schtvarzen Rachen auf, und da» Löschen beginnt. Nun bietet sich hier ein Bild wie überall auf der weiten Erde, wo Güter verladen werden und wohin der Weltverkehr seine Arme erstreckt. Neberall eiserner Fleiß und emsige Schaffenskraft. Zum Nutzen und Segen für die gesamte Kulturwelt. Aber jene, die hier ihre Kräfte in den Dienst dieser Kultur stellen, haben am wenigsten Borteil davon. Moderne Sklaven.

Kleines Zenilleton. Der Fall Miquel. Ein Mann, der e» von einem Organisator kommunistischer Bauernaufstände zum ministeriellen«iiführer feu- »aler Junker bringt, ist gewiß keine alltägliche Erscheinung streben- ve» Renegatentums. Nur soll man nicht von inneren Wandlungen reden, sondern von einem Geschäftsmann, der seine Ueberzeugun- Sei, verkauft. Die» ist der Fall Miquel, und die Gestalt dieses Minister Wilhelms II. verkörpert sehr anschaulich diesen deutschen Liberalismus, der seine allgemeinen Ideale dem privaten Profit geopfert und nicht einmal den Mut besessen hat, sich zu seinem Zynismus ehrlich zu bekennen, sondern aus reiner Charakterlosig- reit eine patriotisch gaukelnde Theorie gemacht hatte. _ Immerhin ist eine Reiiegatentum, wie e» Miquel bewiesen Brrantw Redakteur: Alfred Wieleptz, Neukölln. Druck u. Verlag:

Hai. von ungewöhnlicher Widerlichkeit. Man kann vielleicht so»M» listische Jugendträume aufgebe», aber eS ist tiefste Verworfenheit, die Gcfälirtcn seiner Jugend dann mit dem Polizeibüttel zu ver- folge». Da» tat Miquel aber, al» er für da» Sozialistengesetz war. Ein Rest von Scham freilich oder war e« nur die Angst de» Emporkömmling», an seine Bergaugenheit erinnert au werden?« brannte in ihm. Davon zeugen die Briefe, die er IbSS an seinen nationalliberale» Parteigenossen Marquardsen schrieb, und in denen er ihn instruierte, wa» er im Reich»tag sagen sollte, fall» bei den Debatte» über die Verlängerung de» Sozialistengesetz«» an den kommunistischen Ursprung Miquel» erinnert werden wllrd�. Sein Sozialismus sei eine rein theoretische Auffassung ge­wesen: er habe als junger Mensch der Hegelschen Dialektik von Kar! Marx nicht widerstehen können, sei aber der Marxschen Logik bald Herr geworden. Der Herausgeber von MiquelS Briefe» an Marquardsen, Karl Alexander v. Müller(in denSüddeutschen Monatshefen", 191?) hatte einleitend bemerkt, daß Miquel sich l8SVin einem Brief au Karl Marx als Kommunisten und Atheisten bekannt haben s o l l". Schon als er in Göttingen Advokat war, aber hätteneindringende geschichtliche und volkswirtschaftliche Studien seinen Radikalismus lder auch von vornherein eine sehr starke nationale Farbe hatte) zu einer historisch-kritischen Staatsanschauung abgewandelt". So schreibt man historisch-tritischl Da« Bekenntnis zum Kommunismus und Atheismuss o l l" erfolgt sein, als ob nicht der Brief Miquel« an Karl Marx lange bekannt und von Miquel selbst anerkannt war, durch den gerade bewiesen worden war, daß es sich bei Miquel nicht um einebloß theoretische" Spielerei gehandelt habe, sondern um eine durchaus praktische revolutionäre Tätigkeit, bis zur Or- ganisation kommunistischer Bauernaufstände. Der ganzen feigen AuSrederei machen jetzt Veröffentlichungen Eduard Bernsteins in der ,.N e u e n Zeit" für immer ein End». Miquel hat seinen Freund Marquardsen 1884 in jeder Hin- sich! angelogen. Daß es nicht theoretische Anfechtungen waren, wußten wtr schon au» dem bekannten Brief Miqnel». Die von Bernstein veröffentlichten weiteren Briefe zeigen aber, daß die Beziehungen zu Karl Marx viele Jahre gedauert haben; daß er noch 1837 al» fast Dreißigjähriger ganz und gar nicht national" war, bielmehr einen Einsall der Franzosen in Deutsch - land ersehnte; daß er durchaus nicht von Marxscher Logik verführt war, sondern schon al» Revolutionär und Sozialist mit Marx Ver- bindungen anknüpft«. Briefe MiquelS an Kuaelmann, den Hannoverschen Arzt und Freund von Marx , die Bernstein eben zur Ergänzung veröffentlicht, vollenden den Nachweis, daß keinerlei iheoretisch« Wandlung den Abfall MiquelS herbeigeführt hat, daß umgekehrt der Mann sein« jeweiligen Neberzeugungen»ach seinen persönlichen Bedürfnissen eingerichtet hat. Aber auch eine andere nationale Legende wurde durch die jetzig« Veröffentlichung vernichtet. Neuerding» lieben c» deutsche Pro- fcssor«n, dennationalen" Lassalle gegen denvaterlandslosen" Karl Marx auszuspielen. AuS einem Brief MiquelS an Kugelmann vom 22. Dezember 1864 erfahren wir nun. daß dieser schon seit seinem 26. Jahrenational" Gesinnt« mit 37 Jahren dem Freunde Karl Marx heftige Vorwürfe macht, weil er die BiSinarcksche Politik Lassalles verteidigt habe. J-m Herbst 1864 hat Karl Marx Miquel durch den gemeinsamen Arzt.Kugelmann ein Exemplar der Jnauguralansprache der Internationalen Arbeiterassoziation über- Mitteln lassen. Karl Marx zählte also damals noch Miquel zu den Anhängern der Partei. Indem Miquel für die Zusendung dankt, feiert er Karl Marx al» den großen Nationalökonomen, de» die bürgerlichen Gelehrten ausplündern, ohne ihn zu nennen: wen- d«t sich aber dann dagegen, daß Bourgeoisie und Proletariat sich jetzt schon spalten, anstatt gemeinsam den Fendaladel niederzu- zwingen: Da» Verhalten der Feudalpartei gegenüber Herren Lussgtte und Konsorten ist hier der handgreiflich? Beweis. CS tut mir daher sehr leid, daß Marx seinen guten Ruf al» Mann der Wissenschaft auf daS Spiel setzen will zugunsten von Menschen wie Lassalle. welche sich nicht scheuten, gerade*» auch ihrerseit» bloß um eine Rolle zu spielen, da» Bündn!» de» Herrn Bismarck zu suchen, und die daher bei allen Parteien verachtet wird. Ich selbst kann mich nie bei solchen Dingen beteiligen. Lebte Marx in Deutschland , er würde e» auch nicht." Miquel wird sichnie" bei solchen Dingen beteiligen. Bald darauf ist er Bürgermeister von Osnabrück und im Lager Bis- marcks. Aber sogar noch Ende 1867, als inzwischen Marx den offenen Renegaten" preisgegeben hat, begeistert sich Miquel für den damals erschienenen ersten Band de»K a p! t a l" und sorgt für feine Verbreitung, damit e» nicht totgeschwiegen werde. Den ökonomischen Marxismus hat er sich erst al» Aufsichtsrat der Di»- kontogesellschaft abgewöhnt. DaS Beste aber, wa» er später al» Minister auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung geleistet hat, ver- dankt er schließlich doch den Erkenntnissen seiner Bergangenhelk.

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