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Spiegel. Ihr Mund lachte nicht, aber sie fab heiter aus; ihre aufammenbrach. Mit fünfaig Jahren war dieser Gigant, den einer Augen suchten ihr Spiegelbild und doch tat fie das nur einen lachenden Eber" nannte, aufgebraucht. mechanisch, nur nebenbei. Ihre Gedanken waren durch etwas Balzac   ist der erste, der die Geschichte der neuen Zeit zu anderes gefesselt, aber durch etwas, was mit ihrem Spiegel- schreiben versuchte; das Epos des Geschäftsjahrhunderts mit seiner wahnsinnigen Erwerbs- und Erfolgshat. Er hat das einheitliche bild in Zusammenhang stand. Sie zupfte ein paar der Gesetz der Dinge erfaßt und will es in seinen Romanen, die er braunen gefrausten Haare in die Stirn und fuhr mit dem als ein Einheitliches unter dem Titel der menschlichen Komödie" Zeigefinger über ihre dichten Augenbrauen, aber so oft, daß plant, verkörpern. Er sieht die wilden, tierischen Triebe in den fie unmöglich noch wissen konnte, was sie tat, dann kamen Menschen, den Macht- und Sinnenhunger, wie er sich in einer Zeit wieder ein paar Takte des Liedes: Sie ist meine, sie ist mein." offenbart, in Verhältnissen, deren hervorleuchtendes Stigma die Nun war sie plötzlich wach. Außer dem feinen Sausen des materielle Erfolgsgier ist. Wie ein Naturforscher betrachtet er die Regens auf den Blättern hatte sie noch einen Ton gehört wie Individuen, wie sie in diesem Milieu, dem fie entstammen und dem das Knirschen des Kieses, Rest sollte zurückommen. Sie fie eingefügt find, fich bilden mußten. Es ist ein wüfter forhbantischer borchte. Sie hatte wohl das Deffnen und Schließen der goldene Stalb dreht. Seine Phantafie jagt er hinter diesen Dingen Reigen von Instinkten und Leidenschaften, der sich rastlos um das Haustür gehört, aber keinen Tritt auf der Treppe und Nes! Her, und mit wuchtigen Meißelschlägen haut er aus dem Block der machte sich sonst sehr bemerklich, sie war schwer und faul Sprache die Gestalten heraus, die ihm als die schicksalsmäßigen genug. Träger des Gedankens erscheinen. Er zeigt die großen Verbrecher wie Vautrin  , den Geizigen Grandet, den von seinen Töchtern aus­gebeuteten Goriot, den Wucherer Gobzed; er zeigt sie in ihrem Innersten, wie sie werden mußten. Das Gold ist hier an Stelle Schidfalsmacht, die das Leben prägt; das Kraft entzündet und des metaphysischen Schicksalsgedankens getreten; das Gold ist Sträfte vernichtet.

Hörte sie nicht ein hastiges Gespräch, ein Geficher und Gewisper unten im Gang? Huller war zu Hause, sie wußte es. In diesem Augenblick gab's ihr einen Stich, das Blut ſtieg ihr zu Stopf, fie riß die Tür aufrichtig, Rest. Sie fam gleichmütig die Treppe herauf, rot und beiter, und gerade drückte sich Huller ins Atelier.

Hast Du mit ihm gesprochen?"

Frida hatte ihre Stimme nicht in der Gewalt. Halb mürrisch, halb erstaunt, erwiderte Refi:

Er will heute abend kommen, aber wir sollen noch Ant­wort sagen."

fort.

So geh doch, geh! Er soll kommen," drängte sie

Resi Sie war ganz verwirrt. Als Resi gegangen war, ver­folgte sie ihre Schritte die Treppe hinunter; sowie fie feine Stimme und die ihre hörte, war sie sich mit einemmal flar, was mit ihr sei. Sie liebte Huller und sie war eifersüchtig auf Resi.

Es war ihr nun unerträglich, zu denken, daß Huller im Augenblick kommen fönne; fie wollte Resi zurückrufen, blieb aber steif stehen und starrte die Türklinke an. Gang deutlich hörte sie den leisen Tropfenfall draußen, er tat ihr web. Sie hätte schreien mögen vor Erregung und erwartete die beiden voller Augft. ( Forts. folgt.)

Balzac  .

Zu Ehren des großen Schriftstellers hat die preußische Staatsanwaltschaft soeben eine ihrer kleinen Feiern veranstaltet: sie hat seine drolligen Erzählungen kone fisziert.

Er war einer der größten Phantasiemenschen und einer der leidenschaftlichsten Sinnesmenschen, die die Erde je getragen. Eine überschäumende Animalität und eine schrankenlose Einbildungskraft be­Herrschten ihn und schaffen in ihm einen Machttraum der Weltbeherrschung von napoleonischer Größe. Die Bedingung aller Macht aber ist das gleißende Gold. Die blinkende Chimäre ist der Herr des Erdballs, und neben ihr die Liebe, die tolle fäufliche Sinnengier. Die Prosti­tution und der Diebstahl find die Herren des Erdballs", steht unter einer Radierung von Félicien Rops  , die auf der Weltfugel eine Straßendirne und einen Kerl mit einer gemeinen Galgenphysiognomie aufammengeluppelt zeigt. Diese beiden Embleme stehen auch über dem Weltbild, das das Werk des Honoré de Balzac   darstellt.

Man muß das Leben Balzacs fennen, um sein Werk ganz zu begreifen. Gold! Gold! Das war sein frühester Gedanke; in ihm sah er das Mittel, das ihm die Türen zur Welt aufschließen sollte. Als junger Mensch saß er in seinem Heimatort und schrieb Schund­romane, um den roten Strom auf sich hinzulenten, der ihm die Bewegungsfreiheit geben sollte. Als es mit der Feder nicht gelingen wollte, versuchte er es mit Unternehmungen. Er wurde Berleger, Druder, Schriftgießer; aber er stürzte sich mit diesen praktischen Versuchen in Schulden, an denen er sein ganzes Leben zu tragen hatte. All seine Berühmtheit, all seine Riesenhonorare fonnten diefe Last nicht von ihm wälzen. An die hundert Werte schrieb er in zwanzig Jahren. Wochenlang schloß er sich ein und arbeitete in feiner weißen Mönchskutte Tag und Nacht; peitschte feine Nerven mit starkem Kaffee auf und bannte die wilden Gestalten seiner Machiphantasien aufs Papier: die unbedenklichen Geldmänner; die großen Kurtisanen; die Tolossalen Verbrecher und alle die, die das Goldfieber toll ge­macht hat. Er schuf eine Naturgeschichte der menschlichen Leiden schaften, wie sie feit Shakespeare   nicht mehr dagetvejen; furchtbar, von allen Geißeln der Hölle getrieben. Dazwischen faßte er Pläne, wie der der Ausbeutung verschütteter Silberbergwerke auf Sizilien  : und all diese Dinge, die er mit der ganzen Kraft des Visionärs er­faßte; die ihm nicht Einbildung, sondern Wahrheit waren, wurden Jein Leben. Aber er ächste unter seinen Schulden, bis er darunter

bleibt.

Sein Werk hat etwas ungefüges, gigantisch Unbehauenes. Sein Stil ist schwer und überladen. Im Grunde kann er nicht schreiben, und das Wort, das man in seinen Büchern im wahren Sinne des Wortes schmöfern müßte, ist gar nicht so falsch. Aber er hat eine Gigantenwelt geschaffen in den Bänden feiner soziologischen Epopöe; ein Phantasiewert und zugleich eine Zeitgeschichte von folossalem Ausmaß, die mit ihrer flammenden Glut über den Zeiten stehen Neben dem großen Fresto seiner menschlichen Komödie ragt niedriger das Buch der Drolligen Erzählungen", trotzdem man zu ihm lieber greifen mag, um sich zu unterhalten, als zu dem Roman­wert, das sich nicht so leicht bewältigen läßt. Es sind dreißig meist fehr übermütige Gefchichten im Ton des Franz Rabelais, die der Dichter als Rebenarbeit, gewissermaßen zu seiner eigenen Inter­baltung, fchrieb. In ihnen ist die ganze Derbheit und Sinnlichkeit diejes Temperamentes. Boccaccio   ist zierlich ihnen gegenüber. Sie sind von einer Freude am Animalischen, die sich im tonventionellen modernen Französisch sehr seltsam ausnehmen würde, weshalb Balzac   fie auch in der Sprache des 16. Jahrhunderts niederschrieb und auch zeitlich ins Mittelalter einordnete. Aber dennoch sind die Geschichten von Franz des Ersten Beluftigungen, die Späße des Pfarrers von Alzey  - Ridul und die jener Nonnen, die ihrem Bischof ein sehr merkwürdiges Geschenk fchicken, sowie die Erzählungen sonderbarer Liebesnächte föstlich und amüfant. Eine Berle ist die Geschichte von der läßlichen Sünde jener jungen Gräfin, die, an einen Greis verheiratet, sich, während fie zu schlafen vorgibt, an einem jungen Pagen schadlos hält. Ein Weifterverf ist die Succubus- Novelle, die von den Verführungs­ist durch die Dramatisierung Vollmöllers( Der deutsche Graf") bei fünften einer jungen Türfin berichtet. Das Stück Freundestrene" uns bekannt.

tragen worden. Bedingungslos gut ist die Neberfegung von Benno Die drolligen Erzählungen" find mehrfach ins Deutsche über­Rüttenauer, die der Infel- Verlag seiner großen Balzac  - Ausgabe an gefügt hat. Auch die von Paul Wiegler  ( R. Piper u. Co., München  ) verdient lobende Nennung, während die überdies unvollständige Aus­gabe des Verlages Neues Leben( Wilh. Borngräber) mit größter Vor­ficht zu genießen ist. lleber Balzac   orientieren vorzüglich ein Essay von Hippolyte Taine   in der Reihe der Insel- Bücher und einer von Wilh. Weigand im selben Verlag.

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Im Kosakendorf.

Von Maxim Gorki  .

P. H.  

" Ja! Und Du sagst immer, die Menschen seien seelensgui! Nein, lieber Bruder, bei uns in Rußland   wirds den Menschen sehr schwer gemacht, fromm und gut zu sein.

Und plötzlich schwang er seine Beine nach der Straße hinüber, sprang ab und verschwand geräuschlos.

Der Bursche aus Pensa   war in einen unruhigen Schlaf ver­fallen, er warf sich auf seinem Lager hin und her, streckte die un­geschlachten Arme und Beine auf dem fnisternden Stroh weit von sich und stöhnte und schnarchte abwechselnd. Aus dem Dunkel tönte das Geflüster der Frauen, das trodene Schilf rafchelte auf dem Dache, ab und zu erfolgte draußen ein Windstoß, und ein Baumzweig schlug gegen die Wand der Hütte. Wie leises Klagen und Trauern gin es durch die tiefschwarze, sternlose Nacht, deren Lante mehr und mehr verstummten. Dann schlug es zehn; die me­tallenen länge zerschmolzen gleichsam in der Finsternis, und es ward noch stiller, als ob alles Leben, vor dem lauten nächtlichen Schall erschreckend, sich in die unsichtbare Erde und den unsichtbaren Simmel geflüchtet hätte.

Ich saß am Fenster und schante in das Dunkel hinaus, in dest die grauen Hütten des Dorfes wie in einer lauen schwarzen Flut

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