Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 105.
9]
Der Kakadu.
Donnerstag, den 4. Juni.
Erzählung von Anna Croissant- Rust . Resi hatte den Bräutigam" gebracht, sogar schon ein paarmal war er dagewesen. Rein Zweifel, er war einer von den krummen Nasen und Geldmensch dazu. Frida hatte eine Abneigung gegen seine Liebenswürdigkeit und seine ganze Atmosphäre. Was aber wollte sie machen? Er hatte gute Manieren, behandelte sie als Dame, nur fast zu füß und über trieben devot, ging um zehn Uhr nach Hause und liebte Rest angenfcheinlich sehr. Des Kindes halber fügte sie sich in die Situation, obwohl sie sich gelangweilt fühlte von den Phrasen des Bräutigams" und den verstohlenen und offenen Bärtlich feiten der zwei. Wenn es mur irgend anging, hielt sie sich in der Küche auf oder im Schlafzimmer. Das Liebespaar machte sie wieder alt, richtig wie eine Gardemama kam sie sich vor, wenn sie mit ihrer Stickerei dabei saß. Zu lächerlich und peinlich für sie obendrein, denn zu dieser unterhaltenden und geistreichen Rolle war sie fast jeden Abend verdammt! Huller kam natürlich auch sehr wenig zu ihr herauf, weil der Bräutigam da war oder weil er ihr vernitete.
Ram er jedoch einmal, so war er mürrisch und versuchte, sie immer gegen Resi aufzuheben.
,, Wie heißt der Kerl?" fragte er einmal barsch, ,, Neumayer, sagt Rest."
,, Wissen Sie das bestimmt?"
Resl sagt es."
,, Wenn es das brave Reserl sagt, muß es natürlich so fein! Oh, Sie ahnungsloser Unschuldsengel, Sie! Lassen Sie sich nur recht viel für U vormachen! Aber, wenn sich der Sohn meines Vaters nicht täuschen tut, geht die Geschichte brenzlich aus!"
Frida zuckte die Achseln; sie sah wohl ein, daß sie sich eine große Verantwortung auf den Hals geladen hatte, aber sie gestand es Huller nicht ein.
Am unangenehmisten war ihr die Sache den Hausleuten gegenüber, denn der Bräutigam schlich sich immer erst vor Torschluß herein und kam nie am Tage. Sie bat ihn, doch einmal am Nachmittag zu kommen, aber er beteuerte, Berge von Geschäften vor sich zu haben und unentbehrlich sein sein. ,, Nächsten Sommer komme ich bombensicher bei Tag!" Aber währenddem blieb es beim alten, das heißt, Herr Neumayer kam noch öfter als anfangs und blieb auch länger, brachte Delikatessen und Weine mit und richtete sich des Abends nach und nach vollständig häuslich ein, sparte auch nicht mit schalen Wißen, allerdings in feiner Form vorgebracht und mehr an Resi gerichtet. Ueberhaupt widmete er sich ausschließlich seiner Braut" und das mit einer Beharrlichkeit, daß Frida ihre Ueberflüssigkeit einzusehen ansing und sich baldmöglichst ins Bett drückte. Sie hatte nur einmal Resi gebeten, nicht gar so lang aufzubleiben, darauf hatte die ihr crwidert: Geben Sie doch ins Bett, wenn's Ihnen zu lang wird."
-
"
Seit der Zeit sagte sie beiden um neun Uhr gute Nacht", immer mit der Phrase:" Sie erlauben doch?" zum Bräutigam", die er stets damit erwiderte:„ Bitte, bitte, lassen sich Fräulein durchaus nicht stören, im übrigen feien Sie unbesorgt." Dabei stand er immer auf, eine Hand auf der Stuhllehne und eine auf der Serviette, an der Brust, und machte eine Verbeugung, die Augen schon wieder auf den Teller gerichtet.
Wenn sie zu Bett war, waren die beiden Herr des Zimmers. Nicht nur, daß es elf Uhr, zwölf Uhr wurde, bis Herr Neumayer ging, er lachte und schäferte ganz laut, stieß an, trabte auf und ab, kurz, tat ganz genau, wie wenn sie im Nebenzimmer nicht vorhanden gewesen wäre.
So weit hatte sie Huller also doch gebracht, daß sie sich feine ernsteren Skrupel über das Paar machte. Früher? Du lieber Gott ! Alle Haare hätte sie sich ausgerissen! Doch gefielen ihr die Abende immer weniger, schon deshalb, weil sie eigentlich von neun Uhr ab gefangen war, denn ihr Schlafzimmer hatte feinen eigenen Ausgang, und da saß sie nun wie eine Maus in der Falle. Von Schlafen war feine Rede bei
1914
dem Gewisper und Geficher und Gefüsse und Gelächter und Gelärm nebenan.
Frida machte endlich Resi ernsthafte Vorwürfe.
Sagen Sie's ihm doch selber! so was trau' ich mir nicht," schmollte Resi, und machte ein geringschäßiges, fast freches Gesicht dazu. Ueberhaupt, seit der„ Bräutigam" jeden Abend kami, war sie eine ganz andere geworden. Keine Spur niehr von dem bescheidenen, reizenden Rest". Es schien fast, wie wenn sie mit ihrer Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit nur danach getrachtet hätte, den Liebhaber glücklich herein zu kriegen. Nun das geschehen war, brauchte sie sich keine weitere Mühe zu geben. In der Frühe war sie stets mirrisch, wortfarg, fast zänkisch, und behandelte Frida nicht wie eine ältere Person besseren Standes, sondern wie ihresgleichen, wie sie etwa die Kolleginnen" bei Weidner behandelte. Rügte Frida ihr Benehmen, so ließ sie sich wohl alles ohne Widerrede sagen, aber es glitt an ihr ab, oder sie machte ein überaus gelangweiltes Gesicht, wie wenn sie der ganze Sermon nichts anginge. Auch war sie zuzeiten wieder lieb und gutmütig wie früher, so daß Frida sich immer nicht entschließen konnte, sie heimzuschicken, auch boute sie darauf, daß die ursprüngliche Gutmütigkeit Resis doch wieder zum Durchbruch käme. So brachte Resi öfters Blumen und Kuchen für Frida, oder sie besorgte etwas im Haus, von dem sie wußte, daß Frida es nicht gern besorgte, sie suchte zu trösten, wenn Frida traurig war: Warten Sie nur, wenn ich einmal Geld hab', sollen Sie's auch fein kriegen!"
"
Frida mußte dann trok allem lachen und konnte ihr nicht böse sein. Freilich in der letzten Zeit batte Resi die Blumen gegeben, wie man fich einer lästigen Pflicht entledigt, wortfarg, und sogar ein bißchen hochnäfig.
Frida fragte sie, gutmütig spottend:„ Du fühlst Dich wohl schon als zukünftige Millionärin? worauf die Braut" erwiderte:
,, So eine Knauserei wie Sie könnt' ich net mein ganzes Leben haben, pfit di Gott ! Das gibt's bei mir net. Fein und flott muß's zugehn!"
Das Haus konnte sich natürlich nicht genug tun mit Aufpassereien und Slatschereien. Den Bräutigam" nahmen die Leute Frida übel, das konnte sie genau merfen, das„ Reserl" ließen sie es nicht entgelten; gegen diese Glanznummer des Raritätenkastens waren alle von ausgesuchter Freundlichkeit, besonders der männliche Teil.
,, Schmeißen Sie doch den Kerl raus!" riet Huller ärgerlich, wenn sie klagte. Lassen Sie's nur noch lang so fortgehen, dann besorg' ich's, wird mir ein Hochgenuß sein!" " Ja, habe ich denn das Recht dazu? Es liegt eigentlich nichts gegen ihn vor. Ich weiß nichts weiteres von ihm. Und dann ich werde doch dem Kind die Partie nicht verderben! Viel besser wär's, ich täte sie fort, wenn das so weiter geht."
11
Darauf erwiderte er nie ein Wort, aber er fam immer wieder auf den„ Bräutigam" zurück, er suchte Gelegenheit, davon zu sprechen, er kam überhaupt jetzt wieder so häufig, ja noch häufiger als früher, und stets in einer unruhigen, unflaren Stimmung. Das Verhältnis zu ihm war etwas, was sie von Tag zu Tag mehr bedrückte, es nahm eine Vertraulichfeit an, die ihr nicht nur unbequem war, die sie beängstigte, vor der sie sich fürchtete. Er ließ sie in die fleinsten Details seines Lebens blicken, er fragte sie wegen jeder Geringfügigfeit um Rat, er hatte nicht das geringste Geheimnis vor ihr. Wenn er Geld brauchte, forderte er und nahm, fast ohne zu danken, was sie geben konnte.
,, So was braucht unsereiner, Frida! Jemanden wie Sie! Zu Ihnen kann ich reden wie zu einem Freunde, offen, rückhaltslos, derb sogar. Denn Sie sind nicht so schmutzig, wie die Männlichkeit oft sein kann, Sie haben den Zauber der Keuschheit. Außerdem hat das für mich doch noch den Reiz, daß Sie nicht nur Freund und Kamerad, daß Sie Weib sind. Das hält vieles Rohe nieder, glauben Sie nur; das muß bei Ihnen außerdem in der Nasse liegen. Ich habe nämlich einen kolossalen Respekt vor Ihnen, ich denke mir oft, wie wunderbar es sein muß, eine feine Mutter oder eine feine Schwester zu haben." Und da er sah, wie eine leise Röte von Fridas Hals in ihr Gesicht fam, fügte er bei:„ Und noch eins.