-

446

berwalter. Diese Troddelei geht eben so weiter, wie das| Welt besaß und aus dem Schake eines besonders veranlagten Inne­mcifte bei uns. Man schimpft und feiner tut den Mund im ren Lebens zu schöpfen hatte. rechten Augenblick auf."

Wie steht's mit unserem Vergleich, Herr Kollege Fellner?"

Wir wollen doch die Sache endlich aus der Welt brin­gen." Und zwei von den Anwälten vertieften sich in ein Ge­spräch und hielten sich abseits.

Ein anderer Anwalt trat ein. Er lachte laut und bis dazwischen mit gutem Appetit in eine Frühstückssemmel. Haben Sie schen das neueste Stückchen von Kranz ge­hört, Kollege Werner?"

Was hat sich denn der Allgewaltige wieder geleistet?" Kollege Nathan war im Prozeß Mahrholz Offizialver­teidiger," erklärte der Anwalt und hängte den Talar an den Nagel. Landgerichtsdirektor Krank wollte nicht recht an einen Beweisantrag heran, den er stellte und lehnte kurzerhand den Antrag ab. Kollege Nathan verlangte einen Gerichtsbeschluß. Kranz wird ärgerlich, muß aber nachgeben. Der Beisiger, der lange Mühlmann, flüstert ihm etwas zu. Kranz blättert in den Akten und sagt zu Kollege Nathan: sch sehe eben aus den Akten, Sie sind ja nur Offizialverteidiger. Das wollen wir uns doch merken!" Ist das nicht köstlich? Echt Krank." Er lachte laut auf und pustete, daß die Semmelfrümchen um ihn herumflogen. Auch die anderen Anwälte lachten.

-

Der Mohrle.

Von Hermann Hesse .

( Forts. folgt.)

Wo gehen auch alle die Jahre hin? Manchmal, wenn ich an Sommerabenden unter meinem Pflaumenbaum size und auf die Sterne warte und höre drunten auf der Dorfstraße einen fleinen Buben pfeifen oder rufen, habe ich das Gefühl, es sei erst gestern gewesen, daß ich das Paradies der Zwölfjährigen verließ. Und dann denke ich an die tausend Abenteuer und Erlebnisse der Schulknaben­zeit und bin wieder erstaunt, wie ungeheuer viel man als Knabe erlebt. Wenn ich nur leise an das Gedächtnis jener Tage rühre, so stäuben ganze Wolken von Geschichten auf. Freilich, damals hatte man gut erleben, da war noch jeder Biz in ein Stüd Schwarzbrot und jeder Schluck Birnenmost und jede Nacht der feite Knabenschlaf ein Quell der Kraft, des Vergessens und der Erneuerung. Und wenn einem etwas Schlimmes dazwischen fam, so lief man zur Mutter, die legte ihre guten Hände auf den Schmerz und erzählte eine Geschichte und sanz ein Lied, und das tat mehr Wunder und war föstlicher und heilender, als für Erwachsene ein Aufenthalt am Meer oder eine Schweizerreise.

Als ich heute wieder einmal an jene Zeiten dachte, fiel mir der Mohrle auch wieder ein, dessen blasses Kindergesicht ich vergessen zu haben glaubte.

Bald aber umgab sich der Mohrle mit einem noch tieferen Ge­heimnis und entrüdte sich unserem Verständnis und Umgang noch völliger. Er sollte nicht die Enttäuschungen und unzähligen Leiden und Kümmernisse des arm geborenen Talents erleben. Er sollte auch nicht an jenen Scheideweg kommen, vor den jeder Künstler ein­mal gestellt wird, wo es zu wählen gibt zwischen Treue und Verrat, zwischen unschön erworbenem Geld und Kunst, Heirat und Kunst, Leben und Kunst, und wo viele abfallen. Das alles blieb ihm cr­spart.

Eines Tages fehlte der kleine Hermann Mohr in der Schule, anderen Tages fehlten auch seine beiden Brüder, und am dritten Tage hörte ich, daß er gestorben sei. Die Nachricht bewegte mich wunderlich.

Und dann redete ich auf der Gasse mit einem seiner Brüder, der erzählte mir noch viel von dem Kleinen, und schließlich fragte er mich, ob ich ihn sehen wolle. Ich erschraf, denn ich hatte noch nie einen Toten gesehen. Aber ich schämte mich meiner Befangenheit und hielt es für unfreundlich, nicht mitzukommen. So folgte ich denn Hermanns Bruder und hatte das Herz voll Grausen. Je mehr famer wurde mein Schritt und auf der steilen, schmalen Stiege be­wir uns dem Schlosserhause näherten, desto ängstlicher und lang­fiel mich ein erstidendes Herzklopfen. Wir traten beise in die Stube, wo die kleine Leiche aufgebettet lag.

Zum erstenmal in meinem jungen Leben stand ich vor einem Toten. Das schmächtige Körperchen sah unscheinbar und dürftig aus, dagegen lag auf dem weißen, schönen Knabengesichte die ganze grausame Größe des Todes. Die feinen alabasternen Schläfen, bläulich unterlaufen, und die Höhe der zarten Wangen hatten einen eigenen, kühl metallenen Schimmer, und die starren Hände sahen so fremd und so trostlos schwer aus, daß ich innerlich vor Grauen zitterte. Auf einem nahe stehenden Tische sah ich einige Zeichnungen liegen, deren Striche diese selben weißen Hände noch in den lezten Tagen gezogen hatten. Ich brachte es nicht über mich, die Blätter anzufassen, welche die unheimliche Macht aus des Knaben Händen genommen hatte. Auch fonnten meine findlichen Gedanken nicht die Rechnung ziehen, wie vielen Leiden und Entbehrungen dies Leben entronnen war. Ich sah nur den unbegreiflichen, harten Schnitt, der ein junges und lebenswertes Dasein scheinbar sinnlos zerstört hatte, und ich empfand diese Zerstörung als etwas Böses, Schauerliches und aufregend Grausames. Ein Knabe hat noch fein Verständnis für die feine Rechnung des Schicksals und sein Rätsel der Möglichkeiten und Ausgleichungen; noch weniger kann ein ge= sundes Kind sich den Tod als Erlöser denken. So erfüllte mich der Anblick meines toten Freundes mit einer bitteren, fast gehässigen Traurigkeit und einem verzweifelnden Staunen vor der unbegreif­lichen Macht und Grausamkeit des Schicksals.

wesen und hatte einen Menschen mit Augen gesehen, dessen Ring Immerhin war ich nun einmal Zuschauer dieses Schicksals ge= geschlossen und dessen Leben der Form enthoben war, und ich ging nicht von jenem Totenbettlein, ohne von dem Anblicke tief und un­vergeßlich berührt zu sein. Unmerklich fiel an diesem Tage ein Stück Kindheit von mir ab und flog eine frühe trübe Wolfe mir rein und selig über uns wölbt wie damals, da wir noch Kinder über den kristallenen Himmel des Lebens, der sich nie wieder so

waren.

Die Kölner Werkbundausstellung.

Er war kein Mohr, er hieß nur so Hermann Mohr. Sein Bater war, glaube ich, Schlosser und wohnte an der Ecke der Bad­gaffe in einem räucherigen, alten, steiltreppigen Hause. Der kleine Mohrle war mehrere Jahre jünger als ich, ein feines, sehr gartes Kind und gleich seinen älteren Brüdern helläugig und begabt. Namentlich tat er sich als Zeichner hervor, allerdings nicht in der Schule, denn der altmodische Betrieb unserer ländlichen kleinen Lateinschule gestattete nur den höheren Klassen den Lurus eines fümmerlichen Zeichenunterrichtes. Der Mohrle zeichnete an freien Nachmittagen vor seines Vaters Werfstätte im Freien oder bei Regenwetter in der Eckstube des ersten Stockwerkes meistens heroijche und phantastische Gegenstände, unter welchen ich mich besonders der fühnen Gestalt einer geharnischten Germania und einer male- samteindruck ist heute ein wesentlich besserer, und auch an guten risch wilden Waldruine erinnere.

Mein Schülerstolz verbot mir, mit dem so viel jüngeren Kleinen viel zu verfehren, dennoch liebte ich ihn und jah ihn gern mit Be­wunderung von fern an, wenn er so schmächtig und gebückt vor dem Hause saß und an einer Zeichnung strichelte oder irgendeine seiner vielen erfinderischen Arbeiten auf den Knien liegen hatte, etwa das Rad einer kleinen Hammermühle, den Rumpf eines Segelschiffes aus Rinde oder die Hülfe einer Schlüsselbüchse Er war meist zu Hause und meist allein. Während die anderen in Haufen durch die Gassen sprangen, spielten, lärmten und vielerlei Streiche und Schabernack trieben, führte der stille fleine Künstler abseits lächelnd Griffel, Hammer oder Messer zufrieden, fleißig und nachdenk­lich wie ein. Meister.

Zaweilen mochten seine Gedanken in die Zukunft gehen, und vielleicht war der fleine Knabe schon der schwärmerischen Wonne teilhaftig, welche in jungen Jahren dem Künstler seine noch un­erprobten Kräfte schenken, jenes berauschten Schwelgens in glänzen den Bildern einer rosenroten Zukunft. Ich selber sah in ihm immer einen zukünftigen Künstler oder Baumeister, während er schweig­sam, zufrieden und träumerisch in der Sonne unseres weltfernen Tales vor dem ärmlichen Hauswesen seines Vaters saß und zeich nete. Ich fühlte, daß dieser Kleine das Geheimnis einer fremden

ist sie soweit fertiggestellt, daß ein halbwegs zulängliches Urteil über Erst jetzt, vier Wochen etwa nach der Eröffnung der Ausstellung, werden kann. In diesen vier Wochen hat sich das Material der diesen Gewaltaufmarsch der deutschen Qualitätsarbeit abgegeben Ausstellung nicht nur gemehrt, es hat sich auch gesteigert. Der Ge­

Anfang Mai. Heute darf man sagen, daß die Hoffnungen, die auf Einzelheiten trifft man auch verhältnismäßig weit mehr, als zu die Kölner Demonstration gesetzt worden sind, nicht eitle waren: die Leistungsfähigkeit der deutschen Architektur, des deutschen Handwerks und der deutschen Feinindustrie ist an einer Fülle von Beispielen nachgewiesen.

nur fommen, wenn man die Ausstellungsgeschichte des Kunstgewerbes Zu einer rechten Beurteilung der Kölner Ausstellung fann man fennt, wie sie sich während der letzten fünfzehn Jahre ein wenig heftig abspielte. Mit Darmstadt 1901 begann es; einige wenige Künstler, Maler, Dichter und Phantasten, brannten auf der Mathildenhöhe ein revolutionäres Feuerwerk ab, pfeifende Raketen ließen sie steigen, um den Zusammenbruch der alten Museumsfünfte und das stürmische Heraufkommen des neuen Stils zu feiern. Die Aufregung, die solch feckes Experiment in die behäbigen Fachkreise brachte, war nicht gering; die Meister der Gilde meinten spottend, daß es sich um den Karneval einiger Artisten handele. Aber fünf Jahre später bewies die Dresdener Ausstellung deutlich, zeigte, daß jene ein wenig mystische Erregung von der Mathildenhöhe sich zu einer sehr bewußten Arbeitsmethode ausgewachsen hatte. Zwar schien noch immer der Künstler der alleinige Schöpfer des Neuen zu sein; noch überwogen die Individualitäten und deren oft seltsame Gelüfte.