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Aber die Tendenz zur Verallgemeinerung der neuen Grundsäge von zu steigern, belehrt. Kurz, diese Farbenschau ist eine recht luftige der sachlichen, zweckmäßigen, materialgerechten und technisch einwand- Schulmeisterei; leider geriet auch das Haus ein wenig magifterlich, freien Schönheit machte sich bereits allenthalben spürbar. Es Muthesius , den man aufrichtig einen Präzeptor der Deutschen nennen bedurfte nur noch einiger wirtschaftlicher Erkenntnisse und kann, dessen Landhäuser die Villa töteten, leidet wie so mancher an einiger praktischer Erfahrungen, 11111 aus dem Kunstgewerbe einer falschen Sehnsucht: er möchte monumental sein. Das hat er

der Propheten die Qualitätsarbeit der zur Selbstbesinnung nun aber eigentlich gar nicht nötig; denn er ist tüchtig. gekommenen Fachleute sich entwickeln zu lassen. Die Welt- Neben diesen pädagogischen Begabungen treffen wir in Köln ausstellung in Brüssel ließ zum erstenmal es deutlich erkennen, daß die historischen Jongleure, geschickte, bis zum Raffinement es sich bei diesem Herauskommen einer neuen Formensprache und flügelnde, zuweilen aber auch plumpe Mischer von Säulen und eines neuen Wertgefühls nicht bloß um eine Koketterie einzelner Bilastern, von Gesimsen und Ornamenten früherer Zeiten. Zu den Handele. In Brüssel stand Deutschland gegen Frankreich ; die plumpen gehört der Kölner Morig. Er bombastete ein torartiges Tyrannei der Pariser Mode bekam einen entscheidenden Stoß. Der Gebäude( in dem die Verwaltungsgebäude untergebracht sind) aus neue Stil wollte nicht mehr die Befriedigung einiger gezählter Aestheten ägyptischen Erinnerungen. Das eigentliche Kölner Haus ist gleich­sein; er beanspruchte die Herrschaft auf dem Weltmarkt. Es war falls ein Aufguß aus verstaubten Resten. Auch das Teehaus, nur selbstverständlich, daß alsbald der Wunsch aufsprang, nun einmal das Wilhelm Kreis auf der Plattform einer alten Baftion umfassend und alle Gebiete durchmusternd, zu zeigen: wie weite spielen läßt, ist hier zu nennen, wenngleich es architektonisch manche Kreise der deutschen Produzenten, der Architekten, der Möbelbauer Feinheit aufzuweisen hat und die Faust eines Bildners verrät. Auf­und der Gerätebildner, bereits von dem Jdeal der schönen Qualitäts- fallend schwächlich gerieten diesmal die Bauten Bruno Bauls; arbeit ergriffen seien. Aus solcher Absicht heraus wurde der Plan sie wirken dünn. Paul bekam die großen Restaurationen zugewiesen; der Kölner Werkbundausstellung geboren; im Deutschen Werkbund davon wollte er das Weinhaus besonders festlich gestalten, es geriet hatten sich die Freunde solider und schöner Arbeitsleistung zu ihm aber nur gespreizt. fammengefunden. So wollten sie nun beweisen, daß die neuen Architektonisch start wirken nur wenige Bauten. Die große Fest­Forderungen der Warenethit bereits allgemein gültig wurden. halle, die Peter Behrens schuf, vermag durch ihre Hauptfront Bringt nun die Werkbundausstellung die Erfüllung solch stolzen nicht zu fesseln; überzeugend und in ihrer fubischen Bucht be Programms? Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. An zwingend aber ist die Rüdseite. Im Innern gar verdient diese Halle dem Inhalt der französischen Hallen von Brüssel und Gent ge- hohes Lob. Sie ist von einer ganz absonderlichen Helligkeit; man messen, ist das, was es in Köln zu sehen gibt, eine beachtenswerte sieht faum irgendwelche Fläche, nur raumgliederndes Rahmenwerk, Aeußerung von Solidität, Charakter und Geschmack. Das Meiste ist und auch dieses wirkt beinahe unmateriell. Solcher Eindruck des auch wesentlich wertvoller als etwa das, was die Leipziger Messe zu fubisch eingefangenen und architektonisierten Lichtes ist ungemein bringen pflegt. Man fann getrost sagen, daß die Werkbuydaus festlich. Der Behrens- Halle gegenüber, von ihr durch die Breite des stellung wirklich das Beste zeigt von allem, was Deutschland an Hauptforums getrennt, steht das österreichsche Haus, das Möbeln, Geweben, Keramiken, Metallwaren, Büchern, Gebrauchs Josef Hoffmann baute. Wir erleben eine sehr kapriziöse, aber graphit oder Tapeten produziert. Indessen, nicht minder deutlich muß fristallflare Architektonik. Zunächst mag man nur das Ungewöhne man bekennen, daß eine so große Ausstellung wie diese Kölner dem liche der Form wahrnehmen; bald aber spürt man das gefühlvolle Jdeal der Qualitätsware noch nicht zu genügen vermag. Wir sind noch Leben dieser Maße und Verhältnisse. Für Hoffmann bedeutet ein nicht am Ziel. Der gute Geschmack wurde noch nicht so selbstverständlich, Minimum die Entscheidung; solch Fanatismus war von jeher daß er automatisch alles unzulängliche abstößt. Unter den Keramiken zum das Wahrzeichen der großen Kunst. Sehr schön ist auch der Hof Beispiel findet sich vieles, was einfach schlecht ist, so etwa die an in diesem österreichischen Haus; abstrakt und doch sinnlich, gestaltete Wellpappe erinnernden Gefäße der Weltener Industrie, oder ihn Oskar Strnad .

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manche, ein wenig gar zu jugendstilige Porzellane dieser und jener Eine ganz andere Natur, aber gleichfalls ein Künstler ist Van Manufaktur. Auch unter den Metallgeräten gibt es vieles Unzu- de Velde, der das Theater baute. Seine Absicht geht dahin, längliches, so die Galanteriewaren von Oberle. Das alles aber die tektonischen Kräfte, die rege werden müssen, um aus dem une fann den Gesamteindruck nicht wesentlich antasten, daß die Werk- endlichen Raum einen gegrenzten abzusondern, sichtbar zu machen. bundausstellung einen ergiebigen Ueberblick über den Stand der Man soll fühlen, wie die Mauern umfassen, wie sie sich emporreden, deutschen Qualitätsarbeit gewährt und damit eine entscheidende um im Zenith zusammenzugreifen, wie das Dach sich herabsenft, wie Etappe innerhalb der Entwickelung der qualifizierten Produktion be- die Tür sich öffnet. Man soll dies alles als eine Sinfonie und als deutet. Solche Erkenntnis wird besonders wichtig, wenn man sich etwas stetig Lebendiges empfinden. Kunst ist Blut und Nerven: das darauf besinnt, daß zur Hervorbringung dieser vielfältigen Leistungen ist das Geheimnis, das uns Van de Velde auch diesmal offenbart. ein Heer von Qualitätshelfern notwendig war. Die Werkbund Das Innere des genialen Baues läßt sich noch nicht ganz be­ausstellung beweist das Dasein des Qualitätsarbeiters. urteilen; es wird das Bühnenbild, weil die Bühne breiter ist Die Wandlung, die sich vollziehen mußte, ivenn dem fecken Abenteuer als der Zuschauerraum, ungewöhnlich erhaben, fern und doch der Künstler der dauernde Bestand des neu eroberten Qualitäts- nah wirten. Neben dem Theater des germanisierten ideals folgen sollte, hat sich vollzogen. War Darmstadt ein Anfang, Belgiers verdient die Fabrit, die Gropius( einer aus dem so ist Köln ein Abschluß. Nachwuchs) baute, besondere Aufmerksamkeit. Ihr strenger und flarer Rhythmus ist eine Verkündigung des Eisernen . Das Kontor haus, das der begabte Architekt vor die langgestreckte Fabrikhalle Auch sonst entscheidet sich einiges auf der Kölner Ausstellung: stellte, und das neben dem Veldetheater und dem Haus der Frau die mehr pädagogischen Talente trennen sich unverkennbar von den das fleinere Forum abgrenzt, ist weniger gelungen; es wirft zu ab­eigentlich fünstlerischen. Die geschickten Begabungen, denen es mög- sichtlich. Die gläsernen Treppentürme, die an den beiden Ecken der lich ist, mit alten Elementen neues aufzuführen, fönnen von den fenfrecht gestrafften Fassade stehen, verblüffen mehr, als daß sie eigentlich schöpferischen Genialitäten deutlich geschieden werden. Zu überzeugten. Immerhir, Gropius gehört zu den produktiven Künste solcher reinlichen Sonderung hilst an erster Stelle die Hallen lern; zu ihnen zählen auch Obrist, Endell und Thorn- Prifter. Bon architektur, wie sie von den verschiedenen Meistern geleistet brist treffen wir zwei seiner plastisch lebenden Brunnen. wurde. Die große Haupthalle hat Theodor Fischer Endell schnitt eine Raumfolge mit geometrischem Instinkt aufgestellt; er hatte dabei eine besondere Schwierigkeit zu über- aus dem Unbegrenzten. Thorn Briffer organisierte winden: die Fassade kam höher zu stehen als der eigentliche Hallen- Glasfenster, von denen Ströme glühender Mystik aus­förper. Die Fassade mußte nämlich auf dem sogenannten Hochflut gehen. Diese Fenster, die für eine Kirche in Neuß bestimmt damm errichtet werden; die Hallenräume entwickeln sich jenseits des waren, von dem Fürstbischof aber als" modern" in die Acht Dammes. Kommt man nun vom Rhein her, wie die Gesamt­anlage der Ausstellung das notwendig macht, so empfindet man die Fassade der Fischerschen Halle als einen Abschluß, aber nicht als die Borderseite eines sich tief und groß erstreckenden Störpers. Ein pein­licher Eindruck. Dazu kommt, daß die Teilung der langen Front, der langen, durch drei Freitreppen zugänglichen Vorhalle, langweilig und wenig eigenartig ist. Man muß schon sagen, daß Theodor Fischer , der zu den Aposteln der neuen Gesinnung gehört, diesmal arg versagte. An der Rückwand der Wandelhalle find Bilder der Hölzel schule angebracht, sehr problematische Konstruktionen aus Menschen leibern. Das Schicksal der Fischerschen Halle teilt, wenn auch ge­ringeren Grades, die Halle, die Hermann Muthesius baute. Sie enthält die Farbenschau, eine erzieherisch gut gedachte, vielleicht aber ein wenig zu spät kommende Pregißt vom Reichtum der Welt an roten und blauen, gelben und violetten Sensationen. Man sieht die mannigfaltigsten Tonleitern durch das Gefieder von Vögeln, durch Schmetterlingsflügel und Käferdecken erwirkt; man genießt die Harmonien, die aus Blütenfronen hervorbrechen; man er­fährt, in wie hohem Maße der Mensch bei der Farbenbestimmung seiner Gebilde sich von natürlichen Vorbildern leiten läßt. Auch über die Bedeutung der chemischen Farben wird man in diesem Hause unter richtet; man lieft, daß eine dieser Fabriken, die aus Steinkohle tausendfache Buntheit hervorzaubern, elftausend Angestellte hat. Man wird auch über die Versuche, die Lichtechtheit der künstlichen Farben

getan wurden, sind in Köln in einem eigenen Hause zur Schau gestellt. Wie ein feuriger Teppich, die Legenden, die das Thema bilden, in heißer Erregung umfegend, sind diese Glasbilder zugleich eine Aeußerung fünstlerischer Zeugungsmacht, zugleich ein ehrenvolles Dokument handwerklicher Vollkommenheit. Gottfried Heinersdorff heißt der Glasermeister.

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Das Gelände, auf dem die Werkbundausstellung aufgebaut ist, breitet sich am Ufer des Rheins aus. Drüben ragt die klassische Silhouette der Stadt; als mannhafte Zeugen der alten Kunst heben sich die Türme der romanischen Kirchen. Der gothische Dom, eine schematische Nachgeburt, wirkt, wenn die melodiösen Luft­trübungen ihn unbestimmt erscheinen lassen, mit geheimnis­voller Größe. Das strömende Wasser des weit ausladenden Flusses wird von rauschenden Dampfern aufgerissen; das heftige Leben des Industriegebietes stößt dauernd vorüber. Die Wertbundausstellung hatte es nicht schwer, eine bezwingende Gesamtwirkung zu erreichen. Wenn man heute ihre breiten Straßen und Plätze, wie sie der Kölner Stadtbaumeister Rehorst bestimmte, abschreitet, und dann bedenkt, daß die Idee, der sie zur Demonstration verhilft, erst knapp zwanzig Jahre lebt, so muß man zuversichtlich auf die weitere Entwickelung des D. W. B.- Programmes, der schönen Qualitäts­arbeit und der zeitlich belebten Form, verirauen.

Robert Breuer .