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schelten die Männer laut, und alles zerrt an dem Baune und nichts nach den Sakramenten feiner Diener. Sechshundert will hinein, und wie wilde Tiere starren sie zwischen den Stäben nach dem Saal. Auf einem der kleinen Kohlenwagen war ich nie­dergebrochen, weinte in mich hinein: Dein Vater ist tot, und so entstellt! Mutter, um Gott, Mutter...

Und nun gingen die Förderkörbe Herauf, hinunter, immer wieder, und immer brachten sie Tote und Verstümmelle, und jedesmal schrie das Volk draußen vor den Toren, und es schrie so eft, daß ihm zuletzt die Brust schmerzte und feinen Hauch mehr gab. Da standen sie mit aufgeriffenen Augen, mit schmerzvollen Zügen und Gebärden und harrten der Stunde, daß sie eingelassen würden, dort die lange Reihe abzugehen: ihre Angehörigen zu suchen, den Vater, den Sohn, den Bruder..

Decken wurden gebracht, um die Toten zu betten. Schon war der Saal gefüllt, man mußte sie im Freien hinlegen, einen neben den andern. Und die Sonne brannte auf dies grauenvolle Bild menschlichen Elends und der fürchterlichsten Verwüstung. Ich war die Reihen abgegangen, meinen Vater konnte ich in feinem er­kennen, wer sollte da jemand erkennen! Die Tore öffneten sich, die Polizei hielt den Menschenstrom in Ordnung, daß sie an den Reihen der Toten vorbeigehen konnten. Und da schrien sie wieder, als sie die verkohlten Menschenleiber daliegen sahen, und mit Grauen begannen sie das Suchen nach den Angehörigen.

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Menschen nahm er auf einmal, ohne Beichte, ohne Kommunion. ohne letzte Delung. Er nahm alt und jung, nahm Vater und Sohn, Katholik und Protestant, und nahm Mensch und Pferd....

So regte er die Menschen auf, und in manchen Augen sah ic eine Gotteswut und einen Gotteshohn aufleuchten, daß ich fürchtete, es käme hier zu einer Katastrophe. Ein Polizist näherte sich, um den Burschen zur Ruhe zu bringen. Während sich alles um ihn drängte, zupfte mich jemand am Arm und fragte, ob ich der Sohn des Steigers Lohmann sei. Ein alter Bergmann, mit dem trübiveißen Gesicht voll blauer Pulverflecke, sah mich traurig an: eben sei mein Vater gebracht worden. Ich lief sofort zur Grube, nach der Stelle, wo die erkannten Leichen aufgebahrt wurden. Schon regten sich dort die Hände einfältiger Liebe, den Toten Schmuck zu streuen auf das letzte Erdenlager; ein ver­flärter Schmerz wandelte mit Teisem Schluchzen von Lager zu Lager. Ueber den Toten schimmerten die weißen Schildchen, eine Nummer darauf: sie waren zu einer Nummer geworden für die Zeit, da sich noch die Menschen um sie fümmerten.

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Ich stand vor einer Bahre: Das ist er, hörte ich jemand sagen. Ja, da lag er, bleich, von Kohlenstaub beschmußt, nicht so sche verbrannt, ich erkannte ihn. Ich wollte mich ermannen, aber das Elend dieses Tages hatte mich so zermürbt, daß schon der geringste eigene Schmerz mir die Augen mit Tränen füllen mußte. Und hier lag mein Vater, so weinte ich in meine Hand. Als wäre ich von allem Leben abgeschnitten, kam es mir vor. Der Vater war

tot....

Ich ging noch einmal die Reihen durch; da stand ich vor einem Leichnam: das könnte Vater sein! Mit innerem Entsetzen betrachtete ich den Toten. Neben mir standen Frauen, die eine mit zwei Kinderchen auf dem Arm- sie mußte sie mitnehmen, es blieb ja niemand im Dorf- und sie mußte den Mann suchen. Ich wurde plötzlich aufgeschreckt durch einen Disput zu meiner Eine Bahre voller Toten wurde gerade niedergestellt. Da schrie Seite. Dort hatte eine alte Frau ihren Sohn gebettet und weinte das Weib auf: Das ist er! und sie schrie so entseßlich, daß den um den einzigen Ernährer. Ein junges Weib war vorbeigekommen Menschen die Seelen erstarrten. Ich sah zu ihr hin, sie griff nach und rief plöblich:" Da liegt ja mein Mann!" Die Alte glotte cinem verkohlten Menschenkörper, nichts war mehr zu erkennen, ihr verständnislos zu:" Das ist mein Josef!" Die andere wurde einige Kleiderfetzen hingen herum. An einem Strumpf, den sie ungeduldig und rief, es sei ihr Mann, sie fenne seine Kleider an fürzlich gestopft, erkannte sie ihren Gatten. Sie ließ die Kinder den Feßen. Sie fuhr in den Klumpen hinein, wo die Tasche saß, zur Erde, wollte sich über den Toten werfen, aber der Schauder 30g ein Meffer heraus, zeigte es der Alten: ob das ihres Josefs Messer. vor diesem scharfen Geruch des verbrannten Menschenfleisches Die schüttelte den Kopf.  - Aber ihres Mannes Meffer ließ sie zurückfahren. Hier stockte die Gattenliebe. Was in junger sei es. Da nahm die Alte die Decken und Tücher weg, sah noch Kraft das Weib umarmt hatte, lag ein Haufen Kohle vor ihr, in einmal das verkohlte Gesicht an, das fremde, das sie solange mit nichts unterschieden von einem verbrannten Holzstamm. Tränen benetzt hatte, und sie ging von neuem auf die Suche nach In mir fuhr es auf: und das soll deine Mutter erleben? ihrem Sohn, dem einzigen. Das junge Weib aber gab in Harten Nein! Ich durchlief die Reihen der Menschen. Sie ist nicht Worten ihre Anordnungen, ohne auch nur eine Träne vergossen unter ihnen. Vors Tor kam ich, da standen die Geistlichen unter zu haben. Erst als ihr Mann als solcher aufgezeichnet, und sie der Menge und sprachen dem Jammer Trost und christliche ihn mit Tüchern gebahrt hatte, stellte sie sich vor die Leiche, als Mahnung zu. Das laute Klagen wurde zum Weinen, bis es handele sie nach einer Vorschrift, betete und weinte und schlug das sich vor der Reihe drüben wieder aufbäumte zu einem erschüttern- Kreuz über den Toten.

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den Schrei. Meine Mutter wankte daher, auf ihre beiden Knaben Durch den Saal leuchteten Kerzen auf, Katholiken zündeten gestützt. Ich lief zu ihr, sagte, sie solle nicht nach der Grube gehen, fie am Totenbett ihrer Angehörigen an, und der gelbe Schimmer es fei entfeblich. Die Hoffnung glaubte ich ihr geben zu müssen, huschte gespenstisch über die schwarzen verkohlten Gefichter der Bater könne sich in einen Nebenstollen gerettet haben; die Grube Toten. Und das Beten und das Gemurmel der vielen Menschen brenne nicht. Sie sah mich fassungslos an:" Ich will meinen fand sich zusammen, glitt schauerlich durch den Raum. Von Georg!" Mir schwoll der Gedante: wahnsinnig? Wit guten draußen aber drang von Zeit zu Zeit ein neuer Aufschrei durch Worten überredete ich sie, in dem nahen Hause eines uns bekannten die Fenster zu uns herein: jemand hat seinen Toten erkannt! Steigers zu warten, bis ich Nachricht über den Vater wüßte. Der Förderkorb rasselte immer noch hinunter und brachte Tote Ich geleitete sie zu den Leuten, deren Vater selbst nub durch eine herauf, aus der Kammer des Grausens. leine Unpünktlichkeit dem Tode entgangen war. Da saß nun meine Mutter und starrte aus dem Fenster, auf den Play, wo man ihren Georg in die Reihen der Verbrannten fegte...

Wer war schuld? Die Leichen blieben stumm, sie berichteten Auch der Bergmann, der vor nur: Entseßliches ist geschehen! der Einfahrt die Strecke befahren mußte, um die Wetter festzus stellen, hatte sein Leben gelassen.

dalagen.

Als ich wieder nach der Grube kam, wurde ich durch eine er­Die Nacht tam, die Menschen verliefen sich und trugen das regte Auseinandersetzung aufgehalten. Eine Stimme stach aus Weh über die ganze Landschaft, wie eine ungeheure Welle. An dem Menschenknäuel. Ich ging näher und sah einen fanatischen Simmel stürmten die flobigen Wolfen einer Regennacht. Nichts Burschen unter aufgeregten Arbeitern heftig gestikulieren. Er sprach zu einem Pfarrer hinüber, höhnte ihn: Wo denn der liebe hatte sich in der Natur verändert, alles ging dort seinen Gang. Gott der Barmherzigkeit gerade seine Aufmerksamkeit gehabt, als pochten noch die sechshundert Herzen, die nun tot und still daß er Tausende seiner Kinder mit einem Schlage dem Glend Jm Saale glofte das Gaslicht, die Kerzen blinkten. Männer preisgab. Und warum das? Ob aller Schuld? Ja, das sage in der erdschwarzen Knappentracht, die Bergmannsstöcke mit dem drüben der Pfaffe von dem andern Glauben, der katholische! Der rechne den armen Menschen ihre Schuld vor, die der liebe Gott Messingschlägel in der Hand, hielten die Totenwacht. Wacht in sein Buch eingeschrieben; die wurde nun mit einem Male mem? Den verbrannten Knochen und Fleischstücken, die morgen einkassiert. Was gelten dem die unschuldigen Kinderaugen, die nicht mehr sein werden als Grund und Erde. zu ihm auffragen: Warum nahm uns der liebe Gott unsern Vater? Ja, der weiß Antwort, der Seelenhirt: mit einem Wort schlägt er die törichte Frage tot: Gottes Wille! Nun tragt euern Schmerz nach Haus, und wenn ihr die Arme gen Himmel werft, mit wilden Klagen den Himmel bestürmen wollt,

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grabe nieder... Die Seilscheiben über dem Förderschacht liefen Einige Tage danach sank der Schmerz an dem großen Massena wieder, und die Schale brachte neue Menschen in die Tiefe, neue Pferde... Das Leben holperte seinen Gang weiter.

daß er euch das Liebste unwiederbringlich geraubt, so schlagt euren Aus der Werkstatt der Flugzeugbauer.

Von R. Wold t.

Schmerz nieder mit dem Poch auf die Brust: Herr, dein Wille geschehe!- O, des Herren Wille geschehe ohne das Amt des Himmelsvermittlers. Da drüben huschten die schwarzen Kaplans­Der Kapitalismus   hat die Findigkeit, sich solchen Erfindungen röcke   durch die Reihen, ob sie nicht bei einem noch ein Fünfchen zuzuwenden, bei deren Verwirklichung ein Geschäft herausspringt. Leben fänden, daß sie mit ihrem Sakramente den Todesweg er- So gegenwärtig der Anfertigung der Flugzeuge. Die wichtigsten leichtern könnten. Nein, der Gott machte glatte Arbeit, er fragtel technischen Erfindungen der letzten Jahre, die Vorarbeiten und