Unter Dunant » Einfluß berief die gemeinnützige Gesell' schast seiner Buterstadt Genf zunächst eine internationale Vereinigung Nrivaten Charakters(26. Oktober 1863), die als .Genfer Konferenz" bekannt geblieben ist. Diese stellte die Grundsätze znr.Verbessernng des LoseS der im Kriege verwundeten Militärs" auf, die vor just S0 Jahren den Beratungen des offiziellen internationalen Kongresses(8. 21. August 1864) als Grundlage dienten. Die Veschlnsse deS letzteren bilden die.Genfer Konvention ". Dieser Kongreß lvar von 41 Staaten beschickt, unter denen auch Preußen nicht fehlte, das eben erst bei Düppel, auf engem Raum vereinigt, ein Schreckbild deS Krieges heraufbeschworen hatte. Als Zeichen der Reulralitö.t wurde das Rote Kreuz im weißen Felde eingeführt. Es ist bekanntlich von fast allen Staaten, auch von Japan , akzeptiert. Nur haben statt des Kreuzes die Türkei den .Roten Halbmond" und Persien denRoten Löwen". Die erste Genfer Konvention vor 66 Jahren konnte natürlich nichts BollkoinmeneS schaffen, vor allem hatte der Seekrieg in ihr keine Berücksichtigung gefunden. Ein entsprechender Zusatz von 1363 wurde niemals ratifiziert. Wandel in dieser Beziehnng schafften erst die Haager Friedenskonferenzen. Ein zweitersKongreß in Gens 1866 baute die erste Genfer Konvention weiter ans. Auf diesem waren 36 Staaten vertreten, von denen 36 die erweiteren Beschlüsse als« bald unterschrieben. Dunant wurde übrigen? 18gt durch den Nobel- Friedenspreis ausgezeichnet. Er war im Jahre 1828 geboren und ist 1916 zu Heiden (Appenzell ) gestorben.

Kleines Feuilleton. «Völkerkunde. Vom belgischen Nachbarn. Kein zweites Land Europas hat geschichtlich so wechselnde Schicksale erlebt wie Belgien . Lange ein Teil des großen alten Reiches, wird es im 16. Jahrhundert das Kernland im Burgund KarlS des Kühnen, das einen der glänz« vollsten Kulturnüttelpunkte deS damaligen Europas bildete. Dann habSburgisch und spanisch und wieder österreichisch und in französi« scher Hand und mit Holland vereinigt, und endlich, seit nunmehr 80 Jahren, jener selbständige Staat, den wir kennen. Und an dem Volke, das an Maas und Scheide wohnt, sind diese ungeheuren ( geschichtlichen Schicksale«no Wandelungen natürlich nicht purlos vorübergegangen. Immer ist dieses große Durch- gangsland ein Treffpunkt der Völker und Raffen ge- Wesen; keltische« und germanisches Blut hat sich schon von alter« her gemischt; später kam der Spanier ins Land und hat dem belgischen Volkstum einen starken Tropfen beigemischt, und auch die Franzosen haben an der Zusammensetzung der Bevölkerung ihren reichen Anteil gehabt.... So ist wohl am Ende eine po« litische Nation, nicht aber ein geschlossenes Volkstum ent- standen, nnd zwiespältig ist in seiner Zusammensetzung das belgische Volk bis auf den heutigen Tag geblieben. Denn rn den wallonischen Provinzen Lüttich und Namur und im ganzen und großen auch in Brabant ist die Bevölkerung schon seit langem welsch geworden. Freilich ist das alte Brabant im Grunde schon zu den Mischbezirken zu rechnen, da das niedere Volk hier noch immer an seinem alten Vlämisch festhält, und in dem übrigen Teile Belgien « spielt diese germanische Sprache nach wie vor beim Volke die Hauptrolle. Wunderlich genug ist ja die Schichtung des germanischen und Ivelschen Wesens, wie die wilden Stürme der Ge- schichte sie hier schließlich verrichtet haben, denn während die durch und durch verwelschten Provinzen Belgiens uns zunächst liegen, sitzt gegen Westen, gegen Frankreich hin, noch inrmer dicht ge- drängt, zähe und beharrlich, das alte Vlamentum. Flandern längs der ganzen Küste»rit Antwerpen hat sich hier gerade mit am reinsten den vlämischen Charakter erhallen, und eS reicht die vlämische Sprache selbst noch ziemlich tief nach Frankreich hinein. In Lille , der französischen Festung, deren vlämischer Name Nhssel lautet, ist vlämisch noch heute die eigentliche Volkssprackie, und das gleiche gilt noch weithin über die politische Grenze hinaus für die Fischer- bevölkerung an Frankreichs Noobkiiste. Eine vlämische Bewegung bat längst in Belgien eingesetzt, die geistigen Anschluß an Deutschlano suchte und die bei uns Verständnis und Sympathie gefunden hat. Doch darf diese Erscheinung nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Belgiertum im ganzen durchaus die Richtung nach dem Welschen genominen hat. Auch haben die Belgier aus ihrem Herzen nie eine Mördergrube gemacht und ihre Vorliebe für Frankreich und die französische Kultur stets offen bekannt. Ihre kulturellen Beziehungen zu Deutschland haben sich aber dennoch in den Jahrzehnten des Frieden? entwickelt; beläuft sich doch die Zahl der in Antwerpen ansässigen Reichs- deutschen auf viele Zehntauscnde, die der Brüsseler Deutschen auf günszehntauscnd! In dem belgischen Volte, desien hohe Begabung übrigens Kunst und Wissenschaft hundertfällig erwiesen haben, lebt ein Hang zum reiche» vollen Lebensgenüsse. Beim Blamen äußert sich die Lebenslust derber, sozusagenin Holzschuhen"; der franzö- sierte Belgier dagegen ist für dieFrivolität", d. h. für die Fein- heit des französischen Stile» empfänglich, und Belgiens Hauptstadt genießt den Ruf, zu Europa ? sittenlo'msten Städten zu zählen. vcrantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Druck u. Verlag

AuS dem Tierreiche. Die Farbenblindheit der Bienen. Die Besucher, die während der letzten Monate als Naturfreunde daS Aquarium und das Jnsektarium der Reichshauptstadt besuchten, haben gewiß, so schreibt Dr. Wilhelm Berndt in der WochenschriftUeber Land und Meer", an den dort kunstvoll errichteten Bienenstöcken die farbigen Flugbretter wahrgenommen, die den kleinen Völkern das Zurück« finden in ihr Heim ermöglichen und erleichtern sollen. Nicht wenige Naturforscher waren bisher der Ansicht, daß daS Farbcnschen im Leben der Bienen eine wichtige Rolle spielt, daß die kleinen wunder- baren Staatenbildner eine genaue Wahrnehmung der Farbe besitzen und eine ziemlich hochentwickelte.Gedächtniserinnerung" ihrer Färb- eindrücke. Es wurde angenommen, daß die Farbe der Blume den Bienen ein fast unentbehrlicher Wegweiser sei. Ja. sogar so ausgeprägt sollte der spezifische Farbensinn der Bienen sein, daß man es für möglich hielt, sie auf bestimmte Farben zudressieren", sie an blau, rot usw. gefärbte Honigschalen und daher auch an Ein« und AuSflugbretter von bestimmter Farbengebung fest zu gewöhnen. Mannigfache Ex- perimcnte schienen das zu bestätigen, und der Niederschlag dieser Beobachtungen ist die Einrichtung der Musterbienenkörbe im Berliner Jnsektarium. Leider scheint nun die nüchterne Forschung den Natur« enthusiasten eine kleine Enttäuschung bereiten zu wollen. C. Heß will durch einwandfreie Versuche festgestellt haben, daß alle Be- hanptungen über ein Farbensehen der Bienen, über ihre Fähigkeit, sich an Farben zuerinnern", und damit auch über jene Dressurfähigkeit auf mannigfache Versuchs- und Beobachtungsfehler zurückgehen. Heß behauptet, daß die Bienen ebenso wenig Farben sehen wie ein völlig farbenblinder Mensch. Damit kommt die alte Theorie inS Schwanken, nach der die Blüten- färben zum Jnsektenbesuch in engster Beziehung stehen. Freilich, man wird die wertvollen Ausführungen de? gelehrten Forschers zur Kenntnis nehmen, ohne sich alle Schlußfolgerungen sofort anzu« eignen. Wären die Bienen völlig farbenblind, so müßten wir ihnen ein ungeheures Formengedächtniö zutrauen, schon deswegen, weil das Finden des oft ungeheuer weiten und komplizierten WegeS von und zur Nahrungsquelle doch wesentlich mit dem Gesichtssinn bewerkstelligt werden muß. Fliegen doch z. B., wie Dr. Berndt ausführt, die Hummeln rückwärts vom Stocke an, damit sich ihnen für die Rückkehr das richtige Ortsbild einprägt. Auch der Geruchssinn der Bienen birgt noch manche Probleme. Forcl hatte den Bienen ein feines Geruchsvermögen abgesprochen, da sie eine mit Gaze bedeckte Honigschale nicht besuchten. Nach den neuesten Forschungen E. Zanders scheint sich hier jedoch ein kleiner Beobachtungsfehler eingeschlichen zu haben. Nur in den nahrungs« reichsten Perioden, wenn da draußen blühende Blumen in Fülle zur Verfügung standen, verschmähten die Bienen daS bedeckte Kunstfutter oder beachteten es kaum; in kargeren Zeiten aber versuchten sie stets, aus der angebotenen Nahrungsquelle zu schöpfen, selbst wenn diese durch Bedecken mit grünem Stoff so wenig augenfällig wie möglich gemacht war. Hiernach werden die Bienen auch loesentlich von chemischen Wahrnehmungen geleitet und der Blütenbesuch ohne eigentlich» Farbenwahrnehmung erscheint doch nicht ganz unmöglich. Meteorologisches. Die Saugwirkung eines Wirbel st urms. Heftige Winde üben nicht immer nur Stöße aus, sondern zuweilen auch eine Saugwirkung. An die Stelle eines Winddrucks tritt dann also ein Windzug. Es läßt sich von vornherein annehmen, daß diese Tatsache am deutlichsten bei eigentlichen Wirbelstürmen hervortreten wird. Die Beobachtung ist schwierig, da beim Hereinbrechen eines Tornados nicht viele Leute dazu imstande sein werden, ihre Auf- merksamkeit mit genügender Ruhe und Schärfe auf alle Einzelheiten zu richten. Hervorragende Meteorologen haben denn auch die Möglichkeit einer Saugwirkung des Winde? ganz ab- gestritten. Dr. Bloche veröffentlicht jetzt in derGeographie" einen Aufsatz, der diesen Vorgang dennoch zu beweisen scheint. Bor Jahresfrist wurde der Westen der Vereinigten Staaten von der pazifischen Küste bis nach den großen Seen hin von einem Zytlou durchzogen, dessen Eigentümlichkeiten und Wirkungen eine nngewöhnlich sorgfältige Nachforschung erfahren haben. Aus dieser ging zunächst die bemerkenswerte Tatsache hervor, daß dieser Zyklon auf beiden Seiten von fünf für sich ausgeprägten Wirbelstürmen von der Gattung der Tornados begleitet wurde. Die Wirbel be- wegten sich sämtlich in parallelen Bahnen von SW nach NO mit einer Geschwindigkeit von 86166 Kilometern in der Stunde, also mit Schnellzugsgeschwindigkeit, und in Abständen von 16 46 Kilometern voneinander. Man konnte ihre Annäherung deutlich sehen und zwar in der Form fast senkrechter Zylinder, deren unteres Ende den Boden zu berühren schien. Die Breite wurde auf 466866 Meter geschätzt oder vielmehr festgestellt, da sie sich durch die Verwüstungen an der Erdoberfläche genau ermitteln ließ. Diese bestanden in der Ent- lvurzelung von Bäumen, der Zerstörung sowie Versetzung von Häusern und anderen Gegenständen, und glichen etwa den Folgen einer gewaltsamen Ueberschwemmung. Der Tornado von Omaha kostete 166 Menschen da? Leben. Das Auftreten einer Saugwirkung im Inner» dieser Wirbelstürnre ist unwiderleglich erwiesen worden durch die Bahnen, die manche der von der Luftbewegung ergriffenen Gegenstände zurücklegten. Die Geschwindigkeit der Luftbewegung muß an manchen Stellen zwischen 366 nnd 666 Kilometer in der Stunde betragen haben._ Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul Singer«rEo.. Berlin SW.