Nr. 174.- 1914.
Neben
Unterhaltungsblatt des Vorwärts freitag, 4. September.
den Schlachten.
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offizier, der gerade daherkommt, ruft wohl, als er den Titel erblickt, im gewohnten Vorgesetztenton: Vorwärts" boten! Wir teilen ihm jedoch mit, daß in Deutschland das Bahnhofsverbot für das Blatt sowie das Militärverbot für Gewertschaftshäuser aufgehoben sei, und er findet ohne weiteres selbst, daß in der gegebenen Situation die alte Regel feine Geltung habe.
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Vaterlands- Lieder.
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Im Kunstwart" stellt Wilhelm Stapel die patriotische Chrif bon 1813 und 1870 gegenüber. Dabei kommt er zu folgenden Ergebnissen: Ueber die Kriegsereignisse felbst haben wir natürlich von den Vergleichen wir mit den Freiheitsliedern die patriotischen Das für die Deutschen bestimmte Internierungslager zählt Internierten nicht viel erfahren können. Sie sagen uns nur, daß Lieder aus dem deutsch - französischen Kriege von 1870 und die der fieben Zelte. Frisches Stroh und neue, warme Wolldecken bieten die holländischen Berichte über die Kämpfe um Lüttich , wo sie selbst späteren Zeit, so ist es, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, eine Ruhestätte, die vorläufig, so lange das warme Sommerwetter dabei waren, unwahr und gehässig seien. Die holländischen Zeitungen wie wenn wir eben auf einen Geigenförper geklopft haben und anhält, annehmbar ist. Für die kommenden kälteren Nächte ist ein hätten die belgischen Berichte über einen von Reitern ausgeführten nun auf eine Zigarrentifte klopfen. Es flingt plöblich hohl und Holzbau vorgesehen. Das Lager hat einen Waschplatz mit fließen- lleberfall" auf General Léman gebracht. Tatsächlich seien zwei flappernd. Der Unterschied ist nicht nur auffällig, er ist erschreckend. dem Wasser und auf der entgegengesetten Seite einen regelmäßig Regimenter Infanterie in die Stadt eingedrungen. Die Bewohner Woher kommt das? desinfizierten Abtritt. Eine sorgfame Reinigung beugt der gefähr hätten sich zunächst ruhig verhalten, am nächsten Tage sei aber auf Einige Vergleiche mögen zunächst deutlich machen, was wir Wir stellen dabei nicht irgendwelche schlechten Lieder lichen Fliegenplage vor. Eine Feldfüche ist errichtet. In der Mitte die Deutschen ein mörderisches Feuer aus den Häusern eröffnet meinen. des Lagerplages trägt ein hoher Mast eine lichtstarfe Bogenlampe. worden. Die Forts hätten auf die Fliehenden gefeuert, feien aber neuerer Dichter der guten Poesie einer früheren Zeit gegenüber, 11m einen langen Tisch sind zwei Bänke gezimmert, die bei unserem durch die herbeigeholte schwere Artillerie zum Schweigen gebracht sondern wir wählen mit Bedacht nur solche Lieder, die heut von der gebildeten Jugend bei vaterländischen Feiern allgemein Eintritt zum Teil besetzt sind. Es wird gerade ein Stat gekloppt worden. bor einigen ungemein interessierten Zuschauern. Indes ist dies Wir nehmen Abschied. Die Gesellschaft im Interniertenlager gesungen werden. Wir wählen Lieder, alte wie neue, die nur glüdlicherweise nicht die einzige Beschäftigung der Internierten. Eine hat sich unterdes vergrößert. Von einem fleinen, friegerisch drein- allzu vielen heute als gleichwertig erscheinen. Man benut 1870 die alten Worte und Vorstellungen nicht Beitung liegt auf dem Tisch, in den Händen eines der Soldaten blidenden, brünetten Offizier indisches Halbblut geleitet, den sehen wir ein Buch. Für förperliche Uebungen ist durch ein Reck uns Oberst Lusannet schon auf dem Bahnhof als Kommandanten nur, was ganz in der Ordnung, sondern man überbietet sie und vier, vom Obersten frisch besorgte Fußbälle gesorgt. Und eine des Bergener Lagers vorgestellt hat, sind die deutschen Offiziere und kommt gerade dadurch ins Hohle. Einst hieß es: Er reitet jo Harmonika dient zur Begleitung der Gesänge am abendlichen Biwak- eingetreten. Sie figen jezt in demokratischer Gemeinschaft am freudig sein mutiges Pferd." Jetzt:„ Es schnaubt sein Roß von Einst:„ Von feuer. Der in seinen Verfügungen streng neutrale und gerechte langen Tisch neben den Soldaten. Am Zaun stehen neugierige Trakehner Art, weil das Plänkelfeuer nattert." Herz zu Herz, von Mund zu Munde erbrause freudig der Gesang!" Depotkommandant gesteht den Deutschen auf dem musikalischen Dorfbewohner. Gebiet die unbedingte Ueberlegenheit zu. Wenn sie zweistimmig Auf dem Wege nach Alkmaar , wo wir den dort noch internierten Jept: Nun steige der Begeistrung Flamme helloderiid auf in oder dreistimmig ihre Heimatlichen Lieder singen, fammelt sich Belgiern die in den nächsten Tagen nach Friesland transportiert unserm Sang." Bezeichnend für die neue Zeit ist die Selbstdraußen am Baun eine lauschende Menge an. Soeben wird das werden einen Besuch abstatten wollen, fragt uns der Oberst nach bewunderung. Man fonnt sich in dem Staunen" der anHolz für das Lagerfeuer von Deutschen und Holländern eingebracht, unseren Eindrücken und auch nach den etwa von den Internierten deren Völker:" Im Schlachtentvetter uns verjüngend, hast du zum die es in einem nahen Busch geschlagen haben. geäußerten Wünschen. Staunen aller Welt, mit edlem Heldenblut ihn düngend, den deutDer alte Arndt war naiver und be= Die internierten Belgier find fast lauter Soldaten der Lütticher schen Acker neu bestellt." Befagung. Viel intelligente Leute darunter. Daß sie über die deutschescheidener: Juchheirassaffa! Und die Deutschen sind da, die DeutKriegführung nicht mit Objektivität sprechen fönnen, wird man ver- schen find luftig und rufen Hurra!" Aber bei wem ist die echte stehen. Indes fanden wir nicht lauter Fanatiker". Einer der freie Sieges freude? Ferner, jest erscheint die Rettung des VaterInternierten ein Brüsseler Rechtsanwalt fragte uns, ob es landes vor allem als Werk der Fürsten und Führer... Heil wahr sei, daß Rosa Luxemburg füfiliert worden sei. Bekanntlich dir, des Vaterlandes Retter! Heil, Bismarck , dir, du deutscher waren in Belgien die abenteuerlichsten Gerüchte über die deutsche Held!" Die Freiheitsfänger suchten das Volk anders zu fassen, sie Sozialdemokratie verbreitet. Man hat sich eben auch hier in ihr riefen es selbst für das Vaterland auf: Bater, wir danken dir, daß wir zur Freiheit erwachten!" Schenkendorf malt das Land schwer getäuscht. seiner Sehnsucht so: Wo sich Männer finden, die für Ghr und Recht mutig sich verbinden, weilt ein frei Geschlecht." Der Dichter von 1870: Wonne der Völker ist es, zu wohnen unter dem Schatten so herrlicher Kronen." Troß der großen Worte sind die Gefühle matter geworden. Auch der Haß.(?) Wie fand einst der Ingrimm Worte:" Echlagt ihn tot! Das Weltgericht fragt euch nach den Gründen nicht!" Nach 1870:" Des Reiches deinde allesamt, Gott möge fie verdammen!" Am schlagendsten und allgemeinsten wird wohl der Unterschied der früheren und der neueren Poesie gekennzeichnet, wenn wir die Verse gegenüberstellen: Freiheit, die ich meine( minne), die mein Herz erfüllt, fomm mit deinem Scheine, süßes Engelsbild" und Freiligraths Hurra, du stolzes, schönes Weib, hurra, Germania ! Wie fühn mit vorgebeugtem Leib am Rheine stehst du da!" Das Gefühl schweift ab auf eine ästhetische Bildvorstellung. Oder Kleefelds O BaterTand, wie stark und mild, wie herrlich stehst du da, du hohes, schönes Götterbild, Heil dir, Germania !" In allen drei Liedern die Vorstellung eines idealen" Bildes", aber wie verschieden ist dabei der Geift. Bei Schenkendorf empfinden wir das innige Aufquellen der Sehnsucht mit, was aber geben uns die Dichter von 1870? Lautes destpathos.
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Der größte Teil der Internierten besteht aus Mecklenburgern, zumeist Landarbeitern. Sie sind in den Kämpfen um Lüttich auf das holländische Gebiet getrieben worden. Ihre Erzählungen beftätigen die Darstellungen, die über den dortigen schrecklichen Boltsfrieg in die deutsche Presse gelangt sind. In Visé haben sie feinen belgischen Soldaten gefehen. Es waren die Bewohner, die aus den Häusern und von den Wiesen her auf fie fchoffen, als fie gefchloffen durch den Drt marschierten. Ein Grenadier zeigt mir zwei Wunden eine am rechten, eine am linken Arm. Hier ein Streif schuß, dort eine fchon geschlossene Wunde. Der Grenadier erzählt Eine Erzählung verdienen auch die Erlebnisse des oben er mir, daß einem seiner Kameraden durch eine Ladung Schrot der wähnten Anwalts. Er war als Estafette dem General Léman zu ganze Arm zerfegt worden ist und abgenommen werden mußte. geteilt und gerade zu einer Meldung ausgeschickt, als der Versuch leber die Belgier herrscht unter den Soldaten einmütige Entrüftung. gemacht wurde, den General zu überrumpeln. Bei seiner Rüdtehr ( Wir weisen hier nochmals darauf hin, daß das Wesen der belgischen fand er die Leichen der deutschen Soldaten auch er glaubt, fast Garde civique", die als reguläre Truppe anzusehen ist, unseren nur Offiziere gesehen zu haben aber nicht den Gouverneur. Soldaten wahrscheinlich nicht bekannt war. Die Red. d.„ Vorw.") Niemand wußte oder wollte sagen, wo sich dieser verborgen hielt. Wir haben uns mit den Internierten ungeniert imterhalten Auch höhere Offiziere gaben feinen Bescheid. Da er so Antwort können. Sie sind ja, innerhalb des ihnen zugewiesenen Rayons, nicht zu überbringen vermochte, stellte er bei Lütticher Verwandten der übrigens in den nächsten Tagen bedeutend erweitert werden fein Motorrad ein und nahm sein Gewehr, um sich der nächsten wird, frei. Nur ihre Korrespondenz wird kontrolliert. Um ihnen die vorüberkommenden Abteilung anzuschließen. Er wurde mit dieser freie Aussprache mit uns zu erleichtern, ist Oberst Lusannet abseits zusammen gefangen genommen, entwischte jedoch beim Transgetreten. So entwickelt sich, nach den ersten, allgemeinen Bemer- port, lief wieder zu seinem Onkel, zog Zivilkleider an und tungen über das Wetter usiv., die die Befangenheit der über den setzte sich von neuem aufs Rad, in der Absicht, über das holländische seltsamen Besuch Verwunderten überwinden, ein zwanglofes Ge- Gebiet wieder nach einer von den Deutschen noch nicht befekten spräch. Die Infanteristen berichten, daß sie mit der Unterbringung, belgischen Gegend zu kommen. Ein deutscher Hauptmann hielt ihn der Kost, der Behandlung durchaus zufrieden sind. Nur die an. Er bezeichnete sich ihm gegenüber als flüchtender Holländer, Badegelegenheit fehlt ihnen bisher und fie fürchten der nach Mastricht wolle und übernahm es auf Ersuchen, dort die darum Ungeziefer. Auch möchten sie wohl bas Meer Entfendung von Ambulanzwagen für die fehr zahlreichen Versehen, das sie so ganz nahe, hinter der Dünenlette wissen. In wundeten zu ertoirfen. Den Bassierschein er ist in deutscher diesem Punkt aber glaubt der Kommandant nicht nachgeben zu Sprache auf einer Visitenkarte ausgefertigt, die den Namen eines in Wir wiederholen die Frage: woher der Unterschied? Können tönnen. Die Zulassung zum offenen Meer, hat er uns auf unsere einem Berliner Borort wohnhaften Verlagsbuchhändlers und HauptFürsprache geantwortet, würde ihm zu schwere Verantwortlichkeiten manns d. R. trägt hat er aufbewahrt. Beim Ueberschreiten die neuen Dichter nur schlechter dichten als die alten? Wir haben auferlegen. Nicht nur internationaler Art, sondern auch für das der holländischen Grenze wurde er aber von Zonbeamten angehalten. auch vortreffliche Dichter. Was uns fehlt, ist das echte vatereben der Internierten, die beim Baden in der See ertrinken Da sein Rad keine Nummer trug, er auch nicht im Besitz der zu ländische Erlebnis. Man möchte es gern haben und begeistert könnten. Ein Badeplatz im Inneren soll indes gefunden werden. hinterlegenden Summe war, schien er verdächtig und gab sich sich darum für... Bismarck , für den Kaiser, für das Reich. Aber das bleibt est aufio al Iung. Oder sogar nur eine gute AbDas Land ist ja von vielen breiten Kanälen durchzogen. Und wir schließlich in einem Berhör als belgischen Soldaten zu erkennen. haben selbst, von der Kleinbahn aus, badende Dorfbewohner Sein Fall ist indes mit dem der anderen Internierten nicht sicht eines Mannes am Schreibtisch. Diese Glut reicht nicht zu, gesehen. identisch. Genosse De Roode, der sich in diesen Tagen zum Gelehrten um das Gold aus den Schlacken zu schmelzen, sie wühlt das Herz Der Briefverkehr mit dem Vaterland ist schon im Gang. Einer auf dem Gebiete des Völkerrechts ausgebildet hat, entdeckte nämlich, nicht auf bis dahin, wo die Keime zu neuen Schöpfungen der Soldaten aber beklagt sich wohl nicht mit Unrecht, daß nach den Haager Beschlüssen flüchtende Gefangene beim lleber- fschlummern. Wir werden teine beffere patriotische Dichtung bedaß ein Brief, den er an feine Braut schrieb, in einem holländischen tritt auf ein neutrales Gebiet nicht festzuhalten sind, und unser kommen, wenn das Volk und Vaterland nicht wieder zu einem Blatt abgedruckt worden sei. Wir beruhigen die Internierten infotveit, Mann war sicher von dem Augenblick an, da er seiner Begleit- großen Erlebnis werden wie einst vor hundert Jahren." als wir ihnen versichern, daß der Brief sicher an seine Adresse be- mannschaft entkommen war und als Zibilist die Grenze zu erreichen fördert worden sei; indes ist es wohl richtig, daß die holländischen strebte, dieser Kategorie auguerkennen. Die juristische Entdeckung Militärbehörden, deren Entgegenkommen gegen die Prefie wir selbst unseres Genossen hat ihm deshalb große Freude bereitet und er anzuerkennen ja allen Grund haben, immerhin Privatbriefe, die ein will auf Grund dieser Bestimmung seine Entlassung erwirken Soldat an fein Mädchen in Mecklenburg schreibt, nicht der Indis- aufs neue in den Kampf zu gehen. fretion stoffhungeriger Zeitungen auszuliefern brauchten. Wir Im Lager find Zeitungen deutsche nämlich noch rar. fönnen dem Mangel etwas abbelfen und holen einige Blätter aus der Tasche, die mit Freude angenommen werden. Ein langer Unter
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Ein bayrischer Soldat.
Erlebnisse des Xaver Glas im Jahre 1870. Von Ludwig Thoma .
Das sieht auch der Soldat in Reih und Glied, wie auf einmal eine Aufregung da ist; die Offiziere treiben und schreien lauter, und man marschiert schneller, und es ist ein Gefühl, das man nicht recht beschreiben kann.
Mir hat schon das Herz geklopft, und es ist mir gewesen, als wenn mir alles zu eng wäre. Es tut einem ganz wohl, wenn man beim Marschieren reden darf; das macht einem Luft.
Manche tun ganz schneidig und reißen einen Wit; vielleicht lacht man auch dazu, aber innerlich schaut es nicht so lustig aus. Der General Orff ist wieder daher geritten, ganz aufgeregt und hat immer angetrieben. Vorwärts! hat er geschrieen und ist auf und ab gesprengt.
Die Mäntel haben wir unter dem Marsch gerollt, denn zum Salten war keine Zeit, und vor uns hat es gepumpert ohne Aufhören.
Gs famen uns preußische Husaren entgegen, und sie hatten französische Bauern dabei. Sie mußten neben den Pferden her Taufen und wurden an das Kriegsgericht geliefert, weil sie auf deutsche Soldaten geschossen haben.
Was ihnen geschehen ist, weiß ich nicht.
Wir haben fort müssen, immer weiter auf den schlechten Wegen, die vom Regen ganz durchweicht waren.
Und dann ist es querfeldein über die Wiesen gegangen. Die Kräuter und Blumen haben schön gerochen, und ich habe nur so schauen müssen, wie gut das Krummet gestanden ist. Gang fertig zum Mähen, und es wäre mir wohl lieber gewesen, wenn ich hätte arbeiten dürfen. Aber das Schauen und Denken ist mir bald vergangen, denn hoch in der Luft über uns hat es gefracht, und kleine, weiße Wolfen sind aufgestiegen. Das waren die Schrapnell, und sie taten noch keinen Schaden.
Wir sind im Laufschritt durch ein Kartoffelfeld und einen Heinen Berg hinauf.
Vor uns war eine Ebene, durch die ein Bach lief, und er hieß ber Sauerbach).
Ueber dem Bach war ein Wald, aus dem der Rauch aufging, weil dort drinnen alles voll von Feinden war, die auf uns heraus Schoffen
Diese Ausführungen Wilhelm Stapels find zu unterschreiben. Mit einigen Ausnahmen. Erstens ist der bag", der ihm 1870 3 matt war, jest weit wilder als 1813. Er verwandelt sich vielfach um geradezu in Blutdurst, wie wir mehr als einmal schon nachgewiesen haben. Und ganz natürlich, denn die Kriege werden nicht Dann noch eins. menschlicher, sondern immer unmenschlicher. Stapel hatte den Aufsatz vor dem Kriege geschrieben. Er fügt jezt hinzu: Wenn nicht alles täuscht: jetzt ist das neue Erleb= nis da."
Als wir auf der Höhe waren, hieß es halt! und auf den Boden nieder! Wir mußten das Bajonett aufsteden und Taben.
Jest hörten wir schon ein spaßiges Pfeifen über den Köpfen, und hie und da patschte es in den Boden hinein, daß der Dreck aufflog.
Das waren die Chassepotkugeln.
Auf einmal schreit neben mir einer: Jesus Maria! Mich hat's!" Und er hat sich auf die Seite gewälzt und mit den Armen gefchlegelt.
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Es war der erste Verwundete von meiner Kompagnie; einer vom Oberland wir haben ihn den Miesbacher Franzl geheißen. Gleich darauf hat es noch ein paar getroffen; einer hat laut Geschrien, der andere hat bloß so einen Gluckser getan und wieder einer hat halblaut gejammert.
Der war ganz falt.
Hinter dem Sauerbach sind wir durch nasse Wiesen bis an die Straße gelaufen; da ist meine Kompagnie links abgeschwenkt gegen einen Hopfengarten, der von den Turkos besetzt war.
Der Spektakel ist jest ärger geworden.
Wir haben eine Salve nach der andern abgegeben, bei den Turkos frachte es, und links und rechts von uns da pfiff und heulte es, als wenn alle Teufel Tos wären.
Von den Turkos habe ich in der Schlacht selber nicht viel gesehen. reze Man hat bloß Rauch und Feuer gesehen, und wie durch einen Nebel hat man drüben die Leute gesehen.
Auf einmal mit lauter Schreien und Brüllen und Schießen waren wir mitten in den Hopfenstangen und ich merkte, daß wir die
Turkos hinausgehaut hatten.
Es lagen auch viele herum, aber es war feine Zeit zum Anschauen; denn jezt mußten wir gegen den Wald.
„ Nur ruhe, Ihr Zeut'!" hat der Hauptmann gerufen. Nicht umschauen! Es kommt schon Hilfe für die Verwundeten." Dann ist kommandiert worden: Auf und Vorwärts! Wir waren schnell an dem Rand, aber es ging nicht vorwärts, Wir haben im Laufschritt die Höhe hinunter müssen, daß wir denn die Franzosen haben Verhaue angelegt im Wald, und sie über den Sauerbach hinüber kommen und angreifen. Bei diesem Laufe sind wieder einige gefallen. Ginen habe ich gesehen, der hat die Arme kerzengerad in die dahinter. Höhe geworfen und ist in die Luft gesprungen.
Später ist das noch öfter vorgekommen, und ich wußte dann, daß es die Leute so wirft, wenn sie ins Herz geschossen werden. Also wir sind schnell bis zum Sauerbach gestürmt und haben mit Erlenbäumen oder was zur Hand war, eine Notbrüde gemacht. Rechts von uns war das zweite Bataillon, links das erste; wir waren mit dem vierten Jägerbataillon in der Miife, und wir setzten jest über den Bach.
Aus dem Walde schossen sie ganz verrückt auf uns, aber sie trafen nicht gar zu viele.
Ueberhaupt muß ich den Franzosen ein schlechtes Zeugnis über ihr Schießen geben; sie haben sich keine Beit genommen zum Bisieren, und haben einfach losgebrüdt; wenn es bloß tracht, ist es schon recht.
Das ist ja bei uns auch öfter vorgekommen, daß in der Aufregung ciner bloß halb aufgefahren ist, aber da war unser Feldwebel der Richtige.
Der hat scharf Obacht gegeben, und wenn er so etwas gesehen hat, ist er imstand gewesen, und haut dem Mann gleich im Gefecht eine Schellen herunter.
waren gut verschanzt.
Da sah ich einen Baum vor mir, und ich legte mich geschwind
Ich habe gedacht: Xaber, da kommst Du lebendig nicht davon, denn man hat sich nicht vorstellen können, daß bloß ein Mensch in diesem Durcheinander mit heiler Saut bleibt.
Ober mir sind die Aeste von den Bäumen weggeflogen mit Arachen, in den Blättern hat es gepatscht, als wenn ein schwerer Hagel niedergeht; und Baumrinden sind weggespritzt, und gepfiffen und geheult hat es, und dazwischen hat man durch das Pumpern und Strachen ein lautes Knarren gehört; das ist ganz regelmäßig weiter gegangen, und hat gerasselt, als wenn einer die allergrößte Karfreitagratschen dreht.
In den Ohren hat es mir gesungen, und ich habe schreien müssen, weil ich es sonst nicht ausgehalten hätte.
Ich habe für mich hingeschrien:„ Drauf! drauf!! Saut's zu!" Ich bin aber liegen geblieben und geschossen und immer gedacht, in der nächsten Minut bist Du hin.
Auf einmal ist das Schießen bei uns noch stärker geworden, weil Verstärkung gekommen ist.
Wir sind aufgerumpelt und vorwärts gelaufen, und wir haben große Sprünge gemacht, bis wir uns wieder hinlegten.
Da habe ich gemerkt, daß mein Gewehr nicht mehr geht; ich