Mr. 199.- 1914.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

In der hohen Heide.

Von Hermann 2öns.*)

weisen ältere Male von den vorigen Nächten auf, auch find wieder cinige Machandelbüsche zuschanden gemacht, und die Reste der roten, gelben und weißen Pilze, die über die hellgrünen Polster der Krähenbeere und das dunkle Gezweige der Bärentraube ver­streut find, geben an, daß der Hirsch sich an ihnen geäst hat. An Sonne auf den Kopf und Waffer unter die Füße muß der der Quelle, die in dem moorigen Grunde liegt, hat der Hirsch ge­Honigbaum haben, wenn er rechtschaffen blühen soll. schöpft; seine Fährte steht zwischen den frischgrünen, mit fupfer­Zm vorvorigen Sommer hatte er zuviel Wasser unter sich und roten Fruchtrijpen gezierten spißen Beinheilblättern, die aus den gar feine Sonne über sich und so brachte er es nicht zum Blühen. wirren Wollgrasblüten hervorsprießen, geht dann durch das üppige 3m vorigen Sommer ging es ihm umgekehrt, und wieder wurde es Schlingwerk von weiß blühendem Schweinsohr hindurch, das das nichts mit ihm. Dieses Jahr aber hat er es damit richtig getroffen, Wasserloch ausfüllt, und wendet sich der hohen Heide zu. Mir ist und so blüht er, wie lange nicht mehr. warm geworden, denn die Sonne sticht; über Nacht wird es ein So ist denn alles rosenrot rechts und links von der schnur- Gewitter geben. Da hinten über der dunkelen Wohld stehen weiße geraden, mit hohen Hängebirten eingefaßten Straße, die sich bei Wetterköpfe vor dem hellen Himmel. Ich fühle die Stirn und die Sem einsamen Wirtshause zwillt, in dem ich abgestiegen bin. Da Sände mit dem Quellwasser und lasse mich für ein Viertelstündchen geht es heut laut zu, denn es ist Sonntag und von allen drei auf einem der drei großen Findelsteine nieder, die hier nebenein­Seiten fommen Heidfahrer zu Fuß und zu Rad, mit Gespannen ander ruhen und zwischen denen die Reste einer Birkhenne liegen, und in Kraftwagen angeströmt und erfüllen das Gelände um den die der Habicht kröpfte. Krug mit Gelächter und Gesang. Das ist nicht nach meinem Ge­Vor mir in den Doppelheidbüschen bewegt sich etwas; eine schmack, und so stehle ich mich durch die Fuhren nach der hohen Mooreidechse flikt hervor und rennt über den in allen Farben Heide hin, wo ich sicher bin, feinem Menschen zu begegnen. glizernden Kies, wo sie sich ganz platt macht und von der Sonne Die Sonne meint es gut; fein Wöllchen ist an dem hohen, hellen durchbraten läßt. Ueber ihr an einem Heidkrautzweig frißt die Himmel, der sich über den rosenroten Plan spannt. Streuz und fingerdide, leuchtend hellgrüne, herrlich rosenrot getüpfelte Raupe quer über den Weg flirren die Schillebolde, grüne Sandkäfer des Nachtpfauenauges. Weiterhin rennt ein grauer, weißgebänder­schwirren vor mir auf, winzige blaue Falter flattern um die ter Raubtäfer hastig dahin, eine blinde Fliege in den scharf ge­blauen Glocken und gelben Habichtkrautblüten, und die warme zähnten 3angen haltend. Eine Schnarrheuschrede mit himmelblauen Luft, die von Honigduft und Kiengeruch erfüllt ist, bebt von dem Unterflügeln kommt angeraffelt und läßtsich auf reinem roten Geläute der Bienen und dem Geschrille und Gezirpe der Heu- Feuerstein nieder, wo sie wie ein dürres Stückchen Holz aussieht. schrecken und Grillen. Die grünen, braunspizigen Moorhalme zur Linken schiebt sich der dice Kopf einer Grille unter einem neben dem Fußwege schimmern wie Seide und die roten, gelben, um alle Seidbüsche flattern Bläulinge und ab und zu tanzt ein Grasbüschel her, fährt aber wieder zurüd, sowie ich den Kopf wende. blauen und weißen Feuersteinsplitter im Graben blizen und funkeln nur so. bräunlicher Lieschgrasfalter vorüber.

Die Fuhren werden sparsamer und hören schließlich ganz auf, die Machandelbüsche werden fürzer und seltener und bleiben zu legt völlig weg, und platt und fahl erstreckt sich die Schnucen­heide mit ihren knapp handhohen, zertretenen, verbiffenen Heid­frautbüschen, deren dürftiges Gezweig auf seltsame Weise gewirbelt ist und flach auf dem Boden anliegt. Trotzdem aber der Schäfer, der dort an dem Anberge hütet, seine dreihundert Schnucen Tag für Tag hier über die Heide treibt, blüht sie dennoch auf das beste und gibt den Jmmen reiche Beute.

Ich gehe auf den alten Schaffoben zu, der sich dort oben zwischen glatten Birken und knorrigen Eichen erhebt, umstanden von Hunderten von hohen und breiten, schlanken und trummen Machandelbüschen, von denen manche dreifache Manneshöhe und mehr haben, und die vielfach auf ganz alberne oder unheimliche Weise verrenkt und verbogen sind und teilweise wie Untiere, teils wie menschliche Gestalten aussehen. Mehr als einmal habe ich, tvenn ich zwischen Tag und Nacht am grauen Vormorgen den schmalen Fußweg zwischen ihnen dahinschritt, schnell nach der Büchse gegriffen, einmal, weil ich meinte, ein Hirsch stände bor mir, ein anderes Mal, weil ich einen Wilddicb zu sehen glaubte. Und es waren doch nur Machandelbüsche( Wacholder), die mich zum Narren gehalten hatten.

hervorsehen.

Die Fährte eines guten Hirsches steht nagelfrisch in dem an­moorigen Boden des Weges. Der muß ich nachgehen. Sie steht gerade auf den alten Schafftall zu, unter dessen moosigem Stroh­dache ich manche Nacht geschlafen habe, wenn ich zur Brunst hier weilte. Der mannshohe Wachholderbusch ist ganz kurz und flein­geschlagen, und wie ich ihn absuche, finde ich ganze Fehen noch feuchten Bastes von dem Geweihe des Hirsches, dessen er sich hier heute nacht entledigte, und so gehe ich seiner Fährte weiter nach, quer über den Anberg, hinter dem die Köpfe krauser Fuhren An dreien von ihnen hat der Hirsch wieder geschlagen; schon von weitem leuchten die verwundeten Stämme, und einige andere *) Hermann Löns , den unsere Leser aus manchen seiner Seibebilder kennen, ist als Kriegsfreiwilliger 48 Jahre alt in Frankreich gefallen. Seine urfrischen Schilderungen aus Natur, Tier- und Menschenwelt der Heide sollen uns ihn lebendig er­halten.( Seine Bücher sind im Verlag von Adolf Sponholt in Hannover erschienen.)

3]

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Die Erstürmung der Mühle.

Von Emile Zola . II.

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Bier Wochen später herrschte Tag für Tag, just auch am Vorabende des heiligen Ludwigstages, Furcht und Schrecken in Rocreuse. Die Preußen hatten den Raiser geschlagen und rückten in Gewaltmärschen nach dem Dorfe vor. Seit acht Tagen schon meldeten Leute, die auf der Straße entlang zogen, die Ankunft der Preußen: Sie sind in Lormière, fie find in Novelles!" und auf die Runde hin, daß sie so rasch heranzögen, war man in Rocreuse jeden Morgen gewärtig, daß sie durch den Wald von Gagny herniedersteigen zu sehen. Sie famen aber nicht; der Schrecken wuchs hierdurch; denn jeder fürchtete, sie würden zur Nachtzeit über das Dorf herfallen und alles würgen.

In der Nacht vorher, furz vor Tagesanbruch, war Lärm ge­schlagen worden. Die Einwohner waren erwacht durch das Stampfen einer zahlreichen, auf der Straße schreitenden Men­schenschar. Die Weiber stürzten auf die Knie und befreuzten fich, während die Männer die Fenster behutsam ein wenig öffneten und durch den Spalt hindurch die roten Hosen erfann­ten. Es war ein französisches Detachement. Der Kapitän hatte fofort nach dem Vorstande des Dorfes gefragt und war, nach dem er mit Bater Merlier gesprochen hatte, in der Mühle ge­

blieben.

Die Sonne stieg an diesem Tage lachend am Himmel her­auf. Gegen Mittag wurde es glutheiß. Ueber den Wäldern flimmerte eine fable Belle, während aus den Talgründen und Wiesen weiße Nebel aufstiegen. Das saubere hübsche Dorf er­wachte in der frischen Morgenluft, und die Landschaft mit ihrem Bache und ihren Quellen jah aus wie ein taufeuchter Blumen­

Machandelbusch, die Heuschrede schnarrt davon, und die Brachvögel Ich erhebe mich. Die Eidechse schlüpft unter den krausen fliegen laut lagend von dannen. Ich gehe wieder der Fährte nach, die auf die bobe Seide zusteht. Immer länger wird das Heid­fraut; stellenweise reicht es mir bis über die Knie und bringt es blühen. Das Gesumme der Bienen, die hier zu Tausenden zu mehr als fingerdiden Stämmen, die üppig grünen und überreich schwirren, weil hinter dem Machandelhagen ein großes, an hundert Körbe fassendes Immenschauer steht, flingt wie das Brausen einer alles ein und dasselbe Heidkraut, das hier wächst, denn die Dopp­fernen Orgel und die Luft ist gesättigt mit Honigduft. Es ist heide blieb im Grunde zurück, aber unglaublich ist die Verschieden heit an Wuchs und Färbung. Hier ein spariger Busch mit langen, fraus und tief rosenrot, dort ein schneeweißer, der weithin leuchtet. dünnen, weißlich blühenden Zweigen, da einer, furz beastet und Dieser Busch breitet seine vielen Zweige flach über den Boden aus, in dem einen Busche ist das Laub freudig grün, an einem anderen jener besteht aus einem Stamme mit einer runden, dichten Krone. trübe, weiterhin bräunlich und dort gar tupferfarbig oder blutrot. Am reizendsten aber sieht die Seide hier dicht vor meinen Füßen zarter Heibbusch steht neben dem andern, hellgrün belaubt, und aus. Da hat der Bauer den Boden abgeplaggt und ein junger über und über hellrosenrot blühend.

Freitag, 9. Oktober.

und gekrümmte Fuhren sowie ganz wahnsinnig gewachsene Fichten. Als sie noch jung waren, haben die Schnucken sie verbissen. So wuchs die eine wie eine Leier, die andere wie eine Harfe, diese hat zwei Spizen, jene drei, die dort sogar sieben, weswegen sie einem Armleuchter ähnelt. Auch die Birken, die hier stehen, haben zumeist einen ganz verrückten Wuchs und die wenigen Eichen ebenfalls. Ich werfe mich unter eine wie ein Schirm gewachsene Fuhre auf das dichte Krähenbeerenpolster und sehe in das rosenrote Land unter mir, in dem die Fischteiche silbern blißen, und das dort hinten, wo es wieder hoch ansteigt, von dunklem Walde besäumt ist, der eine Kirchturmspiße überschneidet und eine Mühle, deren Flügel fich langsam drehen, denn ein heißer Wind hat sich auf­gemacht. Er ruschelt in der langen Heide, raschelt in den hohen Salmen und raunt in den wirren Kronen der gespenstigen Bäume und vermischt sein Gefäusel mit dem Geläute der Immen und dem Geigen der Grillen zu einer wunderlichen Schlummerweise. Mir wird zumute, als läge ich auf einer rosenroten Wolke und würde von ihr in den Himmel getragen, von dem der Lobgesang der Engel und der Schall silberner Glocken herniederklingt. Dann ist auf einmal die Heide himmelblau und der Himmel heiderot, bis das Bild sich wieder umfehrt, der Traum verfliegt und ich wieder die Bienen summen und die Grillen fiedeln höre. Doch aus den fleinen Stimmen höre ich allerlei Worte heraus und der Wind singt ein ganz bestimmtes Lied, dessen Worte ich nur halb verstehe und dessen Weise ich bloß ein einziges Mal gehört habe.

Ich muß wohl eine geraume Weile geschlafen haben, denn nun steht die Sonne als runde, rote Scheibe schon tief über der hohen Geeft, und die Fischteiche im Grunde sehen nicht mehr wie Silber, sondern wie Gold aus. Das Summen der Bienen ist leiser ge­linge fliegen noch, und hier und da taumelt ein rostroter Abend worden, die Grillen geigen lauter. Nur wenige blaue Schmetter falter in unstetem Fluge dahin. Ich steige den Berg hinab und zusteht, über der vor der schwarzen Wohld wie ein Gespenst eine suche solange, bis ich die Fährte wieder habe, die auf das Porstbruch helle Weihe hin- und herschautelt. Bis in die Wohld hinein halte ich die Fährte; dann drehe ich um und steige wieder den Heidberg hinauf.

Die Heide strömt teinen Honiggeruch mehr aus. In Nebel schwim Kühl weht der Wind. Das Summen der Bienen hat aufgehört. men die Tiefen; am Himmel steigt dunkles Gewölk empor, in dem die Sonne zerlobert. die Nacht über die hohe Heide. Der helle Tag hält den Atem an; ächzend und stöhnend schleicht

Bilder und Stimmungen aus dem

belagerten Antwerpen.

flucht des belgischen Heeres, ist auch in deutschen Händen, wie die Eine kurze Spanne Zeit noch, und Antwerpen , die letzte Zu anderen Festungen Belgiens . Erst seit den allerletzten Tagen daß gegen die deutschen Geschütze feine Banzerfestung der Welt beginnt in den Antwerpenern die Erkenntnis aufzudämmern, gedrückt durch die bitteren Ereignisse, deren Zeuge jie wurden, Schutz bietet, und so haben sie die ersten Oktobertage, bald nieder­bald wieder aufgerichtet durch falsche Nachrichten von ihren Ber­bündeten, zwischen dem Gipfel der Siegeszuversicht und dem Ab­grund tiefster Hoffnungslosigkeit hin und her geriffen im Zustand qualvoller Angst zugebracht. Ein holländischer Kriegsberichter­statter, der diese Zeit in Antwerpen zugebracht hat, schildert in einem lebensbollen Briefe an das Amsterdamer Allgemeen Han­delsblad" die Erlebnisse der Antwerpener und den Wechsel ihrer Stimmungen; ganz plötzlich, wie mit einem Schlage hat sich der Deutschen besetzt, längst wurde fast ganz Belgien durch v. d. Golz Anblick von Antwerpen verändert. Längst war Brüssel von den verwaltet, was fümmerte das die Antwerpener, die in dem eigent lichen Belgien , eben der Stadt Antwerpen , faßen? Die Not des Krieges mochte in Frankreich wie in Belgien herrschen, die wohl­genährten Antwerpener, die seit langem tüchtige Vorräte aufge stapelt hatten, machten sich nichts daraus; sie dünkten sich sicher Da sicht es seltsam aus. Große und kleine Machandelbüsche, hinter den Forts und Mauern, ja sie hätten beinahe vergessen. alle möglichen pugigen oder unheimlichen Gestalten vortäuschend, daß der Krieg sie bedrohte, wenn nicht ab und zu so ein unange stocken hier, und zwischen ihnen erheben sich absonderlich verbogene nehmes Zeppelinluftschiff am Himmel erschienen wäre. Man er­

In der langen, mehr als kniehohen Heide habe ich die Fährte verloren; ich muß sie auf den Sandwehen und den abgeplaggten Stellen wieder aufsuchen. Einen Bogen nach dem anderen schlage ich, finde auch übertägige Fährten in Menge, die frische aber nicht. So wate ich denn auf und ab in dem rosigen Blütenmeer, aime nichts als Honigduft, höre nichts als Immengeläute, sehe den filbernen und goldenen Echillebolden nach, die hin- und herflirren, und den Schnarrheuschrecken, die laut rafselnd vor mir auffliegen und dabei ihre scharlachroten Unterflügel aufleuchten laffen, nehme heraus, die hier auf der hohen Heide leben, beobachte lange die einen versteinerten Seeigel mit, trete einen der wenigen Hasen glatte Natter, die sich vor dent krausen Brombeerbusch, der einen roten Findelstein umspinni, sonnt, und die Goldregenpfeifer, die in der grafigen Quelle um das Wasserloch rennen und alles Getier mit flagendem Rufe vor mir warnen, und steige höher und höher, bis ich ganz oben auf dem Heidberge bin.

Dominique biß die Lippen zusammen und runzelte die Stirne. Er recte fich bisweilen in die Höhe und schaute mit starren Blicken auf die Wälder von Gagny . Es war, als wünschte er das Herannahen der Preußen. Françoise war sehr blaß und sehr ernst, sie ging ab und zu und brachte den Soldaten, wonach sie Verlangen äußerten. Sie kochten in einem Winkel des Hofes ab und scherzten in Erwartung der Mahlzeit.

Der Kapitän schien mittlerweile Grund zu einer besonderen Freude gefunden zu haben. Er hatte die Stuben und den großen Saal der Mühle, die sämtlich nach dem Flusse hinausgingen, be sichtigt. Jetzt faß er neben dem Brunnen und redete mit Vater Merlier. " Ihr habt hier eine richtige Festung," meinte er. ,, Wir werden uns bis heute Abend ohne Schwierigkeit hier halten. Die Salunken haben sich verspätet; sie müßten schon hier sein.

"

Der Miller blieb ernst. Er sah seine Mühle wie eine Fadel lodern. Aber er flagte nicht, da er das für nußlos hielt. Er öffnete nur den Mund, um zu sagen:

Sie sollten den Rahn hinter dem Rade verstecken lassen. Es ist ein Loch dort, wo er sich unterbringen läßt. Vielleicht werden Sie ihn brauchen."

Der Kapitän erteilte einen Befehl. Diefer Soldat war ein stattlicher Mann im Alter von etwa vierzig Jahren, von großer Figur und mit freundlichem Gesicht. Der Anblick des jungen Liebespaares schien ihm Freude zu machen. Er beschäftigte sich so eifrig mit ihnen, daß man glauben konnte, er habe des bevor­stehenden Kampfes vergeffen. Er folate Françoise mit den Blicken und seine Miene sprach es deutlich aus, daß er Gefallen an dem Mädchen fand. Dann wendete er sich mit der derben Frage an Dominique:

hr seid also nicht beim Heere, Bursche?" ch bin ein Ausländer."

Dem Kapitän schien diese Antwort nicht recht zu behagen. ftrauk. Aber in feinem Gemüt rief der schöne Tag eine frohe Er blinzelte mit den Augen und lächelte; mit Françoise zu Stimmung wach. Man hatte gesehen, wie der Kapitän die scherzen, war freilich angenehmer, als den Tornister zu schleppen. Mühle umschritt, die Nachbarhäuser in Augenschein nahm; dann Als Dominique das Lächeln des Kapitäns bemerkte, setzte er war er auf das andere Ufer der Morelle hinübergesetzt und hatte hinzu: von da aus die Gegend mit einem Feldstecher abgesucht: Bater Merlier, welcher sich in seiner Begleitung fand, schien ihm Er­fäuterungen zu geben. Dann hatte der Kavitän Soldaten hinter den Mauern, den Bäumen und in den Erdlöchern aufgestellt. Das Gros der Abteilung lagerte im Sofraum der Mühle. Es ftände also eine Schlacht bevor? Und als Bater Merlier zurüd­

fehrte, fragte man ihn aus. Er nichte, sprach aber nichts.

es stände ein Gefecht bevor!

Ja,

Françoise und Dominique standen im Sofraume und schauten den Greis an. Zulegt nahm derselbe die Pfeife aus dem Munde und sprach die wenigen Worte:

Kinderchen! morgen wird's wohl nichts werden mit der

Sochzeit!"

Ich bin Ausländer, aber ich treffe einen Apfel auf fünf­hundert Meter Schußweite. Dort hinter Ihnen steht mein Jagd­gewehr." Wir werden's wohl brauchen können, war des Haupt­manns einfache Erwiderung. Françoise war zitternd herangetreten. Und ohne sich um die umſtehenden Leute zu bekümmern, erfaßte Dominique die beiden Sände, welche sie ihm reichte, als wollte sie sich unter seinen Schuß stellen, und preste fie in den ſeinigen. Der Kapitän hatte wiederum gelächelt, aber kein Wort weiter gesprochen. Den Degen zwischen den Beinen, blieb er ſizen und schaute wie träu­mend ins Leere.

Es war bereits zehn Uhr. Die Hiße wurde sehr bedeutend.

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Eine dumpfe Stille lagerte über der Gegend. Im Hofe, im Schatten der Schuppen und Ställe, jaßen die Soldaten und ver­speisten ihre Suppe. Kein Geräusch drang aus dem Dorfe her­über, wo die Einwohner ihre Häuser, Tore und Fenster ver­barrikadiert hatten. Ein Hund, der allein auf der Straße ge­blieben war, heulte. Von den nahen, unter der Hize schmachten­den Wäldern und Wiesen stieg ein langgezogener, aus allem ver­einzelten Hauch zusammengefeßter Ton herauf. Ein Kuckuck rief. Dann trat eine noch tiefere Stille ein.

Und mitten in diese erschlaffte Luft krachte plötzlich ein Schuß. Der Kapitän sprang empor. Die Soldaten ließen ihre noch halbvollen Suppenteller int Stiche. Binnen wenigen Se­funden standen alle auf ihren Plägen, in Kampfbereitschaft. Die Mühle war von unten bis oben befekt. Der Kapitän war auf die Straße hinausgetreten, hatte aber nichts bemerkt. Zur Rechten und Linten dehnte sich die leere, weiße Bahn der Landstraße. Ein zweiter Schuß frachte, und noch immer fab er nichts, nicht einen Schatten. Aber beim Umdrehen gewahrte er auf der Seite nac) Gagny aut zwischen awei Bäumen, einem Altweiberſommerfader ähnlich, ein leichtes Rauchgewölf aufsteigen. Der Wald bewah.te seine tiefe, milde Ruhe.

Sie haben sich in den Wald geworfen," murmelte er, sie wissen, daß wir hier sind."

Nun begann zwischen den in der Nähe der Mühle aufge­stellten Franzosen und den hinter den Bäumen gedeckten Breu­Ben das Feuergefecht, das allmählich an Heftigkeit zunahm. Die Kugeln pfiffen über die Morelle hinüber, ohne weder auf der einen, noch auf der anderen Seite Verluste zit bewirken. Die Schüsse waren unregelmäßig, fnallten hinter jedem Gebiiich

hervor, und immer sah man nur die leichten, vom Winde fanst geschaukelten Rauchwölfchen. Das währte beinahe zwei Stun den. Der Offizier trällerte mit gleichgültiger Miene ein Lied­chen. Françoise und Dominique, welche im Hofe geblieben waren, stellten sich auf die Reben und lugten über eine niedrige Mauer., Ihre Aufmerksamkeit war besonders auf einen fleinen Soldaten gerichtet, welcher am Ufer der Morelle hinter den

Numbf eines alten Rahnes poftiert war: er lag platt auf dent Bauche und lauerte, zielte, gab seinen Schuß ab und duckte ich in einen, dicht hinter ihm befindlichen kleinen Graben, um seize Büchse wieder zu laden; seine Bewegungen waren so poffierlich, fo pfiffig, so gewandt, daß man sich zum Lächeln veranlaft füte, wenn man ihm zusah. Er mußte den Kopf eines Preußen er­fennen, denn er erhob sich rasch wie der Blitz und legte an; aber noch ehe er abgefeuert hatte, stieß er einen Schrei aus, drehte sich um sich selbst und rollte in den Graben, wo seine Beine noch eine Weile lang zudten wie die Bioten eines gewürgten Suhnes. Der kleine Soldat war mitten in die Brust se ichoffen worden. Das war der erste Tote. Instinktiv hatte Françoise die Hand ihres Dominique ergriffen und hielt fie mit einem nervösen Krampfe umschlossen.( Forts. folgt.)