Nr. 245.- 1914.

Charakters.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Bonerstag, 3. Dezember.

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Als eine sensible Poetennatur offenbart sich auch der Wiener   gere Zeit nicht benutzt wird. Dies bedingt also eine Verschwendung Arbeiter- Lyrifer Alfons Pezold in seinem Roman Erde  ". des Brennmaterials, von der die Verwendung von Gas und elek­Bücher von Arbeitern für Arbeiter.( Wien  - Leipzig  . Deutsch Desterreichischer Verlag.) Viel Autobio- trischem Licht frei ist. graphisches ist darin ausgestreut. Man liest von einem Arbeiter, Der stärkste Konkurrent für die Petroleumtlampe ist das Gas­Man kann sie in verschiedene Gruppen einteilen: in Bücher der, in einer Strantenheilanstalt ein schwindsüchtiges Mädchen kennen licht geworden, zumal in einer Reihe von Großstädten planmazig autobiographischen und schlechtweg dichterischen oder erzählenden und lieben lernt. Sie heiraten hernach. Allein die Mutterschaft und systematisch dem Kleinkonsumenten das Beziehen von Gas würde ihr den Tod bringen; das liegt so im Entwickelungsprozeß durch Aufstellung von Automaten mit unentgeltlicher oder sehr Bei den Büchern ersterer Art wären Darstellungen rein zuständlicher der Lungenschwindsucht. Als die junge Frau schon immer von billiger leihweijer Lieferung von Beleuchtungsgegenständen erleich Wesenheit und solche einer Aufwärtsentwidelung im sozialdemokrati- dem zu erwartenden Kinde schwärmt, erschießt sie der entfeßlich ge- tert wird. Bei der gegenwärtigen Petroleumnot müssen die Gas­schen Sinne zu unterscheiden. marierte Mann. Das schmeckt ziemlich nach Maeterlincichen anstalten in dieser Richtung noch mehr tun. Für sie selbst wird sich 3u jenen feltneren zählt, Marie Wegrainer"( Delphin- Problemen, wie ja denn recht viel angelesene Literatur zum Vor- das lohnen, da sie einmal gewonnene Abnehmer wohl auch später Verlag, München  ). Der dem Buche beigegebene Waschzettel läßt schein fommt, sowohl in langen lyrischen Naturstimmungen wie in behalten werden, denn wer erst einmal die Vorzüge des Gaslichts durchblicken, daß die Autorin eine in der Kleinstadt lebende arme, allerhand philosophisch angehauchten Ergüssen, deren Stichhaltigkeit vor dem Betroleumlicht aus der praktischen Erfahrung fennen einfache Arbeiterfrau" gewesen sei, die als Sechzigjährige ihren zweifelhaft scheint. Troßdem ist Pezold Dichter, nicht erst bant gelernt hat, wird schwerlich später wieder zum Petroleum zurüd. Lebensroman" geschrieben hätte. Und zwar hätte, fie aus einem einer starten mächtigen Erschütterung der Seele oder irgendeiner fehren. Freilich sind selbst in Großstädten bei weitem noch nicht unwesentlichen äußerlichen Anlaß, der verschwiegen bleiben äußerlichen Einwirkung, sondern von Haus aus. Das brauchte er alle Wohnungen mit Gasleitungen versehen, in einer so modernen muß,( wirklich?) zur Feder gegriffen. Man wird gut tun, nicht ertra in einem seiner Zeit in Wien   gehaltenen und dann unter Stadt wie Charlottenburg   z. B. gibt es nach einer im vorigen Jahr diese Bemerkung als nichts weiter denn einen buchhändleri- dem Titel Aus dem Leben und der Werkstätte vorgenommenen Feststellung noch 10 000 solcher Wohnungen. Die schen Trid zu nehmen. Nachträglich sind nämlich manche eines werdenden"( Wien  - Leipzig  , Anzengruber- Verlag 1913) Verwaltung der städtischen Gaswerte Lommt daher den Haus­Berleger auf die Spekulation mit proletarischen Lebensromanen" als Büchlein gedruckten Vortrage zu bekennen. Der geborene" Dichter bejizern während der Kriegszeit bei Einrichtung von Gasleitungen gekommen um die Göhresche Sammlung und sonstige Beispiele gibt sich allemal kund im schöpferischen Trieb und Gestalten. Beides beweist durch erhebliche. Grmäßigung des Preises und Aufschub der Zah aus dem Kreise sozialdemokratischer Arbeiter nachzuahmen. Die Pezold in seinen verschiedenen Büchern Lyrik und Erzählungen. Die lungsverpflichtung bis längere Zeit nach Beendigung des Krieges Qualitität der Darbietung entspricht in der Regel dem Zwed und ursprüngliche Begabung auszubilden und zu veredeln, dazu sollte entgegen, einer nur bürgerlichen Anschauung. Das Leben also, das Marie das Leben dienen. In Wien   verbrachte Pezold seine Schul- und Begrainer bis zu dem Zeitpunkt, da man sie zum Schreiben an- Lehrjahre. Er versuchte sich als Arbeitsburfche in allen möglichen eiferte, geführt hat, ist durchaus bürgerlich proletarisch. Die Handwerken und Betrieben. Man sieht aber an diefem unruhvollen Schilderung paßt auf Millionen solcher völlig unaufgeklärt Wechsel der Beschäftigungen nur das Zufällige, im Talent, das fich bleibender Dorf oder Kleinstadtproletarier. Zwischen Elend und stetig ausbreitet, das Notwendige, Hauptsächliche, Beständige. In mancherlei fleinen Freuden, aber desto dicker gesäten Leiden frettet fofern find Pezold und Krille sich verwandt weil wirkliche Boeten­man sich so durch bis zum Tode. Wo nun beinah alles, was ein naturen. Dasein lebenswert macht, fehlt, pflegen Liebe und geschlechtliche Ge- Während in den meisten dieser Bücher das eigene Jch zum Gegen­nüffe die Hauptrolle zu spielen. Man verwundert sich deshalb nicht, stand der Betrachtung erhoben wurde, offenbart der Roman" Der wenn Marie Wegrainer mehrere uneheliche Kinder hat, bevor sie endlich Gotteslästerer" von A. Ger.( Berlin  , Verlag Buch doch noch unter die Haube kommt. Dazu treten einige legitime handlung Vorwärts, geb. 1 M.) den eigentlichen Epiter. Nicht Sprossen nebst allen Eristenzforgen des veriflavten Kleinbürgertums. die eigene Persönlichkeit, sondern das Leben und Tun anderer Von Denken oder Nachfinnen über die Ursachen des sozialen und Menichen wird darzustellen versucht. Und zwar sind erzgebirgische twirtschaftlichen Elends teine Spur. Insofern sagt der empor- Waldarbeiter die Akteure und Helden. Und sozialistisch ist ihr strebenden, aufgeklärten Arbeiterschaft diefer Lebensroman einer Denten und Handeln. Mit diesem Roman ward Neuland erobert: Arbeiterfrau" nichts, was sie nicht längst schon hinter sich hätte. eine Kategorie von Lohnstlaven, die man kaum näher fannte, wurde Wenn's hoch kommt, fann man der Schreiberin gerne nachrühmen: hier zum ersten Male dichterisch und zugleich mit soziologischer sie sei sicherlich ein intelligentes Geschöpf gewesen, das in der Schule Gründlichkeit in den Rahmen eines ernsthaften Geschehens gestellt. gut und leicht gelernt und hernach als Stubenmädchen in ver- und man muß es dem Verfasser nachrühmen: er femit seine Leute, schiedenen besseren Häusern" die Bestände der Leihbibliothek- die mit fräftiger Anschaulichkeit gezeichnet werden. Man darf also belletristik mit Rugen gelesen habe. Man merkt folche Angelesen diesem zu allererst in der Neuen Welt" erschienenen Erzählungs­heit" der unausgeglichenen Darstellungsweise und dem unperiön werf eine fröhliche Fahrt wünschen. Es gehört in jede Arbeiter­lichen Stil der Schreiberin an. Wie da von einigen Lobbudlern bücherei. an Gottfried Keller   vergleichshalber erinnert werden konnte, erscheint rätselhaft.

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Ersatz der Petroleumlampen.  

ek.

Viele kleinere Ortschaften sind aber nicht im Besiße einer Gas­anstalt; hier müßten die elektrischen Ueberlandzentralen in Aftion treten, um solche Orte in ihr Versorgungsgebiet einzubeziehen. Auf diese Weise fönnten, wie 2. ausführt, bequem drei Viertel aller noch im Betrieb befindlichen Betroleumlampen durch Gas und elektrisches Licht erfekt werden. Es bleiben dann aber noch zahl­reiche Richtverbraucher, denen beide Wege verschloffen sind. Sie auf Azethlenanlagen zu verweisen, erscheint Zur bedenklich, da der Be­trieb einer und kleinster Azethlenerzeuger in der Hand von Zrien zu gefährlich ist. Er empfiehlt die Herstellung einer Luftgas­anlagen, die für den Befrieb mit Blaugas einzurichten sind, und verweist schließlich auf die Umwandlung von Betroleumlampen in Spiritusglühlampen, die er jedoch nur in möglicht geringen Um fange vorgenommen sehen möchte, damit nicht Kartoffeln, die noch su Ernährungszwecken dienen könnten, in der Spiritusbrennerei verwendet werden.

Kleines Feuilleton.

Das Theatergeschäft im Kriege.

Die deutschen und österreichischen Theater haben trotz der fchwierigen durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse zum großen Teil ihre Pforten geöffnet und spielen, obwohl Aussichten auf Gewinn bei der jezigen Lage nicht bestehen. Wie sich die finanzielle Situation der Bühnen nunmehr gestaltet hat, das erörtert, hauptsächlich an dem typischen Beispiel der Berliner   Theaterverhältnisse, der bekannte Fachmann in allen Theaterfinanzfragen Dr. Mar Epstein in einem Aufsatz der Schaubühne". Besonders schlecht sind die Theater­direktoren daran, die sehr hohe Miete zu zahlen haben oder, wenn May Heinhardt als Eigentümer feiner Theater alle Hypothekenlasten selbst tragen, während die Direktoren, die nur Mieter find, von den Eigentümern beträchtliche Mietsnachlässe verlangt und erhalten haben. Die Höhe der Nachlässe ist je nach dem Inhalt des Vertrages und nach der Sicherheit des Direktors verschieden aus­gefallen. Wo ein sehr reicher Mann Pächter ist, wie beim Theater des Westens  , muß er die volle Miete weiter zahlen. Das ist aber auch der einzige Fall in Berlin  ; sonst haben die Direktoren von den Gigentümern im allgemeinen eine Herableßung der Miete um etwa ein Drittel erhalten, das Deutsche   Künstlertheater, das sich schon ppr dem Griege nicht gnt rentierte und in dieser Saison noch keinen Erfolg erzielte, fogar um zivet Drittet. Dem Deutschen Operithause ist von dem Eigentümer, der Stadt Charlottenburg  , die Miete über haupt erlassen worden. Die Direktoren haben mit ihren Mitgliedern vielfach nur ganz furzfristige Verträge abgeschloffen. Gerade bei den bestfundierten Theatern, bei denen es sich um sehr große Objeftc handelt, können bei einer langen Dauer des Krieges Berlufte eitt stehen, während bet fleineren Unternehmungen, selbst wenn sie schlecht fundiert sind, die Beteiligten größere Rüdsicht nehmen. Im Deutschen   Theater, wo zunächst Shakespeare   trotz aller zu­stimmenden Antworten auf eine Umfrage nicht mehr ziehen"

Bon ganz anderer Art sind hingegen zwei Bücher, in denen die Geschichte einer Proletarierjugend aus eigenem Erleben erzählt wird. Das eine heißt Vom Waisenhaus bis zur Fabrit", In der Zeitschrift für Beleuchtungswesen wird die gegenwärtig gegeben von Heinrich Georg Difreiter( Verlag: Buchhandlung durch den Krieg hervorgebrachte Petroleumnot und die Mittel zu Vorwärts, Berlin  ); das andere Unter dem och" von Otto ihrer Abhilfe von Dr. Luy erörtert. Vom Standpunkte der Be­Krille( Egon Fleischel u. Co., Berlin  ). Ob Waisenhaus. oder Teuchtungstechnik begrüßt er die Petroleumnot, die zu einem Ersak dörfisches Armenhaus: in beiden Fällen ist der Ursprung Armut.   der Petroleumlampe geradezu drängt, denn die gewöhnliche Beſte Eigentümer ihrer Theater find, große Hypothekenzinsen. So muß Rach traurigen Kinderjahren kommen noch traurigere Lehrjahre. troleumlampe ist der unrationellste und im Betriebe kostspieligste Insofern besteht zwischen den, beiden Berdeprozessen ein aller gebräuchlichen Beleuchtungsapparate". Ihr Erfaz durch Unterschied, als Difreiter sich in Werkstätten der Erlernung andere Beleuchtungsarten geht auch in Friedenszeiten bereits mit cines Handwerks hingeben muß; während Krille zunächst in einer Erfolg vor sich, denn die Zahl der Petroleumlampen ist in Deutsch  Soldatenknaben- Erziehungsanstalt, sodann in einer gleichfalls land auf zirka 21 Millionen zurückgegangen, während die der jächlichen Unteroffizier- Vorschule fürs Striegshandwerk gedrillt wird. installierten elektrischen Glühlampen auf zirta 75 Millionen ge­Siebzehnjährig dreht er ihr aus Abneigung den Rücken und wird. stiegen ist. Trotzdem ist die Petroleumlampe noch immer das Licht Fabritarbeiter wie Didreiter. Ob nun der eine früher, der andere des fleinen Mannes" und bei einem Mangel an Petroleum   werden fpäter zu fozialdemokratischer Anschauung und Barteimitgliedschaft große Teile der Peoölferung auf ganz gerifigwertige Beleuchtungs tomint, iſt ſchließlich gleichgültig. Hauptfache bleibt doch, daß es so mittet, wie Rütbollampen, Stearin und Talgterzen, angewiesen tommt. Darair fann nicht mal die Militärdienstzeit etwas andern. jernDie Betroleumtampe hat gegenüber dem Geslicht und dem Hätte der Sozialismus feine andere Bedeutung, als die Geister zu noch moderneren elektrischen Glühlicht den Vorzug der leichten und weden, die Charaktere zu veredeln, überhaupt die Menschen beffer bequemen Transportierbarkeit, der trotz der Gefahr, die ein Herum zu machen, es wäre des Beweises seiner Notwendigkeit genug. Aus hantieren mit brennender Lampe jedesmal mit sich bringt, doch für diesem Grunde sind beide Bücher, lehrreich. In mancher Hinsicht Heine Haushaltungen feineswegs gering geschätzt werden darf. Die ergeben fich gewisse Unterschiede. Krille ist von beiden die Inabhängigkeit von einer Zentralstelle, die der Petroleumlampe reichere Natur. Sein verfeinerter Darstellungsstil gengt ebenfalls nachgerühmt wird, ist dagegen sicherlich ein Nachteil, denn für den Dichterkünstler in ihm. Krille spricht am Schlusse seines statt eines bequemen Ein- und Ausschaltens oder Anzündens und Buches von neuen Entwidelungsmöglichkeiten, jedenfalls doch im Abschließens des Lichts muß die Lampe täglich gereinigt und gefüllt dichterischen Sinne. Danach hofft er erst noch sein Bestes" zu werden, zudem ist das Anzünden so umständlich, daß man sie auch geben und wir hoffen's mit ihm. brennen läßt, wenn der beleuchtete Raum fürzere und selbst län­Bangkok; in Bangkok   wartete eine Viertelladung Getreide und Tiefholz, die nach Rotterdam   sollte; dann ging's hinüber nach Sigapur, um Gambir zu holen, das als Lohe für Segel und Fischneße gebraucht wird, und von da nach Rangun  , wo Reis geladen wurde. Messina   hatte man angelaufen, um die Bunfer füllen und einige tausend Kisten mit Apfelsinen aufzunehmen, die nach Kopenhagen   gingen, dem Endpunkt der Reise.

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Die blaue Woge.

Von Martin Andersen Nerö.

Es war recht spannend für einen so kleinen Wicht, ihn in weiter Ferne zu wissen und ihn, dann plötzlich innerhalb der engen Sphäre des Städtchen auftauchen und allerlei Der Kapitän hatte nichts dagegen, mich mitzunehmen, Gegenstände aus den ferusten phantastischsten Gegenden der und bat mich, sofort an Bord zu kommen, weil das Schiff ab­Welt mitbringen zu sehen: Korallen und merkwürdiges fahren sollte, sobald das Einladen beendet war. Er gab mir chinesisches Porzellan. Tätowiert war er wie fein zweiter einen Matrosen mit, der bei meinem Gepäck mitanfassen sollte. Seemann  ; seine Gestalt sputter reichlich in meinem Senaben- Aber tun Sie mir den Gefallen, ihn im Auge zu behalten," sinn. Das mußte eine wunderbare Welt da draußen, sein, da fagte er. Es ist ein tüchtiger Bursche, aber geht er erst auf sie ihn so ungern von sich gab und mit einem Ruck wieder- eigene Faust los, dann können wir im Schiffsjournal nach weg von allem, was er liebte! Voller Taten war ihm suchen. Und nun hab ich ihn so weit gekriegt, da möchte er auch ein richtiger Held! Wie gern hätte ich ihn auf die ich auch das Vergnügen haben, ihn so einigermaßen ganz bis Fahrt begleitet und einen Schimmer seines frohen, sorgen- nach Dänemark   zu bringen." lofen Treibens da draußen gesehen!

nahm

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feiner Züge mit.

Es war ein bärtiger Seemann von vierzig bis fünfzig Jahren, braun wie ein Halbneger. Solange wir vom Schiff aus zu sehen waren blieb er einige Schritt hinter mir, aber bei der ersten Biegung holte er mich ein.

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schen Minen herumzuplantschen. Von viel Schlaf war auch nicht die Rede! Der Alte und beide Steuermänner Tag und Nacht auf der Brücke und zwei Mann auf dem Bad zunt Ausgud; und Peter mußte immer der eine davon sein. So­bald er in eine Ecke entwischte, um sich aufs Ohr zu legen wo zum Henter ist Beter? schläft der Bursche denn immer! Hallo, Peter, was Neues in Sicht?- Jawohl, Kapitän, es schwimmen Minen an Steuerbord und Backbord! Verflucht, laß sie schwintmen, wir müssen durch! Ahead! Na, Draht verdiente man ja, und nun ist's am besten, an Land zu gehen. Ein Seemann   nimmt sich sein Teil, wo er fann; und bevor man's weiß, ist die Flasche leer. Ich hab ja auch zu Haus allerlei wieder gutzumachen!" Er sah mich mit seinen hell­blauen Kinderaugen an, die immer noch so offen waren wie ein Blick am Horizont hin. Ich war erstaunt, wie wenig das Leben in diese Augen abzulagern vermocht hatte.

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Auf der Reife nach der Heimat plauderten wir nicht selten zusammen. Am Tage, wenn er bei seiner Arbeit war, gab er sich am liebsten den Anschein, als fennten wir einander nicht; wenn Kapitän oder Steuermann in der Nähe war, ant­wortete er mir kurz und dienstlich. Aber am Abend, wenn er selbst frei war und wußte, daß der Alte in der Koje lag, kam er zu mir und ließ sich in meiner Kajüte nieder, um ein Schwäßchen mit mir zu halten am liebsten von denen da­heim. Es war eine Reihe von Jahren vergangen, seitdem er zuletzt zu Hause war, und er litt starf an Heimweh." Er war fein Kopfhänger und seine Arbeit verrichtete er mit einer Laune, die in die, ganze Mannschaft Leben brachte. Wenn wir aber so saßen und vom Heim sprachen, überkam ihn eine felben. Strande unsere Heimat hatten, und nun erkannte ich eigentümliche Wehmut oder er fing an, gegen sich selbst los­ihn an den starken tätowierten Armen wieder es war zudonnern: So ein Schuft, der es nicht verdiente, daß ein Mensch auf Erden ihn lieb hatte. Da haben sie gesessen und heim gewesen; aber ich wußte doch mehr von den Dingen zu qut an einen gedacht und obendrein vielleicht Not gelitten." Marthas Peter. Ich war schon ziemlich lange nicht mehr dazudonnern: So ein Schuft, der es nicht verdiente, daß ein auch von den seinen. Unter anderem fonnte rief er dann aus. Glaubst Du, daß sie Mangel gehabt Hause als er­ich ihm mitteilen, daß seine älteste Tochter geheiratet hatte haben, wenn unsereins das Geld verpulvert hat an der ersten und ihren eigenen Hausstand führte, und daß er Großvater besten Stelle, wo man ans Land kam?" geworden war.

Als Erwachsener erlebte ich das wirklich und machte einen Es ist jezt einige Jahre her. Ich wartete in einem der großen Mittelmeerhäfen auf Schiffsgelegenheit nach Hause. Eines Tages fam die Danmark" auf der Heimfahrt in den Er untersuchte mich ein bißchen von der Seite, während Hafen eine arg mitgenommene Schute, die aus dem Osten er sein Briemchen kaute. Dann spuďte er eine Flut mitten fam, mo sie während des russisch  - japanischen Strieges im auf die Straße, um den Mund freizubekommen, und rief: Der Es ist doch großartig, wieder auf der Heimfahrt zu sein! Trüben gefischt und mancherlei durchgemacht hatte. Frachtmarkt war in jenen Jahren flau bei uns, und die Dan- Wie es wohl zu Hause aussehen mag." mart" follte gerade auflegen, als das russische Ostsee  - Ge- Aus dem Gespräch ging hervor, daß wir beide an dem schwader sich auf seine Todesfahrt begab und nach Fracht­dampfern zur Begleitung mit Kohlen suchte. Es war ein und die Danmark  " meldete sich sofort. Auf diese Weise kami halsbrecherisches Unternehmen, die Frachtkurse waren doppelt, fie nach dem Often, und da man nun einmal da draußen war, nahm man das Ganze mit: fuhr mit versiegelten Ordern und vermummter. Last vor Korea  , segelte andauernd mit abge­blendeten Laternen, tastete sich vorwärts zwischen japanischen Kreuzern und Unterwasserminen auf verdächtigen Fahrten nach Port Arthur und Wladiwostof. Das waren Zeiten, wo man jeden Augenblick ins Jenseits geschickt im Bruchteil einer Minute gänzlich vertilgt werden konnte. Aber ging es gut, so erfette jede Fahrt mehrjährige beharrliche Arbeit.

Jetzt war die Danmark  " also auf dem Heimwege, tüchtig mitgenommen, unterm Boden ganz bewachsen, so daß die Ge­schwindigkeit verloren zu gehen drohte aber mit gefülltem Eisenwanst. Es war nicht gelungen, Ladung gleich bis nach Europa   heint zu. bekommen, man' mußte die Rüdfahrt in Etappen machen, damit sie nicht alles aufzehrte. Bon Japan lief, man mit einer Radung Kohlen nach Honkong und

Die Nachricht schien starken Eindruck auf ihn zu machen. Eine Weile ging er schweigend neben mir her, seine Kiefer beschäftigten sich eifrig mit dein Rautabat. Dann/ griff er in den Hosenbund und sagte langsam, als Fortsetzung einer inneren Gedankenreihe: sa, da schindet man sich auf der Erde rund für nichts und wieder nichts und bürdet sich alles mögliche auf; aber nun foll's zu Ende damit sein."

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,, Das hast Du wohl schon mehrmals gemeint, Peter!" wandte ich vorsichtig ein.

,, Allerdings- das ist richtig. Aber Du fannst mir glauben, diesmal hab ich Zeit gehabt, über die Dinge nach zudenken; es war kein Spaß, da draußen zwischen den japani­

Ich mußte antworten, daß die Seinen, soweit ich wisse, gut durchgekommen seien aber natürlich nur durch tapfere Arbeit. Es ist eine Schweinerei, Du! Denn sie hätten mit dein Säfelzeug dasißen und es gut, haben können hätten einen Weg in die Stadt machen können zur Tasse Kaffee, wenn man die Seuer bloß beisammen gehalten hätte. Aber so find wir Seeleute; unser Herrgott muß verflirt beschäftigt geweien fein, als er uns gemacht hat. Er hat vergessen, den Spund draufzusehen, und da fährt man um die Erde herum, macht eine ungeheure Menge durch und wird doch nie älter als ein zweijähriges Kind. Das ganze läuft durch einen durch, ( Schluß folgt.) und allein- gehen lernt man nie."