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. 25.- 1914. Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Weihnachten im Felde.

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Wird das Weihnachtspaket rechtzeitig eintreffen? Viel taufend. fach wird die Frage in diesen Tagen erwogen, wo unsere Gedanken noch häufiger als sonst zu den Streitern im Felde schweifen. Denn auch der Soldat in der Front soll seine Weihnachtsfreude haben. Su früheren Jahrhunderten war den Deutschen ein Weihnachten im Felde unbekannt. Man führte keine Winterfeldzüge, und noch die Soldaten Friedrichs des Großen bezogen dann, wenn eine dichte Schneeichicht Schlesiens Berge und Hügel bedeckte, ein Winterquartier. In ihm ging es Tag für Tag nach beendigter Exerzierübung lustig her, die während der Sommermonate gesparte Löhnung wurde schnell ausgegeben, und die Bürger des Städtchens waren oft froh, wenn das Quartier zu Ende ging. Verdrehten doch die Soldaten den Bürgerstöchtern nur die Köpfe. Auch während der Freiheitsfriege dachte man wenig an Weihnachten . Die Heere der Verbündeten rüsteten sich inmitten der Festtage zum Marsch über den Rhein , so daß die Truppen feine Zeit hatten, das Fest zu feiern. Aehnlich war es im Winter 1863 vor Ausbruch des Dänenfrieges. Heilig abend und die Weihnachtstage - so erzählt ein Leutnant eines brandenburgischen Füsilierregiments I waren wir auf dem Marsche. Die Wege waren stellenweise bodenlos, da die Sonne nicht zwischen den hohen Knicks hineinreichte, um den Morast auszutrocknen. Wir mußten sogar Vorspannpferde nehmen, da die Trainpferde nicht mehr anziehen wollten. Am ersten Feiertage mußte ich vorreiten und kehrte bei einem Müller in einem einzelnen Hause an der Land­straße( nach Lübec) ein. Hier sah ich den einzigen Weihnachts baum; er rief mit alte Erinnerungen wach. Unsere Leute haben auch Weihnachten gefeiert. Eine Kompagnie fang auf dem Scheunenflur, auf dem sie lagerte, mehrere Chorale, am nächsten Tage rissen sie beim Rendezvous eine Fichte aus und trugen sie unter Singen und Jubel im ganzen Bataillon umher." Ein eigentliches Weihnachten im Felde gab es aber erst 1870, als unsere Truppen vor Mezz und Paris lagen und zum Kampf gegen die letzten republikanischen Armeen rüsteten. Da puzte jedes Bataillon oder gar jede Stompagnie wenn irgend angängig einen Kleinen Baum, die Gaben der Heimat, die in langen Eisenbahnzügen nach Frankreich geschafft worden waren, wurden verteilt, und das Stille Nacht, heilige Nacht " tönte hinaus in die kalte Winterland­fchaft der französischen Erde. eigenen absonderlichen Zustand leichter, was außerhalb geschieht, die Vergißt man im Striege über den Gedanken an die Heimat fehren immer wieder und besonders innig in der Weihnachtszeit. Die Weihnachtsfreude wollen die Deutschen haben, wo sie auch sein mögen; am heiligen Abend brannten in den Stantonnements Lichterbäume groß und klein, aufgepugt so gut es ging.. Wir versammelten uns in dem größten Zimmer des Curé mit unseren Ordonnanzen, Dienern und dem Hausgesinde um einen wohlgeschmückten Tannenbaum. Der Curé rief ein über das andere Mal: Ach, das ist ja rührend!" und faltete die Hände. So erzählt der Generalleutnant Hartmann in seinen Striegserinnerungen.

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allerlei Gedanken

Dienstag, 15. Dezember.

Kleines Feuilleton.

sid

ek.

Ich stand als Poften auf einer Eisenbahnbrüde, über die eine gehörte Meisterfängerin, der ellist Armin Liebermann und Wertbahn von einer Zeche zu den jenseits der Eisenbahn ge- Alexander einbaum( tlavier) übernommen. Der Saal war Tegenen Hüttenwerke führte. Eines der gewaltigsten Eisenwerfe überfüllt von aufmerksamen Hörerit. Belgiens , aber jest fast tot. Ab und zu nur kam Leben in die Bahn und einige Kippwagen rollten und beförderten Kohlen. Eine Anzahl Arbeiter passierten die Brüde, langsamen Schrittes, sie schienen nicht viel zu versäumen zu haben. Einer von ihnen, der etwas deutsch sprach, erzählte mir, daß von den 10 000 Arbeitern des Werkes etwa der vierte Teil beschäftigt sei, und daß diese zwei Erfolge von Typhus - und Choleraimpfung. Tage in der Woche arbeiteten. In der Ferne ging eine andere Werfbahn etwas regelmäßiger, und das Gefauche ihrer Lokomo In dem gewaltigen Ariege, in dent wir uns befinden, hat tiben brachte etwas Leben in das tote Bild. Das war nachmittags. man die wildesten und merkwürdigsten Völker der Erde, die wir Als ich abends um 9 Uhr meinen Bosten wieder bezog, hatte sich sonst nur bei erotischen Schaustellungen zu Gesicht bekommen, das Bild geändert. Arbeiter passierten nicht mehr, die Bevölkerung auf uns gehegt. 1870 hatten wir es nur mit Turfos und Spahis muß ja um 8 Uhr zu Hause sein, aber in einer Entfernung vont als Hilfstruppen unserer Feinde zu tun, diesmal gesellen sich zu ungefähr 300 Metern von mir war ein Ofen des Eisenwerkes in ihnen Senegalesen und Kongoneger, Siths, Gurkhas aus Indien , vollen Gange. Es war ein prächtiges Bild. Blutigrote Flammen Baschfiren, Tungusen und andere Selfer der russischen Kultur oderten hoch empor, gelbe Glut schoß veit heraus, wenn die Tür träger". Die Gefahr liegt nahe, daß diese Feinde, deren Waffen sich öffnete, dazwischen in regelmäßigen Pausen das Geräusch wir wohl wenig zu fürchten brauchen, uns andere schlimme Gaben der Maschinerie, die die Zufuhr besorgte.. Meine technischen bringen: böse Krankheiten und Seuchen. Doch in der Beziehung Kenntnisse sind nicht sehr groß, so daß meine Phantasie freien fönnen wir voller Vertrauen in die Zukunft blicken; die ärztliche Spielraum hatte. Ich konnte mich nicht satt sehen an dem Wissenschaft ist speziell in Deutschland auf dem Gebiet der Hygiene und Flammenspiel, famen und Krankheitsvorbeugung bis zu einem Grode entwidelt, wic des Typhus wartet man nicht, bis er da ist, sondern man impst faum in einem anderen Lande der Welt. Mit der Bekämpfung diejenigen, die möglicherweise mit Typhusfeimen in Berührung fommen, also die Soldaten, die in feindliches Land ziehen, Pfleger, die Reinkulturen der Typhusbazillen bei 60 Grad ab. Aerzte, Einwohnerschaft gefährdeter Gebiete. Früher tötete man E3 cr gaben sich dann als unangenehme Folgen der Einsprißung: Fieber, Schüttelfroft, Erbrechen usw. Jest tötet man die Bazillen schon bei 52 Grad, und infolge davon bleiben die früher fajt regel­mäßig beobachteten üblen Folgeerscheinungen cig. Dr Spier, der in den Blättern der Volksgesundheitspflege hierüber berichtet, ist daher der Meinung, daß auch bei den ge­ringsten Bedenken einer Epidemiegefahr die Typhusimpfung ganz allgemein durchgeführt werden sollte. Er führt an, daß unter 12 801 Geimpften der amerikanischen Armee nur ein einziger Erkrankungsfall auftrat, während im Jahre zuvor, wo man noch nicht impfte, 1889. Grfranfungen vorkamen. Bei der französischen Armee fam unter den Geimpften überhaupt kein Typhusfall mehr vor, unter den nicht Geimpften dagegen 101,4 Fälle auf 1000, das heißt mehr als 10 Proz. Für die Cholerainpfung liegen die Verhältnisse ähnlich. Allerdings liegen hier noch keine Erfahrungen für Deutschland vor, weil wir glücklicherweise noch keine Veran­lassung zu einer allgemeinen oder auch nur zahlreichen Impfung der Bevölkerung eines bestimmten Bezirks hatten. Dagegen sind in Griechenland bereits 500 000 Soldaten vor einigen Jahren gegen Cholera nach dem neuen Verfahren mit Kulturen, die bei geringer Temperatur abgetötet waren, geimpft worden, und nach dem Bericht des griechischen Chefarztes zeigten sich ebensowenig Nachwehen wie bei der Typhusimpfung. Man sollte daher, wo nur der geringste Anlaß vorliegt, zu ihrer Anwendung schreiten.

Todernden und darüber, daß die zwei Stunden dabei so schnell verflossen, die mir. Es war aber zunächst nur die Freude an dem bunten Bilde einem Wachtposten sonst so leicht zur Givigkeit werden. Aus Dant barkeit hatte ich den Ofen auch sogleich zum Hochofen ernannt. meinen Bosten wieder bezog. Zuerst noch derselbe Anblid wie Ganz anders wurde es aber, als ich vier Stunden später vorher, der Ofen leuchtete in der alten Pracht, dann aber ver­suchten dunkle Rauchwolfen die glänzenden Flammen zu erstiden. Das Rot wurde immer matter, der Rauch immer stärker, zuletzt Unwillkürlich kam mir der Gedanke, daß die dunklen Wolken der ſchien es, als ob er die Flammen zuin Erlöschen gebracht hätte. Strieg wäre, der sich vernichtend auf die Industrie gelegt hatte, daß die hellen Flammen alles Lichte und Schöne wären, daß fie die Brüderlichkeit, die Menschlichkeit, die Kultur darstellten, die von dem alles zermalmenden Kriegsgotte mit der Vernichtung bedroht werden und dem Erlöschen nahe schienen. Allmählich aber zün. gelten die Flammen wieder empor, zuerst ganz schwach, dann immer stärker und stärker, und wenn die dunklen Wolfen auch noch manchmal den Sieg an sich zu reißen schienen, jo ließ sich doch der Ofen stand wieder in altem Glange da. schließlich die Macht der hellen Flammen nicht mehr dämpfen, und Während dieses Kampfes wurde meine Freundschaft mit dem Hochofen geschlossen. wie eine Offenbarung hatte das Schauspiel auf mich gewirkt und mir die Gewißheit gegeben, daß die Kultur, die Menschlichkeit, daß das Gute und Schöne auf die Dauer doch nicht zu unterdrücken ist durch die schwarzen Kriegswolfen und daß sie den Kampf fieg reich bestehen werden gegen die Mächte der Finsternis.

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Bei meinen Träumereien hatte ich gar nicht gemerkt, daß die Zeit der Ablösung schon gekommen war, und der Abschied von Tage wieder aufzog, waren nur wenige Flammen zu sehen, das meinem neuen Freunde fiel mir ordentlich schwer. Als ich am Recht des Alltags machte sich geltend, aber die Stunde, in der ich Freundschaft schloß mit meinem Hochofen, wird mir stets unvergeß­lich bleiben.

Musik.

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Notizen. doby ods

Auch die Truppen an der Loire konnten eine deutsche Weihnachten feiern. Adolf Matthias schildert in seinen Kriegserinnerungen, wie am Mittag des Weihnachtstages auf der Hauptstraße von Blois die Mannichaften und Offiziere der Garnison promenierten, während Das Boltsbühnentheater am Bülowplatz soll am die Musikkorps der Brigade abwechselnd ihre Weisen spielten 25. Dezember eröffnet werden. Daß der Bau mitten im Kriege und die Franzosen in hellen Haufen berbeieilten, um diese vollendet und seiner hohen Aufgabe zugeführt werden kann, ist ein noch nie gehörte Kunstleistung der deutschen Barbaren zu bewundern. ichönes Zeichen unermüdlicher deutscher Kulturarbeit. In feinent Aus den Fenstern der Häuser schauten aber die Frauen und Mädchen, Lande der Welt bat die organisierte Demofratie ein eigenes die am Abend vorher schon erstaunt die Weihnachtsbäume betrachtet Theater. Das Bolt der Barbaren wird das erste sein, das seinen batten, freundlich auf die fremden Eroberer herab. Freilich im Deutscher Arbeiter Sängerbund. Klaffende Lüden Kulturwillen auch im Theater verwirklicht und es eröffnet dieses Schützengraben und auf Vorposten fann man Weihnachten nicht in hat der furchtbare Würger Strieg in alle Arbeiterorganisationen ge- Saus unter dem Waffengetöse des Weltkrieges. dieser Weise feiern. Graf von Pfeil lag am Heiligabend 1870 rissen. Und so sind denn auch unfere Arbeiter- Sängerchöre start Musikalische Andachten in Feindesland. Die auf Vorposten, als er und seine Leute über das schneebedeckte Feld zusammengeschmolzen. Dessen mochte man wieder bei Gelegenheit Etappenstation Laon in Frankreich ist zu einer Pflegeftätte deutscher hinweg aus den rückwärts gelegenen Dörfern die Slänge der Weih- des am Sonntag in Obiglos Konzertjälen abgehaltenen 24. Stiftungs - flafficher Musik geworden. Professor Friz Stein hält im Auftrage nachtslieder hörten. Da fonnten sie nicht länger an sich halten und festes des Arbeiter- Sängerbundes inne werden. Aber noch eines des Armeekommandos allfonntäglich in der schönen gothischen Kathe leife, ganz leise wurde das Stille Nacht" angeſtimmt. Und das andern. War es nicht dieser Bund, aus deffen Stamm Aeste drale musikalische Andachten ab, an denen auch die einheimische Be­alte deutsche Lied flog hinüber zum Feinde und schien auch ihm und Zweige sprogten, bis es ein Baum ward, in dessen völkerung teilnimmt. Im letzten Programm vom 6. Dezember nahm Frieden zu bringen. Stein Schuß ertönte die ganze Nacht hindurch. breitwipfeliger Strone Lieder und Chorgefänge zu Schutz und Bach die erste Stelle ein; daneben waren Händel( Largo für Alt So war auch bei uns, wenn auch nur für wenige Stunden, Friede Trußz, zu Lust und Schönheit jahraus fabrein erflangen? und Violoncell), Reger( Drgeldboral D Welt ich muß dich lassen"), Daß es so bleiben soll, sagte uns nun auch dies Stiftungsfest. Die Franz Schubert ( Litanei) und Wagner( Karfreitagszauber in Bearbei­Chöre werden gemach wieder erſtarten. Denn wo folch schaffender tung für Orgel) vertreten. Boltsgeist am Werke ist, soll uns für die Zukunft nicht bange sein. on, annehmbarer Nationalität. Um Shakes Diesmal waren am Programm vier Chöre beteiligt, nämlich:[ speare jetzt spielen zu dürfen, hat man bei uns geradezu erklärt, er Vorwärts- Südost"( Chormeister Stowalski)," Fichte- Georginia" fet gar tein Engländer, sondern set längst deutsch geworden". Mehn ( Chormeister Gervais), der Frauen- und Mädchenchor Norden" liche Luftsprünge macht man in England, um die deutsche Mujik und der Berliner Sängerchor"( Chormeister Bothe). In allen nicht boyfottieren zu müssen. Nach dem Zwiebelfisch" erschien in Darbietungen offenbarte sich der rührige Geist des mit inniger Hin- der Morning Post" türzlich eine Konzertfritif, in der es u. a. hießz: aabe verschwisterten ernſten Strebens nach gefangstünstlerischen Mister Delius ist immerhin von annehmbarer Nationalität, da Zielen. Das soll vor allem andern gefagt werden. Dabei wird es denn er zwar von deutschen Eltern stammt, jedoch in Bedford geboren, in auch dem Frauen- und Mädchenchor gelingen, Höhen zu erklimmen, England und Frankreich erzogen, dann in Florida akklimatisiert und die ihm diesmal bet dem schwierigeren Dreistimmenchor" Im Walde" ichließlich in Frankreich bodenständig wurde. Er gehört also vor­mit Selavierbegleitung von Nikolai v. Wilm, was Klarheit und Rein- wiegend der Nationalität der Allierten an und hat hauptsächlich von heit betraf, noch verwehrt zu ſein schieren. Den solistischen Teil den Franzofen die leichte ätherische Art der Kunst erworben, von dem des Konzerts batten Frau Paula Weinbaum, die stets freudig dieie Stücke Zeugnis ablegen."

auf Erden."

Mein Freund, der Hochofen.

Ein Kriegsteilnehmer schreibt uns aus Belgien : Der Krieg, der so viele enge Bande zerrissen hat, knüpft auch neue, und wie die Not seltsame Bettgenossen schafft, so bermittelt der Krieg auch eigenartige Freundschaften. Ich habe durch ihn Freundschaft mit einem Hochofen geschlossen. Ich weiß zwar nicht einmal genau, ob es ein richtiger Hochofen war, es ist möglich, daß es ein fleinerer Bruder seiner Familie war, ich nenne ihn aber so. Wenn man von seinen Freunden spricht, legt man ihnen ja gern einen recht volltönenden Titel zu.

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Landsturm- Tagebuch.

1. Auguft. Mobilmachung! Was seit Tagen wie eine drobenge Ge­witterwolfe am Himmel stand, heute entlädt sichs. Mobil machung! Um sechs Uhr abends läuft die erwartete Kunde auf leisen Sohlen durch die Stadt, mit falter Hand durch verschlossene Türen in die Häuser greifend, auf den Straßen versteinte Gesichter zurücklassend

Mobilmachung! Vor vierzehn Tagen noch trank der ruhige Bürger in tiefem Behagen sein Schöppchen. Jetzt sind wir alle Würfel in des Schicksals Becher. Eine Eisenfaust schüttelt den Becher und streut uns über grünen Plan.

Auch der Landsturm ist aufgerufen, auch der Landsturm Auch der Landsturm ist aufgerufen, auch der Landsturm muß mit heran. Wer hätte das je gedacht! Landsturm- das war bislang etwas Sagenhaftes, eine halb verklungene Legende von Anno 1813. Wenn man einmal zum Landsturm greift, batte man stets geglaubt, ist es mit Deutschland Matthai am Bezten. Freilich, die Wehrverfassung sagte flipp und klar: " In Ausnahmefällen kann der Landsturm zur Ergänzung des stehenden Heeres herangezogen werden."

Und ein Ausnahmefall, ia, das ist trot allem der Welt. frieg schließlich doch noch.

Also, alter Knochen, nimm die Flinte auf den Buckel!

Mitte August. Reserve und Landwehr, von dem jungen Volf der aktiven Regimenter ganz zu schweigen, haben schon wadere Arbeit getan. Im Westen wie im Osten surrt die Sense und Garben fallen, fostbare wie nie in einem Herbst. Und der Landsturm läuft immer noch mit den Händen in den Hosentaschen umher. Es wird schier lästig, die ewige Frage Beschäftigungsloser an Beschäftigungslose:" Sind Sie noch nicht eingerückt?"

Da, eines Abends, liegt der rofarote Zettel auf dem Tisch: Am 17. August... fieben Uhr vormittags... soundsovielte

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Bürgerschule Straße soundso Scheinbar gleich-| magst. Gleichviel! Nach Jahren Stubenluft wird die Frei­gültig schiebt man den Zettel beiseite, seit vierzehn Tagen luft wieder gut tun. wußte man's und einer nervösen Spannung ist man ledig; aber so ganz wie sonst will das Abendessen doch nicht schmecken: der Krieg hat harten Knöchels an die eigene Tür geflopft.

In dem Hof der Bürgerschule drängen sich die Einbe­rufenen und wie das Summen eines Bienenschwarms geht Rede und Widerrede der Vielen. Aber keine Flaumbärte sind das, denen der Krieg in der unreifen Phantasie lockendes Spiel bedeutet und seltenes Abenteuer, sondern Männer, die das Leben zu vollwertigen Münzen ausgeprägt hat. Wenn ihnen die Trommel zum Scheiden rasselt, so heißt es nicht von einer blonden Liebsten romantischen Abschied nehmen, drunten am Ronal, im Dunkel der alten Kastanien, sondern eine verhärmte Frau führt den Schürzenzipfel zu den Augen und ein halbes Dutzend Kinder hängt sich an den Bater, den Ernährer, mit schwachen Aermchen, die aber wie Eisenflame mern festhalten. Drum wird in diesem Kreise nicht von nahen Heldentaten geschwärmt, sondern forgenbolle Fragen tasten nächstliegende Interessen ab: Wozu verwendet man uns? Und was geschieht mit unserer Familie?"

Nur ein langer Lulatsch mit semmelfarbenem Bart und Saar fährt mit dem Arme in der Luft umher und versichert, wie er die Saufranzosen" aufs Bajonett nehmen werde. Aber sein Patriotismus riecht auf zehn Meter gegen den Wind nach schlechtem Fusel, und angewidert wendet sich alles von seinen Aufschneidereien ab.

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Arbeiter, Kaufleute, Ingenieure, Gelehrte sie stehen in dichtem Knäuel auf dem Schulhof und über sie hin fliegen Hosen, Litewken, Schnürschuhe. Alles ist eifrig am Verpassen, und nach wenigen Stunden stehen in zwei Gliedern nur mehr Landsturmleute da, nicht mehr Arbeiter, Kaufleute, Inge­nieure und Gelehrte den Zivilmenschen hat die Kommiß­fluft rabefahl ausgefressen.

Und ob du ein stolzer Werkmann warst am Zukunftsbau der Menschheit, hier wirst du danach gewertet, wie du das nie durchdrücken kannst und das Gewehr überzunehmen ver­

Und dazu ringt sich bei allen durch alle Einwände doch immer wieder das Gefühl durch, daß die Sache bis aufs lette durchgehalten, durchgebissen werden muß, um des deut­ schen Bodens, um des deutschen Volfes willen. Wem tàt das Serz nicht einen Sprung in der Brust, als er in den ersten Tagen las: Kosaken reiten in der Richtung auf Johannisburg!

Alter Knochen, ins Gewehr!

Anfang September.

Durch Bahnschuß nüßen wir dem Vaterland- das gibt den Seelen nicht gerade erhöhten Auftrieb. Bahnschuk, Bosten stehen, Patrouillen gehen fenkt unvertreibbare Müdigkeit in die Knochen, wenn man's ein um den anderen Tag betreibt; aber es langweilt und lähmt zugleich. Freilich hat es Nächte in diesem Wachtdienst, die sind traumhafte stille unter glitzernden Sternen, und zwischen drei und fünf Uhr früh, wenn er an irgendeiner Eisenbahnbrücke steht, feilt ein verunglückter Lyrifer an Bersen:

Hier heißt es, zwei der Stunden warten Als einziger Mensch auf weiter Welt. Kein Laut, als wenn im nahen Garten Ein Apfel hart zu Boden fällt.

Kein Laut, als ferner Züge Pfeifen,

Kein Licht, als rot und grün ein Bahnsignal. Da plötzlich: hell im Ost ein Streifen, Der junge Tag tommt zag und fahl.

Und aus dem Bahndammbusch erhebt sich schüchtern Ein erster Vogelruf als Wedalarm.

Da werde ich, vom Nachtfrost kalt und nüchtern, Mit einem Schlage froh und warm.

Usw. usw. Aber häufiger noch starrt man in verhaltener Sehnsucht den rollenden Zügen nach, die die feldgrauen Same.. raden zur Front tragen, in die Schlacht, in den Tod. Ter Gedanke quält uns: fie leisten etwas und wir wir ver­richten Bahnschutz. Glorreiches Ding!( Forts. folgt.)