Nr. 4.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Mittw, 6. Januar.

Die Künstler und der Krieg.

-

Von Rudolf Franz.")

" 1

" Im Juli steckten wir in der Politik, in dem Schmuze niederer Interessen, in dem Programmflüngel lauter Schreier. Und mit einem Schlage sehen wir all die Tugenden unserer Ahnen wieder erstehen; unsere Fehler sind in nichts zerstoben... Wir trugen die Maste der Dekadeng, aber das Zerrbild wich, und wir können uns wieder bewundernd betrachten: Das Antlik ist schön und es steht uns woh! an.. So schrieb die Tägliche Rundschau"? Nein. So schrieb der" Figaro", am 31. August. Das heißt, es stand auch in der " Täglichen Rundschau", nämlich zitiert. Um zu zeigen, was die Franzosen sich einbilden. Aber ganz genau dieselben Sünden­bekenntnisse waren im August in deutschen Blättern zu lesen: Herrgott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie ich gestern noch tvar. Da hieß es im Berliner Tageblatt":" Der schmachtende junge Mann mit der Polkatolle und der Talmieleganz des Zebejünglings hat sich zum ernſten Vaterlandsverteidiger gewandelt, und die girrende junge Dame in der durch den vielverheißenden Augenauf­schlag Lügen gestraften Tugendpoje ist zur gefühlsstarken deutschen Jungfrau herangereift, die von dem ins Feld ziehenden Geliebten mit tapfer niedergefämpfter Rührung Abschied nimmt."-Da pries Arthur Solitscher den Zustand der Verbrüderung, der ia in den ersten Kriegswochen so manchem gekommen zu sein schien, und fragte: Soll nach dieser großen Zeit, die heute jeder von uns durchlebt, dieser größten Zeit seit Gedenken der heute lebenden Menschen, die alte Lauheit, Halbheit, Haß und Ueberhebung, Lüge, Hochmut und Bedrückung wieder Besiz ergreifen von uns allen? Und eine Persönlichkeit wie Gabriele Neuter schrieb im Tag" eine Philippila gegen die deutschen Frauen von gestern, gegen diese Afterkultur, die sich zusammensetzte aus Prozentum und Geilheit". Gie rief: Heraus aus dem Schlemmerleben, heraus aus dem Mammonsdienst! Waren wir denn glücklich in diesem Auf­schwung der Industrie, mit diesen verfeinerten Bedürfnissen... Laßt uns in Demut arbeiten und ringen, auf daß wir dieses deutsche Wesen, das verschüttet und vernichtet wurde von Prahlerei und Ehrgeiz, von Kleidertand und Frivolität, von allem, was ihm gegensätzlich war, erst einmal in unserem eigenen Kreise zurück­Man sieht, die Stimmung gewisser Schichten des Bürgertums war von internationaler Geltung. Brachten ihre Geständnisse, die ach! so billig waren, da sie ja auf die Vergangenheit zielten, brach­ten sie uns etwas Neues? Durchaus nicht. Was diese Buß­prediger ihren Klassen vorwarfen, hatten seit vielen Jahren sozia­listische Kritiker denselben Klassen vorgeworfen; sie hatten es mit zahlreichen Beweisen belegt und waren von den damals noch un­bußfertigen Sündern dafür weidlich beschimpft, verhöhnt und ver­folgt worden. Besonders traß war die Versumpfung seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in den schönen Künsten hervorgetreten. Nur einmal glaubten in all den Jahrzehnten selbst strenge Kritiker einen Aufschwung feststellen zu dürfen: als in den achtziger Jahren das Jüngste Deutschland einen Anlauf nahm. Aber soweit bei diesen Kritikern nicht ohnehin bloß der sozialistische Wunsch der Vater des Gedankens war, blieb es eben bei dem Anlauf, und nichts zeigt deutlicher den Bankrott der ganzen deutschen Künstlerschaft, als das schmähliche Fiasko eben jenes einzigen Anlaufes. Den

crobern

"

Bankrott denn was fonnte es anders sein?

-

Nach außen war die Politik mit Anno 70 auf Jahrzehnte hinaus vollendet. Die imperialistische Expansion, gegründet auf die industrielle Weiterentwickelung, blieb dem neuen Jahrhundert vorbehalten. Im Innern aber war nichts von einer Einheit der Nation zu spüren. Die wildesten Parteitämpfe tobten, und wenn bei diesen bald der Liberalismus, bald das Zentrum und bald die Sozialdemokratie am schärfsten hergenommen wurde, so blieb zwar die konservative Klasse immer obenauf, aber von ihr war natur­gemäß zu allerlegt eine schöpferische Leistung in den schönen Stünsten zu erwarten. Dafür fehlte dem Ostelbiertum die Tra­dition und der Wille zur Gegenwart. Schied demnach diese im Besize der Macht und also der Muße thronende Schicht aus, so wurden die anderen Richtungen durch den politischen Kampf ge­fesselt, der ihre stärksten Kräfte beanspruchte. Die schwächeren Naturen aber waren allzusehr Ethiker, um mit dem Kapitalismus durch dick und dünn zu marschieren, und waren es viel zu wenig, um sich auf die Dauer außerhalb der kapitalistischen   Klassen zu stellen, in denen doch ihr ganzes materielles Dafein als Künstler wurzelte. Wieviel leichter hatten es da die Hoffünstler des Abso­*) Wir entnehmen diesen Artikel dem letzten Heft der Neuen

3eit".

4]

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

Sag mal, Vater," erwiderte Karl grübelnd, hat nie Aussicht bestanden, daß ich noch Geschwister bekommen würde?" , gewiß." Abortus?  "

" Ja, zwei- oder dreimal. Dreimal, soweit ich mich entsinne."

das Dich

Du entsinnst Dich nicht genau? Dann hat also niemals gequält?" Rein, so weit reicht meine Vaterliebe nicht. Erst die Nein, so weit reicht meine Baterliebe nicht. Grit die Würmchen auf den Tisch des Hauses, wenn ich bitten darf. Dann will ich sie schon lieb haben." Er lachte.

Sarl betrachtete ihn von der Seite: der Vater hegte also gar keinen Verdacht.

"

lutismus, die nur einem Herrn zu dienen brauchten! So kroch die ganze Sippe der bürgerlichen Künstler mit den Jahren in das Jochy, und das um so bereitwilliger, wenn sie erst einmal, nach den Hungertagen des jugendlichen Idealismus, den Erfolg gekostet hatten oder gar von der Bourgeoisie auf den Schild gehoben worden waren.

-

den sich über die Stimmung der Maffen, die sie doch wiedergeben wollen, in einem fundamentalen Irrtum befinden.

Verzweifelte Angriffe.

Amtlich wurde unter dem 26. November ge= meldet:.... In der Gegend Saint- Hilaire- Souain wurde ein. mit starken Kräften angesetzter, aber schwäch­lich durchgeführter französischer Angriff unter großen Ein Verlusten für den Gegner zurückgeschlagen. Landwehrmann schildert in einem Feldpostbrief, den die " W. A.- 3." mitteilt, diesen Abwehrkampf: Bei uns geht es laut her; ich glaube, die Franzosen scheinen an der Verzweiflung angekommen zu sein. Sie gehen mit ganzer Gewalt los, rennen sich aber dabei die Köpfe gewaltig ein. Am 25. November um 11 Uhr vormittags unternahmen die Franzmänner einen gewaltigen Angriff auf unsere Linie, welcher aber von uns glänzend abgewiesen wurde. Es war ein hartes Stück Arbeit, welches seine Anerkennung verdient.

Aber im Innern fraß der Wurm. Ja, es wurmte gerade die weicheren Naturen, wenn sie tatenlos mit ansehen mußten, wie der Kapitalismus   immer größeres Elend schuf oder doch enthüllte. Die Auflehnung dagegen war unmöglich, wollte man nicht die Strippe verlieren. So blieb zunächst die Regung des Mitleids offen, der denn auch nach Kräften Raum gegeben wurde. Die Armeleute­Poesie feierte Triumphe. Der so zweideutige Altruismus, der im Anblick des Glends schwelgt und sich im Gefühl der eigenen Mora­lität oder gar der Wohltätigkeit sonnt, wurde Trumpf. Aber so negative Empfindungen können weder dem Schaffenden noch dem Genießenden auf die Dauer genug tun. Und so stürzte man sich, im Bewußtsein der trostlosen Lage, der allgemeinen Misere, der vollständigen Hoffnungslosigkeit, auf das eigene Ich, auf das psycho­logische Raffinement. Die persönliche Not, das Unbefriedigtsein Der 25. November war ein wenig schöner Tag. Die Erde war wurde zum Ausgangspunkt und zugleich zum Gegenstand des mit einer leichten Schneedecke überzogen. Da kamen gegen 11 Uhe Kunstschaffen. Der Mangel an großen Zielen, an politischen vormittags unsere Vorposten gestürzt und meldeten: Die Franzosen  Idealen, an unpersönlichen Interessen warf die Künstler der Ge- fommen! Richtig! In einer Entfernung von 500 bis 600 Meter nußsucht in die Arme und führte sie damit auch zur Gestaltung des famen gewaltige Massen daher, in der vordersten Reihe die Bionier­intensivsten Genießens und der aus ihm entspringenden Röte; truppen, welche die den Truppen entgegentretenden Hindernisse, wie er führte zu jener auffallenden Bevorzugung des erotischen Mo- Drahtverhaue, beseitigen sollten. Wir nahmen unsere Feuerstellung mentes, die immer den Gipfel der Ichkunst bedeutet hat. Hier hat ein und freuten uns schon, nach langer Feuerpause endlich wieder ein besonders das Drama, mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten der mal als Kunstschüßen auftreten zu können. Aber welche Enttäuschung psychologischen Dialektik, in den letzten beiden Jahrzehnten Orgien wurde uns. Es kam das Kommando: Nicht eher schießen, als es be­im Taumel der allgemeinen Jagd nach Erfolg und Genuß, faum Körper durchlief ein Zittern. Sprungweise rückte der Feind vor und der seelischen Perversität gefeiert. Und obendrein wurde das alles, fohlen wird! Unsere Nerven fingen an zu arbeiten und den ganzen einem der Beteiligten bewußt. Wohlgemerkt: klar bewußt, denn kam unserer Stellung immer näher. Es ist eine Aufgabe, den Feind vielen lastete es gleichwohl auf dem Gemüt. Der Erfolg Wagners in so großen Massen kommen zu sehen und nicht schießen zu dürfen. auf der ganzen Linie war ja das legte und stärkste Symptom des Die Feuerdisziplin wurde durchgehalten; fein Schuß fiel; jeder von nahenden Kazenjammers, und es ist sehr ordnungsliebend und uns harrte, das Gewehr fest umflammert, der weiteren Befehle. End­systematisch von der Geschichte gehandelt, daß sie an den Anfang lich, als die Franzosen ungefähr auf 100 Meter an unseren Schützen­desselben Jahres, in dem die Weltkatastrophe hereinbrach, den graben heran waren und vor unseren Drahtverhauen standen, sich Siegeszug jenes Kastraten- und Katerdramas feßte, des Parsifal  ". mit ihrem Schlachtgebrüll auf uns stürzen und uns die Bajonette in Nun trat die Katastrophe ein, und sie war so riesengroß, daß die Leiber stoßen wollten, kam das Kommando: Schüßenfeuce!" in der Tat nichts hätte besser die ganze Gebärmlichkeit des Gestern Lebhafter feuern!" Das war ein Moment, der jedem von uns in enthüllen können. Wie ein Blizz traf die Erkenntnis die ehrlichsten, elviger Erinnerung bleiben wird. Unsere Maschinengewehre surrten die alsbald den Ruf erhoben: Tut Buße, denn das Himmelreich und beschossen die vordersten Reihen, wir nahmen die Mitte und ist nahe herbeigekommen! Aber auch denen, die weniger ehrlich unsere Artillerie die nachschiebenden Reserven aufs Korn. Mit wahrer oder weniger weitsichtig waren, schien es wie eine Erlösung. Was Verzweiflung tamen die Franzmänner auf unsere Seite zugestürmt; waren alle Sensationen, die der Frieden bieten fonnte, gegen diese über einen Meter hoch türmten fich bald die Leichen vor uns auf, und größte! Welche Ausschweifung, welche grüblerische Seelenzer- immer noch kamen neue Massen angewalzt, die aber demselben Schick­fleischung, welche Marktschreierei konnte es mit der furchtbaren sal entgegengingen wie ihre ersten Kameraden. Schließlich brach der Wirklichkeit dieser Gegenwart aufnehmen! Sier war endlich das feindliche Angriff unter unserem verheerenden Feuer zusammen. Erlebnis, nach dem die stunipfen Nerven der Künstler und ihres 1200 Mann fielen schließlich noch als Gefangene in unsere Hände. Bublikums geschrien hatten! Alles wurde jezt über Bord geworfen, Unter diesen befand sich ein Leipziger, der als Fremdenlegionär in Gutes und Schlechtes, Humanitätsduselei und Genußsucht, künstle- den französischen   Reihen mit gegen seine deutschen   Brüder kämpfen rische Selbstzucht und menschliche Selbstsucht, Weltbürgertum und mußte. Die Gefangenen versicherten uns, daß vier französische   Regis politische Indolenz; Gott, König und Vaterland kamen wieder zu menter vernichtet seien( 6000 Mann). Ehren.

Es wäre ganz berkehrt, die Ernsthaftigkeit dieses Erlebnisses, das der Krieg insbesondere für die deutsche Intelligenz und aber­mals insbesondere für ihre Künstler bedeutete, in Zweifel ziehen zu wollen. Viel zu überbrüssig waren sie der Bauheit und Flauheit des Gestern, viel zu satt hatten sie sich am eigenen Ich gefressen, als daß sie nicht kritiklos sich hätten dem Heute in die Arme stürzen sollen. Mag die Geschichte später diesen ganzen Ueberschwang als tragikomisch bewerten, die Ehrlichkeit dieser plötzlichen Ueber­zeugung, ja dieses Ueberzeugungswechsels fann nicht bestritten werden. Eine furchtbare, die allerschärfste Kritik der Zustände von gestern liegt in dieser Erscheinung, in der Massenbekehrung der Saulusse zu Paulussen.

H

Was aber unsere Artillerie in den Reihen der nachschiebenden Reserven angerichtet hat, ist nicht zu unserer Kenntnis gelangt, doch muß sie den Franzosen noch folossale Verluste beigebracht haben, denn sonst wäre ein so gewaltiger Angriff nicht so schnell erlahmt, die ganze Operation dauerte eine reichliche halbe Stunde! Beim Herein­brechen der Dunkelheit ging es an das Begraben der Feinde. Die Er­kennungsmarken sowie die Wertgegenstände der Toten wurden ihnen abgenommen, für jeden einzelnen in ein Taschentuch oder in die Halsbinde eingebunden, dann in Säden gesammelt, die nach Genf  gesendet werden.

Das Begräbnis ging schnell vonstatten, da wir keine Grablöcher zu machen brauchten; wir benüßten einfach die von den französischen  Granaten gerissenen Löcher, die einen bis zivei Meter tief find und Hat aber das große Erlebnis große Künstlertaten hervorge- wir einfach vollgefüllt und dem Erdboden gleichgemacht. Kein Hügel mitunter zehn bis zwanzig Mann aufnehmen. Diese Löcher haben rufen? Mit nichten. Das Jahrhundertfest der Befreiungskriege war ja eben erst verflungen, ihre Ideologie wirkte noch. Und so und kein schlichtes Kreuz zeigen hier an, daß da Hunderte für ihr griffen die Poelen zu den Waffen, freilich nicht ohne so nebenher Vaterland gefallene Krieger ruhen. dafür zu sorgen, daß doch auch ihre dichterischen Taten schnell in So geht es fast jeden Tag; es wankt Tag und Nacht auf der die Presse gelangten, wodurch die Geschichte der deutschen Zyrir um ganzen Front hin und her und keiner gibt nach. Wer wird es nun ein böjes Kapitel bereichert wurde. Die Frage, weshalb bei der am längsten aushalten? Bei dem geschilderten Abwehrkampf hatten plötzlichen patriotischen Hochkonjunktur diefes Freiheitstampfes rein wir außer einigen Verwundeten keine Verluste. gar nichts von fünstlerischer Bedeutung herausgekommen ist, muß aus mehreren Gründen späterer Untersuchung vorbehalten bleiben, aber jedenfalls steht schon jetzt fest, daß nicht einmal Körners Sammlung Leier und Schwert" auch nur von ferne erreicht wurde, und daß man sich höchstens auf Sammlungen mit dem wohlver= dienten Titel Orchestrion und Maschinengewehr" gefaßt machen könnte. Vielleicht liegt inzwischen der Hauptgrund zu dem künstle­rischen Mizerfolg dieses Krieges darin, daß die gesamten Schaffen­Studien plus vier Stunden Unterricht täglich erkennen lassen, daß man den Tod im Herzen trägt."

-

" Das waren Krampfzudungen, Bater die letzten." ,, Vielleicht vielleicht auch nicht. Aber findest Du nicht, daß Du Gefahr läufft, es ebenso zu machen wie jene Frau, die drei Jahre lang zu Bett lag und auf den Tod wartete? Als er dann famin Gestalt einer Feuersbrunst in ihrem Hause- stand sie auf und rannte ihrer Wege, obendrein im bloßen Hemde."

Karl sah ihn einen Augenblick erbittert an, dann sank er zusammen. Du hältst mich zum Narren, Vater," sagte er traurig.

Entdeckungen in einer altrömischen Kirche.

Ueber neue bedeutsame Entdeckungen in der Kirche von San Clemente wird aus Rom   berichtet: Die Kirche galt lange als der vollkommenste Typus der konstantinischen Basilika, bis im Jahre 1857 verbergen sollte. Die stille hochsommerliche Morgenluft zog frisch stärkend über das eilende Schiff dahin, ihn aber ließ fie vor Kälte schaudern.

Dies war also das erste Glied des Kampfes, und schon war er erbärmlich zu kurz gekommen. Er hatte sich dafür entschieden, die Reise mit dem Dampfer zu machen; nach der Ansicht des Vaters würde ihm das ruhigen nächtlichen Schlaf gewährleisten und frische, stählende Seeluft gegenüber der Schwüle und dem erstickenden Staub im engen Kupee. Und nun konnte er, obwohl es ganz windstill war und das Schiff faum eine Bewegung machte, doch nicht unten in der Kajüte bleiben, weil ihm bei dem schlechten Geruch übel zit werden drohte. Und im Decksalon saßen mehrere Herren und Stälte, auf dem Deck zubringen mußte. rauchten, so daß er den größten Teil der Nacht, halb tot vor

,, Sag lieber, ich schäme mich Deiner, mein Junge! Steht wie ein Mann und nicht wie ein hysterisches Weib. Ich kann es ernst um Dich, was ich übrigens glaube, so benimm Dich verstehen, daß Du Dich mit Deinen Siebenjachen unter vier Und die frische Seeluft? Er konnte es gar nicht ver­Augen abfinden willst. Man soll sich mit niemandem gemein tragen, sie einzuatmen, sie war ihm zu kräftig, ihm wurde machen, aber auch mit dem Tode nicht. Und das hast Du schwindlig, und der Kopf war ihm benommen. Da fühlte er getan. Versuche doch, ein bißchen von der Energie, die Du sich in der Kopenhagener QLuft viel wohler; trotz ihren vielen Und Du hast doch wahrlich keinen Grund zur Unzu- für den Betrug übrig hattest, auf wirkliche Verfuche zu ver- zweifelhaften Bestandteilen linderte es, fie einzuatanen. Wenn friedenheit," fuhr jener lächelnd fort. Was für vier zu wenden. Berlaß die Stadt und begib Dich in frische Luft, einem wirr und schwindlig im Kopfe war, erquickte einen wenig war, reicht für einen ganz gut aus. Nur, finde ich, so reichlich wie möglich, schaff Dir so viel Bewe- dort wirklich ein Spaziergang in der so viel gelästerten jolltest Du Dich ein bißchen mehr als Universalerbe be- gung wie möglich faulenze! Leb in allent darauf Mischung von Kohlenstaub und pulverisiertem Pferdeschmus. nehmen und nicht immer hier liegen und Did) grämen hin, gefund zu werden! Aber genieße- für den Fall, daß Aber hier? Diese Luft tötete ihn ja mit ihrer stärkenden Schlag ein bißchen über die Stränge, mein Junge, und Du Du taput bist! Such einen Winkel auf, wo niemand Dich Reinheit. wirst sehen, daß es Dir gut bekommt unter anderem des- kennt, und stirb in Frieden oder erhol Dich in Frieden, Ihn befiel der unwiderstehliche, krampfhafte Drang zu halb, weil es Dir das Selbstgefühl geben wird, das für Leute wie's Dir liegt. Geld sollst Du bekommen, solange ich reiche gähnen. Die Kiefergelenke taten ihm weh, und unterm Kinn in Deinem Alter höchst notwendig ist." -große Bedürfnisse hast Du ja nie gehabt. Und willst Du trat eine Sehne hervor, so daß er den Mund nicht schließen etwas von mir, so brauchst Du bloß zu rufen." konnte. Unter heftigen Schmerzen drückte er sie mit dem Daumen weg.

-

91

Der Sohn machte eine ungeduldige Bewegung. " Du greifst die Sache zu sentimental an," redete der Bater in demselben scherzenden Tone weiter. Muß es sein, nun: so muß es sein, und dann hilft Dir alles nichts, Tu magst pfeifen oder singen. Warum also zur Abwechslung nicht ein wenig fingen? Dem Unumgänglichen muß man die beste Seite abzugewinnen suchen, das ist immer mein Wahl­spruch gewesen. Waren nicht selber einmal in die Tiefe loten und sehen, wie weit es bis zum Grund ist?" Du hast gut reden, Vater!" sagte Karl müde.

"

"

Warum ich mehr als Du? Sehr möglich, daß ich der jenige von uns beiden bin, der zuerst daran glauben muß. Niemandem ist ja sein Leben verbrieft."

Der Sohn mochte nicht antworten, sein Gesicht nahm einen höhnischen Ausdruck an.

Offen gestanden, Karl, ich finde nicht, daß strenge

-

Worten; er stand hastig auf und ging. Die Stimme des Vaters überschlug sich bei den letzten

Auch dieser Gähnkrampf war ein alter Bekannter. Er Doch der Sohn begrub das Geficht in dem Sofa. Sein befiel ihn beim Sprechen oder Vorlesen in der Schule und Störper schob sich mehr und mehr zufammen, und Zuckungen be ohte ihn unabweisbar bis zum Ende der Stunde, so daß durchliefen ihn vom Nacken hinab. Er schluchzte und stöhnte.

2.

Das Leben hatte ihn im Stich gelassen; das empfand er stärker als je, jetzt, wo er auszog, um einen Kampf ums Leben auszufechten oder sich einen Winkel zum Sterben zu suchen.

Er stand auf dem Deck des Dampfers und spähte nach dem Fiord hin, wo das Städtchen Domborg lag, das ihn und seine jämmerliche tödliche Krankheit vor den Blicken der Welt

er zum Gespött der Schuljungen wurde. Er vermochte dem Blut nicht genug Sauerstoff zuzuführen, oder ein Sauerstoff­überfluß war schuld daran, wer konnte das wissen? Irgend etwas war nicht in Ordnung hier wie in allem anderen. Es verschaffte ihm Befriedigung, wenn er Gelegenheit fand, seine Ohnmacht festzustellen. So hatte er doch recht gegenüber dem Vater natürlich! Aber es stand ihm nicht zu, zu triumphieren: der Alte meinte es gut, er hatte bloß die Tatsachen gegen sich! Und im Grunde war es pedantische Rechthaberei, denn das Ganze war ja gleichgültig, so gleich­gültig! ( Forts. folgt.)