Nr. 12.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärtsriting, 15. Jenu

Von Unterwegs.

Wer nach Brot sucht, muß durch die Gassen laufen. Wenn er den Mund halten und die Ohren aufzumachen versteht, hört er gar viel. Und immer ist der Krieg der große Untergrund, von dem alle Gespräche ausgehen und wohin sie zurückkehren. Hier einiges Er­lauschtes von Interesse:

Im Vorortzug.

Die Großeltern, die Tochter und die Enkelin sizzen mir gegenüber. Sie sprechen vom Ernst und vom Bernhard. Die junge Frau fagt:

Um den Ernst ist mir nicht bang. Der bleibt auf seinem Depot. Aber mein Bernhard...?"

Die Großmutter:" Du mußt um ihn nicht immer die Angst haben. Er wird schon vorsichtig sein."

Die junge Frau schüttelt leise den Kopf: ,, Mutter, ich hab' so eine Ahnung

der Bernhard übersteht

-

ich glaub' nicht, daß es Sie ſpricht nicht weiter. Die Tränen brechen ihr aus den Augen und sie weint vor sich hin. Der Großvater und die Großmutter figen mit trostlosen Gesichtern da. Mitten im Weinen ruft die Frau aus: Und das Hühnerfutter wird auch immer teuerer!" Diefer Ausruf wirkt auf mich verblüffend und komisch. Aber der Großvater und die Großmutter bleiben sehr ernst und ihre Ge­ſichter schauen noch troſtloſer darein. Die junge Frau fuhr, während ihr die Tränen die Wangen herabrollen, fort:

"

" Und gerade die Italiener legen gar nicht mehr. Und der Bern­hard hat mir gerade die Jtaliener an das Herz gebunden, als er ging. Aber wie soll ich sie mit meinen sechsunddreißig Mark im Monat durchfüttern, wenn der Krieg noch lange dauert!?"

In der Elektrischen.

Zwei Herren figen fich auf den Polstersizzen der Elektrischen gegenüber. Ihre Körperfüllen find in warme Pelze gehüllt, aus denen zwei rote, didwangige Gefichter hervorschauen. Der eine Herr beugt sich vor und klopft dem anderen auf die Schenkel: " Ich sage Ihnen, und Sie können mir's glauben aufs Wort: Sechzigtausend Mart hat er verdient in zwei Wochen."

"

Was sind sechzigtausend Mart?" antwortete der andere. Wenn man jest nicht das Geschäft wahrnimmt- was wird zu verdienen sein nach dem Krieg? Ich schließe heute zehntausend Sad ab und liefere fie morgens mit einszwanzig Aufschlag. Uebrigens, wie geht es Ihrem Edmund?"

Dante. Gott sei Dant, es geht ihm gut. Aber er wünscht, daß es bald und glücklich zu Ende wär'."

"

Warum zu Ende?"

Sie sehen sich beide an und lächeln. Dann fagt der Erfte: Sie haben große Strapazen."

"

Haben wir beim Geschäft nicht auch unsere Strapazen?" Uud die beiden Herren sehen sich wieder an und lächeln. Ein stummes Ferngespräch.

Und so kommen die Frauen jebe an ihr Ufer und begrüßen und unterhalten sich aus der Ferne. Zwei Minuten Weges ist über die Brücke. Doch fie fönnen zusammen nicht kommen.

Erdbeben.

Jaunar.

Ebenso können Erdbeben vielleicht durch plötzliche stärkere Luft­brudschwankungen ausgelöst werden, besonders, wenn diese beider­seits einer Veriverfung hohe Grade erreichen. Das jüngste Erdbeben in Deutschland , das am 20. Juli 1913 in Frankfurt und Straßburg gespürt wurde und seinen Siz am Rande der Rauhen ATS hatte, wie das vom Jahre 1911, war zwar ein tektonisches Erdbeben, wird aber in ursächliche Beziehung gebracht zu den Luftdruckschwankungen, die so start gewesen wären, daß durch sie vorhandene Spannungen aus­Aus: Vultane und Erdbeben, von Prof. Dr. gelöst wurden, es wird als eine direkte Folge einer atmosphärischen M. Brauns, einer populären, gut illustrierten Darstellung, Störung angesprochen. Aus diesem Zusammenhang würde sich als­die in der Naturwissensch. Bibliothek im vorigen Jahre dann auch die zuvor erwähnte Tatsache erklären, daß Erdbeben häufig erschien( Berlag von Duelle u. Meyer in Leipzig , Preis von elektrischen Entladungen, Wetterleuchten, Blizen und dergleichen geb. 1,80 M.). Erscheinungen begleitet sind. Bewiefen ist ein solcher Zusammenhang eines Erdbebens immerhin geringfügig sind und nicht so merkbar nicht. Wenn auch nach rein geologischem Gesichtspunkt die Wirkungen 3pischen Erdbeben und atmosphätischen Störungen bis jetzt aber noch wie die vulkanischen Aufschüttungen, so sind sie doch für Menschen- Die Ausdehnung des Schüttergebietes, in dem ein starkes Erd­wert und Menschenleben zerstörender als die heftigsten Ausbrüche der beben noch als solches gespürt wird, entspricht nicht immer der Heftig­Vulkane. Dörfer und Städte sinken in wenigen Gefunden in Trüm- keit des Bebens, vielmehr kommt dafür noch ein anderer Faktor in mer, ausgedehnte Landstrecken versinken in wenigen Sekunden in das Betracht, das ist die Tiefe des Herbes, und man wird im allgemeinen Meer, Teile des Landes verschwinden für immer in den aufgerissenen sagen können, daß, je ausgedehnter bei ungefähr gleicher Stärke eines und wieder zugeklappten Spalten, Feuersbrünste entstehen, die Gas- Erdbebens das Schüttergebiet ist, um so tiefer der Herb des Erd­die Wasserrohre brechen, alles vereinigt sich, um die Zerstörung voll- fich ereignet hat, war so heftig, daß der Badeort Casamicciola voll­leitungen brechen auf, an elektrischen Leitungen entsteht Kurzschluß, bebens liegt. Das Erdbeben, das im Jahre 1883 auf der Insel Jschia ständig zu machen. So sind denn die Verluste an Menschenleben ständig in Trümmer gelegt wurde, die Ausdehnung des Schütter­enorm. Bei dem Erdbeben in Lissabon int Jahre 1755 sind 60 000 gebietes aber so klein, daß die Grschütterung in andern Teilen der Menschen umgekommen; bei dem Erdbeben von Mino in Japan Insel nur schwach, in Neapel gar nicht mehr gespürt wurde; der Herd jollen 25 000 Menschen und 130 000 Gebäude vernichtet worden sein; lag sicher dicht unter der Oberfäche, wahrscheinlich im Epomeo, der bei dem von Messina um die Jahreswende 1908 find gar 200 000 damit verkündete, daß er doch noch nicht völlig erloschen sei. Das Menschen umgekommen. Der Ausbruch des Mont Belé toftete 32 000 Erdbeben von Lissabon dagegen, vom Jahre 1775, wurde in Nord­Ausbruch umgekommen ist; im deutsch - französischen Strieg 1870/71 be ficher tief. Die Rechnungen führen je nach den Annahmen, auf die Menschen das Leben, die größte Bahl, die je durch einen vulkanischen afrika , Schottland , Norwegen und Böhmen gespürt, sein Herd Tag flagte das deutsche Seer 40 000 Tote, fünfmal soviel Menschenleben sie basieren, auf Tiefen bis zu etwa 35 Stilometer, andere auf er­hat das eine Erdbeben von Meſſina in wenigen Sekunden vernichtet heblich größere Tiefent. Vulkanische Ausbrüche fördern immerhin fruchtbare Aschen, auf denen bald wieder neues Leben erblüht, sie liefern nußbringende Gesteine, find häufig Erzbringer, Erdbeben wirken schlechtiveg zerstörend, ver­nichtend.

Bei den meisten Erdbeben erfolgen mehrere Stöße kurz hinter­einander, meist so, daß schwächere Stöße den starken vorangehen und diesen folgen; sie dauern zusammen nur wenige Minuten. Oder cs felgen sich schwächere und stärkere Stöße in großer Zahl hinterein ander, bisweilen während vieler Tage und Monate; man spricht dann von Erdbebenschwärmen. So wurden bei dem voigtländischen Erb­bebenschwarm vom 13. Februar bis zum 18. Mai 1903 an 93 Tagen 44 heftige und 645 schwächere Stöße wahrgenommen; die Probing Photis in Griechenland wurde in den Jahren 1870-1873 durch nicht weniger als 300 starte und 50 000 schwächere Erdstöße in steter Un­ruhe gehalten; ähnlich wieder im Jahre 1895.

Siermit nicht zu verwechseln find die bisweilen recht zahlreichen Nachbeben, die einem starten Erdbeben folgen und die gewissermaßen als ein Ausklingen der starken Erschütterung zu betrachten sind, welche die Erbkruste erfahren hatte; sie treten in ungefähr demselben Gebiet auf, wie das Hauptbeben, ohne daß jedoch beide sich genau decken. Sie haben, weil sie schwächer sind, geringere Ausdehnung, während der Ausgangspunkt der Erschütterungen mit dem des ersten nahezu zu­sammenfällt; so wird das jüngste süddeutsche Erdbeben vom 20. Juli 1918 als ein Nachbeben des großen Bebens vom 16. November 1911 aufgefaßt. Die Nachbeben können Monate oder Jahre nach dem Hauptbeben eintreten, je nach den Verhältnissen, durch welche sie ausgelöst werden.

Nach der Form des Schüttergebietes sind zentrale und lineare Erdbeben zu unterscheiden. Wenn die Erbkruste völlig gleichmäßig beschaffen wäre, müßten die Erdbeben wie die Wasserwellen sich nach allen Richtungen gleichmäßig fortpflanzen, müßten alle Erdbeben zen­trale sein. Die Verschiedenheit der Gesteine, die Störungen im Bau verhindern dies; namentlich hindern Verwerfungen die gleichmäßige Fortpflanzung und bewirken, daß an ihnen Erdbeben zu linearen werden. So war das Erdbeben von San Francisco vom 18. April 1906 ausgesprochen linear; das Hypogentrum im Erdinnern ist gewiß schon linear gedehnt gewesen, das Schüttergebiet war ein schmales, längs der Küste laufendes Areal von etwa 400 Kilometer Länge bei nur 80 Kilometer Breite und fiel mit Verwerfungsspalten zusammen, die auf eine Erstreckung von 300 Kilometer zusammenhängend nach­gewiesen sind. In kleinerem Maßstab find die Erdbeben am Rande des Schwarzwaldes linear, überhaupt allgemein die in der Nähe ro Verwerfungen oder Gebirgsketten, während die um Wulfane mehr sentral find.

Die Ausdehnungsform der Erdbeben führt zur Frage nach der Ursache der Erdbeben oder vielmehr nach den Beziehungen zwischen Erdbeben und dem Bau der Erde. Hiernach kann man unterscheiden: Vulkanische Erdbeben. Lätige, aber auch ruhende Bul­fane bilden in der Regel Erdbebenherde. Fast jede Gruption wird durch Erdbeben angekündigt; Pompeji war 16 Jahre vor seinem Unter­gang durch Erdbeben zerstört worden. Das Erschütterungsgebiet ist immer flein, wenn auch die Erschütterung bisweilen recht heftig ist. Bei der Erepution des Aetna im Jahre 1910 wurden durch ein Erd­beben im Observatorium sämtliche Weinflaschen zu Boden geworfen, in dem 10 Kilometer vom Bebenherd entfernten Nicolosi wurde das Grdbeben nur sehr schwach, in dem 25 Kilometer entfernten Catania gar nicht gespürt. Auch das vorher erwähnte Erdbeben von Ischia war sicher ein vultanisches Beben. Aus den Schilderungen der vul­fanischen Ausbrüche ist zu ersehen, daß die Mehrzahl von Erdbeben begleitet ist.

Wenn ich nach Hause gehe, muß ich über einen Steg, der die Durch die Wellen, welche von einem großen Beben ausgehen, Spree überspannt. Des öfteren schon hatte ich auf der einen Seite werden nicht selten auch in entfernter liegenden Gegenden Grdbeben der Spree eine Frau gefehen, eine alte Frau mit einem runzeligen ausgelöst; so mögen die zahlreichen schwächeren Erdbeben, die im Gesicht, spiz vorstehender Nase, die mit den Armen über das Wasser Jahre 1909 in den Mittelmeerländern eintraten, durch das äußerst hinüberwinfte und Zeichen machte. Auf der anderen Seite der Spree heftige Erdbeben von Messina ausgelöst worden sein. Man fann sich stand eine jüngere Frau mit einem Knaben von etwa elf Jahren. vorstellen, daß in der Erdkruste im Laufe der Zeit Dehnungen und Berrungen eingetreten sind und das Gleichgewicht zu einem jehr la= Tektonische Erdbeben sind solche, die mit der Tektonik, Die beiden grüßten zurüd. Da ich Zeit hatte, habe ich dieses bilen geworden war, so daß ein nur geringer Anstoß genügte, es dem Bau der Erde in Beziehung stehen. Nach ihrer Ausbreitung find stumme Ferngespräch oft lange Zeit beobachtet, ohne eine Erklärung völlig zu stören, ein Erdbeben zu verursachen; und ferner, daß die es häufig lineare Beben, das Erschütterungsgebiet erreicht die größte zu finden. Spannung nicht auf einmal ausgelöst wird, sondern zunächst da, Ausdehnung. Sie treten vorzugsweise in solchen Gegenden auf, in Dieser Tage wurde sie mir. Ich muß bemerken, daß die Spree wo sie ant stärksten war. Es tritt danach nicht sofort stabiles Gleich denen junge geologische Veränderungen in großem Maßstabe statt­an dieser Stelle die Grenze von den Kreisen Niederbarnim und gewicht ein, sondern dieses wird in Stappen darum die Nach- gefunden haben, in geologisch jungen Faltengebirgen und Senkungs­Teltow ist. Der Ort über der Spree liegt im Kreise Teltow , der beben erreicht; durch die Bodenverschiebungen werden die Span -| gebieten. Solche Schüttergebiete find in Deutschland das Rheintal andere in Niederbarnim . Die Frau mit dem Knaben war durch nungen in andern, entfernteren Gebieten vergrößert, durch geringen mit seinen Randgebirgen, Schwarzwald , Vogesen , Odenwald ; die Heirat eine Ruffin geworden, geboren ist sie in Desterreich. Der Anstoß werden auch sie ausgelöst. Ein solcher Anstoß kann von Erd- Gegend von Groß- Gerau , das fächsische Voigtland. Ferner Laibach in bebenwellen ausgehen, aber auch von den Erschütterungen eines Stärnten, die Alpen , Italien , Griechenland , die Inseln im Aegäischen Sinabe ist in Berlin geboren. Der Gatte und Vater ist gestorben heftigen vulkanischen Ausbruchs; so ist es nicht unmöglich, daß das Meer, der Kaukasus und Himalaia , Kalifornien , Mittelamerika mit und liegt auf dem Friedhof im Orte diesseits der Spree begraben. Erdbeben von San Franzisko vom 18. April 1906 durch den Ausbruch den westindischen Inseln, Chile , Peru und vor allem Japan ; im Durch­Seine alte Mutter wohnt über der Spree in dem anderen Orte. des Vesuv zu Anfang April des gleichen Jahres verursacht worden schnitt zählt man auf den japanischen Inseln etwa 600 Erdbeben im Als Russen dürfen nun beide Frauen ihren Wohnort und Kreis nicht ist. Die zeitliche Aufeinanderfolge spricht für diese Annahme, die sich Jahr. verlassen, und alle Tage wollen sie nicht um Erlaubnis einkommen. allerdings weiter nicht beweisen läßt. In allgemeinen sind die Haupt- Schüttergebiete der Erde dic­

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Ueberfluß.

Bon Martin Andersen Nerö .

Er machte halt an einem niedlichen, schiefergedeckten Häuslein, das sich an einen kleinen Wald anlehnte und am Ende der Reihe lag, ein gutes Stück von den anderen ent­fernt. Es hatte einen zweifenstrigen Giebel, an dem zu lesen stand: 3u vermieten", und vorn und nach der einen Seite cinen gut gepflegten Garten; an dem Pförtchen hing ein Schild mit der Aufschrift: Französische Wäscherei und Plätterei, Dorotea Hansen, Witwe."

Er öffnete das Törchen und ging hinein.

Die Tür zur Stube stand weit auf, aber es war niemand darin. Vom Tisch zur Komode hin lag ein Plättbrett, ein anderes ging vom Fenster in die Stube hinein und wurde von einem Fuß gehalten; auf dem Tisch lag Stärfewäsche in Ballen beisammen und leuchtete bläulich in der Sonne; da­neben stand eine Schüssel mit Stärke und eine Schale mit reinem Wasser. Und in dem offenen Fenster stand ein Dampfbügeleisen, um glühend zu werden.

Er wollte weiter durch das Haus gehen, hörte aber schnelle Tritte, die vom Hof nach der Küche gingen, sowie zwei Frauenstimmen, die durcheinander lachten und schrien. Willst Du um Berzeihung bitten, Mädchen?" Jaja- nein, ich will nicht."

-

" Dann friegst Du's über den Rücken."

" Ach nein, Mutter, davon wird einem so falt." " Flink, ich hab anderes zu tun als hier herumzustehen." U- m heißt um, V- er heißt Ver, 3- e- i heißt zei, b- u- n- g heißt... Au, aber ich will ja, wenn ich bloß auf die Knie vor Dir fallen und Dein Beim umfassen darf. Das gehört dazu."

-

a, aber Du mußt mich nicht dabei umwerfen, Du Bösewicht." Was dentst Du... meine liebe, gute, süße Mutter um. werfen! Komm also her! Um Verzeihung bitte ich, will's nie wieder tum haha, nun hab ich doch Dein Bein ge­messen!" und ein junges Mädchen fam mit einem Stückchen Band ins Zimmer gesprungen von einem Wasserstrahl ge­folgt, der sie jedoch nicht traf, da sie auswich. So dick!" rief sie und hielt das Band mit beiden Händen über ihren Kopf, aber da bemerkte sie den Fremden und stürzte wieder in die

nächste Stube. Einen Augenblid später hörte Karl sie mit der Mutter draußen in der Küche flüstern.

Jösses!" sagte diese. Ist er fein?"

Ja, und ganz bleich. Mit so einem Mund, Du! Ich hätte beinah Angst vor ihm bekommen." Er hörte die Mutter lachen, vermutlich über den Mund, den das junge Mädchen ihm zuerteilte. Was will er wohl?"

Wird uns gewiß fressen wollen, er hat ja das Mund­werk dazu! Reich mir eine andere Schürze, ich sehe aus wie ein Huhn, das unterm Wasserhahn gewesen ist."

Kurz darauf kam die Witwe Hansen herein. Sie war eine schöne, kräftige Frau von untgefähr vierzig Jahren; vom Kampfe hatte sie noch einen roten Kopf; und sie lachte

berwirrt.

-

" Sie haben Zimmer zu vermieten?" fragte er. " Ja, zwei fleine für einen ruhigen Herrn." " Ich finde aber, es geht hier im Hause recht lebendig au," lachte er. Im übrigen bin ich die Ruhe selbst."

Ich meinte auch, für einen, der nicht trinkt." Er zog die Augenbrauen in die Höhe:" Ja, ein Attest über nüchternen Lebenswandel trägt man ja nicht so mit sich herum."

Sie brach in Lachen aus: Aber wie benehm ich mich

denn auch, beschuldige Sie aller möglichen Schlechtigkeiten und bloß weil ich noch den anderen im Kopfe habe, der die Zimmer zuletzt hatte. Ich hab nämlich mit meinen Zimmer­Herren ein wenig Bech gehabt. Der Kandidat, der die Stuben zuletzt hatte, war eigentlich der beste und zahlte immer pünktlich, aber manchmal kam er betrunken nach Hause und richtete häßliche Schmußerei an, so daß ich ihm zuletzt fün­digen mußte. Na, es wäre übrigens nicht recht, ihm etwas Schlechtes nachzusagen."

War es stud. polyt. Rasf?" " Jawohl. Also Ste kennen ihn?"

" Ich habe die Ehre," sagte Karl ironisch. Er merkte recht gut," daß seine Aftien trotz allem infolge der Bekanntschaft ftiegen. Er hat bis vor einem Jahr hier gewohnt, dann hat er geheiratet."

Ist Rask verheiratet?" fragte Karl erstaunt." Davon habe ich nie etwas gehört."

Gewiß ist er's. Aber er wird es wohl am liebsten ver­schweigen, denn es ist eine etwas eigentümliche Ehe. Sie könnte seine Mutter, ja beinahe seine Großmutter sein."

Das

,, Das ist doch sonderbar. Hat fie Geld gehabt?" Nein, keinen Pfennig. Aber sie hatte eine Nichte, ein wirklich liebes, schönes Mädchen, die er sehr lieb hatte; und als sie dann krank wurde und starb, da hielt er um die Alte an, weil sie ihn so nett tröstete. So sagen wenigstens die Leute ich habe die Nase nicht dazwischen gehabt."

Schwer genug muß es für den armen Kerl sein," meinte sie nach einer kleinen Weile, mit so einer Frau, die weder Freude noch Nutzen bringt! Sie ist nicht weit von siebzig, und außerdem hat sie die Wassersucht und kann mit knapper Mühe an zwei Stöden von der Stelle humpeln. Aber sie ist natürlich aufs Heiraten erpicht gewesen, und er ist ein guter, unglücklicher Mensch, der nie an sein eigenes Wohl denkt." Dann denft sie desto mehr an das der anderen. Und das ist doch hübsch von der alten Frau, daß sie ihm eine Ge­legenheit gibt, sich zu opfern," sagte Sarl mit ernster Miene.

Die Frau sah ihn erstaunt an: Ein prächtiger Mensch ist er, so viel steht fest. Und darum hab ich gedacht, wenn es nicht einmal mit ihm ginge, müßte ich es lieber bleiben lassen, an Herren zu vermieten. Aber ich bin doch nicht in der Lage dazu; und es ist auch so leer in einem Haus, wenn kein männ­

liches Wesen da ist."

" Ja, das ist wahr- Sie werden, wie gesagt, kaum Grund haben, sich über mich zu beklagen; ich trinke nicht und begehe auch keine anderen Jugendtorheiten."

Es

,, Dann sind Sie trant, kann ich mir denken?" " Ja, ganz gesund bin ich allerdings nicht."

Nein, das sieht man Ihnen an. Was fehlt Ihnen?" lag etwas Beschüßendes in ihrer Stimme.

"

Etwas von allem. Ich bin, was man schwächlich nennt." Sie werden sich hier schon erholen," meinte sie und niďte trostreich. Sind sie schon lange krank?"

Aber Karl empfand plößlich, daß er im Begriff war, selber in diese Allerweltsvertraulichkeit hineinzugleiten, die ihn bei den Provinzbewohnern so sehr abfties. Darf ich die Bimmer sehen?" fragte er furz.

Sie führte ihn hinauf. Die Zimmer waren klein, aber nett gehalten. Bon den beiden Fenstern der Mansarden­stube aus konnte er den Fjord, die Wiesen und das Land auf der anderen Seite ganz übersehen, und vom Schlafzimmer, das am Giebel lag, hatte er Aussicht auf das Wäldchen und darüber weg bis zum Kirchhof. Der tägliche Blick auf den Kirchhof war fast symbolisch; war er doch im Grunde hierher­gekommen, um zu krepieren. ( Forts. folgt.)