Nr. 13.- 1915.

- Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Pionierarbeit.

Sonnabend, 16. Januar.

an deren jenseitigem Hange sich ein Bataillon Infanterie als Reserve Infanteristen bis zum Kopf naß auf uns zukommen sehen. Alle sind der vorn auf Vorposten stehenden Truppen in tiefen Höhlen ein- in große Schafpelze gehüllt, die an Mitbewohnern reiche Pelzmüze genistet hat. Zahlreiche metertiefe, trichterförmige Löcher in der Fels- auf dem Kopfe. Alle danken voll Freude ihren Kameraden, ihren wand zeugen von der Munitionsvergeudung der Russen. Ein Posten Lebensrettern, die ihnen sodann ihre noch trockenen Mäntel statt der Ein Pionieroffizier gibt in der Köln . Zeitung" eine lebhafte zeigt uns den Weg weiter nach dem etwa 300 Meter von hier ent- durchnäßten Lausemäntel zur Verfügung stellen. Heller und heller Schilderung von der Tätigkeit seiner Truppe: fernten Dörfchen N.... Start hat auch dies Fledchen Erde unter wird indes das Firmament. Der Morgen graut. Truppweise schleicht Wir haben eine sternhelle, flare Nacht. Wachsamen Auges läßt feindlichem Feuer gelitten. Eine Reihe Häuser sind niedergebrannt sich die Infanterie an das jenseitige Ufer, wo sie sich in den teilweise der Mond sein mildes Licht über die kleinen Hütten des polnischen und streden ihre zackigen Trümmer empor. Ginige kleine Hütten sind noch unversehrten Häusern an den schleunigst angefachten Herdfeueru Parttfleckens streichen. Ein Bild des Friedens. Wie die Küchlein indes verschont geblieben und duden sich ängstlich an den Boden. An wärmt. un ihre Henne, so drängen sich die strohgedeckten Häuslein dicht um der Ede einer Hütte steht eine Zivilperson im Schafpelz, die ich eben Ich selbst bleibe noch einige Minuten bei den mich freundlich auf­das mit seinem eigenartig spizen Turme geschmückte alte hölzerne festnehmen will, als sie sich durch das Salt, wer da!" als Infanterie- nehmenden dankbaren Kameraden. Durch Bäume und dickes Geſtrüpp Kirchlein. Da plötzlich ein Zischen, Flammen, und ein gewaltiges, posten zu erkennen gibt. Fast außer Atem teilt er mir mit, daß ihn gedeckt, beobachten wir von dem höchsten Teile der Insel aus mit höch­mehrfaches Knallen: eine russische Salve aus schweren Geschüßen. Der Bataillonskommandeur hierhergestellt mit dem Auftrage, mir bei stem Interesse die fast 200 Meter von hier entfernten auf jenem Ufer Dann das gleiche Wetterleuchten am ganzen Horizont. Vier Tage liegt meinem Eintreffen den Weg zum Flusse zu zeigen. Ich trabe vor und fich frei bewegenden russischen Soldaten, die genau wissen, daß ein schon die Division auf diesem Weichselufer im Feuer start überlegener finde den Bataillonskommandeur eben an ein Haus gelehnt im Tele- großes Infanteriegefecht in dieser Gefechtslage unsinnig ist. Ein Gegner auf dem jenseitigen Ufer. Hinter steilen Hängen, hinter phongespräch mit dem Führer der vorn bis zur Brust im Wasser Russe ist daran, den Läusen und Flöhen in seiner bunten Leibwäsche Wäldern und in Schluchten hat sich unsere Artilleric nach mehrtägiger liegenden Leute." Ach, mein Erretter," war sein liebenswürdiger in der Weichsel Schwimmunterricht zu erteilen. Ein anderer hat sich Arbeit großartig eingenistet. Gruß. Denken Sie sich, schon 48 Stunden liegt meine Rom - eine Angelrute geholt und scheint sich die Langeweile durch den Fisch­Nachdem ich als Offizier vom Ortsdienst die Posten unterwiesen, pagnie dort drüben auf der Insel im Wasser, jetzt bereits bis zur fang vertreiben zu wollen. Als sich unsere Leute einen Spaß daraus begebe ich mich schnell in die an Mitbewohnern aller Art überreiche Brust. Gestern war es uns noch möglich, auf Brücken von hier dort machen, nach diesen russischen Sportleuten zu schießen, beginnt auf Hütte. Dort liegen bereits meine Kameraden wie die Sprotten Kopf drüben zu der Insel und von dieser zu der nächsten kleinen Insel, wo russischer Seite ein höllisches Maschinengewehr- und Gewehrfeuer. an Kopf im ersten Schlafe. Die Stube ist schon so voll, daß ich nur meine Leute sind, zu gelangen. Diese Uebergangsmittel hat nun die Einige Sekunden später setzt das Artilleriefeuer ein, das dann lage­noch ein bescheidenes Bläßchen am Türeingang erwische. Kaum habe dauernd steigende Flut weggeschwemmt." Ein Pionier hat indes ein weise alles abstreut, aber außer Rindern und Kühen kein Lebewesen ich mich nach alter Gewohnheit in meine Pferdedecke und meinen fleines, altes Polenmännchen requiriert und läßt sich sämtliches zum trifft. Nun ist es aber auch für uns bereits Zeit geworden, uns an Mantel eingewickelt, als meine Phantasie quch schon in den schönsten Bau von Stegen nötige Material zeigen. Sodann teile ich eine das jenseitige Ufer zu begeben; denn der Weg dorthin kann gut von Träumen schwebt. Da höre ich plötzlich ein paar feste Tritte, Patrouille in Stärke von 1 Unteroffizier und 6 Mann ab mit dem jener Seite eingesehen werden. Mehr und mehr bricht sich die Oktober­das Leffnen einer Tür und erwache eben, als mir die Türede einen Auftrage, sämtliche Hunde und Gänje im Dorfe, die etwa unsere sonne Bahn und zerreißt die zarten Schleier der Morgennebel. harten Schlag gegen den Kopf versetzt. Zugleich platen mir die Worte Maßnahmen verraten fönnten, zu erschießen.( Uebrigens eine Maß- An jenem fer angekommen, macht mich ein stamerad auf die aus dem Mund; Na, verflucht, verdammter Russe, oder was ist das nahme, die ich auch sonst bei keiner Erkundung in unmittelbarer Nähe Schönheit der Weichsellandschaft aufmerksam. Wirkrich: ein Morgen denn für ein blödsinniger Kerl?" Da steht ein großer Offizier vor des Feindes vergessen habe.) des Friedens. Wir stehen inmitten des fleinen durch die Berge ein­mir, in dem ich auf seine Entschuldigungsworte hin den Ordonnanz­geengten Dörfchens; vor uns die nimmer erschöpflichen Wogen; int offizier Oberleutnant der Division erkenne. Noch ehe ich Hintergrunde die von der Morgensonne zart beleuchteten, großformigen, vollkommen bei Besinnung bin, höre ich aus seinem Munde die Worte: imposanten Waldeshöhen. Dann gehts mit meinen Pionieren nach " Ein sehr wichtiger Auftrag für Sie! Es kommt auf Minuten an. Hause voll Freude über unsere so gut gelungene Rettungsarbeit mit Hören Sie: Eben wird unten aus den Weichselstellungen der Infan­dem bekannten Pionierlied: terie telephoniert: Vorgeschobene Kompagnie, die sich gestern auf einer Weichselinsel eingegraben hat, steht, da der Fluß seit gestern abend um 1,40 Meter gestiegen ist, bis an die Brust im Wasser und kann, da sämtliche Brückenstege abgeschwemmt, nicht wieder ans Fest­land. Hilfe durch Pioniere nötig. Eile geboten!"

Nach einigen Minuten erreichen wir über die gewohnterweise an Schlamm und Sumpf feinesfalls arme Dorfstraße die Weichsel . Im Mondlicht werfen die Schilfgräser lange Schatten auf den Fluß; hier und da drehen sich die ohnmächtigen Reste der durch die wuchtigen Wassermassen losgerissenen Brücke von Strudel zu Strudel. Dort hat sogar das aus tiefen Schlünden wallende Wasser zwei große Bletten das sind flache, mit Häuslein versehene Schiffe an die Insel geschwemmt, auf denen die Russen nach Angabe des Infanterie­Majors verschiedentlich überzusetzen versucht haben, immer ohne Er­Ohne meinen Kompagniechef zu wecken, lasse ich sofort durch den folg. Nun heißt es, schnell die Kähne auf dieses Ufer bringen und bei den Fahrzeugen stehenden Posten meinen Zug alarmieren, wäh- daraus einen llebergang herstellen. Zivei meiner Leute, Schiffer von rend der Ordonnanzoffizier mir die Stellung der Infanterie und Ar- Beruf, haben( wohl nach vorheriger Verabredung, ohne meinen Be­tillerie näher in meine Karte 1: 100 000 einzeichnet. Eben ist es fehl abzuivarten) sich bereits entkleidet und sind eben in die kalte 12 Uhr Mitternacht. In wenigen Minuten sind die Leute, die bereits Oktoberflut gesprungen. Schon haben sie das andere Ufer erreicht und steuern sodann einen Kahn nach dem andern an das diesseitige lifer. int besten Schlaf gelegen, abmarschfertig; bald stehen vier große Die übrigen Pioniere machen sich indes daran, in Ermangelung von Die Wagen, die eben erst samt Pferden beigetrieben wurden, zur Stelle. bereitliegenden Baustoffen die nahe neugebaute, wohlgefügte Scheune Sturz belehre ich meine Leute über unsere verantwortungsvolle Auf abzureißen. Vier Schiffer schöpfen mittlerweile das grüne Regen­gabe; dann im Hurra auf die Wagen. Wie Lützows wilde Jagd wasser aus den Schiffsgefäßen, wobei einer in der Mitte eines geht's bald im Trabe, bald sogar im Galopp davon, bis sich die Dorf Schiffes zwei tote russische Pioniere entdeckt, die wir wohl oder übel straße in einer großen Sandwüste verläuft. Langsam ziehen die arm- in dem Schiffeleib liegen lassen müssen, denn wir dürfen feine Minute feligen, kleinen Russenpferde die knarrenden, vom Wetter zernagten verlieren. Leider haben wir den auf jenem Weichselufer liegenden Wagen an vier großen Windmühlen vorbei, die unaufhörlich, jogar Gegner bereits durch unsern Hammer- und Artſchlag und durch das in dieser Stunde unsern Truppen Frondienste tun müssen. Sämt- Schreien einiger Gänse( die Patrouille ist mit ihrer Arbeit noch nicht liche Waffengattungen haben hier Posten aufgestellt und somit den Ertrag der fleißigen Arbeit mit Beschlag belegt. Jetzt führt uns der fertig) auf uns aufmerksam gemacht; denn zwei große Scheinwerfer suchen uns, bald langsam an diesem Ufer hin und her leuchtend, bald Weg nach Weisung eines Postens weiter an einer Beobachtungsstelle ängstlich aufblikend. Und wirklich, das aufmerksame Auge des einen der schweren Artillerie vorbei einen steilen Hang hinunter. Eben sind scheint uns gefunden zu haben. Sein großer Lichtkegel bleibt starren wir an der Beobachtungsstelle vorüber, da fährt rechts von uns eine Blides auf uns gerichtet. Schleunigst werfen wir uns zu Boden. Lage schwerer russischer Granaten unter gewaltigem Sausen zu Dann plötzlich ein achtfaches Zischen und Knallen: ein Schrapnellsalve Boden. Dann Stille nur einen Pionier hört man sagen: Na, fliegt in die naheliegenden Häuser- eines brennt. Auch die Infan­dahin dürfen noch mehr gehen." Weiter und weiter geht es bergab terie ist indes auf uns aufmerksam geworden und beginnt ihr singendes zu einer schweren Batterie. Vom Monde bestrahlt stehen tief ein- Feuer. Die Geschosse der bei den Russen so beliebten Salve gehen hoch gegraben die wuchtigen, gewaltigen Geschütze da, dem Feinde sieges über unsere Köpfe her. Kriechend kommt eben die Patrouille zurüd bewußt, auf ihre Kraft pochend, ins Auge schauend. Dann plötzlich und meldet, stolz auf ihre Jagdbeute, die ſtattliche Zahl von ein doppeltes Dröhnen der Erde: zwei dickwandige Geschosse hat eben 29 Hunden und 33 Gänsen. Das Scheinwerferlicht ist indes ver die Batterie in die Nacht gesandt. Weiter führt uns der Weg durch schwunden. Nun Stille. eine fandige Schlucht, durch Wacholderstanden nach einer Schein­werferstellung, deren Bosten uns schon von ferne mit Salt, wer da!" antuft. Die furze Antwort lautet: Pioniere!"" Ach, unsere Waffen brüder," ist die Antwort, macht eure Sache gut." Blitzschnell läßt, auf hohem Maste ruhend, der Scheinwerfer sein helles Auge auf den jenseitigen Weichselhöhen hin- und herschweifen. Rasselnd schließt er sodann seine Augenlider. Tiefer, tiefer wird indes der Sand, so daß schließlich die kleinen, früppeligen Russenpferde die vorsintflutlichen Polenivagen nicht mehr weiter zu ziehen vermögen. Hurtig steigen meine Leute ab; den in schmutzige Schafpelze gehüllten Polenkutschern stelle ich auf ihre Bitten hin schnell einen Ausweisschein aus, und nachdem sie kriecherisch, wie sie sind, sämtliche Rodfransen meines schon ohnehin schmuzigen Feldrockes abgeküßt haben, sausen sie hoch befriedigt unter Dantesrufen zu ihren Gespannen hin. Nach etwa 500 Meter Weges gelangen wir an eine tiefe Schlucht,

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Ueberfluß.

Bon Martin Andersen Nerö .

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Er fragte nach dem Preise, und es entspann sich ein eifriges, merkwürdiges Feilschen zwischen ihnen, da er zum erstenmal in seinem Leben auf einem höheren Preise be­stand, als der war, der verlangt wurde. Zwölf Kronen, das erschien ihm so lächerlich wenig für zwei möblierte Zimmer, daß er beinahe meinte, es sei ein Verbrechen, diesen Preis zu zahlen. Ja, ja, dann also fünfzehn, wenn Sie durchaus wollen!" sagte die Frau zuletzt. Aber dann will ich auch Ihre Sachen für Sie in Ordnung halten. Die Zimmer sind so weit, daß Sie morgen einziehen können."

Hört ihr die Wasser rauschen!

Das Schivarze Korps rückt an.

Es kommen Pioniere, der Brückenschlag fängt an. Wo's Schwarze Korps sich zeigen tut, Da faßt ein jeder frohen Mut, Denn über unsere Brücken Kann alles rüber rücken.

neue Kunst des Schüßengrabens.

Die neue Form der Kriegführung, wie sie in diesem Kriege sich zeigt, hat auch eine neue Form des Schüßengrabens hervorgebracht. Bei der außerordentlichen Genauigkeit, mit der die modernen Feldhaubißen schießen, und den eingehenden Angaben, die die Flieger den Kanonieren geben können, müssen die modernen Schüßengräben so unsichtbar und so schmal wie möglich angelegt werden. So ist eine ganz neue Kunst des Schüßengrabens ent­standen, die von den in früheren Kriegen gemachten Erfahrungen wesentlich abweicht. Der Kriegsberichterstatter Ashmead- Bartlett, der bereits am russisch- japanischen Kriege teilgenommen hat und die Belagerung von Port Arthur mitmachte, gibt eine interessante Darstellung dieser Wandlung in der Anlage von Verschanzungen, die dem Bilde des Krieges von heute seinen besonderen Charakter aufprägt. Die Brustwehr des alten Schüßengrabens bestand aus Erde, die in Sandsäden aufgehäuft wurde; sie ist heute völlig vom Schlachtfeld verschwunden, denn sie bietet dem Flieger für seine Erkundungen ein zu gutes Merkmal und ist für die Geschüße ein vortreffliches Ziel. Die Japaner hatten mit diesen Schwierigkeiten noch nicht zu rechnen. Ihre Gräben wurden in einer Tiefe von etwa 4 Fuß und einer Breite von 2 bis 3 Fuß ausgehoben, die dabei ausgehobene Erde wurde in Leinwandsäcke getan, die sich dann wieder bis zu einer Höhe von 4 Fuß erhoben und den vorderen Ball des Schüßengrabens bildeten. Die Sandsäcke wurden aber nicht direkt vor den Graben gelegt, sondern etwa 1 Fuß weiter vor, so daß noch ein Gang vor dem Schüßengraben blieb, auf den sich die Soldaten heraufschwangen, um andere durchzulassen, oder auf dem sie sich zusammenkauerten, um durch die Schießscharten zu feuern, die in etwa 3 Fuß Höhe in den Sandsäcken angebracht waren. Sie wurden in der zweiten Reihe der Sandsäcke dadurch hergestellt, daß man einen Zwischenraum von 4-5 Zoll zwischen zwei Sandfäden ließ. Schießscharten sind selbst auf furzer Entfer nung sehr schwer zu sehen, und die beste Art, sie zu unterscheiden, ist die, ein Fleckchen in des Feindes Graben auszuspähen, wo das Dieses kleine Lichtviereck behält man fest int

Hurtig geht es an die Arbeit; emfig wie die Ameisen schleppen die Pioniere Bretter und Balfen zur Brüdenstelle. Unaufhaltsam schwingen die lustigen Zimmerleute Art und Hammer. Einer fucht den andern an Schnelligkeit zu übertreffen; denn es gilt ja das Leben unserer Kameraden zu retten. In etwa 15 Minuten ist der Uebergang hergestellt. Dann geht es in Gile über die spärlich bewachsene Gras­insel zum nächsten kleinern und flachern Weichselarm. Viel Unrat hat der Strom hier ans Land geschwemmt. Die zahlreichen umherliegen­den Rinderkadaver sprechen von der Treffähigkeit bzw. der Zielwahl der russischen Artillerie. In wenigen Minuten ist auch hier unter fortwährendem Schrapnell- und Infanteriefeuer ein lebergang aus von der Infanterie gefällten Weidenstämmen, Strauchwert und Brettern hergestellt. Durch bereits tiefes Wasser geht es von hier zu der Stellung der Infanterie. Mitleid ergreift uns, als wir die ersten Licht durchdringt.

Er untersuchte den Schlüssel, der schlecht und recht geformt| Aehren und Buchenzweige, und mit leuchtenden Buchstaben war; der armseligste Nagel fonnte ihn ersetzen. Dann warf stand auf rotem Grunde: Willkommen! Er er sich auf die Chaiselongue und grübelte ein wenig. schleppte den Tisch vor die Tür und legte ein paar Bücher unter die Klinke, so daß sie sich nicht niederdrücken ließ.

Er konnte sich nicht freimachen von der Vorstellung, daß er im Schlaf erschlagen werden könnte. Das ist eine der Formen meiner Todesangst," sagte er in nüchternen Augen­blicken zu sich selbst, aber es half nichts, er hielt sich das Lächerliche vor Augen, das in dem Gedanken lag, irgendeiner werde auf den Einfall kommen, bei ihm einzudringen, bloß um das Vergnügen zu haben, ihn zu töten. Er fonnte ein­fach nicht schlafen, wenn er nicht seine Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte.

Jetzt entsann er sich, daß er irgendwo in der Stadt ein Blakat gesehen hatte, auf dem etwas von einem Arbeiterfest mit Tanz im Saal des Abstinenzlerheims" geschrieben stand, - Ueber den niedrigen Preis fünfzig Ocre das Paar. hatte er sich gewundert.

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Er lauschte dem fröhlichen Lärm da unten ein wenig, dachte bekümmert an seine Nachtruhe und löschte die Lampe. Lange saß er zögernd auf dem Bettrand, als ob er sich gegen etwas sträubte; dann nahm er seinen Stock, der am Kopfende stand, beugte sich hinab und stach mit ihm unters Bett ganz bis zur Wand; in der ganzen Länge des Bettes fuhr er damit hin und her. Dann stellte er den Stock wieder an das In Kopenhagen war das nichts Besonderes; da tat er Stopfende des Bettes und zog die Dede über sich. Aber er dies alles einzig und allein im Hinblick auf etwaige Ein- lag lange da und warf sich herum, bevor er einschlief. Die Sonne war im Begriff unterzugehen. Sie stand brecher. Hier hieß es, sich in seinen eigenen Augen lächerlich In Schweiß gebadet und mit Angst in allen Gliedern drüben hinter den hohen Ufern im Nordwesten und warf machen. Er hatte denn auch sofort der Wahrheit ins Auge wachte er auf. Um ihn war es ganz finster. Was war einen schwachen lila Schein in den Himmelsraum über dem gesehen und zugegeben, daß er wirklich aus persönlicher das... wo war er? Er fühlte sich nicht zu Hause in seinent Fjord; in den Niederungen wurde die Farbe kräftig, von Furcht so handele: die Mordmanie wurde immer allgemeiner Bett, unter der Decke, in der Luft, die er einatmete. Warum eigentümlich erregender Tiefe. Karl hatte beobachtet, daß und ergriff selbst die Friedlichsten, von denen man also am ging man ihm zu Leibe, was hatte er getan? diese Farbe erotisierend auf Menschen und Tiere wirfte; die wenigsten eine Gefahr erwarten konnte; jeden beliebigen Demimondedamen mußten dieselbe Erfahrung gemacht haben, Augenblick konnte der Wirt, sein Sohn oder die halbblöo­denn sie gebrauchten diese Farbe als Lockfarbe. Und mochte sinnige Dienstmagd, kurz irgend jemand, der wußte, daß er es nun daran liegen, daß die Bürgerfrauen und Bürger- in diesem Zimmer schlief, den Einfall bekommen, ihm den töchter nicht das sichere Gefühl des Mannes für die Beschaffen- Kopf abzuschneiden. heit der betreffenden Damen hatten, oder daran, daß sie alle Rüdsichten beiseite sekten, um ihren Anteil zu bekommen- jedenfalls hatten auch sie sich auf die Farbe gestürzt. Bauders cigene Mutter war unter den ersten gewesen, die sie wählten. Der Gedanke an die Mutter pflanzte sich weiter fort, und ihn ergriff wehmütige Sehnsucht nach seinem Vater, dem einzigen Menschen, den er liebte. Als er nach Hause kam, nahm er wieder das Papier vor und setzte sich hin, um zu schreiben: aber er kam nicht über die Ueberschrift hinaus; er war krank und müde, und alle Gedanken schwanden aus seinem Kopf, sobald er die Feder ansette. Es wäre doch so vieles zu schreiben gewesen!

Leise pfeifend, ging er ein paarmal im Zimmer auf und ab, legte den Kopf auf die Seite und gudte unters Bett, wenn er am weitesten davon entfernt war, kam zu der anderen Wand und warf einen langen Blick unter die Chaiselongue. Der innerste Raum unter dem Bett lag im Dunkeln, und er krümmte sich, während er mit der Lampe dorthin leuchtete. Zögernd begann er, sich seiner Unterwäsche zu entledigen, da ihn ein zunehmendes lebhaftes Geräusch unten auf dem Hof ans Fenster rief.

Der Himmel war jetzt stark bewölft, und es war ziemlich finster. Aber aus dem großen Saal hinterm Hof schien Licht, und er sah junge, sonntäglich gekleidete Männer und Frauen Er beschloß, zu Bett zu gehen, und begann sich auszu- hineingehen. Mitten auf dem Hof hielt ein Bierwagen, und fleiden. Als er die Beinkleider halb abgestreift hatte, 30g er eine Anzahl junger Burschen war im Begriff, Körbe mit fie wieder an, ging hin, öffnete die Tür zum Gange ein wenig Flaschen in den Saal zu tragen. Drinnen ging ein Mann und lauschte... Dann nahm er den Schlüssel herein und im Frack umher und zerschnitt eine Kerze über den Fußboden schloß die Tür leise. Er wollte den Schlüssel von innen hinein- hin, und Burschen und Mädchen liefen hin und her und steden, aber es war gar kein Schlüsselloch da, nur eine Klinke. Ischlitterten darüber weg. Ueber der Saaltür hingen grüne!

Endlich erkannte er, daß er in seinem Bett saß, und daß niemand ihm etwas zuleide tat. Aber um ihn her erscholl ein höllischer Spektakel, und der verursachte ihm physischen Schmerz und trieb ihm den Angstschweiß hervor. Bald ver­vermochte er auch die einzelnen Bestandteile des Lärms 311 unterscheiden: da waren eine fragende Violine, die taktfesten Trampellaute und das Händeklatschen eines Bauerntanzes und heftiges Geschelte vieler Menschen, die heiser durch­einanderschrien.

Eine einzelne Stimme durchschnitt die anderen mit drohendem Gebrüll, und laufende Fußtritte ertönten auf dem Hof, zuerst von einem, dann noch einem. Er hörte einen Schmerzensschrei und sprang hin, riß die Gardine beiseite und das Fenster auf. An der Wand senkrecht unter ihm, die vom Monde scharf beleuchtet war, stand ein breitgebauter Mann, wischte sich mit dem Aermel übers Gesicht und schnupfte; ein schmächtiger kleiner Bursche ging im Bogen um ihn herum, und schalt ihn in robem Kopenhagener Straßen­dialekt aus: Du langer, verfreßner Bauerulümmel, Du willst den Leuten eins draufgeben!"

Ach, halt's Maul," sagte der Große in breitem jiit­ländischen Dialekt.

In diesem Augenblid fouerte der Meine sich wie eine