Nr. 30.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Der Minenkrieg.

Der Kölnischen Volkszeitung" wird der folgende Feldbrief eines Pioniers in Flandern   zur Verfügung gestellt: Das Wetter ist schauderbar. Der Regen schüttet nur so, als ob der Himmel kein Erbarmen hätte. Das Wasser steigt in den Laufgräben immer höher. Wir machen Wasserlöcher, die sind im Nu voll... Schlamm wird geschaufelt, Wasser geschöpft, alles nüßt nichts. Bald stehen wir bis an die Knie drin. Es wird weiter ge­arbeitet. Die Sappen müssen fertig werden, da gestürmt werden foll. Die Entfernung vom Feinde verringert sich immer mehr. Die Nacht ist rabenschwarz. Morgen soll der Sturm sein. Wir sind vom feindlichen Graben nur noch fünf Meter entfernt. Handgranaten fegen hin und her. Es wird ruhiger, wir schaffen weiter, der Schweiß perlt mur so. Ein Mann beobachtet, der andere schaufelt. Jetzt geht es hinein in die feindliche Deckung.

nicht, herumdrehen auch nicht. Also Schanzzeug los. So wird auch der dritte Graben genommen. Hier sehen wir uns fest und jagen ihnen noch an Kugeln nach, was wir haben.

Der Feind hatte sich einige hundert Meter von uns wieder festgesetzt. Doch wir haben eine wichtige Stellung genommen, und das genügt einstweilen. Außerdem haben wir einige Maschinen­gewehre und eine Menge Munition erbeutet und 300 Gefangene gemacht. Während der Nacht liegen wir noch draußen, da ein Gegenangriff erwartet wird. Die Artillerie schießt wieder wie toll. Wir bauen die neue Stellung ein wenig aus und erwarten, was da kommen wird. Es war eine schreckliche Nacht. Der Morgen kommt und nach Stunden Ablösung. Hundemüde, voll­ständig stumpfsinnig geht es auf den Heimweg. Zwei Stunden haben wir zu laufen. Keiner sagt ein Wort vor Müdigkeit. Man fest Fuß vor Fuß und torkelt weiter...-

Freitag, 5. februar.

München   unter seinem Namen auf. Mälzel  , der Beethoven   für den von ihm konstruierten Metronom interessierte und ihm dafür eine neue Gehörmaschine versprach, hatte den guten Gedanken für diese Schlachtsinfonie gefaßt; er soll auch alle Trommelmärsche und Trompetensignale der französischen   und englischen Melodien ge­liefert und noch verschiedene Ideen für die Ausführung gegeben Beethoven   selbst gesteht, daß ihm Mälzel   für die Aus­haben. führung 50 Dukaten in Gold angeboten habe, und auf einer von ihm revidierten Partitur der Sinfonie steht sogar ausdrücklich der Vermerk:" Auf Wellingtons Sieg   bei Vittoria geschrieben für Der Mechaniker hatte Herrn Mälzel   von Ludwig van Beethoven  ." also jedenfalls ein Mitautorrecht an der Schlachtsinfonie, und der gegen ihn 1813 von Beethoven   eingeleitete Prozeß hatte wenig Aussicht auf Erfolg. Er dauerte volle drei Jahre und endete schließlich mit einer Versöhnung beider Gegner bei einem fröh­lichen Feste.

Ueber Tage kann nicht mehr gearbeitet werden. Singelegt in den Aus neuen Prozeßakten über Beethoven  . Gingaben, klagen und Beschwerden förmlich überflutete. Sogar

Dred und einen Stollen getrieben. Stunde um Stunde vergeht, eine Ablösung nach der anderen folgt, eine Schaufel nach der anderen fliegt rüdwärts. Der Feind scheint Ahnung zu haben, daß die Luft nicht ganz rein ist. Er schießt wie tell. Das Ge­Inatter der Gewehre hört sich genau so an, als ob man einen Sad Erbsen eine Holztreppe herunterschüttet. Dazwischen die dumpfe Musik der Artillerie und der Minen. Vor Infanterie sind wir ziemlich gedeckt- aber hat der Feind keine Gegenminen gelegt? Bei jedem Spaten vorwärts können wir in die Luft gehen. Eine angenehme Gewißheit... Es hat gut gegangen. Wir sind unter dem feindlichen Graben. Der Tag fängt an zu grauen. Schwer geht unser Atem in dem engen Loche. Jetzt wird die Sprengladung eingebracht, 100 Pfund in jedes Loch. 19 dieser Sappen sind ge­trieben worden. Die Ladung wird verdämmt, Zündung eingebaut. Froh verlassen wir unsere Arbeit, waten durch den Schlamm zurück in den nächsten Unterstand. Ein Stück Kommißbrot mit Speck und faltem Kaffee ist unser Essen... Utsch geht es neben uns. Wirres Geschrei: Es liegt einer drunter, es liegt einer drunter!" Wir hinaus aus unserem Loche. Der Unterstand neben uns ist, aufgeweicht von aller Nässe, zusammengebrochen und hat einen Mann unter sich begraben. Was Spaten hat, heran und geschaufelt. Ich habe den meinen vorn in der Sappe liegen ge­Lassen. Es ist zu weit. Also mit den Händen und dem Seiten­gewehr gearbeitet. Endlich hören wir den Armen stöhnen. Ein Schnitt mit dem Taschenmesser durch die Zeltbahn und wir sehen ihn liegen. Ein Balken liegt ihm über dem Schädel, zwei zwängen ihm die Brust ein. Ein kräftiger Rud, und er ist frei. Leben hat er noch, ivas zerbrochen ist, wissen wir nicht. Er wird in eine Belt­bahn gelegt und fortgeschafft.

Es gilt noch andere Arbeit bis Mittag. Handgranaten werden fertiggemacht, Minenwerfer geladen, Stufen in die Dedung gc= hauen, damit man zum Sturm besser hinausklettern kann. So geht's bis Mittag. Es kommt der Befehl: Alles zum Sturm bereit!"

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Jetzt kommt der Befehl:" Plankt auf!" Die Minen gehen in die Luft. Wir werden bald selbst von der aufgeworfenen Erde berschüttet. Die Minenwerfer arbeiten gut. Jezt heißt es: Pioniere vor mit Handgranaten!" Rasch geht es in den Sappen vor. Klatsch! schlägt eine Kugel dem Hintermann in den Kopf. Er fällt ohne ein Wort. Andere werden getroffen. Wir können nicht helfen. Das Gewehr um den Hals, das Schanzzeug an der Schleife, in jeder Hand eine Granate, geht es vor. Bald laufend, bald triechend voran. Jetzt ist der richtige Augenblick zum Werfen. Ritsch den Zünder angerieben, bis fünf gezählt und weg mit dem Ding in die feindliche Deckung. Krachend geht sie in die Höhe. Die zweite Granate folgt. Eine nach der anderen zerreißt die Deckung. Wir haben alles geworfen. Nun wirbeln die Trommeln das Signal: Sprung auf, marsch, marsch! Zum Sturm fällt das Gewehr!" schmettert durch das Ge­töse. Die Hölle ist losgelassen. Alles springt aus den Gräben mit Hurragebrüll. Der Feind schießt entfeßlich. Viele fallen. Ein jeder läuft, was er laufen kann, denn vorn ist man am sichersten. Ein furchtbares Handgemenge entsteht. Man schießt, sticht und schlägt in den Gräben. Wie toll geht es drauflos. Die Patronen find verschossen. Es geht mit dem Bajonett heran. Die Engländer weichen und setzen sich in dem zweiten Graben fest. Ihnen noch immer nach. Mitten über die Haufen von Gefallenen hinweg hinein in den zweiten Graben! Dort dasselbe Spiel. Der Feind hält tapfer stand. Wir Pioniere, unsere Gewehre in der einen Hand, in der anderen das Schanzzeug, stürmen mitten unter der Infanterie. Das Gewehr ist zu schwach, schießen und stechen geht

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Ueberfluß.

Von Martin Andersen   Nero  . Herrgott, was sollen wir bloß mit dem Kandidaten an­fangen?" jammerte sie. Er ist total betrunken und kann sich Schaden zufügen. Nun hat er zwei Tage herumgesumpft und ist ganz ohne Besinnung. Und ich wage nicht, ihn hereinzulassen. Sie wissen nicht, wie entsetzlich er in dem Zustand ist! Er ist dann wie ein Zier und kann das Aergste gegen zwei alleinstehende Frauen unternehmen. Und dabei ist er doch sonst so gut, aber er hat die Gewalt über sich verloren, der arme Kerl. Und da sucht er hier Zuflucht, weil er glaubt, daß er hier wohnt, und wir fönnen ihm nicht einmal helfen. Es ist sehr traurig."

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Ich werd versuchen, mich seiner anzunehmen," sagte Bauder und schlüpfte in seinen Ueberzieher.

Die zahlreichen Akten über Beethovens Prozesse, die Mar Reinik in den verschiedenen Archiven Wiens aufgefunden hat, be­leuchten die Gestalt des Meisters von einer neuen Seite und zeigen, wie sehr ihm sein Leben durch diese ewigen Streitereien vor Ge­richt verbittert wurde. In einem umfangreichen Aufsatz der Deutschen Rundschau" gibt der Entdecker der neuen Beethoven­Dokumente einen genauen Ueberblid über die verschiedenen Pro­zesse, in die wir hier Einblick erhalten.

Gerade im Zenit seines Ruhmes, im Kongreßjahr 1814, war Beethoven   in eine Menge persönlich und vermögensrechtlich un­angenehmer Prozesse verwickelt. Da waren die beiden großen Ge­haltsprozesse, die Beethoven   um die Auszahlung seiner Pension mit dem Fürsten Lobkowik und den Kinskyschen Erben ausfocht. Drei fürstliche Mäcene, Erzherzog Rudolf  , Fürst Lobkowiß und Fürst Kinsky, hatten den Meister durch Gewährung einer Pension von 4000 Gulden in Bankozetteln an Wien   gefesselt, als ihm 1809 Jerome Bonaparte   während seines kurzen Königreiches eine Stelle als Kapellmeister in Staffel mit 600 Dukaten anbot. Aber schon nach zwei Jahren wurde diese Herrlichkeit arg getrübt, denn der österreichische Staatsbankrott von 1811 ließ die Bankozettel sehr im Kurse sinten, und so brachten ihn die Noten in Nöten", wie Beethoven   so oft klagt. Nur Erzherzog Rudolf   bewilligte den Ersaß der Kursdifferenz; die anderen beiden zahlten weiter in Bankozetteln, wodurch der Wert der Pension sehr zusammen­schmolz. Fürst Lobkowiß, der aus reiner Liebe zur Kunst Beethoven  unterstützte, und dem dieser herrliche Tonwerke, so die Sinfonia Eroica   und den Liederkreis an die ferne Geliebte" gewidmet hat, war damals selbst in die größte finanzielle Not gevaten und konnte einfach nicht mehr die volle Pension zahlen. Beethoven   aber strengte einen Prozeß an, den größten, den er je geführt, und verlangte die Ausbezahlung der vollen Pension von 700 Gulden. Der Meister mußte den Prozeß verlieren, da der Fürst eidlich erklärte, die Zusicherung der vollen Bezahlung der Pension sei nur als ein jederzeit widerrufbares Versprechen auf­zufassen, das dem Kläger kein Recht für Lebenszeit begründete. Obgleich also die Sache für Beethoven   schlecht stand, setzte er doch außergerichtlich seinen Willen durch, indem Lobkowit brieflich sich verpflichtete, die volle Pension zu zahlen. Der Fürst, der als leidenschaftlicher Musikfreund" Beethoven   all seine Schmähungen und Drohungen nicht nachtrug, bemühte sich sogar, da er selbst unter Kuratel gestellt war, bei seinen Hauptgläubigern die Be­zahlung der vollen Pension durchzusetzen, und diese ist sogar noch nach dem Tode Beethovens an die Hinterlassenschaft entrichtet worden.

In dem anderen Pensionsprozeß hatte Beethoven   keinen per­fönlich so liebenswürdigen und versöhnlichen Gegner. Fürst Kinsky, der ihm die Pension ausgesetzt hatte, war gestorben, und feine Erben hatten kein Interesse an dem Meister, wollten also nicht mehr zahlen als nötig war. Da Beethoven   keine Beweise für das Recht seiner Forderungen vorbringen konnte, mußte er nach einem langen dreijährigen Prozeß einen mageren Vergleich schließen, in dem die Kinskyschen Erben eine Aufbesserung der Pension um 471 Gulden gewährten.

Ein dritter Prozeß, den Beethoven   zur selben Zeit führte, spielt bereits auf fünstlerisches Gebiet hinüber: es war der Rechts­streit mit dem Hofmechaniker Mälzel   wegen der Schlachtsinfonie. Die Gelegenheitskomposition" Wellingtons Sieg  " oder" Die Schlacht bei Bittoria" hatte Beethoven   große Einnahmen gebracht. Nun nahm aber der bekannte Mechaniker Mälzel   das Eigentum an diesem Tonwert für sich in Anspruch und führte es tatsächlich in vermeidliche Folge der andern, oder bemühte er sich, seiner Stimme eine rohe Klangfarbe zu verleihen?

Bauder hatte den Arm des Kandidaten fest gebadt. Sie sollten mit mir ins Haus gehen und sich nicht länger wie ein Tier benehmen," sagte er bestimmt.

Der Kandidat war vollständig schlapp und ließ sich führen. Zier- Bier- Vier!" sagte er gedehnt. Rechnen kann ich. Ich bin ein mathematisches Talent, ich bin fast ebenso tüchtig wie mein Lehrer in der Anstalt... er, Du weißt wohl... aber davon verstehst Du nichts, Du ästhetischer Satan," er machte eine ärgerliche Drehung zu Bauder hin, Du verstehst Dich nur auf Aesthetik. Aber die Wissenschaft, das ist was,- denn denn ich bin Wissenschaftler, siehst Du. Die Dichter und die Maler verstehen nichts von der Natur. Sie sehen bloß die Formen und Farben, aber was ist das wohl? Das ist nicht die Natur, Du das sind Formen und Farben. So ist es, meiner Seel!" Er rüttelte Bauder heftig. " Ja, gewiß ist es so," sagte dieser und lotste ihn durch

a, vielen Dank, wenn Sie das wollten. Ich werd die Flurtür ins Haus. schon bei Ihnen bleiben, bis es vorüber ist."

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Aber ich bin Gelehrter und mache mir den Teufel was

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Als Bauder hinausfam, war der Kandidat fort. Nach aus Dichtern, Formen und Farben, denn ich sehe all das, was Furzem Suchen fand er ihn auf dem Grabenrand, an einen dahinter liegt was dahinter liegt, jawohl.-Wo ist die Telegraphenpfahl gelehnt. Er packte ihn am Arm und Flasche geblieben?" Er tastete über den einen Rockschoß hin, forderte ihn gebieterisch auf, sich zu erheben. fand aber nichts. Du lachst mich ja aus. Glaubst vielleicht, Können Sie mir nicht sagen, wo hier in der Nähe eine ich wäre voll? Aber Funk ist auch voll geworden, er wollte Kneipe ist?" fragte der Kandidat gedehnt und starrte Bauder mich betrunken machen und wurde es selber hi hi!- ins Gesicht. Aber plöblich zuckte er zusammen. Was, sind Glaubst Du's, er war betrunken! Er war selber betrunken, Sie es, Aesthetiker?" rief er ziemlich verlegen und versuchte, das Schwein!- Du und Funk, Ihr seid Talente, aber Ihr eine stramme Haltung anzunehmen. Sind Sie nicht im habt keinen Sinn für mein Gebiet, denn ich bin ein mathemati­Bett? Sie befeuchten wohl auch die Kehle ein bißchen im sches Genie. Und ich habe mein ganzes Leben dazu gebraucht, Schuße der Nacht, was, Alter?" Lachend wollte er Bauder um die höchste Summe von Glück für die größte auf die Schulter klopfen. Sie haben wohl gehört, daß es Anzahl von Sie haben wohl gehört, daß es Anzahl von Menschenkindern zu berechnen." etwas geben wird, und wollen vielleicht etwas mit abhaben? Halten Sie sich nur in meinem Fahrwasser, es fällt immer etwas ab." Er ging vorwärts und winkte, die Hand hinter sich haltend.

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Sein Mund hatte keinen Augenblick stillgestanden, seit Bauder ihn aufgriff. Doch jetzt, als man ihn mit Mühe die Trevpe hinaufgeschafft hatte und er die Schultern hängen ließ und sich an den Kamin anlehnte, fiel er ganz zusammen. Bauder war erstaunt, nicht so sehr über den Zustand des Der Kopf hing auf die Brust hinab, die Knie waren ge­Kandidaten, als über die Veränderung, die mit seiner Stimme trümmt und nach innen gekehrt, und Augen und Zunge sahen vorgegangen war. Dieser edle Theoretiker und Idealist be aus, cls würden sie aus dem Gesicht fallen. Die Arme hingen wegte sich nicht nur in den plattesten Vorstellungen und gab schlaff herab wie bei einem Erhängten, und ein unheimliches ihnen in entsprechenden Wendungen Ausdruck das mochte Röchein entrang sich seiner Brust, zusammen mit starken noch hingehen, da der Mann berauscht war, aber sein sonst Schnapsdünsten, die im Augenblick den ganzen Bodenraum weiches und wohlflingendes Organ war geborsten und belegt, füllten. hatte jenen Klang von Halsentzündung, wie er untrennbar Bauders Wirtin, die eifrig geholfen hatte, brach plöblich vom Kopenhagener Proletariat ist. War das denn eine un- in Schluchzen aus beim Anblick dieses Menschen, der da, hin

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Zu all dem tamen dann noch die gerichtlichen Streitigkeiten mit seiner Schwägerin um den Neffen, wobei er die Behörden mit nach seinem Ableben hatte das Gericht noch verschiedene Streit­sachen Beethovens zu erledigen." In Rechtsfragen", so urteilt Reinik, übersah Beethoven  , wie dies bei genialen Menschen oft der Fall ist, die Geseze der Kausalität und Motivation; er handelte untlug, ja rabulistisch. Heftige Affekte führten zu unvernünftigen Maßnahmen, und zu solchen zählten die Prozesse, die er geführt, wenn er mitunter auch den Zweck erreicht hatte."

Karungi- die Eingangspforte Rußlands.

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gegen=

Karungi, das schwedisch  - finnische Landstädtchen am Ufer des Flusses Torne  , der die natürliche Grenze zwischen Rußland   und Schweden   bildet, ist durch den Ausbruch des Weltkrieges über Nacht zu plöblicher internationaler Berühmtheit gelangt. Dabei hat diese fleine Endstation der langen schwedischen Bahnlinie nur einen Per­sonenverkehr, wie eine Station dritten Ranges, einen Güterverkehr, wie eine Station zweiten Ranges und einen Postverkehr wärtig wenigstens! wie ihn wohl in den seltensten Fällen nur die Stationen ersten Ranges haben, denn seit der Hafen von Archangelsk   endgültig zugefroren ist, ist Karungi die einzige recht enge Pforte gen Westen, die dem Riesenreich Rußland   noch offen bleibt, so daß es für Rußland   in diesem Augenblick etwa das- oder noch mehr bedeutet, was für England und alle anderen sec­fahrenden Völker der Suezkanal ist. Sollte schließlich jedoch auf die eine oder andere Weise auch der Verkehr über Karungi abgebrochen werden müssen, so würde Rußland  , um seine Beziehungen zur Außenwelt aufrechtzuerhalten, nur noch auf seinen im fernen Osten liegenden Hafen Wladiwostot angewiesen sein, den es ja auch jetzt bereits zur Einfuhr seiner von Amerita gelieferten Kriegsmunition benutt. Abgesehen davon jedoch, daß selbst der Hafen von Wladi­ wostok   unter Umständen völlig zufriert, läßt sich leicht begreifen, welche ungeheuren Schwierigkeiten es mit sich bringen würde, sp­wohl Passagiere wie Post auf dem Umwege über Wladiwostok   von Westeuropa   nach Rußland   zu befördern, und die Berühmtheit, die Karungi, die einzige Mittelsstelle zwischen Westeuropa   und Ruß­ land   innerhalb kurzer Zeit erlangt hat, ist deshalb, genau betrachtet, sehr wohl verständlich.

Ueber die Station Karungi an sich schreibt der Korrespondent des schwedischen Sozialdemokraten" seinem Blatte:

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wenn man

" Am Osthimmel begann sich der Tag mit grünen und roten Streifen zu melden, als unser Schnellzug langsam in die Station Starungi einfuhr. Ein flüchtiger Blick durch das Coupéfenster ge= nügt, um den Gegensatz zwischen dem zu spüren, was den Erbauern der Station vorgeschwebt hat und was tatsächlich aus ihr geworden ist. So viele Geleise und so wenige Stationsräume sie so nennen will denn sie sind in Wirklichkeit nichts anderes, als ein paar kleine, armselige Baraden.- Die geade an diesem Tage zum ersten Male dem Betrieb übergebene Bahnhofswirt­schaft" ist für russische Kosten errichtet und enthält außer der Küche einen ziemlich geräumigen Speisesaal, durch dessen Mitte ein langer, wachstuchgedeckter Tisch läuft, an den Seiten eingerammte Sizbänke, zwei stinkende Azetylenlampen und als einziges sonstiges Inventar einen eisernen Ofen. In diesem Raum werden unbemittelte Reisende kostenlos gespeist, diejenigen aber, die zahlen können, zu sehr billigen Preisen, denn 25 Dere für Tee und Butterbrot ist gewiß gerade in diesen Gegenden nicht teuer, wo nicht nur die Lebensmittelpreise in letzter Zeit ganz außerordentlich gestiegen sind, sondern auch für Wohnungen geradezu märchenhafte Preise bezahlt werden. So zahlt beispielsweise das russische Konsulat für und her schwankend, stand und mit der Stirn gegen den Kaniin stieß, erbärmlich und hilflos, körperlich und seelisch eine Beute Der entieklichsten Idiotie.

Ach, Herrgott!" klagte sie. Und seine arme Fran, die sich mit so was schleppen muß. Wie entsetzlich das doch ist... wie entsetzlich!"

Der Kandidat machte den schwachen Versuch, den Kopf nach ihr hinzudrehen, und den einen Mundwinkel umspielte ein blödes Lächeln.

Sie müssen helfen," flüsterte Bauder heftig. Sehen Sie denn nicht, daß er umfällt? Aber nicht in mein Schlaf­zimmer. Richten Sie das Sofa her, aber beeilen Sie sich)." Er zitterte förmlich vor Nervosität.

" Ja ja ja," erwiderte sie schnaubend und sputete sich. Sie breitete ein paar Säcke auf dem Sofa aus, und die beiden brachten den Kandidaten zur Ruhe; er schlief wie ein Stein, noch bevor sie ihn hingelegt hatten.

,, Gehen Sie jetzt nur!" sagte Bauder. Ich will mich seiner schon annehmen."

Er ließ die Lampe brennen und setzte sich auf einen Lehn­stuhl, um zu schlafen, aber obwohl die Türe nach dem Speicher offen stand, konnte er es vor schlechten Dünsten bald nicht aus. halten; er mußte ein Fenster öffnen und Durchzug schaffen.

All sein Ekel und Abscheu brach mit heftiger Stärke in ihm hervor, und er bereute bitterlich, daß er dem dummen Mitleid nachgegeben hatte. Hier lag dieses Schwein, dieser Phrasenmacher, und zwang ihn, seine widerwärtigen Dünste einzuatmen, füllte den füllte den Raum mit seinem tierischen Schnarchen- und wenn er wieder nüchtern wurde, redete er unangefochten vom Ideal und von dem Emporstrebenden im Menschen. Er stand tiefer und war schleimiger als das niedrigste Schleimtier. Vor nichts hatte er Respekt, weder bor Kräften noch vor Vernunft nicht einmal vor dem Leben, das alles fezte er ein, um sich in der gemeinsten Form von Idiotie wälze zu können. Und kein menschliches Ge­fühl war ihm heilig, morgen würde er eins nach dem andern hervorkehren, mit seinem Phrasenspeichel begeifern und voll Selbstvertrauen seiner Umgebung servieren.

Aber so mußte man sein: plump und grobkörnia in feinen Anforderungen an Genüsse. Man mußte fich kritiklos bollefsen, bis man übersättigt war, und sich dann auf den Rücken legen und in den blauen Himmel ſtarren, mußte mit dem Abscheu des Ueberfüllten auf allen Genuß speien und beschwerliche Träume von einer höheren Welt träumen, wo es keine Forderungen gab. Dann war man edel, human, hoch­herzig- ein idealer Mensch. ( Forts. folgt.)