Nr. 38.- 1915.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonntag, 14. febrner.
Im Zossener Gefangenenlager.
fich wahre Brachteremplare von Schönheit. Es geht aus den dem Arzt anzuvertrauen, so ist in den Lazaretten für den VerErzählungen der indischen Soldaten mit Bestimmtheit hervor, daß wundeten, der fast stets fern der Heimat und seinen Angehörigen sie nicht wußten, wohin oder gar wofür sie in den Krieg ziehen liegt, der Arzt oder die Krankenschwester oft die einzige Person, ihrer Ankunft in Europa erfuhren sie nicht, gegen welchen Feind sie aus dem Krieg, Gedanken über die Zukunft usw. mitteilt. sollten. Erst hieß es, sie sollten nur nach Kalkutta , und auch nach denen er neben Angaben über sein körperliches Befinden, Eindrücke fämpfen sollten. Die französischen erotischen Truppen sind schlechter Die Stimmung der Verwundeten bei der Ankunft im Lazarett diszipliniert als die englischen, und besonders find die nord- ist gewöhnlich sehr gehoben. Die Verwundung wird als gering beafrikanischen Mohammedaner durch Wildheit ausgezeichnet. Mo- zeichnet, in furzer Zeit muß man wieder gesund sein, um sobald als hammedanische Geistliche haben Zutritt zu diesen Gefangenen er- möglich wieder ins Feld zu kommen. Auf Fragen, wie es draußen halten, um sie nach der Lehre des Propheten zu erbauen und um sie steht, wird geantwortet, daß alles vorzüglich vorwärts geht. Die zeigen außerordentlich verschiedene Typen bis zur reinen Negerrasse. sehr groß angegeben über die Lage der Dinge aufzuklären. Die französischen Hilfstruppen Verluste der Feinde sind ungeheuer auch die unsrigen werden als unseren Angriffen sind sie nicht gewachsen, Man kann noch sehen, daß ihre Uniformen sehr glänzend gewesen sein ebensowenig unserer Taftif. Eigene Taten werden selten erwähnt, müſſen, und die Neger in ihren roten Turbanen und blaugelben Uniformen wohl aber werden die der Kompagnie oder des Regiments lobend mögen einmal gar prächtig ausgesehen haben.„ Wenn man diese Halb- hervorgehoben. Die Angaben über Stellungen sind oft ungenau, wilden sieht und die Berichte von ihren Heldentaten" hört, so muß manchmal sicher falsch, Stellungen anderer Regimenter, soweit sie Horden auf Europa losgelaffen werden, um gegen Christenvölker zu richtige Orientierung ist nicht selten. Im allgemeinen darf man man doch sagen, es ist ein Weltskandal erster Ordnung, daß diese nicht Seite an Seite gestanden haben, unbekannt. Jedoch auch fämpfen. Aber vielleicht bestätigt sich wieder einmal das Wort: den Angaben der Verwundeten nicht allzuviel trauen; der glücklicherBerichterstatter von„ Aftonbladet" seine fesselnde Schilderung des wirkung auf die Erzählungen. Weltkrieg ist Weltgericht". Mit diesem Hinweise beschließt der weise an der Front herrschende Optimismus bleibt nicht ohne EinBossener Lagers.
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Auf die gehobene Stimmung der ersten Tage folgt nicht selten eine kurze Periode psychischer Depression, bis der gute Schlaf und der allezeit vortreffliche Appetit die alte Lebenslust wieder anfacht, die sich zuerst darin zeigt, daß der Barbier das Aeußere möglichst vorschönert und die Zigarre, der unzertrennbare Genosse des Soldaten, wieder ständig qualmt.
Das Zoffener Gefangenenlager hat in der Stockholmer Zeitung Aftonbladet" eine ebenso unbefangene, wie anschaulich und an ziehende Schilderung gefunden, die auch deutschen Lesern mancherlei neue und interessante Züge bringt. Der Erzähler berichtet zunächst über seinen Besuch in den Baracken der Franzosen . Hier ist die deutsche Ordnung und Disziplin durch den französischen Geschmack ergänzt worden, und man hat den Franzosen keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt, um sich ihren Zustand durch allerlei Einrichtungen zu erleichtern, die darauf abzielen, das Leben behaglicher und angenehmer zu gestalten. Obgleich es Winter war, fonnte man deutliche Spuren fünstlerischer Gartenanlagen wahrnehmen, die unter der Leitung eines französischen Gartenkünstlers hergestellt waren. 23ie bekannt, dienen die französischen Geistlichen als Gemeine im Heere, und auch unter den Gefangenen in Zossen befinden sich sechs oder sieben französische Priester. Diese liegen nun im Lager der Seelsorge ob und finden auch dankbare Zuhörer. Der Schwede sah eine katholische Kapelle, wo gerade mehrere Andächtige versammelt waren. Ein hübscher Altar ist dort aufgebaut und reich ausgeschmückt worden, und schon ist ein zweiter Altar im Entstehen, so daß zwei Priester gleichzeitig die Messe werden lesen können. Die Gottesdienste sind zahlreich besucht; besonders war dies während der Weihnachtszeit der Fall. Es scheint, als ob der Krieg auch bei den Franzosen das religiöse Gefühl neu belebt hat. Aber die meisten Franzosen sind wohl keine gläubigen Katholiken?" fragte Smetanag Berkaufte Braut" im Deutschen der Besucher den ihn begleitenden Hauptmann. Jedenfalls gehen Opernhaus . Reichlich ein Vierteljahrhundert verging, bis sich Verstümmelungen, selbst schwerster Art, scheinen leichter ertragen fie fast alle zur Kirche," war die Antwort. die Oper dieses Namens auch auf allen deutschen Bühnen ihr Vereins- zu werden als im zivilen Dasein. Wenn nur die Möglichkeit beIm Zoffener Lager hat auch ein französischer Bildhauer seine recht eroberte. Friedrich Smetana allerdings lag da schon seit acht steht, den alten Beruf auszufüllen oder wenigstens sich ernähren zu Werkstatt aufgeschlagen. Es ist kein gewöhnlicher Handwerker, Jahren im Grabe Die können, wird vertrauensvoll der Zukunft entgegen gesehen. fondern ein wirklicher Künstler, der den Rompreis davongetragen aber nun erkannte man, daß er schon bei Lebzeiten auf den Ruhm seitige Hilfe verlangt und gewährt wird ohne jedes Wort dabei. er starb, in Wahnsinnsnacht verfallen, 1884 Kameradschaftlichkeit scheint etwas so Selbstverständliches, daß gegen und bereits Ruf gewonnen hat. Die aus seiner Hand Hervor eines„ böhmischen Mozart" vollen Anspruch hatte. In allen seinen Stommen neue Verwundete, so sind die bereits Eingewöhnten zu jeder gegangenen Werke waren sehr stimmungsvoll; zumeist waren es Opern, Sinfonien und Streichquartetten flingt die Seele seines Unterstügung bereit; alles wird getan, was den Neuen zur ErSoldatengestalten von einem ernsten, um nicht zu sagen düsteren tschechischen Heimatvolkes. Dort wurzeln seine Stoffe; dorther quillt leichterung dienen kann, die Güte des Lazaretts wird betont:„ man Gepräge. Einige seiner Schöpfungen waren auf den Gräbern in seine Anschauung, sein Melodienborn. Man darf also bei Smetana , wird wieder völlig gesund. Boffen gestorbener Strieger aufgestellt. Eine andere Kunst, die im so tief er unsern deutschen Meistern bis das Essen ist gut usw." Ueber die Boffener Lager fleißige Pflege findet, ist die des Gesangs. Der den auf Wagner, für Verwundung fällt kein Wort, das ist Schicfal; Kleinmütige, die wehschwedische Besucher wurde zu seiner Ueberraschung Zeuge eines er von tschechischer Nationalmusik reden. sich begeistert einsetzte, verpflichtet wirklich ift, Auf diesen Ton ist flagen, werden mit nicht immer zarten Scherzen auf ihr unmänn greifenden Konzertes in einem der Säle. Es war ein französischer Kapell- auch„ Die verkaufte Braut " gestimmt. Gleich in der Ein- liches Wesen aufmerksam gemacht; aber derfelbe, über den sich der meister, der da einen Chor von etwa 70 Personen leitete, unter dem leitung vernimmt man Moldautlänge. In diesem Flußgebiet liegt ganze Saal luftig gemacht hat, findet geradezu rührende Hilfe, wenn ein prächtiger junger Tenor, der auch Solo- Vorträge leistete, besonders auch der Schauplatz der einfachen dörfischen Handlung. Treue Liebe er zum erstenmal das Bett verläßt, oder wenn er, unfähig sich zu auffiel. Zur Aufführung gelangte eine ergreifende Tonschöpfung spielt darin die Hauptrolle. Ihr vermag selbst ein verschmigter bewegen, auf andere angewiesen ist. des Leiters, die sich„ Sonnenaufgang" nannte. Vom Konzertsaal Heiratsvermittler wie Rezal nichts anzutun. Aus der Fülle der sich
ging der Weg zur Küche, wo das Essen gekostet wurde. Die Tagesmahlzeit bestand aus vortrefflich schmeckendem Reis. 5 Tage in der Woche gibt es Fleisch, und an den zwei Tagen, wo die Fleischkost ausfällt, wird ein besonderer Zuschuß an Brot gewährt. Das regelmäßige Brotmaß beträgt auf den Kopf und Tag ein halbes Kilo. Alle Gefangenen sahen wohlgenährt aus, und die frische Luft sowie die schöne Umgebung trugen dazu bei, ihnen den Druck des Gefangenenlebens zu erleichtern.
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Musik.
ergebenden Kontraste hat Smetana seine Musif gestaltet. Sie ist so charakteristisch wie jene, besser noch, sie vertieft sie in starker Weise. Smetanas slawische Melancholie stimmt so echt wie sein Humor! und so entstand ein köstliches Wert, das auch heute noch zu frohsinniger Laune verführt.
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Notizen.
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- Vorträge. Im Institut für Meerestunde fpricht Dienstag Professor Baschin über Das Wetter in seiner heran ging. Nicht bloß in einen Rahmen von wundervoller böhmischEs ist gut, daß das Deutsche Opernhaus an die Aufführung Bedeutung für den Krieg". Freitag Dr. Glaesner über Triest und Venedig ". Vortragsreihe Profeffor Bend- Berlin : Ein sehr schwieriges Problem bildet die Arbeitsgelegenheit für Darstellung an sich haftet dies glückliche Merkmal an. Ignatz Wag- S. M. S. dörflicher Bildlichkeit wußte man hier das Werk zu setzen. Auch der Montag: Durch den Indischen Ozean in Flucht vor Emden ' und, Königsberg ." Sonn diese 15 000 Gefangenen. Vorläufig kann man am Tage durch halter kostete es wahrlich wenig Mühe, der Smetanaschen Musik das abend: Von Aden über Suez nach Malta und schnittlich nur etwa 3000 von ihnen zur Arbeit austellen; kommt ihr innewohnende Heimatkolorit zu entlocken. Es sprang aus dem Dr Gibraltar ". Dr. Traub wird in der Urania am Freitag, aber erst die warme Jahreszeit, so wird sich in Wald und Feld mehr chester, wie aus dem Gesang und Spiel auf der Bühne. Surt den 19., einen Vortrag Krieg und Kultur" halten. Am Arbeitsgelegenheit für sie finden. Die Winterbaracken haben die Ge- Frederich offenbarte wieder seinen frischen Tenor, wie ein Mittwoch( 17.) und Sonnabend( 20.) wird Herr Dr. Spethmann fangenen sich größtenteils selbst erbaut. Verschiedene Werkstätten, frisches, obzwar mehr salontirolerisches denn böhmenländliches unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder sprechen über „ Den zum Beispiel eine Tischlerwerkstatt mit einer ganzen Anzahl Hobel- Darstellungstalent. Daß Julius Lieban einen echt stotternden Sanal und die Küste Englands". Wilhelm Bölsche bänken, sind im Betriebe. Im allgemeinen ist man mit dem Fleiß Wenzel beisteuern werde, konnte man sich leicht vorstellen. Hertha spricht am 16. Februar in der Singakademie über Kampf, Heldentum und dem Betragen der französischen Gefangenen deutscherseits sehr stolzenberg gab, abgesehen von einigen schauspielerischen und Waffe in der Natur". zufrieden. Sie stehen unter dem Befehl ihrer eigenen Unter- Effektmittelchen die Marie recht hübsch und natürlich, zumal in geoffiziere, find in Kompagnien von 300 Mann eingeteilt und sanglicher Beziehung. Eduard Kandi gestaltete den Heirats- veranstaltet am Sonnabend, den 20. d. Mts., abends 8½ Uhr, im - Konzertchronit. Der Berliner Volks Chor strenge militärische Disziplin wird unter deutscher Leitung be- vermittler wirksam ergößlich. Ansprechendes gaben auch alle übrigen großen Saal der Neuen Philharmonie, Köpenicker Str. 96/97, einen plastisch und lebendig- luftig herausgearbeitet. Das Publikum ging Einlaßkarten a 20 Pf. an der Abendkasse. Die Jahrmarkts- und Tanzszenen waren recht Chopin - Abend unter Mitwirkung des Herrn Egon Petri ( Klavier). freudig mit, und so erzielte die Oper einen lebhaften Erfolg, der in der Beim 2. Konzert Dauer verspricht. Voltsbühne, Theater am Bülowplay" Sonntag, 21. Februar, mittags 12 Uhr, wird die Kammermufilvereinigung der Kgl. Kapelle mit Prof. R. Kahn am Flügel, das Klarinetten Trio und das Bläser- Quintett von Mozart aufführen. Die Barthsche Madrigalvereinigung singt Madrigale von Haßler, Orlando di Lasso und Isaat. Eintrittspreis( auch für Nichtmitglieder) 75 f.
obachtet.
Mitwirkenden.
Kleines Feuilleton.
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Ganz anders ist das Verhalten der Halbwilden, die in Bossen gefangen sind. Es stellte sich die Unmöglichkeit heraus, sie zu fainmen mit anderen Gefangenen zu halten, und man mußte fie daher in einer eigenen Abteilung unterbringen, die von einem hohen Holzzaun umschlossen und besonders streng bewacht ist. Die verbündeten Feinde der Deutschen haben, wie der Schwede bemerkt, von ihren erotischen Bundesgenossen wenig Ehre. Oft ge= raten sie mit einander in Streit, und dann spielen die Tischmesser eine Rolle. Die Deutschen nehmen auf die Verschiedenheit der Sitten und Religionen dieser Halbwilden soviel Rücksicht wie mög lich. Die Indier z. B. essen kein Schweinefleisch, die Bramahnen Dr. 2. Mehler, leitender Arzt am Krankenhaus des Bethanien- Theater geht an diesem Sonntag zum ersten Male Ibsen auch kein Rindfleisch und so erhalten diese Hammel- und Ziegen- vereins in Frankfurt a. M. Hat Beobachtungen aus dem Umgange Beer Gynt", in der Darstellung des Lessing- Theaters in Szene. fleisch, das sie sich nach ihrem eigenen Ritus allein schlachten. Von mit Verwundeten in einem Aufsaze in der Umschau" veröffentlicht. An allen anderen Tagen der Woche bleibt das Theater wegen Vors den indischen Soldaten zeigen viele Mongolentypus; andere da- Einiges daraus interessiert auch weitere Kreise. bereitung zu der am Dienstag, den 23: Februar, stattfindenden gegen gehören zur reinen Rasse und unter ihnen finden Ist der Kranke zu gewöhnlichen Zeiten schon gern geneigt, sich Erstaufführung von Goethe's , Egmont " geschlossen.
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Ueberfluß.
Von Martin Andersen Nerö.
Die Stimmung der Verwundeten.
Ein trauriger Ausdruck glitt über sein Gesicht:„ Sie haben unheimlich viel zu tun, wie immer."
" Ja, Gott sei Dank. Langweilt es Sie, allein zu liegen? Ich bin leider mitten im Plätten, aber könnte Else nicht bei Ihnen sizen bloß bis ich fertig bin?" ,, Danke schön, wenn sie will. Mich verlangt gerade jetzt so nach einem Menschen."
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Einen Augenblick darauf kam Else. Sie hatte eine Näharbeit bei sich und setzte sich ans Fenster.
So saß er da und starrte und fühlte über sich eine fingende Monotonie. Vater, Vater!" wiederholten einförmig" Das will sie gewiß mit dem größten Vergnügen. Else seine Gedanken und fuhren fort, bis ihn sein Gehirn schmerzte. ist ein gutes Mädchen." Damit stopfte sie die Bettdecke um Eine Weile fühlte er, daß er feucht von Schweiß war, dann seine Füße und ging hinunter. famt es ihm vor, als wäre sein Hinterkopf zu schwer und wollte hintenüber kippen, wenn er nicht achtgab. Hierauf empfand er eine überwältigende Müdigkeit, die fich seinen Rücken und seine Lenden hinaufschlich, bis in die Finger, wie bleierne Schwere; er hatte das schnurrende Gefühl einer Lähmung im ganzen Körper, und ein unbezwingbares Gähnen befiel ihn. Im Halbschlummer erhob er sich und ging ins Schlafzimmer, kleidete sich aus und troch ins Bett.
Er betrachtete sie aufmerksam. Dieses frischgewaschene Kattunkleid, das ihre jungen Formen bedeckte, wirkte so gefällig. Und so freundlich und anziehend anspruchslos wie alles hier im Hause. Und da saß sie nun und war bedrückt und gequält wegen seines Benehmens und wagte ihn weder anzureden noch anzusehen; und saß doch da, weil ihn danach verlangte und sie ein guter Mensch war.
Ja gewiß, sie war gut. Und ihre Mutter war gut; und fein Vater war gut. Seine Mutter vielleicht auch? Ja, sogar sie war gut!
Da lag er lange mit geschlossenen Augen und wußte nicht, ob er schlief oder wach war. Dann öffnete er die Augen, starrte verwirrt in die Luft und bewegte die Lippen ein wenig. Mit schmerzlichem Ausdruck flüsterte er vor sich hin, schwieg und flüsterte, und die Stimme kam zum Durchbruch in gedehnten, unverstindlichen, unheimlichen Klagen. Sie stiegen an zu einem Schrei und fielen wieder zu gedämpftem Singen. Sie zudte ein wenig zusammen und drehte sich halb nach Seine Wirtin klopfte an und trat ein. „ Aber
,, Aber Herr Bauder, sind Sie krank geworden? Ich dachte mir ja, daß etwas nicht in Ordnung sei, als ich hier drin jemand stöhnen hörte."
Da er nicht antwortete, ging fie zum Bett hin und zog die Decke von seinem Gesicht fort.
Steht es so entsetzlich schlimm um Sie?" fragte sie teilnehmend und befühlte seine Stirn. Sie Aermister, Ihr Kopf ist ja ganz heiß. Es ist gewiß das Beste, daß Else den Arzt holt."
,, Glauben Sie nicht, daß alle Menschen gut sind, Fräulein Else?" fragte er.
ihm um. Doch," sagte sie, sie
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Aber es legte sich etwas über ihre Stimme und hinderte sie daran fortzufahren. Was wollten Sie sagen?" fragte er unruhig. -sie- möchten es gewiß gerne sein," stotterte sie und beugte sich tief über ihre Arbeit.
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,, Es ist ihr peinlich, mit mir zu sprechen," dachte er langsam. Und da muß ich still sein, denn alle möchten gewiß gerne gut sein." Er fuhr fort, sie zu betrachten, und wunderte sich über die kleine Hand, die so geduldig Stich an Stich fügte, so nußlos, so nublos, wenn man in Betracht zog, was an Energie, Verstand, Fertigkeit und Geduld in Bewegung gejetzt werden mußte, um diese unbedeutenden Stiche zu schaffen. Die verwickeltste, wunderbarste aller Maschinen, damit beein schäftigt, Fäden aus und einzuziehen, damit ein Taschentuch, das acht Dere kostete, am Rande nicht ausfranste.
Lächelnd schüttelte er den Kopf. Die ruhige Ueberlegenheit dieser einfachen Frau tat ihm wohl. Nein, ich danke Ihnen, ich brauche keinen Arzt," sagte er.
,, Möchten Sie denn nicht etwas Gutes haben Glas Wein?"
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,, Nein, ich bin bloß so müde. Wenn ich mich richtig ausgeruht habe, dann ist, denke ich, das Ganze überstanden." Wir wollen's hoffen. Na, ich muß jekt zu meiner Wäsche hinunter- ich werd nachher nach Ihnen sehen."
Geduld, Geduld! durchfuhr es ihn, und er fühlte, wie er in matten Schweiß geriet; er spürte die milde Kühle um seine Stirn, während der Schweiß verdampfte, und hatte das vage Bewußtsein, daß er jezt einschlief.
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Als er die Augen aufschlug, stand Else hinter seinem Kopfkissen und betrachtete ihn; sie stigte sich mit beiden Händen auf das eiserne Bett und beugte sich vor. Er hatte die unklare Empfindung, daß sie ihm die Stirn abgewischt hatte.
Sie wurde verwirrt, doch er lächelte ihr zu, und um ihre Verwirrung zu verbergen, hob sie das Kopfende seines Bettes, senkte es wieder und lachte kindlich. Er aber streckte seine Arme hintenüber, faßte sie um beide Handgelenke und betrachtete sie eindringlich. Und sie beugte sich tiefer und tiefer, bis ihr Mund den seinen berührte. Dann richtete sie sich verstört auf und lief aus dem Zimmer.
Nicht lange darauf kam ihre Mutter herein. ,, Nun bin ich fertig für heute," sagte sie vergnügt, aber iekt machen Sie sich vielleicht nicht einmal etwas aus meiner Gesellschaft?"
Doch, bleiben Sie ein wenig hier, da Sie ja doch nichts dabei versäumen. Sie sind immer so guter Laune!"
Ja, ich habe reichlich zu arbeiten und das Recht zu tun, was ich will."
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Solange Sie nichts tun, was gegen den guten Ton ist?" " Darauf nehm ich wirklich keine Rücksicht, wenn ich selbst eine andere Ansicht habe."
,, So sagen alle, und wenn's darauf ankommt, dann... Aber es ist nicht der Mühe wert, Worte daran zu verschwenden. Wo ist Fräulein Else, ist sie zur Stadt gegangen?"
,, Nein, sie siẞt unten und unterhält ihren Vater." " Ihren Vater? Aber lebt er denn?" fragte Bauder und richtete sich auf dem Ellbogen auf.
" Ja, wissen Sie das nicht? Ich dachte, es wäre allgemein bekannt."
„ Ich habe dies und jenes gehört, hielt es aber mehr für Stadtklatsch. Und Sie bekommen Besuch von ihn, von Ihrem von dem Vater des Mädchens!"
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Ja, das heißt, er kommt einmal im Jahr, um mir Geld anzubieten und um meine Hand anzuhalten, wenn Sie es denn durchaus wissen wollen."
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,, Nun wird es mir wohl zu verwickelt," sagte Karl und legte sich müde zurück.„ Ein Mann, mit dem Sie eine achtzehnjährige Tochter haben, kommt hierher, besucht Sie und hält um Ihre Hand an. Und Sie nehmen ihn nicht, obwohl Sie ein Kind mit ihm haben, machen sich also gar nichts aus ihm? Er hat Sie doch wohl verführt, Sie betört, wie man es nennt, ohne daß Sie eigentlich etwas für ihn empfanden?" ( Forts. folgt.)
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