Nr. 52.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Amsel, du Friedensfängerin.

Amsel, du Friedenssängerin, bist du schon wach,

Da Nacht sich über der Erde noch wölbt gleich einem Dach? Dder hüllt deine Seele der Schlaf nur leicht wie Flaum Und singst du im Dunkel, wie Kinder reden im Traum? Noch seh ich dich nicht, du Verborgne im Lindenbaum, Aber dein Singen schau ich im Finstern klar! Das strähnt durch die Luft wie feuergoldenes Haar.

so singe du, Freundin, strömt über in tiefster Nacht, Dann scheint der Tag, noch che der Morgen erwacht. So groß ist seine Helle; ich sehe das Dunkel nicht Gesang ward Licht!

Fridolin Hofer.  *)

Der wirtschaftliche Dämmerschlaf.

Kn. New York  , 27. Januar 1915. Einer der beliebtesten und wirkungsvollsten sozialistischen   Agi­tatoren in den Vereinigten Staaten   ist der Genosse Oskar Ame­ ringer  . Ameringer trägt seine mit köstlichem Wih und treffendem Humor gehaltenen Agitationsreden ebenso gut in der englischen wie in der deutschen Sprache vor oder vielmehr in der schwäbi­schen Sprache. Denn der vor 30 Jahren nach den Vereinigten Staaten   ausgewanderte" Dutchman" spricht seine Muttersprache noch genau so, wie sie im Schwabenländle gesprochen wird. Er war von den amerikanischen   Genossen zum Wiener Kongreß   delegiert worden und sollte auf seiner Reise durch Deutschland   eine Reihe Vorträge halten. Doch der Krieg brach aus, gerade als er von seinem heimatlichen Milwaukee in New York   angekommen war und das Schiff besteigen wollte.

Eine Probe des Ameringerschen Humors liefert folgende Be­trachtung, die jetzt die Runde durch die amerikanische   Parteipresse macht. Die Sache behandelt den hier viel diskutierten Dämmer­schlaf, den neuerdings die Aerzte zur Erleichterung der Geburt eingeführt haben. Ameringer schreibt dazu:

" Die in folgender Abhandlung enthaltenen wissenschaftlichen Angaben sind von meinem gelehrten Mitarbeiter Dr. J. K. Jaffe von Philadelphia   geliefert worden, aber die Anwendung der Daten auf die Volkswirtschaft ist gänzlich meinen eigenen Bemühungen zuzuschreiben.

Der Dämmerschlaf ist ein Zustand intensiver Lethargie, während der der Patient ganz wach ist. In diesem Zustand ist er sich wohl bewußt, was um ihn herum vorgeht, ohne gewahr zu wer­den, was mit ihm selbst geschieht. Während ihn das Leiden anderer tief ergreift, kann er, ohne zu wissen, das ihm etwas weh tut, großen Schmerz erdulden. Wenn der Chirurg eine Anzahl vitaler Organe des Patienten entfernt, ist dieser sich bewußt, daß sie ihm genommen worden sind, aber er erkennt sie als sein Eigentum nicht wieder, und wenn er während der Operation stirbt, kann er sich des Ereignisses nicht entsinnen. Nach dieser etwas knappen aber bemerkenswert klaren Auseinandersetzung werden wir jetzt zur Technik der Operation kommen.

In der wirtschaftlichen Chirurgie wird der Dämmerschlaf durch die Einsprißung eines von Humbug, Dunst und überhitter Atmo­sphäre zubereiteten Serums herbeigeführt. Die Einsprißung muß in dem Alter von 7 bis 14 Jahren täglich vorgenommen werden. Nach dem vierzehnten Jahre genügt eine wöchentliche Einsprißung, um den Patienten zum Zwed der täglichen Operation in dem er­forderlichen bewußtlosen Zustand zu erhalten.

Mittwoch, 3. März.

schämten Forderungen der Gewerkschaft der Fuhrleute ihre ge- Troz des Montags war der Besuch, wenn nicht überreichlich, so doch wöhnliche Dividende nicht zahlen konnte." Trägt eine kleine Schere recht erfreulich. Arensen wurde mit starkem Beifall und öfteren in der Westentasche, mit der er, wenn er die Kunden nicht bedient, Hervorrufen bedankt. Das Haus war überhaupt spannungsselig ge­seine Manschetten und Hosenränder glatt schneidet. stimmt.

Fall 2. A. Ivory Nudel, früher Angestellter der Uhrenfabrik Saltham. Besizer des Weltrekords in der Uhrmacherei, da er in 30 Jahren 300 000 18- tarätige Salthamsche Uhren mit 20 Rubinen zusammengesett hat. Wurde im Alter von 42 Jahren wegen Altersschwäche entlassen. Brach den Hals, als er einem Taschen­diebe nachlief, den er bemerkt hatte, als dieser seinem früheren Arbeitgeber, Herrn Saltham, eine Uhr klaute. Die Gesellschaft Saltham segnend, verschied er und hinterließ sein aus einer Uhr mit Nickelgehäuse bestehendes Vermögen seiner Witwe.

Kleines Feuilleton.

Die Stefanssohnsche Polarexpedition.

ek.

Eine ergreifende Erzählung der Leiden und Entbehrungen, die die Mannschaft der Karluk", des Schiffes der unglücklichen Stefanssonschen Nordpolar- Expedition, zu überwinden hatte, gab Nr. 3. George Tell, Bankangestellter. 18 Jahre lang mit der einer der Ueberlebenden, Hugh Williams  . Er berichtete davon, wie selben Dame verlobt, da es die Geschäftsregeln nicht gestatten, daß die Karlut" von der Nordküste von Alaska   zwischen den schnec= Angestellte, die weniger als 60 Dollar den Monat verdienen, bedeckten Eispyramiden westwärts getrieben wurde, nachdem heiraten. Hält sich 8 Stunden den Tag im Kontor auf. Unab- Stefanssohn im September 1913 mit einem Teil der Gesellschaft hängig in der Politik. Ist dagegen, daß man sich an politische gelandet war, um frisches Fleisch zu erlangen; man hat von ihm Barteien fesselt, aber stimmt, wie der Chef befiehlt. Gehört der bekanntlich seitdem nichts mehr gehört. Die Leute der" Karlui" Staatsmiliz an und ist eingeschriebenes Mitglied der Gesellschaft trieben so fünf Monate lang. Dann wurde das Schiff von den der Söhne der Freiheit". Versetzte seine Uhr, um einen Gesell- Eismassen in Stücke zermalmt und sant. Da man dies Schicksal schaftsanzug zu mieten, in dem er auf dem Prosperitätsdiner des der Karlut" vorausgesehen, hatte man den größten Teil der Vor­Handelsklubs erschien. räte bereits vor dem Unglücksfall, dem 10. Januar 1914, nach un­säglich harter Arbeit gerettet. Das Ausladen war auch äußerst gefährlich, da es in dichtester Dunkelheit geschah und große gähnende Risse im Eis rund um das Schiff bei dem geringsten Fehltritt das Hinabstürzen in einen Abgrund in Aussicht stellten. Es gelang, Fall 5. O. U. Boob  . Unorganisierter Maurer. Kann schlecht die Nahrungsmittel auf Schlitten auf ein sicheres Eisplateau etwa sehen, was davon herrührt, daß er beständig nach Arbeit ausschaute. 100 Meter vom Schiff zu bringen; ihr persönliches Eigentum aber Sehr stolz darauf, daß er feiner Gewerkschaft angehört. Sagt, er mußte man zurücklassen. In zwei Häusern, von denen das eine würde lieber ins Gefängnis gehen, als seine Freiheit verlieren. aus Schnee und das andere aus Kisten mit einem Dach aus Segel­hat seit 6 Monaten feine Arbeit. Behauptet, jeder, der arbeiten tuch erbaut war, erwarteten die Leute der Karlut" nun in der wolle, könne Arbeit finden. Arbeitet seit dem neunten Jahre. Jit langen Dunkelheit den Tag, wo die Sonne ihnen das notwendige jetzt 53 Jahre alt. Hat während seines Lebens ein Paar Ueber- Licht spenden würde, um ihre Vorräte nach der Wrangellinsel, ziehhosen und eine beträchtliche Quantität Rheumatismus er- 125 Kilometer von ihrem Lager entfernt, zu bringen. Auf dieser worben. Ist ein erbitterter Gegner des Sozialismus, weil er nicht Fahrt verloren sie dann acht Mann; wie sie umkamen, ist in an das Teilen" glaubt. Dunkel gehüllt. Man sah sie noch 6 oder 7 Kilometer vor der Insel, und dann wurden sie nicht mehr gesehen.

Fall 4. S. Uder. Arbeitete früher in einer Fleischkonserven­fabrik. Erhält jetzt sein Leben, indem er aus Kästen hinter den Restaurants Nährwerte abstrahiert. Eagt, daß schwere Zeiten durch zu üppiges Leben hervorgerufen werden.

Fall 6. Adam Feger, abgelegter städtischer Beamter von der Knüppelbrigade. Bemerkte, als er in der Brotreihe( die Reihe der Almosen empfangenden Obdachlosen) stand: Pah! diese Brotreihen sollen unserem Lande Schande machen? Ich habe schon welche ge­sehen, und ihr sollt mir erst den Ort zeigen, wo man längere Brot­reihen hat, als hier in Gottes eigenem Lande. Wenn euch unsere Brotreiben nicht gefallen, so geht doch in das Land zurück, woher ihr tamt."

Wir bedauern sehr, diesen Bericht über den wunderbaren Er­folg des Dämmerschlafs, wie er auf die unteren Klassen ange­wendet wird, abbrechen zu müssen; wir hoffen jedoch, daß genügend Beweismaterial erbracht worden ist, um die Aufmerksamkeit des Rockefeller- Instituts zu erregen, das schon so viel zur Erforschung des Gaunerwurms und anderer Krankheiten der ,, unferen Schichten" beigetragen hat.

Die Reise bis zur Wrangell  - Insel dauerte vom 27. Februar bis zum 12. März. Muf der Insel führten sie nun sechs Monate lang ein Leben unter den größten Entbehrungen. Die Gesellschaft bestand noch aus 18 Weißen, 4 Estimos, einem Eskimo- Baby und einer Kaze. Drei Weiße starben an Geschwülsten, die eine Folge " Tagelang", erzählte der Entbehrungen in der Eiswüste waren. Williams, lebten wir von Seegras und Wurzeln. Einmal hatte ich keine Nahrung 14 Tage lang. Vier Tage lang zu hungern, machte uns nicht viel aus. Aber wenn man dann länger mit leerem Magen in der Hütte bleiben mußte, in der Dunkelheit seinen Ge­danken überlassen, und nicht herauskonnte, weil die furchtbarsten Schneestürme wüteten, dann war es schrecklich. Wenn es irgend anging, schossen wir Tiere, und die Eskimos stellten sehr geschickt Fallen auf. Zu trinken hatten wir reichlich: geschmolzenen Schnee, Die Anwendungsmöglichkeiten des Dämmerschlafs sind eben den wir fochten." Einmal brach Williams durch dünnes Eis, erst erkannt worden, und unsere führenden Bürger könnten keine stürzte in die Tiefe und wurde nur mit großen Schwierigkeiten bessere Anlage machen als die, in freigebiger Weise zur allgemeinen gerettet. Zwei Nächte lang blieb er in seinen gefrorenen Meidern, Anwendung beizusteuern. Eine Arbeiterklasse, die sich der bevor sie ihm abgeschnitten werden konnten, und dann war eine Schmerzen nicht bewußt ist, wenn man an ihr operiert, ist der Zehe so erfroren, daß sie ihm abgenommen werden mußte, um das größte Segen, den sich ein kapitalistisches Land wünschen kann. Als Bein zu retten." Das geschah mit einer Säge, dauerte ziemlich Am 7. September Gegengift gegen den Sozialismus, die Gewerkschaftsbewegung oder lange, und Betäubungsmittel gab es nicht." irendeine andere Lehre, die zum Denken anregt, ist der Dämmer- 1914 wurden sie endlich von einem amerikanischen   Kutter gerettet. schlaf absolut unübertroffen." " Niemals werde ich diesen Tag vergessen," rief Williams aus. " Ich will an diesem Tag fünftighin nicht arbeiten; ich will ihn feiern!"

Musik.

Verdis

Des Parisers Heimkehr am Abend. In den amüsanten Federzeichnungen von Paris  ", in denen das" Journal des Débats  " die Veränderungen im Leben der Sonnenstadt" durch den Krieg stimmungsvoll festhält, lesen wir folgende Schilderung der abendlichen Heimkehr":

"

Millionen Arbeiter sind schon operiert worden, während sie sich Friedrich Wilhelmstädtisches Theater. unter dem Einfluß des Dämmerschlafs befanden, ohne den ge= Troubadour" bewährt sich, was man auch sagen mag über ringsten Schmerz zu verspüren, wenn man sie von dem Produkt die Räuberromantik der tertlichen Unterlage, noch immer als Zug­ihrer Arbeit trennte. Die gewöhnlich eintretende Nervenerschütte- ftüd besserer Art. Und das tat die blühende, glühende Mufit. Die rung nach der Operation bleibt gänzlich aus, und der Patient merkt Aufführung am Montag hatte trog einzelner Störungen leidenschaft feinerlei Verlust. Unglücklicherweise verbietet der Raummangel, lichen Schwung. Heinz Arensen, der den Manrico fang, vermochte" War das wirklich der belebteste Platz des Montmartre? Man mehr als ein paar charakteristische Fälle anzuführen. hier sich im Glanze seiner schönen Stimme und seines von Gesangs  - unterschied in der schwarzen Nacht kaum einen ungewissen Halb­Fall 1. Clarence Kaflunt, Angestellter in einem Warenhaus, fultur zeugenden Vortrages zu offenbaren. Er war gut disponiert; treis düsterer Fassaden. Der äußere Boulevard verlor sich in Herrengarderobe. Gehalt 45 Dollar den Monat. Bewohnt mit das hohe C in der Kerkerarie tam hellschmetternd heraus. Auch tiefem Schweigen. Die Menge, die aus dem Theater kam, zögerte, cinem anderen jungen Mann Hausflurstube. Redet von seiner Hermann Kant ist ein fräftiger Baßbariton. Sein Graf Luna wurde| tastete sich suchend vorwärts und teilte sich endlich nach drei oder Schlafkammer als seinem Junggesellengemach". Nennt das Ge- sehr resolut und mit dramatischer Spielgeschicklichkeit gegeben. Rosa vier verschiedenen Richtungen. Hier und da erschien in der Ferne schäftshaus, das ihm den fürstlichen Lohn zahlt, unsere Firma". Sachse- Friedel war eine eindrucksfähige Zigeunerin Azucena. Und eine Droschke, und sie war sogleich von Leuten umringt, die dieses Beklagt sich bitter darüber, daß unsere Firma wegen der unver- die Gräfin Leonore ist bei Hanna v. Granfelt vortrefflich auf- feltene Gefährt für sich erobern wollten. Aber der weitaus größte gehoben. Die Chöre flangen allerdings schwach und unrein. Otto Teil der Besucher trat zu Fuß den Heimweg an, wie man es in der *) Dieses Gedicht eröffnet das 1. Märzheft des Kunstwarts". Ürack hält aber das Orchester wie die Sänger energisch zusammen. Provinz macht. Die Nacht war milde und alles so ruhig, daß man Wasser. Frau Sörensen wollte sie verurteilen, fühlte sich aber sie dann unter den Arm und ging landeinwärts, wobei er unsicher. von Zeit zu Zeit den Kopf drehte und ein Nicken zurück­zuschmuggeln versuchte.

52]

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

21.

Mit einem wunderbaren Gefühl von Jugend und Spannung spürte Frau Sörensen die Schiffsplanken unter sich und sah die Arme des Fiords sich öffnen und das Land zurückweichen.

Sie ging auf dem Deck auf und ab, aufrecht, mit elasti­schen Schritten, und sah den Passagieren fed ins Gesicht. Das Bewußtsein, daß sie ihrem Schicksal überall und in jedem Augenblick begegnen konnte, machte ihren Blick wachsam, fast zudringlich- forschend, was von mehr als einem Manne miß­verstanden wurde. Aber sie wies alle mit zornigem Erstaunen über ihre Frechheit zurück.

Wie das Große kommen sollte, wußte sie nicht. Sie hatte nichts Bestimmtes mit Bezug auf die Reise beschlossen, wollte nichts beschließen der Zufall sollte ganz ent­scheiden.

Am Abend hielt sie sich im Decksalon auf, wo einige Reisende saßen, Toddy tranfen und Karten spielten. Sie war nicht dazu aufgelegt, zu Bett zu gehen, sondern gudte in eine Zeitung, ein helles Lächeln im Gesicht; in Wirklichkeit ver­folgte sie alles, was die Reisenden sagten und taten, mit großem Interesse.

Und hier stand sie selbst ganz ratlos, bis der Steuermann fam und sie bat weiterzugehen. Da begab sie sich ans Land. Ein Droschkenkutscher rief sie an, und sie ging zu ihm. Wohin wollen Sie?" fragte er. Das weiß ich nicht doch, ich möchte gern in ein sehr billiges Hotel."

-

Und diese schielten nach ihr hin, ihre Anwesenheit war ihnen offenbar lästig, aber sie gab sich den Anschein, als Weiter nichts. Das ist ebenso einfach wie auf zwei merkte sie nichts. Und allmählich legten sie sich keinen Zwang Beinen zu gehen. Wie billig darf es sein?" fragte er grinsend. Holla, Petersen! Ach so, Sie sind wohl besezt?" er­mehr auf, vielleicht in der Hoffnung, sie zu vertreiben. Sie fluchten und sagten allerlei Zweideutigkeiten, und einer von tönte eine flotte Stimme, und der dicke, kahlköpfige Reisende ihnen, ein dicker, kahlköpfiger kleiner Bursche mit dünnem fam mit zwei großen Handkoffern herbeigewatschelt. Den blonden Schnurrbart, der über den Mund herabhing, wie eine Sut hatte er im Nacken, und große Schweißperlen saßen auf Dachtraufe, fing an, von Susanne und drei, vier anderen seiner Stirn. Straßenvögeln zu erzählen, mit denen er in letzter Zeit Freundschaft geschlossen hatte. Das mit den vielen stieß sie ab, doch sonst fand sie es schön, schöner wenigstens als ihre eigenen Erlebnisse.

Ja, ich soll die Dame hier fahren; sie weiß bloß nicht, wohin sie will."

Vielleicht könnte ich Ihnen helfen, gnädige Frau," ficl der Agent ein. Wollen Sie zu Verwandten?"

,, Nein, ich wollte in ein recht billiges Hotel." Aber das trifft sich ja ausgezeichnet," rief der Agent mit wirklicher Freude. Ich wohne in den billigsten Hotel der ganzen Stadt von ordentlichen Hotels wenigstens- und Sie könnten auf eigene Faust nie etwas bloß annähernd Gutes finden, und wenn Sie doppelt soviel bezahlen würden. sch meine alfo, Sie sollten sich in den Wagen seßen und mir alles übrige überlassen; Sie dürfen ja, falls Ihnen das besser gefällt, Ihren Anteil an der Fahrt selber bezahlen."

Frau Sörensen setzte sich in den Wagen. Sie fühlte sich nicht mehr unglücklich; es war doch so eine Art von merf­würdigem Erlebnis, wenn zwei wildfremde Menschen zuerst mit demselben Dampfer fuhren, dann eine Droschke benutzten und endlich in demselben Hotel abstiegen. Sie lehnte sich hintenüber und ließ sich unterhalten, während ein helles Lächeln auf ihrem Gesicht lag.

,, Du darfst die unschuldigen Kleinen nicht ärgern," sagte Dort am Lande saß er, der arme Mensch, dem sie heute ein anderer und blinzelte ihr zu. Da stand sie auf und ging. vormittag aus reinem Pflichtgefühl entgegengekommen war. Als sie übers Deck ging, sah sie das junge Mädchen und Er hatte sie verschmäht und glaubte vermutlich, daß sie eine den Herrn, der sie angesprochen hatte, im Dunkeln unter der Niederlage erlitten habe. Aber sie fühlte keinen Groll gegen Kommandobrücke aneinander gelehnt fizen; sie schmiegte sich ihn, nur ein wenig Wehmut, wie einer, der das eigene Glück ganz an ihn, und seine Reisedecke hüllte sie beide ein. Frau auf Kosten eines anderen wachsen sieht. Sörensen mußte sich ans Herz greifen, so weh tat es in ihr Ein junges fräftiges Mädchen ging auf dem Deck auf von unerklärlichem Rummer. Sie wankte in ihre Kajütte und ab. Sie schlenderte sorglos, drehte sich auf dem Abjab hinein und warf sich in ihre Koje; und da lag sie lange mit und summte, manchmal leckte sie sich mit der Zunge an der zusammengepreßten Lippen und in schweren Gedanken. Aber Oberlippe. Auch sie harrte des Großen, in ihrem ganzen dann schlief sie ein und träumte, sie fäße auf Deck und lehnte unbewußt- herausfordernden Verhalten sah man, daß sie bis- sich an den jungen Mann. Er deckte sie mit seiner Dede zu, her nur ahnte noch hatte sich ihr Störper unter den und ihr war wohl zumut, aber sie flüsterte trotzdem: mich Händen keines Mannes geformt. Ja, sie wußte, ohne zu friert, damit er sie noch mehr einhüllen und um sie besorgt wissen, das erkannte man an der Behendigkeit, mit der ihr sein sollte. Und sie machte sich ganz klein und bohrte sich ganz Blick dem der Männer auswich, obwohl er sonst überall war in ihn hinein-- -eben voll Neugier. Frau Sörensen aber war ganz wissend, Als das Schiff am Morgen angelegt hatte und Frau Der joviale Agent war cin sehr unterhaltender Herr, der und das war eine Notwendigkeit, um das Glück zu kennen Sörensen an Land gehen wollte, blieb sie mitten auf der im richtigen Verhältnis zu erzählen und auszuforschen ver­und festzuhalten. Landungsbrücke stehen und fragte sich, was sie nun tun solle. stand. Sein eigentliches Fachgebiet war Sognak, aber er war Sie wußte weder aus noch ein, während die Leute sich zu sehr geborener Geschäftsmann, irgendeine Gelegenheit murrend an ihr vorbeidrängten. Das junge Mädchen ging vorübergehen zu lassen; unter anderem hatte er sich bei dem Aber es durchzuckte sie, als sie sah, daß das junge Mäd- vorüber und ficl einer älteren Dame, wahrscheinlich ihrer Hotelwirt auch Prozente ausbedungen. Es kam also darauf chen sich von einem ihr offenbar ganz fremden Herrn anreden Mutter, in die Arme; der junge Herr ging vorbei, eilte mit an zu erfahren, wie lange diese eigentümliche Durchgängerin ließ. Und sie wandte ihm nicht den Rücken, sondern ant- einem leichten Ausruf vorwärts und gab einer zarten jungen in der Stadt zu bleiben gedachte. | wortete sie stand bloß seitlich nach ihm hin und starrte aufs Dame- natürlich seiner Verlobten einen Streiffuß, faßte

Unwillkürlich ahmte sie die Jungmädelbewegung der anderen, ihr sorgloses Wesen nach.

-

( Forts. folgt.)